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Schlagwort: Alleinsein

Paul Auster: Baumgartner

Paul Auster: Baumgartner

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Paul Auster beschäftigt sich in seinem vorliegenden Roman mit Abschied und Tod.

Zu Beginn sitzt sein Protagonist Seymour Baumgartner am Schreibtisch und arbeitet. Er will eben noch seine Schwester anrufen, und schnell befindet man sich mitten im Leben des 72 Jährigen.
Er ist emeritierter Professor der Phänomenologie und lebt seit vielen Jahren alleine. Seine Frau Anna kam vor zehn Jahren bei einem Unfall ums Leben.
In seinen Gedanken ist sie immer noch mit ihm bei allem täglichen Geschehen und in den Nächten, wenn er wach liegt und nachdenkt, wie alles gekommen ist.

In unvergleichlicher Weise werden wir Zeuge, wie das Leben sich verändert hat. In den Erinnerungen und in Aufzeichnungen von Anna, die er gefunden hat, wird über das Kennenlernen und das Leben zu zweit berichtet. Die sechziger Jahre werden lebendig mit ihrem Aufbruch in Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft. Der Vietnamkrieg mit allen Folgen für Familien und Freunde wird gegenwärtig.

Anna war eine Rebellin. Sie hat das reiche Elternhaus hinter sich gelassen und arbeitet in New York in einem kleinen Verlag. Anlässlich eines ungewöhnlichen Ereignisses auf ihrem Heimweg in der Nacht sucht sie bei ihrem Freund und Geliebten Sy, wie er genannt wird, Hilfe. Er macht ihr einen Heiratsantrag. Sie stimmt ihm nach einer glücklichen Nacht freudig zu. In so vielen Dingen waren sie in Übereinstimmung miteinander!

Diese Beziehung dominiert den Roman. Anna und Sy haben eine enge geistig-mentale innere Bindung, die ihresgleichen sucht. Hier denkt man unwillkürlich an das Paar Auster und Siri Hustvedt, die in New York als DAS Intellektuellenpaar gelten mit einer ebenso engen und unverbrüchlichen inneren Bindung.
Im Roman muss Sy schon so viele Jahre alleine leben!

In poetischen Bildern erleben wir ihn bei Betrachtungen der Natur, bei der Erinnerung an einen engen Freund, der im Zuge des Vietnamkriegs tödlich verunglückte und immer wieder in fast surrealen Begegnungen mit der toten Anna. Gespräche, die er in Gedanken mit ihr führt, werden im Wechsel mit seinem täglichen Leben äußerst realitätsnah beschrieben.

Vor uns ersteht ein New York, das in besonderer Weise charakteristisch war oder auch heute noch ist: intellektuell, dynamisch und voller Gegensätze zwischen arm und reich. Gesellschaftlich schien dieser Ort der Mittelpunkt der Welt zu sein. Hier entstanden Freundschaften und bildeten sich Lebensgemeinschaften zu gemeinsamen Spaß, zur Unterhaltung und zu geistigem Austausch. Durch alle Turbulenzen hinweg blieb die Beziehung zwischen Sy und Anna unerschütterlich.

In dem Roman gleiten kleinere Abschweifungen in die Vergangenheit über in die Gegenwart.
Man erkennt klare Strukturen: Vergangenheit, Gegenwart und Bezüge zwischen beiden.
Da geht es weit zurück die Familiengeschichten von beiden Partnern.

Auster beschreibt das Leben, wie es nach dem Tod eines sehr geliebten Menschen sein kann, wenn man fast symbiotisch verbunden war.
Unschwer erkennt man autobiographische Züge, denn Paul Auster hat Krebs und verarbeitet in diesem Roman fiktiv das Leben nach dem Ende eines Partners.

Die Erzählung ist zärtlich, traurig, suchend und zeigt das Bemühen, nach so vielen Jahren nochmal eine Gefährtin zu finden. Ob es ihm gelingen wird?
Eine gewisse Melancholie ist unübersehbar.

Paul Auster kann schreiben! Gelegentlich denkt man beim Lesen an Philip Roth.
Beide gelten als Titanen der Literatur!

Paul Auster
Baumgartner
Rowohlt Buchverlag, 2. Auflage November 2023
208 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3498003933
ISBN-13: 978-3498003937
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Mathijs Deen: Unter den Menschen

Mathijs Deen: Unter den Menschen

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Jan wohnt allein auf einem abgelegenen Bauernhof an der Nordsee. Seine Eltern hatten ihm dem Hof übergeben und waren ins Dorf gezogen. Aus ihren Reiseplänen ist nichts geworden. Sie sind bei einem Unfall ums Leben gekommen. Von seiner Mutter ist ihm ein tägliches Mittagessen geblieben. Die Gefriertruhen sind voll davon. Das Essen hilft allerdings nicht gegen die Einsamkeit, schon gar nicht im Winter, wenn es nichts zu tun gibt auf dem Hof. Wie gerne hätte er eine Frau! Tatenlos ist er nicht, der Bauernsohn gibt eine Anzeige auf.

So kommt Wil auf seinen Hof. Jan weiß nicht, dass sie keinen Mann und keine Liebe sucht. Sie will ihre Ruhe und in einem Haus am Meer leben. Sie ist bereit, sich ein Stück weit anzupassen. Sie hat sich eine Identität verpasst, die Jan gefallen muss. Und was ihm gefällt, so glaubt sie, hat sie erkannt. Ohne dass er es weiß, hat sie ihn auf die Probe gestellt.

Von Anfang an besteht eine große Distanz zwischen den Figuren. Das stellt der Autor gut dar. Wil und Jan reden nicht viel. Jeder hat seine eigenen Probleme. Wil hat nicht vor sich auf Jan einzulassen, und Jan merkt, dass er vorsichtig mit ihr umgehen muss. Er ist ein gutmütiger Mensch, der viel verzeihen kann. Dennoch ist es ein seltsames Miteinander. Und man kommt nicht umhin, darüber nachzudenken, was eine gute Beziehung eigentlich ausmacht.

Der Schreibstil wirkt recht nüchtern. Die Handlung ist auf Wesentliches begrenzt. So scheint das Buch wie seltsames Experiment. Und trotzdem geht die Geschichte zu Herzen. Jan und Wil tun sich schwer damit, aber sie nähern sich, aus Mangel an besseren Möglichkeiten, auf eine subtile Weise aneinander an. Es ist faszinierend, das zu beobachten und sich auszumalen, wie es weitergeht. Es ist kaum vorstellbar, dass die beiden zusammenbleiben. Aber die Alternative ist ja, wieder in das alte Leben zurückzukehren und das will auch keiner. Die merkwürdige Beziehung entwickelt sich also fort. Und wie es so ist, keine Entscheidung zu treffen, ist auch eine Entscheidung.

Rezension von Heike Rau

Mathijs Deen
Unter den Menschen
Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke
192 Seiten, gebunden
Mareverlag
ISBN-10: 3866482809
ISBN-13: 978-3866482807
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Brooke Davis: Noch so eine Tatsache über die Welt

Brooke Davis: Noch so eine Tatsache über die Welt

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Millie Bird ist gerade mal sieben Jahre alt, als ihr Vater stirbt. Ihre Mutter wird damit nicht fertig und lässt Millie eines Tages einfach im Kaufhaus allein. Das Mädchen wartet. Irgendwann muss die Mutter ja wiederkommen. Sie begegnet Karl, einen alten Mann, der auch einen Verlust erlitten hat. Seine Frau ist verstorben. Im Altersheim, in das sein Sohn ihn gebracht hat, will er nicht bleiben. So streift er umher. Das Kaufhaus ist sein neues Zuhause geworden. Er wird zu einer Bezugsperson für Millie.
Auch Agatha interessiert sich bald für das Mädchen. Sie beobachtet das Haus, in dem Millie mit ihren Eltern gelebt hat und das jetzt unverständlicherweise leer ist, obwohl niemand ausgezogen ist. Sie bemerkt bei ihren Beobachtungen, dass Millie allein ist. Erfährt von ihr, dass ihre Mutter weggefahren ist, denn im Haus hat das Mädchen einen Reiseplan gefunden. Auch Agatha ist allein, seit ihr Mann gestorben ist.
Karl und Agatha brechen aus ihrer Einsamkeit aus, um Millie zu helfen und ihre Mutter zu suchen.

Keiner der drei Protagonisten hat einen Platz im Leben. Das macht die Autorin deutlich. Verlust und Trauer lähmen. Das Alter setzt Agatha und Karl gehörig zu. Beide warten einfach ab. Aber so einfach stielt man sich nicht aus dem Leben. Als sie Millie begegnen, beginnen sie wieder Verantwortungsbewusstsein zu empfinden. Wer sonst soll sich um das kleine Mädchen kümmern? Taten folgen. Und so ist das Leben plötzlich wieder spannend. Es wird viel von den beiden Erwachsenen gefordert, die sich zurück ins Leben wagen. Die Autorin beschreibt dies sehr einfühlsam und nicht ohne Humor. Es ist immer die Frage, wie man scheinbar ausweglosen Situationen begegnet. Und ist man nicht mehr allein, wird es leichter. Doch Karl und Agatha tun sich schwer, Nähe zuzulassen. Es ist ein Prozess, den die Autorin immer weiter entwickelt. Das Buch geht zu Herzen, auch wenn es Situationen gibt, die der Leser sicher erst nachvollziehen kann, wenn er selbst ein gewisses Alter hat.

Rezension von Heike Rau

Brooke Davis
Noch so eine Tatsache über die Welt
280 Seiten, gebunden
Verlag Antje Kunstmann
ISBN-10: 3956140532
ISBN-13: 978-3956140532
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Amanda Noll: Ich brauche mein Monster

Amanda Noll: Ich brauche mein Monster

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Der kleine Tom hat ein Monster unter dem Bett. Er mag es gerne, denn ohne das Monster kann er nicht einschlafen. Eines Tages ist das Monster weg. Es hat einen Zettel zurückgelassen, auf dem steht, dass es zum Fischen gegangen ist und in einer Woche zurück sein wird.

Tom fällt es wirklich schwer, ohne sein Monster zu schlafen, ohne seinen Keuchatem und das schreckliche Krallenkratzgeräusch. Wenn Nick nicht da ist, braucht Tom eben ein anderes Monster. Also klopft er auf den Boden und wartet.
Das Monster, das kommt, gefällt ihm aber nicht. Paul ist nicht gruselig. Er hat weder lange Zähne, noch scharfe Krallen. Also schickt er das Monster weg.
Kurz darauf meldet sich ein neues Monster. Ralf hat tatsächlich sehr beeindruckende Krallen. Nur sind diese mit Nagellack lackiert. Tom weiß nicht, was er davon halten soll. Ein gepflegtes Monster gruselt ihn nicht. Auch Ralf darf also nicht bleiben.

Das nächste Monster dagegen hat Krallen wie Messerklingen so scharf. Das macht Tom dann doch ein wenig nervös. Doch als Tom die rosa Schleife am Schwanz des Monsters sieht, ist jedes Gruselgefühl dahin. Außerdem ist Lucy ein Monster-Mädchen. Ein Junge sollte jedoch ein Jungen-Monster unter dem Bett haben. Und dann ist auch Lucy wieder verschwunden. Das scheint nichts zu werden mit den fremden Monstern. Tom will Nick zurück.

Angst vor dem Unbekannten plagt viele Kinder. Ein Monster steht stellvertretend dafür. Mit dem Kinderbuch „Ich brauche mein Monster“ kann man Kindern die Angst vor der Nacht ein wenig nehmen. Oft lassen sich Kinder ihr Monster nicht ausreden, also wird hier eine bunte Geschichte daraus.

Tom ist nämlich ganz anders. Er kann ohne Monster nicht schlafen. Er gruselt sich gerne ein wenig, findet das spannend und sogar lustig. Er weiß, dass Monster mit Angst gefüttert werden müssen, damit sie bleiben. Nick fühlt sich ja bei Tom so wohl, weil er zu hören bekommt, wie viel Angst er Tom macht. Zeigt man keine Angst, verschwinden die Monster.
Man kann Ängste, die Kinder vor dem Alleinsein nachts in ihrem Bett haben, mit Hilfe des Buches also spielerisch verarbeiten. Das Thema wurde wirklich gut umgesetzt.

Rezensionen von Heike Rau

Amanda Noll
Ich brauche mein Monster
Illustriert von Howard McWilliam
32 Seiten, gebunden
Lappan Verlag
ISBN-10: 3830311842
ISBN-13: 978-3830311843
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Peter Härtling: Paul das Hauskind

Peter Härtling: Paul das Hauskind

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Pauls Eltern sind beruflich stark eingespannt. Die Mutter arbeitet in New York als Journalistin und auch der Vater ist als Werbefachmann viel unterwegs. Der 12-jährige Paul ist also viel ohne seine Eltern in der Frankfurter Wohnung. Ohne Aufsicht ist er allerdings nicht. Die Hausgemeinschaft kümmert sich um Paul. Als der Vater für längere Zeit verreisen muss, wird Paul nebenan bei Ersatzoma Käthe untergebracht. Eigentlich möchte Paul nicht bei Oma Käthe schlafen. Das Zimmer, in das er ziehen soll, gefällt ihm nicht. Aber wenn er nicht allein sein will, bleibt ihm nichts anderes übrig.

Ohne Eltern sieht Paul sich mit einigen Problemen konfrontiert. Wer soll die Sechs im Diktat unterschreiben? Dr. Adam Schwarzhaupt, Anwalt im Ruhestand, und ebenfalls im Haus wohnend, übernimmt es schließlich, einen Brief an die Lehrerin zu schreiben.

Ab und zu ist der Vater für einen Tag im Haus. Paul ist sehr enttäuscht, als er hört, dass die Eltern sich scheiden lassen wollen. Paul will nicht mehr in die Wohnung zurück und mit seinem Vater zusammen sein. Er versteckt sich im Keller. Das hindert seinen Vater allerdings nicht daran, wieder zu verschwinden. Die Hausgemeinschaft kümmert sich. Dass alle sich so große Sorgen gemacht und nach ihm gesucht haben, tröstet Paul.

Als Opa Käthe krank wird und ins Krankenhaus muss, wird Paul im Haus von einer anderen Familie aufgenommen. Auch hier kann er nicht lange bleiben. Aber auch dann springen wieder andere Mieter ein. Auf Dauer kann es jedoch so nicht weiter gehen.

Es ist ein sehr kritisches Buch, das die Situation einer Familie schildert, die auseinandergerissen wird, durch Umstände, die schlecht nachzuvollziehen sind. Leidtragender ist Paul, der mit der ständigen Abwesenheit seiner Eltern klar kommen muss. Die Mutter zieht ihre Arbeit einem Familienleben vor. Der Vater wird aufgrund von beruflichem Stress und den familiären Problemen krank.

Die Hausgemeinschaft fängt Paul auf. Doch hat diese Nachbarschaftshilfe, so hoch man diese auch anrechnen muss, seine Grenzen. Alles in allem wirkt die Geschichte deswegen auch sehr traurig. Irgendwie ist das Kinderbuch auch eines für Erwachsen, das anmahnt die Verantwortung für Kinder ernst zu nehmen. Ein Buch, das zeigt, wie alleingelassene sich manche Kinder fühlen. So gut man sie auch unterbringt, die elterliche Liebe ist nicht so einfach zu ersetzten. Und so geht die Geschichte auch nicht wirklich gut aus. Die Eltern werden sich scheiden lassen und nichts wird wieder so werden, wie es früher einmal war. Paul muss sich damit arrangieren. Aber man weiß, er wird es mit der Hilfe anderer schaffen.

Rezension von Heike Rau

Peter Härtling
Paul das Hauskind
181 Seiten, gebunden
Beltz & Gelberg
ISBN-10: 3407799772
ISBN-13: 978-3407799777
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