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Schlagwort: Freundschaft

Ellen Sussmann: An einem Tag in Paris

Ellen Sussmann: An einem Tag in Paris

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Der Titel des Buches in seiner deutschen Fassung bringt es auf den Punkt. Es geschieht alles an ein und demselben Tag in Paris, allerdings aus der Sicht verschiedener Protagonisten. Wenn man sie überhaupt Protagonisten nennen kann, so handelt es sich um Amerikaner Josie, Riley und Jeremy, die von ihren Privatlehrern Nico, Philippe und Chantal einen ganzen Tag lang durch Paris geführt werden und am Nachmittag den Dreharbeiten eines Kinofilms beiwohnen. Sie sind nach Frankreich übergesiedelt oder haben längere Zeit dort zu tun. Die französische Sprache entgleitet noch nicht so flüssig ihren Lippen oder, wie im Falle Jeremys, der Ehemann des in dem Kinofilm mitspielenden Hollywood-Stars, bekamen die Französischlehrerin zum Zeitvertreib an die Seite gestellt.

Auf diese Weise wird ein Tag im Leben des jeweiligen Pärchens geschildert. Dabei geht es meist sehr viel um – um was soll es in Paris schon gehen? – Liebe. Und um Sex. Es geht um das Leben und die Beziehungen zu den Ehepartnern und Lebensgefährten, zu den Eltern, zu den Kindern. Die Protagonisten stellen sich die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Hiersein, nach der Vollkommenheit ihrer selbst. Besonders schön gelungen ist der Autorin die Kulisse von Paris. Der Charme dieser großen, kleinen Stadt mit dem Duft seiner Straßenzüge, dem Duft seiner Bistros und Cafés, den Gärten, den Museen, mit allem, was Paris ausmacht. Parisliebhaber, und ich zähle mich dazu, werden dieses Buch mögen. Sie nehmen sich beim Lesen eine Auszeit und machen einen Ausflug in die europäische Metropole an der Seine.

Trotzdem gibt es einen schalen Beigeschmack für die Geschichtenliebhaber unter den Lesern. Es handelt sich um einen Episodenroman. Die Geschichten sind untereinander nicht miteinander verbunden, bis auf die Privatlehrer und den Filmdreh. Es sind also drei verschiedene Geschichten, drei Geschichten von sechs Menschen, die durch die Welt taumeln und nicht wissen, wo ihr Ziel liegt. Es sind unterhaltsame und lesbare Zustandsbeschreibungen, denen aber der Makel der fehlenden Spannung anhaftet. Auch die grammatikalischen Zeiten stimmen nicht immer. Wenn beispielsweise in einer Rückblende über die Zukunft (die noch vor der Handlung in der Gegenwart liegt) spekuliert wird, dann ist mir das nicht klar. Denn der Erzähler weiß zu diesem Zeitpunkt, wie die Vergangenheit ausgesehen hat und muss darüber keine Spekulationen anstellen. In diesem Falle liegt die Zukunft bereits in der Vergangenheit und ein Konjunktiv verbietet sich. Doch da es sich um eine Übersetzung handelt, ist die Ursache der grammatikalischen Ungereimtheiten nicht sofort feststellbar. Ein Konjunktiv in der Vergangenheit liest sich halt ungewohnt.

Dennoch: Wer gerade keine Zeit hat, um sich ein paar schöne Tage in Paris zu machen, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen. Leichte, charmante Lektüre von einem ebensolch charmanten Paris. Pariser Leben als Gefühl auf dem heimischen Sofa.

Sussmann, Ellen
An einem Tag in Paris
Aus dem Amerikanischen von Veronika Dünninger
288 Seiten, gebunden
Limes Verlag, München
ISBN-10:3809026034
ISBN-13: 978-3809026037

© Detlef Knut, Düsseldorf 2012

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Inara Scott: Night Academy – Die Begabte

Inara Scott: Night Academy – Die Begabte

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Dancia Lewis ist vierzehn Jahre alt, als sie die Einladung für die Night Academy persönlich überbracht bekommt. Sie soll sogar ein Vollstipendium erhalten. Allerdings ist die Schule Schülern mit besonderen Fähigkeiten vorbehalten. Zwar hat Dancia außergewöhnlich Kräfte, doch kann eigentlich niemand davon wissen. Sollte sie tatsächlich, wie man ihr sagt, aufgrund ihres außergewöhnlichen Mutes aufgefallen sein?

Die Schule ist beeindruckend, wird aber sehr abgeschirmt. Die Sicherungsvorkehrungen sind entsprechend. Dancia, die bisher immer versucht hat, unauffällig zu bleiben, um ja nicht die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu lenken, kann sich nun in der neuen Schule doch etwas gelassener geben.
Cameron Sanders, ein älterer Schüler, kümmert sich in seiner Funktion als Schulsprecher zudem liebevoll um sie. In Esther und Hennie findet Dancia sogar Freundinnen. Die beiden haben echte Begabungen. Anders als Jack Landry, den Dancia von einer eher seltsamen Begegnung in Danville bereits kennt. Auch er weiß nicht so genau, warum er hier ist.

Dancia hält es für möglich, dass auch andere Schüler, ebenso wie sie selbst, neben ihren Talenten auch übersinnliche Fähigkeiten haben, die nicht für andere ersichtlich sind. Was genau in der Schule vor sich geht, und warum nicht mit offenen Karten gespielt wird, lässt sich nicht sagen. Dancias Misstrauen wächst.

Die Autorin überzeugt sofort mit ihrem Schreibstil, der sehr flüssig zu lesen ist. Dancia ist ein interessantes junges Mädchen. Durch ihre bewegte Vergangenheit wirkt sie sehr erwachsen. Auch wenn sie bei ihrer Oma lebt, ist sie doch auf sich allein gestellt. Um jeden Preis versucht sie, ihr Geheimnis zu wahren. Das hat sie zur Einzelgängerin gemacht.

Die Night Academy ist natürlich keine normale Schule, auch wenn es zunächst so scheint. In diesem ersten Teil geht es für Danica vor allem darum, hinter die Geheimnisse dieser Schule zu kommen. Weiterhin lernt Dancia Schüler und Lehrer kennen. Zwei Jungs spielen eine Rolle. Der draufgängerische Jack und der bodenständige, aber geheimnisvolle Cam.

Das ist auch wirklich alles spannend gemacht. Aber um viel mehr geht es eben nicht. Kritisch betrachtet, hat man es im Grunde hier mit einer Einleitung zu tun. Es passiert nichts, was die Handlung ordentlich voranbringt. Auch wenn sich das Buch gut liest, ist es inhaltlich wenig überzeugend. Das ist dann doch ein etwas dünner Serienauftakt.

Rezensionen von Heike Rau

Inara Scott
Night Academy – Die Begabte
Aus dem Englischen von Petra Knese
352 Seiten, gebunden
Egmont INK
ISBN-10: 3863960424
ISBN-13: 978-3863960421
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Milena Michiko Flasar: Ich nannte ihn Krawatte

Milena Michiko Flasar: Ich nannte ihn Krawatte

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Fremd in der eigenen Haut.

Geheimnisvoll und beunruhigend beginnt der vorliegende Roman von Milena M. Flasar, der uns in die Weisheit, das Leben und die Mentalität japanischen Lebens einführt.

Jeder kennt die Bilder der schweigenden Duldsamkeit, mit denen Japaner Naturkatastrophen und das bekannte Atomunglück in Fukushima hingenommen haben.

Hier begegnen wir zwei Männern, der eine jung, der andere alt, die sich täglich auf einer Parkbank begegnen. Sie schweigen. Erst nach und nach beginnen sie in wenigen Worten, später auch Sätzen, ein Gespräch mit einander.

Wie sind sie in ihre jetzige Lage gekommen?

Zwei Gescheiterte scheinen sich hier einander anzunähern. Stumm und in ihren eigenen Gedanken gefangen erfährt man erst allmählich von ihrem Schicksal. Mit assoziativen Einfällen und langsam sich öffnenden Herzen erfahren die beiden Männer, wie sie an den Rand der Gesellschaft geraten sind. Bei dem einen war der Tod eines Mitschülers die schockierende Ursache, beim anderen der Verlust der Arbeitsstelle.

Ohara Tetsu unterbricht als erster das lange Schweigen. Sein Gegenüber ist Taguchi Hiro. Letzterer ist ein verstörter Schüler, der die Schule abgebrochen hat und sein Leben in der Höhle seines Zimmers fristet. Hikikomori heißen diese Schüler, die der Welt den Rücken kehren und sich im Elternhaus verstecken. Sie bilden eine schwere Prüfung für Väter und Mütter, die nach außen den Schein wahren möchten und von einer langen „Auslandreise“ sprechen, wenn Angehörige oder Nachbarn nach dem Verschwundenen fragen.

Der „Salaryman“, ein ehemaliger Firmenangestellter, zeichnet sich durch korrekte Arbeitskleidung und eine Krawatte aus. Seine Frau soll nicht wissen, dass er arbeitslos geworden ist. Er ist ein liebevoller Ehemann, der jedoch dem Leistungsdruck der nachrückenden jüngeren Generation in der Firma nicht mehr gewachsen war.

Man weiß, dass Japaner in der Tat schweigsam sind, höflich und korrekt. Diese Männer, der alte und der junge, klagen und zetern nicht: sie nehmen stillschweigend ihr Unglück hin, dass jeden von ihnen zum einsamen Außenseiter gemacht hat. Erst allmählich lösen sich die Zungen, und die trostlosen Erfahrungen, von denen man hört, wollen schier kein Ende nehmen.

Der Leser bekommt ein Bild von dem Arbeitsdruck in den Firmen und erfährt von der öffentlichen Schande, die das Herausfallen aus allen Lebensmustern mit sich bringt. Geheimnisvoll und vielsagend beschreibt die Autorin, wie die beiden Außenseiter Konfliktsituationen und Schicksalsschläge vergeblich in den Griff zu bekommen trachten. Vor uns breitet sich ein fremde Mentalität und innere Verschlossenheit aus.

Besinnlich, nachdenklich und zart gesponnen entwickelt die Autorin ihren Romanstoff, der doch einen Teil japanischer Realität widerspiegelt.

Die Geschichten der beiden Hauptprotagonisten verdichten sich zu einer empfindsamen und traurigen Erzählung, in der sehr viel inneres Leid steckt. Mit poetischen Bildern untermauert M. M. Flasar noch die äußere Schönheit der Welt mit dem inneren Zerfall der Unglücksraben.

Eine stille, ruhige  und nachdenklich gestaltete Erzählung erwartet den Leser, der auf diese Weise ein Bild vom japanischen Leben bekommt.

Milena Michiko Flasar
Ich nannte ihn Krawatte
144 Seiten, gebunden
Verlag Klaus Wagenbach, Januar 2012
ISBN-10: 380313241X
ISBN-13: 978-3803132413
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Josephine Mint: Smalltown Girls – Der Tod kommt selten allein

Josephine Mint: Smalltown Girls – Der Tod kommt selten allein

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Jacob, der Bruder von Lu, ist tot. Niemand außer Charlie weiß, dass Jacob vor seinem Tod einen Traum hatte. Eine Prophezeiung. Er wusste, dass er sterben würde und er wusste auch wie. Charlie sollte ihm versprechen, mit niemanden darüber zu reden. Doch gilt dieses Versprechen auch über den Tod hinaus? Für Charlie nicht und so erzählt sie es ihrer Freundin, die mitten in der Trauer um Jacob gefangen ist und Charlie nicht glaubt.
Es vergeht Zeit. Das Leben geht weiter. Charlie beschäftigt sich mit ihrer Band und bereitet ein Konzert vor, das im Gemeindehaus stattfinden soll. Und Lu verliebt sich in Linus.

Doch dann während einer Zugfahrt mitten im Gewitter hat Charlie diesen Traum. Auch sie träumt von ihrem eigenen Tod. Später stellt sich heraus, dass auch Lu in diesem Zug war. Sie hatte den gleichen Traum. Es war noch ein weiteres Mädchen anwesend, das beide erst später kennenlernen: Sunshine. Sie wird später die neue Sängerin in Lus Band, weil Charlie, die sonst gesungen hat, den Auftritt im Gemeindehaus verpasst hat.

Der Traum macht allen drei Mädchen Sorgen. Jede geht anders damit um. Man kann einfach ignorieren, was passiert ist. Man kann auch versuchen, das Schicksal abzuwenden. Oder man muss den Mörder finden und seinen Plan vereiteln. Charlie hat es lange für sich behalten. Doch sie hat den Mörder im Traum gesehen. Als sie endlich darüber redet, ist es noch nicht zu spät, die Erfüllung der Prophezeiung aufzuhalten.

Was für eine abgefahrene Geschichte! Ganz plötzlich ändert sich das Leben von Charlie, Lu und Sunshine. Sie glauben, und das nicht ohne Grund, an die Erfüllung einer Prophezeiung, die ihren Tod bedeuten würde. Dass alle drei Mädchen diesen Traum hatten, macht die Sache doch ein Stück weit glaubhaft. Man weiß trotzdem nicht, was man von diesem Buch halten soll. Es lässt sich nicht einordnen. Das macht es spannend.

Die Mädchen halten Regeln nicht ein, trinken, rauchen und nehmen Drogen. Die Eltern treten hier nicht als Erzieher auf. So wirken Charlie, Lu und Sunshine ein bisschen allein gelassen. Ihre Freundschaft rückt dadurch in den Mittelpunkt. Keine einfache, sondern eher eine schwierige Freundschaft, die manchmal zur Zerreißprobe wird. Denn die drei Freundinnen sind sehr unterschiedlich in ihrer Art, Dinge zu handhaben. Aber natürlich will keine von ihnen sterben. Das Spannende ist, wie sie mit diesem Probleme umgehen.

Das Buch ist nicht eben dick. Die rund 250 Seiten sind schnell gelesen. Und trotzdem war es ein außergewöhnlich intensives Leseerlebnis. Das Ende bleibt offen und man darf gespannt sein auf den nächsten Teil.

Rezensionen von Heike Rau

Josephine Mint
Smalltown Girls – Der Tod kommt selten allein
256 Seiten gebunden
Beltz & Gelberg
ISBN-10: 3407811063
ISBN-13: 978-3407811066
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Anika Beer: Als die schwarzen Feen kamen

Anika Beer: Als die schwarzen Feen kamen

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Marie ist sehr überrascht, als sie in der Schule von Daniel angesprochen wird. Er lädt sie zu einem Kaffe ein am Samstag, um sich einmal richtig mit ihr unterhalten zu können. Dabei interessiert sich ihre Freundin Theresa für Daniel. Trotzdem trifft Marie sich mit ihm. Daniel versucht Marie zu warnen, er glaubt, sie würde verfolgt werden. Das verschlägt Marie die Sprache. Er zeigt ihr eine Zeichnung und sie erkennt, was darauf zu sehen ist. Auch Daniel kennt also die geflügelten Wessen, die für Marie die schwarzen Feen sind.

Dann passiert etwas mit Maries Mutter. Die Ärztin spricht von einem Schwächeanfall. Doch Marie sieht die Schatten, die von ihrer Mutter Besitz ergriffen haben, die sie umschließen wie eine dunkle Aura und sie lähmen. Marie glaubt, dass nur Daniel ihr helfen könne. Tatsächlich kann er ein Tor in Maries Schatten erkennen. Durch dieses könnten die Feen die Grenze zwischen den Welten überschreiten.

Es ist ein sehr bewegendes Buch. Die Geschichte führt Marie und Daniel zusammen, die so wunderbar zueinander passen. Sehr gefühlvoll treten die beiden in einer ungeheuer spannenden Handlung auf. Das Buch ist außerdem sehr flüssig zu lesen und so wird man als Leser hinweg getragen von dieser Geschichte, kann völlig darin eintauchen.
Es geht im Buch für Marie darum, erwachsen zu werden, sich von der Oberflächlichkeit ihrer Freundinnen abzugrenzen, ihre Kindheit aufzuarbeiten.

Denn es gibt diese andere Welt, die Schattenwelt. Ein Königreich der Kindheit. Ein Zufluchtsort, der nicht mehr länger einer sein kann, weil er in die Welt der Erinnerungen gehört. Das ist eine interessante Sichtweise, die man aber gut annehmen kann, weil sie so harmonisch in die Handlung eingebaut ist.
Es ist keine Geschichte, die sich aufdrängt, sondern vielmehr eine, die die Fantasie des Lesers nicht begrenzt. Das ist etwas ganz Entscheidendes und es macht den wunderbaren Charme der Geschichte aus.

Rezensionen von Heike Rau

Anika Beer
Als die schwarzen Feen kamen
448 Seiten, broschiert
cbj, München
ISBN-10: 3570401472
ISBN-13: 978-3570401477
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Julia Stagg: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Julia Stagg: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

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Angefüttert durch Alex Capus’ „Leon und Louise“ und dem darin enthaltenen Flair bin ich auf das hier besprochene Buch von Julia Stagg aufmerksam geworden. Zugegeben, das Auto auf dem Umschlagbild war auch nicht ganz unschuldig, wie das ganze Umschlagbild an einige schöne Tage im Périgore erinnerte.

Nun ist das Flair in diesem Buch nicht mit der Besinnlichkeit bei Capus zu vergleichen, aber Flair, französischen Charme und ausgelassene Fröhlichkeit bringt es trotz aller Katastrophen ins Spiel. Die Schriftstellerin hat den französischen Nerv sehr gut getroffen, und das obwohl, oder gerade weil?, sie eine Britin ist. Das wird daran liegen, dass sie ähnliche Erlebnisse wie die des englischen Ehepaares Lorna und Paul Webster in dem Buch hatte erfahren müssen. Genau wie diese hat Stagg mit ihrem Mann eine Pension auf dem französischen Lande eröffnet und betrieben. Für die Websters geht es in dem Pyrinäendörfchen Fogas nicht gerade lustig zu. Als sie sich im Sommer die „Auberge de Deux Vallées“ anschauten und sich in sie verliebten, wohnten dort noch die Inhaber mit ihrer Familie, das Restaurant war in Betrieb, die Betten bezogen, in der Küche hatte es nach Gewürzen geduftet. Doch nun, als sie im Winter endlich die Möbelwagen ausladen, ist die Herberge nichts weiter als eine dreckige und heruntergekommene Herberge, deren Möbel und Fußböden von Mauseköttel übersät sind. Doch dies ist nicht das einzige Ungemach, welches sie erwartet. Viel schlimmer soll der Ärger werden, den Serge Papon, Bürgermeister des Örtchens, ihnen bereitet. Denn dass das Restaurant in einem französischen Dorf von Engländern, die noch nie etwas vom Kochen verstanden hätten, seinem Schwager vor der Nase weggeschnappt wurde, ist ein unverzeihlicher Affront.

Mit leicht süffisantem Humor hat Julia Stagg diesen Roman verfasst. Hin und wieder musste ich in lauteres Lachen ausbrechen. Der Streit zwischen den „geschmacklosen“ Engländern und den „Froschschenkelfressern“ bildet die Grundlage dafür und für ein heilloses Chaos in den Bergen Frankreichs. Zahlreiche Begebenheiten, wie die von Jaques, der dem Bürgermeister eine Flamme an dessen Hinterteil hält, worauf der in Flammen aufgeht, der Raum nach geschmortem Fleisch riecht und Jaques sich vor Lachen nicht mehr einkriegt, geben Anlass, so manche Traurigkeit schnell zu vergessen. Denn immer wieder neue Intrigen des Bürgermeisters lassen die Websters nicht zur Ruhe kommen. Manche Szenen haben etwas von Situationskomik an sich und man liest sie gern ein zweites Mal.

Einfühlsam und gut gelungen ist die Einführung eines Geistes in die reale Welt dieser Dorfgemeinschaft. Aber dieser Geist macht keinesfalls eine Fantasy-Geschichte aus dem Roman. Es ist der verstorbene Ehemann einer Dorfbewohnerin, die mit ihm gerne noch Zwiesprache hält.

Die sprachliche Umsetzung des Humors wird zweifellos auch das Verdienst der Übersetzerin Angelika Naujokat sein. Sie hat hervorragend die sprachlichen Schwierigkeiten (die Websters sprechen anfangs mit deutlichem, später mit weniger ausgeprägtem Akzent) für den deutschen Leser gemeistert. Und auch Annie mit ihrem losen Gebischkommtbeschonderschgutrüber.

Das Buch ist äußerst unterhaltend, bannt den Leser in einem ständigen Auf und Ab von Gefühlen und ist deshalb sehr zu empfehlen.

Stagg, Julia
Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
Übersetzt von Angelika Naujokat
349 Seiten, gebunden
Hoffmann & Campe
ISBN-10: 3455403433
ISBN-13: 978-3455403435

© Detlef Knut, Düsseldorf 2012
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Tanja Weber: Sommersaat

Tanja Weber: Sommersaat

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Brandenburgische Atmosphäre wird geatmet, wenn man sich in dieses Buch vertieft. Es macht Spaß, eine Landschaft, einen Landstrich zu spüren, wenn man liest. Die von Tanja Weber erzeugten Bilder schaffen es, die Leser auf eine Reise zu schicken. Dabei scheint die Reise nicht nur an einen anderen Ort, sondern auch in eine andere Zeit zu gehen. Denn man mag kaum glauben, eine solche dörfliche Idylle noch heute anzutreffen. Aber das mögen Leute beurteilen, die nicht in einer Großstadt leben. Aber nicht nur die atmosphärischen Bilder sind überzeigend, auch die Brutalität der Täter wird in drastischen Farben gemalt.

In dem kleinen Dorf Brandenburgs mit dem Namen Germerow gibt es diese Idylle vor den Toren Berlins anscheinend noch. Der Postbote Johannes Stifter, der schon seit Jahren an seiner Dissertation in Philosophie arbeitet, wohnt in diesem beschaulichen Örtchen, in welchem es eine Kleingartenanlage und neben vielen Einfamilienhäusern einen Plattenbau gibt, und trägt hier tagein, tagaus die Briefe aus. Er kennt jeden der Empfänger, weiß, wie sie ticken, seine Nachbarn, wer mit wem kann und wer nicht. Sein größtes Interesse aber gilt einer Frau, die vier Kinder hat, von „aus dem Haus“ bis „noch beim Stillen“. Der Vater der beiden jüngsten, Micha, ist ein Taugenichts und selten bei der Familie. Annika Strelski verzichtet gerne auf ihn. Doch eines Tages findet der Briefträger ihn im nahegelegenen Wald tot auf, der Schädel zertrümmert. Stifter gerät in Verdacht. Die Kommissare, ein in der Gegend geborener Mann mittleren Alters und ein Bayer, der schon fünfzehn Jahre im Osten Deutschlands lebt und immer noch hinzulernt, sind ein skurriles Ermittlerduo. Aus ihnen erwächst eine eigenartige Komik und viele nette Episoden entstehen, wenn sich z. B. der alte Bayer über die Musikleidenschaft seines jüngeren Kollegen wundert.
Tanja Weber schafft es verblüffend gut, die Geschichte aus den Perspektiven der verschiedenen Figuren heraus zu erzählen. Besser gesagt, der Erzähler eignet sich in den einzelnen Szenen jeweils die Sichtweise einer der handelnden Figuren an. Dabei greift er die Sprache der jeweiligen Person auf und während er beim neunjährigen Adam noch sagen würde: das ist jetzt aber voll doof, kommt solch ein Satz in Zusammenhang mit einer erwachsenen Figur niemals vor.

Da die Autorin sehr früh den Täter präsentiert, fragt man sich als Leser zu diesem Zeitpunkt, was denn da noch kommen mag. Aber wer das Buch dann aus der Hand legt, wird nie erfahren, wie Spannung nach einem Finale funktioniert. Einfach nur packend und überraschend.

Man darf auf weitere Romane von Tanja Weber gespannt sein. Dieses Buch empfehle ich gerne. Und wer den allerersten Hit von Nina Hagen noch kennt, der wird beim Lesen nicht umhin kommen, das Lied mitzuträllern.

Tanja Weber
Sommersaat
350 Seiten, gebunden
Aufbau Verlag, Berlin
ISBN-10: 3351033613
ISBN-13: 978-3351033613

© Detlef Knut, Düsseldorf 2012
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Janet Clark: Schweig still, süßer Mund

Janet Clark: Schweig still, süßer Mund

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Ella und Jana sind beste Freundinnen. Sie sind eng verbunden miteinander, teilen ihre Gedanken und auch Geheimnisse. Als Ella nicht zur Theaterprobe erscheint, ohne Bescheid zu geben, sorgt sich Jana, auch weil ihre Freundin nicht über das Handy zu erreichen ist.
Ihre Mutter und ihre Schwester Miriam teilen ihre Sorge allerdings nicht. Von einem Nachbarn Ellas holt Jana sich die Wohnungsschlüssel. Doch Ella liegt nicht, wie befürchtet, hilflos in ihrer Wohnung. Die Eltern Ellas sind nicht zu erreichen, sie sind auf Weltreise.

Jana bekommt es immer mehr mit der Angst zu tun, Zeit vergeht, ohne dass sie von Ella hört. Und da ist so ein Gefühl in ihr. Sie glaubt zu spüren, dass etwas passiert ist. Wenigstens steht ihr Fabian, ein Schulkamerad und guter Freund, zur Seite. Auch Miriam kann noch überzeugt werden. Weil die Polizei vorerst nichts unternehmen will, Ella ist schließlich volljährig, werden Flugblätter in Umlauf gebracht. Auch wird eine Website gestaltet. Hier können sich Leute melden, die Ella gesehen haben.

Jana fragt jeden, der etwas über Ella wissen könnte und stellt bald fest, dass die Freundin Geheimnisse vor ihr hatte, dass es für Ella ein Leben gab, außerhalb ihrer Freundschaft zu Jana. Ein scheinbar gefährliches Leben.
Außerdem stellt sich heraus, dass noch ein weiteres Mädchen verschwunden ist.

Die zunächst noch harmlos wirkende Geschichte wird sehr schnell unglaublich spannend und entwickelt sich schließlich zum packenden Thriller.
Man muss Jana für ihren Einsatz gegenüber ihrer Freundin bewundern. Sie macht weiter, obwohl an einem bestimmten Punkt angekommen, alles gegen Ella spricht, die in vielen Belangen gelogen haben muss. Das drückt Jana auch in E-Mails aus, die sie an Ella schreibt, auch wenn diese die Freundin natürlich nicht erreichen können. Jana macht dieses Gespinst aus Lügen schwer zu schaffen und dennoch hält sie daran fest, die Wahrheit herauszufinden zu wollen.

Auch wenn Jana schnell die Sympathie des Lesers auf ihrer Seiten haben müsste, handelt sie teilweise sehr naiv. Gerade das bringt die Handlung zwar voran, aber eben auf eine etwas unglaubwürdige Art und Weise.
Auch nicht zu glauben ist, dass Ellas Eltern auf ihrer Weltreise über eine lange Zeit unerreichbar sind.
Das sind aber die einzigen Kritikpunkte. Man liest schnell hinein in das Buch und wird gefangen genommen von der gut geschriebenen Geschichte, die perfekt zugeschnitten ist auf die Zielgruppe Jugendlicher und junger Erwachsener.
Kleine, unheimlich wirkende Zwischenspiele, scheinbar wahllos in die Handlung eingestreut, zeigen, dass Ella tatsächlich in Gefahr ist. Die Zeit läuft also.
Jana findet immer mehr Hinweise, macht Verdächtige in ihrem Umfeld aus. Für andere mag es wirken, als steigere sie sich in etwas hinein. Aber als Leser weiß man es besser. Und so bleibt das Buch spannend bis zum schlüssigen Ende.

Rezension von Heike Rau

Janet Clark
Schweig still, süßer Mund
Thriller
349 Seiten, Klappenbroschur
Loewe Verlag
ISBN-10: 3785572743
ISBN-13: 978-3785572740
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Jussi Adler-Olsen: Das Alphabethaus

Jussi Adler-Olsen: Das Alphabethaus

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In der Nähe von Naundorf stürzt das Flugzeug ab. Er ist eiskalt, der Winter des Jahres 1944. Die beiden britischen Piloten werden entdeckt, können ihren Verfolgern aber entkommen. Sie springen auf einen Lazarettzug auf. Um zu überleben, müssen zwei der Kranken von ihrem Lager verschwinden. Und wenig später liegen James und Bryan in ihren Betten. Die beiden müssen vor allem schweigen. Ihre Sprache würde sie sofort verraten. Aber immerhin versteht James ein wenig Deutsch. James und Bryan wissen nicht, welche Krankheit sie vortäuschen müssen, aber bald stellen sie fest, dass die Patienten im Waggon geistesgestört sind. Und so teilnahmslos wie sie wirken, sind sie wohl ruhiggestellt worden.

Ziel der Reise ist ein Sanatorium bei Freiburg im Breisgau, das Alphabethaus. Weiterhin werden die Patienten, SS-Offiziere, mit stark wirksamen Medikamenten ruhiggestellt, bekommen Elektroschockbehandlungen. Während James sich nicht gegen die Behandlung wehren kann, versucht Bryan um die Tabletteneinnahme zu kommen. Ist er klar genug im Kopf, schmiedet er Fluchtpläne.
Was James schon viel eher bemerkt als Bryan ist, dass sich noch andere Simulanten im Raum befinden. Aber er hat keine Möglichkeit Bryan zu warnen, obwohl von den anderen die meiste Gefahr ausgeht. Sie sind bereit ihre Identität um jeden Preis zu schützen.

Von Anfang an ist die Handlung sehr spannend, auch wenn der Autor etwas langatmig erzählt. Bald tauchen auch erste Zweifel an den Geschehnissen auf. Zu viele Zufälle spielen hier rein. Ungereimtheiten, die sich nicht klären lassen. Es verstärkt sich der Eindruck, dass sich die Geschichte so nicht abgespielt haben kann. Darüber muss man hinweglesen können, sonst wird es nichts mit dem Buch.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Einmal der erste Teil, der vor allem im Sanatorium spielt. Weiter geht es dann fast 30 Jahre später. Bryan intensiviert hier die Suche nach seinem Freund James, dem damals im Gegensatz zu ihm nicht die Flucht gelungen ist. Es ist unglaublich, aber tatsächlich begegnet er in Deutschland seinen alten Feinden wieder, die Angst haben, dass ihre Geheimnisse nun nicht mehr sicher sind. Und so wird Bryan, der eigentlich nur seinen alten Freund sucht, zum Gejagten.

Auch dieser Teil will sich nicht so ganz erschließen. Der Krimi, der sich nun entwickelt, wirkt gezwungen. Das heißt nicht, dass das Buch nicht fesselt oder uninteressant wäre. Aber auch hier hat man Mühe, zu glauben, was der Autor erzählt. So wirkt auch das Ende sehr konstruiert.

Rezension von Heike Rau

Jussi Adler-Olsen
Das Alphabethaus
Aus dem Dänischen von Hannes Thiess und Marieke Heimburger
592 Seiten, Klappenbroschur
Dtv – Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423248947
ISBN-13: 978-3423248945
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Alex Capus: Léon und Louise

Alex Capus: Léon und Louise

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Dieser Roman ist ein sehr sinnlicher und gefühlvoller Roman, der Lust auf Lesen macht. Grund hierfür sind der Erzählstil und die anrührende Geschichte.

Den obersten Rahmen bildet die Beerdigung des Großvaters. Sie wird beobachtet und erzählt von seiner Enkelin. Während sie über Opa und sein Leben nachdenkt, über die Geschichten, die sich in der Familie über ihn erzählt wurden, schmückt sie sich das Leben ihres Großvaters aus und erzählt es aus ihrer ganz persönlichen Sichtweise.

Sie erzählt, wie ihr Großvater (Léon) sich vor der Front im Ersten Weltkrieg drückte, wie er seine erste Liebe (Louise) kennenlernte, wie er mit seiner Frau lebte und mit ihr Kinder bekam. Sie erzählt vom Leben Léons als Beamter in Paris. Die Bilder der Okkupation Frankreichs durch das Deutsche Reich werden lebhaft und detailgenau dem Leser nahe gebracht. Obwohl Léon seine Louise bereits im Ersten Weltkrieg verloren hat und tot glaubt, hört er nie auf, sie zu lieben. Zehn Jahre später begegnen sie sich in Paris, verbringen eine Nacht miteinander. Bis zum nächsten Kontakt werden erneut Jahre vergehen. Die deutsche Besetzung hat die Pariser verändert. Dies wird an der Ehefrau Léons deutlich erkennbar.

Obwohl mir das Buch ausnehmend gut gefallen hat, habe ich mich über kleine Überlängen geärgert. Längen, in denen Passagen und Geschichten erzählt werden, die nicht das Niveau anderer Episoden erreichen. Denn unverkennbar wollte Capus nicht die Geschichte des Liebespaares erzählen, sondern das Leben in Frankreich zu beiden Zeiten der Weltkriege. Es sollte die Geschichte des zurückhaltenden, kleinen Widerstandskämpfers erzählt werden. Um die Episoden aus dem Leben Léons nicht losgelöst erscheinen zu lassen, wurde eine gefühlvolle Liebesgeschichte als roter Faden geschmiedet, der eine spannende, solide Grundlage bildet, auf die sowohl Autor als auch Leser immer wieder Erdung bekommen.

Die ruhige Erzählweise als auch die knappen Dialoge schaffen es, beim Lesen eine Stimmung hervorzurufen, die einen Zuschauer beim Betrachten eines gefühlvollen französischen Spielfilms beschleicht. Obwohl man bedauern kann, dass es in dem Buch nur um Léon und nicht um Louise geht, ist der Roman dennoch von vorne bis hinten spannungsvoll und macht Spaß.

Capus, Alex
Léon und Louise
Hanser Verlag, München
320 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3446236309
ISBN-13: 978-3446236301
© Detlef Knut, Düsseldorf 2012
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