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Schlagwort: Arbeit

Marco Balzano: Wenn ich wiederkomme

Marco Balzano: Wenn ich wiederkomme

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Eine Frau von Mitte dreißig plagt sich redlich, ihre Familie durchzubringen. Sie wohnt in einem Dorf am Rande Rumäniens. Alle leben in ärmlichen Verhältnissen. Filip, ihr Mann, ist faul und trägt kaum zum Unterhalt der Familie bei. Daniela hat ihren Beruf als Angestellte hinter sich gelassen, da es keine Arbeit für sie gibt.
Angelica, die Tochter, studiert und hat sich von der Familie entfernt. Die Großeltern spielen eine wichtige Rolle, da sie Manuel, dem kleinen Bruder, emotionalen Halt bieten.

Eines Tages reist Daniela nach Italien. Sie hat gehört, man suche dort Hilfe für die Pflege alter Menschen und als Kindermädchen.
Man muss sich vorstellen, wie groß die Not sein muss, dass eine Mutter Familie, Kinder und die alten Eltern verlässt, um im Ausland Geld zu verdienen!

Marco Balzano lässt die einzelnen Protagonisten selber sprechen. In jedem Kapitel spricht und erzählt einer/ eine in der Ichform. Es entsteht mit dem Perspektivwechsel jeweils aus unterschiedlicher Sicht das Bild einer zerrissenen Familie. Nur Filip kommt nie zu Wort. Er ist innerlich und äußerlich abwesend. Er trinkt, baut ein wenig an dem Haus herum, das sie bewohnen, und geht seiner Wege. Eines Tages ist er ganz verschwunden.

Daniela erlebt eine Phase der schrecklichen Schufterei fern von zu Hause mit häufig unzufriedenen Angehörigen derer, die sie pflegt. Es ist eine Kräfte zehrende Arbeit.

Balzano bietet schöne Landschaftsbilder, die der kleine Manuel für sich entdeckt. Er liebt das Land, die Großeltern und bleibt ein Schulversager. Ein großes Unglück bricht eines Tages über die Familie herein. Die Erzählung lässt die Folgen sichtbar werden, die dieses Unglück für alle mit sich bringt.

Balzano hat sich der Ärmsten angenommen und zeigt uns, wie schrecklich das Los der Frauen ist, die aus den armen Ländern Osteuropas zur Pflege ins Ausland gehen. Familienbindungen gehen zu Bruch, Kinder werden vernachlässigt, und das Leben ist wahrlich entbehrungsreich, da es nur ums Geld geht, das die armen Frauen ihren Familien nach Hause schicken. Das schwere Schicksal, das Daniela aufgebürdet ist, nagt an ihrem Selbstwertgefühl und lässt sie zu einer früh gealterten Frau werden. Demütigungen eingeschlossen muss sie sich bitter in der Fremde zurechtfinden. Unermüdlich nimmt sie neue Stellen an und entwickelt gelegentlich sogar Zuneigung zu den ihr anvertrauten Menschen. Insgesamt aber fragt man sich: wo bleibt das eigene Ich unter diesen Bedingungen?

Am Ende sucht jeder/ jede einen Weg für das eigene Überleben. Blessuren bleiben niemandem erspart.
Marco Balzano wählt die literarische Form, die in treffenden Bildern das Elend dieser Frauen sichtbar macht.

Marco Balzano lebt mit seiner Familie in Mailand, wo er als Lehrer arbeitet.

Marco Balzano
Wenn ich wiederkomme
Diogenes, September 2021
320 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3257071701
ISBN-13: 978-3257071702
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Melissa Harrison: Vom Ende eines Sommers

Melissa Harrison: Vom Ende eines Sommers

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Auf einer Farm in Suffolk/ England lebt in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts Edith Mather im Kreise ihrer Familie.
Sie ist eine intelligente Schülerin muss aber fleißig auf der elterlichen Farm helfen, da alle Hände gebraucht werden. Es ist die Zeit wirtschaftlicher Not nach dem ersten Weltkrieg. Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise machen allen schwer zu schaffen.
Ediths ältere Schwester ist verheiratet und hat schon ein Baby. Frank, der Bruder arbeitet ebenfalls mit auf der Farm und hilft beim Ernten und beim Bestellen der Felder.

Eines Tages erscheint Constance FitzAllen aus der fernen Stadt London. Sie gibt sich als Journalistin aus und will eine Kolumne über das Landleben schreiben.
Edie ist eher introvertiert. Sie liest viel und durchstreift die Wälder. Sie empfindet das Glück der Natur, die Farben, den Duft des Heus, die wechselnden Jahreszeiten.
Constance aber löst Bewunderung in ihr aus. Dass diese ihre Nase überall hat, stört sie nicht.

Melissa Harrison, die Autorin des vorliegenden Romans, hat eine besondere Gabe, den wechselnden Farben und Stimmungen der Natur Ausdruck zu geben. Man fühlt sich beinahe mit hineinversetzt in die Wunder des Landlebens mit allen seinen Gerüchen und Geräuschen. Hingerissen vermeint man den Gesang der Vögel zu hören und staunt über die in prächtigen Farben beschriebenen Getreidefelder mit dem weiten Blick. Die Beobachtungen von Mensch und Tier in dem gleichmäßigen Trott der Jahre sind beruhigend, und die Feinheit der Beschreibungen von Melissa Harrison ist mitreißend.

Gelegentlich sieht es so aus, als solle die Geschichte ewig mit den Alltäglichkeiten der Menschen, ihren kleinen oder großen Sorgen, Klatschgeschichten und den seltenen Festen so weitergehen.

Unterschwellige Spannungen zwischen Edies Eltern, strikt befolgte Regeln im Zusammenleben von Mann und Frau, in denen Gedanken emanzipatorischen Charakters unterdrückt und ausgeschlossen werden, zeigen die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit ihren gesellschaftlichen Ausprägungen.

Der erste Weltkrieg, bei dem so viele Männer ihr Leben lassen mussten, macht sich in der Landwirtschaft durch Arbeitskräftemangel ständig bemerkbar. Alle Hände müssen mit anpacken, auch Edie und ihre Mutter sind gefordert. Es ist ein hartes und entbehrungsreiches Leben.

Edie ist mit ihrer Jugend noch voller Enthusiasmus, und man spürt in ihr eine sensible Seele.

Die Geschichte soll aber nicht so beruhigend bleiben. Über lange Strecken darf man sich zunächst weiter über diese herrlichen Landschaftsbeschreibungen freuen. Dann beginnt vorsichtig und kaum wahrnehmbar der Geist der Journalistin Raum einzunehmen.
Ohne hier zu viel vorweg zu nehmen, kann man sagen, dass die Geschichte an Fahrt aufnimmt und immer rasantere Veränderungen im Verhältnis der Menschen untereinander spürbar werden.
Ein ungewöhnliches Ende bricht fast wie eine Bombe ein und lässt den Leser*in atemlos zurück.

Das Verhältnis der langen Geschichte zum erschreckenden Ende ist nicht ganz stimmig.
Der ansonsten gut erzählten Geschichte fehlte hier die Ausgewogenheit.

Melissa Harrison
Vom Ende eines Sommers
320 Seiten, gebunden
DuMont Buchverlag, Juni 2021
ISBN-10: 3832181520
ISBN-13: 978-3832181529
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Julie Otsuka: Wovon wir träumten

Julie Otsuka: Wovon wir träumten

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Enttäuschung und Frust gekleidet in feinste Poesie.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts emigrierten Japaner mit der Hoffnung auf eine angenehme Existenz nach Amerika. Ihnen folgten Frauen, die man aus der Ferne mit ihnen verheiratet hatte. Sie stammten aus ärmlichen Verhältnissen und in ihren Träumen nahmen sie ein Leben vorweg, das so nie Wirklichkeit werden konnte. Voller Hoffnungen und Erwartungen gingen sie auf die große Reise und träumten von dem großen Glück. Wie groß ist die Enttäuschung, als sie erkennen müssen, wie entbehrungsreich und armselig ihre Existenz dort sein würde!

Ein schreckliches Kapitel befasst sich mit den ersten sexuellen Erfahrungen, die schockierend und erniedrigend die Frauen zu Lustobjekten ihrer Männer machen. Am Tag wartet harte Arbeit und endlose Eintönigkeit auf die so hoffnungsfroh angereisten Frauen. Vorbei ist die liebevolle Zuwendung der Familie zu Hause, und vorbei sind alle Träume, mit denen die teils sehr jungen Frauen und Mädchen in dem fremden Land angekommen sind.

Der Überfall der Japanischen Armee auf Pearl Harbor während des Zweiten Weltkriegs tut ein Übriges, um Japaner und Japanerinnen für lange Zeit aus der Gesellschaft auszuschließen.

Julie Otsuka hat eine ganz eigene Sprache, mit der sie sich dem Leben dieser Frauen nähert. Sie spricht in der Wirform und zeigt in ihren kurzen Sätzen, wie unterschiedlich doch die Erfahrungen der Einzelnen waren. Die einen sind fröhlich, den anderen ist bange zumute. Trübsal und Verzweiflung sind vorherrschende Elemente in ihrem Gefühlsstau und Enttäuschung hält sich die Waage mit fatalistischem Gehorsam.

Man nimmt die Sprache betroffen wahr, denn sie ist wie eine vorausschauende Vision, in der sie alle gefangen sein werden. Nicht nur die Erwartung auf ein gutes Auskommen wird enttäuscht, auch die Hoffnung auf liebende Männer geht unter, als sie sich mit den Begierden und Rücksichtslosigkeiten ihrer unbekannten Ehemänner konfrontiert sehen. Arbeiten bis zum Umfallen bleibt danach die Devise.

Die feine Sprache und die Diktion des Ausdrucks sind differenziert und einfühlsam in der Widergabe dessen, was den so bereitwillig in die Fremde gereisten Frauen nun geschieht. Es ist ein aufrüttelndes und anspruchsvolles kleines Werk, mit dem sich der Fokus auf die unerwarteten Erlebnisse von jenen Japanern und Japanerinnen richtet, die einstmals mit großen Erwartungen in das ihnen so fremde Land emigriert sind.

Julie Otsuka hat ebenfalls japanische Wurzeln. Sie lebt in New York und gewann 2012 für diesen Roman den PEN/ Faulkner Award.

Julie Otsuka
Wovon wir träumten
160 Seiten, gebunden
Mareverlag, 4. Auflage, Juli 2012
ISBN-10: 3866481799
ISBN-13: 978-3866481794
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David Foster Wallace: Das hier ist Wasser

David Foster Wallace: Das hier ist Wasser

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Rückblick und Perspektive auf das Leben.

In einer fulminanten Rede vor Absolventen des Canyon College hat David Foster Wallace 2005 seine Lebenseinsichten dargelegt. Er spart nicht mit Parabeln, um den Schülern und Schülerinnen, die in ihr selbständiges Leben starten, eine Weltsicht zu vermitteln, in der er das „Denken“ anmahnt. Natürlich könnte man da leicht an eine Art Moralpredigt glauben! Doch weit gefehlt eröffnet der Redner seine Überlegungen mit Gedanken zu der Frage, was er unter „Denken“ versteht. Er mahnt genau genommen mit seinen Worten das Reflektieren über jegliches Handeln und jeglichen Glauben an.

Es ist eine pessimistische Rede, in der das Gleichmaß des Alltags, das Foster Wallace in ausufernden Farben ausmalt, dem „Denken“ gegenüber gestellt wird.

Ausgehend von der Tatsache, dass der Mensch als Individuum geboren wird, das sich selbst immer im Mittelpunkt des Handelns sieht, begründet der Redner eine Perspektive, die in der Empathie besteht und in der man zu dialogischem Querdenken ermuntert wird. An zahlreichen Beispielen macht er fest, wie man eine Person oder Situation oder Fragen des Glaubens aus unterschiedlicher Sichtweise betrachten kann und damit zu unterschiedlichen Einsichten gelangt.

Als eines von vielen Beispielen berichtet er von einer dicken Frau an der Supermarktkasse. Sie ist vielleicht nicht nur unansehnlich und dick sondern traurig mit der Pflege ihres kranken Mannes befasst. Mit einem ähnlichen Beispiel stellt der  Redner den Glauben in Frage. Rund heraus gesagt ist die Rede ein einziger Appell an das dialektische Denken, bei dem in allen Dingen immer zwei Seiten einer Medaille stecken.

David Foster Wallace hat eine philosophische Rede gehalten, prägnant und treffend, in der er davon spricht, wie schwer es ist, bewusst und erwachsen zu leben. Eine Rede, die nicht nur Studienabgänger betrifft, sondern von der wir alle lernen können.

Tragisch ist der Tod von D. Foster Wallace im Jahr 2008. Er hat sich vielleicht an seinem eigenen Anspruch, die Welt in Frage zu stellen, überfordert. Er bleibt jedoch bei seinen Freunden und Lesern unvergessen.

David Foster Wallace
Das hier ist Wasser
64 Seiten, broschiert
Kiepenheuer & Witsch, Mai 2012
ISBN-10: 3462044184
ISBN-13: 978-3462044188
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Andrea Lienhart: Respekt im Job

Andrea Lienhart: Respekt im Job

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Wenn das Betriebsklima nicht stimmt, bleibt die Freude an der Arbeit auf der Strecke. Durch einen Mangel an Wertschätzung und Respekt unter den Kollegen wird der Arbeitsablauf gestört. Sogar gesundheitliche Probleme unter den Mitarbeitern kann das mit sich bringen. Gute Arbeit kann so nicht geleistet werden und beruflicher Erfolg bleibt aus.

Die Autorin, Management Trainerin und Business Coach, macht zunächst eine Bestandsaufnahme und zeigt, vor welchen Schwierigkeiten Unternehmen hinsichtlich der Zusammenarbeit der Belegschaft stehen. Sie zeigt auf, wie der Umgang zwischen den Kollegen sich gestaltet und wie ein Mangel an Respekt sich auswirkt.

Wer das Buch zur Hand nimmt, erhofft sich Hilfe im beruflichen Alltag, wünscht sich von seinen Kollegen respektiert zu werden. Doch man muss zuerst auf sich selbst schauen. So geht es zunächst um den Respekt sich selbst gegenüber. Veränderung kann nicht nur von anderen ausgehen, auch man selbst hat die Möglichkeit Einfluss zu nehmen. Das eigene Verhalten zu analysieren, einmal zu schauen, wie man sich verhält, auch sich selbst gegenüber, kann hilfreich sein. Denn wie man auf andere wirkt, hat Einfluss auf das Miteinander. Die Autorin gibt hier Denkanstöße. Ihre Fragen helfen dabei, Klarheit zu schaffen, was letztendlich zu einer Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit führt.

Will man selbst respektvoll behandelt werden, setzt das natürlich voraus, dass man auch seinem Gegenüber Wertschätzung entgegenbringt. Das ist nicht immer leicht. Denn man arbeitet auch mit Menschen zusammen, die nicht gerade als angenehmen Zeitgenossen zu bezeichnen sind, für die Freundlichkeit möglicherweise ein Fremdwort ist. Aber auch hier zeigt die Autorin, das die Situation nicht eskalieren muss, wenn man Gelassenheit zeigen und andere auch einmal so akzeptieren kann, wie sie sind mit ihren Schwächen und Fehlern, wie man selbst. Man muss nicht alles persönlich nehmen.

Auch wer in einer Führungsposition arbeitet, muss sich Respekt erarbeiten und mit seinem Team einen entsprechenden Umgang pflegen. Auch hier geht es um Selbsteinschätzung und die daraus resultierenden möglichen Veränderungen. Anerkennung, Achtung, Rücksichtnahme und Gleichberechtigung sind wichtige Punkte. Auch der Umgang mit Lob und Kritik wird erläutert. Die Autorin führt auf, welche Möglichkeiten man in einer Führungsposition hat, die Mitarbeiter entsprechend zu motivieren, zu lenken und zu fördern, so dass die Zusammenarbeit klappt und von Erfolg gekrönt wird.

Das Buch ist vor allem auf Bürojobs ausgerichtet. Aber grundsätzliche Punkte sprechen jeden an. Gutes Benehmen sollte selbstverständlich sein. Und dazu gehört auch ein respektvoller Umgang mit jedem Kollegen im Team.
Die Realität sieht oft anders aus. Aber die Autorin ist überzeugt davon, dass sich das ändern lässt. Und damit kann man bei sich selbst beginnen. Das Buch gibt Anleitung dazu.

„Respekt im Job“ ist ein Arbeitsbuch. Die Mitarbeit des Lesers wird direkt eingefordert. Man geht nach der Lektüre mit einer anderen Meinung zur Arbeit. Natürlich darf man nicht gleich zu große Erfolge erwarten. Es ist ein Prozess, der in Gang gesetzt wird. Aber hat man erst einmal auch andere Kollegen überzeugt, wird sich das Betriebsklima nach und nach bessern.

Rezension von Heike Rau

Andrea Lienhart
Respekt im Job
Strategien für eine andere Unternehmenskultur
176 Seiten, Klappenbroschur
Kösel Verlag
ISBN-10: 3466308879
ISBN-13: 978-3466308873
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