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Schlagwort: Freundschaft

Silvia Avalone: Ein Sommer aus Stahl

Silvia Avalone: Ein Sommer aus Stahl

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Die 13jährigen Mädchen Anna und Francesca leben in der italienischen Hafenstadt Piombino. Das Leben der heranwachsenden Mädchen spielt sich zwischen dem Strand und der Via Stalingrado ab, hier sind sie umgeben von Stahlarbeitern, Staub und der Sommerhitze. Gerne kokettieren sie mit den älteren Jungs. Und obwohl sich die nur wenige Jahre älteren Mädchen abfällig über die provozierenden Freundinnen unterhalten, müssen Sie sich doch eingestehen, dass sie selbst wenige Jahre zuvor nicht anders waren. Die Väter der beiden Freundinnen sind bzw. waren in dem nahe gelegenen Stahlwerk beschäftigt. Sie sind alles andere als treuliebende Familienväter. Im Gegenteil, Alkohol und Prügel für die Ehefrau als auch für die Kinder stehen auf dem Fahrplan. Da wundert es nicht, dass sich der ältere Bruder von Anna um sie kümmert und auf sie aufpasst. Er hält ein waches Auge auf seine kleine Schwester, damit sie nicht von den Jungs angemacht oder gar geschmälert wird. Anna lässt sich davon trotzdem nicht abhalten, den Jungs schöne Augen zu machen.

Was mich an diesem Roman besonders fasziniert hat, ist die Atmosphäre, die durch die Schriftstellerin und deren Übersetzer Michael von Killisch-Horn, erzeugt wird. Da ist zunächst einmal die Stimmung von Sommer, Sonne, Strand und Ferien. Infolge des nahe befindlichen Stahlwerks kommt aber auch ein Hauch von Dortmund aus den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zum Vorschein. Die Atmosphäre in dem Mietshaus brachte bei mir ein Gefühl von Duisburg, Essen oder Köln-Kalk hervor. Die Brutalität in der Familie erinnert an das dümmliche Klischee von Hartz-IV-Familien. Diese dort herrschende drückende Enge belastet die heranwachsenden Freundinnen. Sie wollen ausbrechen aus diesem System. In noch während Francesca keine großen Chancen sieht, jemals den Duft der großen weiten Welt einatmen zu können, ist Anna ganz anderer Meinung und möchte ihr Leben richtig anpacken. Während sie mit den Jungs auf dem Motorroller die Via Stalingrado auf- und abfahren, träumen sie von der Insel Elba, die sie in der Ferne am Horizont sehen können und die für sie schon ein Stück der großen weiten Welt bedeutet.

Diese Atmosphäre wird durch unterschiedliche Erzählperspektiven geschaffen, mit denen die Autorin Sylvia Avalone experimentiert. Obwohl es im Wesentlichen um eine Liebesgeschichte geht, ist es weitaus mehr als eine solche. Ein ganz großes Thema sind schließlich die sozialen Spannungen die in dieser Region herrschen, welche von der Stahlindustrie geprägt ist. Dennoch scheint alles mit Leichtigkeit erzählt zu sein. Auch wenn das Leben trotz der blauen Flecke auf den Armen so sorglos scheint und der Leser das Gefühl hat, die Mädel würden einfach nur so in den Tag hinein leben.

Obwohl ich anfangs skeptisch war und das Buch in die Ecke der Jugendliteratur stellen wollte, wurde ich eines Besseren belehrt. Mich hat die Geschichte der Mädchen gepackt. Ich habe sie gerne auf dem Weg ins Erwachsensein begleitet und dabei Spaß gehabt. Ein weiteres Mal habe ich festgestellt, dass mich neben der Spannung der Geschichte auch die Atmosphäre einfangen kann. Wenn dann beides stimmt, um besser. Gerne volle Punktzahl.

Avalone, Silvia
Ein Sommer aus Stahl
Aus dem Italineischen von Michael von Killisch-Horn
414 Seiten, gebunden
Klett-Cotta, Stuttgart
ISBN-10: 3608938982
ISBN-13: 9783608938982

© Detlef Knut, Düsseldorf 2013
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Rainer M. Schröder: Liberty 9 – Todeszone

Rainer M. Schröder: Liberty 9 – Todeszone

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Die Lügen sind aufgedeckt. Für Kendira, Carson, Dante und die anderen jungen Leute aus Liberty 9 ist es Zeit zu handeln, wenn sie nicht in den sicheren Tod gehen wollen. Carson, Dante und einige andere haben einen Weg nach draußen gefunden.

Es gelingt ihnen, die Wolf-Leute und die Bones für ihre Sache zu gewinnen. Mit Verstärkung und guter Bewaffnung kehren sie zurück zu, um die noch Ahnungslosen aufzuklären und Liberty 9 zu befreien. Unerwartet erhalten die jungen Leute Hilfe von Primas Templeton, den sein Gewissen plagt, sodass die innere Sicherheit von Liberty 9 empfindlich gestört werden kann.

Dennoch ist es ungewiss, ob die Machtübernahme gelingt, denn noch jemand wechselt die Seiten, von dem sie es nicht erwartet hätten. Diesmal nicht zu ihrem Vorteil. Die Lage verschärft sich dramatisch. Dabei müssen auch noch die bereits Verschleppten auf Tomamato Island gerettet werden. Aber auch dafür entwickeln die Freunde einen waghalsigen Plan.

Das Buch ist sehr mitreißend geschrieben. Die Spannung des ersten Bandes „Liberty 9 – Sicherheitszone“ wird übertroffen. Nicht gleich am Anfang. Erst wird langsam in das Buch eingeführt, bis man sich wieder gut zurecht findet. Aber dann wechselt die Stimmung. Die beklemmende Situation, die sich für die Charaktere auftut, überträgt sich direkt auf den Leser. Der Autor schreibt mit Schonungslosigkeit. Der Tod ist allgegenwärtig und schlägt unbarmherzig zu.
Was im ersten Band noch sehr rätselhaft dargestellt wird, wird nun offenbart. Der Leser erfährt, was Liberty 9 wirklich ist und was mit der Welt draußen nach dem Dritten Weltkrieg geschehen ist.

Es ist eine erschreckende Dystopie. Die Rettungsaktion steht unter keinem guten Stern. Die Gefahren draußen, haben die Freunde um Cendira, Carson und Dante unterschätzt. Es gibt extrem dramatische und unerträglich brutale Szenen. Unerwartete Wendungen erhöhen die Spannung noch.

Rezension von Heike Rau

Rainer M. Schröder
Liberty 9 – Todeszone
544 Seiten, gebunden
cbj, München
ISBN-10: 3570154653
ISBN-13: 978-3570154656
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Tomas Gonzalez: Das spröde Licht

Tomas Gonzalez: Das spröde Licht

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Eine Geschichte von Liebe, Schmerz und Verlust…

Die Familie von David aus Kolumbien ist glücklich und zufrieden, bis sie ein unvorhergesehenes tragisches Unglück trifft: Jacobo, der älteste Sohn, wird bei einem Autounfall schwer verletzt, und es gibt keine Hoffnung auf Besserung. Er ist vom Hals ab gelähmt und kämpft einen verzweifelten Kampf um die Rückkehr ins Leben.

Früher hat die Familie in Miami gelebt und zuletzt in New York, wo David als Maler Erfolg hat. Die drei Söhne gehen ihren Studien– und Schulbesuchen nach. Wir schreiben das Jahr 1999.

Die Familiengeschichte mit den charaktervollen Söhnen und der hübschen und tatkräftigen Mutter Sara ist eingebettet in ein lebhaftes Familienleben, in dem es bis dahin keine Betrübnis gab. David hat einen grünen Daumen, so dass er hübsche Gewächse in den Räumen und auf den Balkonen gepflanzt hat. Ein Papagei und der Kater Cristóbal ergänzen das Leben in dieser Oase des Friedens.

Nach Jacobos Unfall ändert sich das Leben der Familie komplett.

Über längere Zeit muss der Sohn mit den heftigsten Schmerzen leben, bis er und seine Familie zu einer schweren Entscheidung finden.

Jacobo beschließt, seinem Leben ein Ende zu setzen, weil er die Schmerzen nicht mehr ertragen kann. In Gedanken und Taten begleiten ihn Familienmitglieder und Freunde, und diese Zeit des Abschieds ist dramatisch und packend in ihrer Dynamik.

David ist zuletzt alt und bereits Witwer als ihn die Erinnerung an Sara und die Söhne noch einmal tief in die Vergangenheit blicken lässt.

Tomas Gonzalez schreibt emphatisch, tief verbunden mit seinen Figuren und mit Leidenschaft und Verve. Vor uns entfaltet er in einer blumigen  Sprache das Familienleben einer Latinofamilie von gehobenem Stand in Amerika. Seine Protagonisten mit ihrem Leid der Unheilbarkeit und der Verzweiflung bieten die eine Seite der Geschichte. Die andere zeigt das Leben in Miami und New York und später das in Kolumbien. Die Geräusche der Straße, der Duft der Blumen und die Pracht der Bäume im Central Park sind äußerst gegenwärtig.

In einer so innigen und zugleich sachlichen Weise hat man selten über Freundschaft, Liebe, Altern, Tod und Vergänglichkeit gelesen. Hier liegen Glück und Schmerz, Freude und Verlust nahe beieinander. Im Ton überzeugend und echt erlebt man jeden einzelnen mit den Gefühlen von Abschied und Erinnerung. Doch bleibt der Rahmen immer einer der verstehenden Zuwendung mit zärtlichen Familienbindungen.

Die Übersetzer haben sich in das fremde Leben eingefühlt und sind bemüht, auch in der Übersetzung die gleichen Effekte zu erzielen, wie im Original. Mir scheint das sehr gelungen.

Es ist ein kurzer aber inhaltsvoller kleiner Roman, in dem man sich den Menschen und den Hauptdarstellern eng verbunden fühlt.

Tomas Gonzalez ist ein bemerkenswerter latein-amerikanischer Dichter, dessen Entdeckung sich lohnt.

Tomas Gonzalez
Das spröde Licht
176 Seiten, gebunden
S. FISCHER, 2.Auflage, September 2012
ISBN-10: 3100266056
ISBN-13: 978-3100266057
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Jonathan Emmet: Das allerschönste Geheimnis

Jonathan Emmet: Das allerschönste Geheimnis

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An einem schönen Sommertag beschließt Maulwurf, einen Erkundungsgang zu machen. Die Hitze ist er allerdings nicht gewöhnt. An einem Baumstumpf setzt er sich, um eine Pause zu machen. Die Maus, die hier wohnt bemerkt ihn. Die beiden stellen sich einander vor. Maus zeigt Maulwurf ihr zu Hause. Im Inneren des Baumstumpfs hat sie sich ein gemütliches Nest gebaut. Die beiden mögen sich und werden Freunde. Maulwurf hat noch andere Freunde, aber seine Freundschaft zu Maus, möchte er lieber geheim halten. Maulwurf und Maus treffen sich immer wieder.

Die Freunde Maulwurfs wundern sich. Wo ist Maulwurf nur und warum hat er nie Zeit? Als sie ihn dann doch einmal treffen, erkundigen sie sich natürlich, warum Maulwurf so selten zu sehen ist. Immer noch will Maulwurf sein Geheimnis für sich behalten. Aber dann kommt Maus, um Maulwurf zu besuchen und die anderen Freunde lernen sie kennen. Schnell freundet sie sich mit Igel, Hase und Eichhörnchen an. Maulwurf gefällt das zunächst gar nicht. Aber bald ändert er seine Meinung.

Kinder kennen das. Ein neuer Freund ist ungeheuer spannend. Man möchte ihn am liebsten für sich alleine haben. Diese Situation greift der Autor auf und zeigt, dass man seine alten Freunde dennoch nicht vernachlässigen sollte, sondern den neuen Freund in den vorhandenen Freundeskreis mit einbeziehen sollte. Das Thema ist auf kindgerechte Weise sehr spannend und anschaulich umgesetzt. Dazu trägt nicht nur der Text bei, sondern auch das Bildmaterial. Dabei ist das Buch komplett illustriert und die Schrift darauf aufgesetzt, so dass Kinder, wenn die Geschichte vorgelesen wird, die Bilder eingehend betrachten können. Das Buch kann als Anlass für ein Gespräch genommen werden, das Kinder interessiert. Sich mit dem Thema zu beschäftigen, fördert auf spielerische Art und Weise die soziale Kompetenz der Kleinen.

Rezension von Heike Rau

Jonathan Emmet
Das allerschönste Geheimnis
Mit Illustrationen von Vanessa Cabban
Aus dem Englischen von Peter Ahorner
32 Seiten, gebunden
Annette Betz Verlag
ISBN-10: 3219115411
ISBN-13: 978-3219115413
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Rainer M. Schröder: Liberty 9 – Sicherheitszone

Rainer M. Schröder: Liberty 9 – Sicherheitszone

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Eigentlich wäre es Kendiras Pflicht gewesen, ihn zu verraten. Der Servant hatte hier nichts zu suchen. Stattdessen lässt sie sich auf ein Gespräch mit Dante ein. Dabei übt er Kritik an den Vorgängen in der Sicherheitszone. Kendira hat ihr Leben als Elector nie infrage gestellt. Doch Dante gelingt es, sie zum Nachdenken zu bringen. Auf seine Bitte hin will sie sich mit ihm sogar ein zweites Mal treffen.

Als Kendira ein Gespräch zwischen Dante und Jaydan, der auch ein Servant ist, im Heizungskeller belauscht, wächst ihr Misstrauen. Dante offenbart ihr später seine Fluchtpläne. Nie hatte Kendira Liberty 9 als Gefängnis empfunden. Doch es stimmt, wollte sie gehen, könnte sie es nicht.

Ein Angriff der Nightrider auf die Sicherheitszone sorgt für weitere Unruhen. Ihre Flugblätter gelten als Seelengift. Es kommt nicht infrage, diese zu lesen.
Wie sich herausstellt, hat ausgerechnet Master Seyward es gewagt, dieses Seelengift zu lesen. Er wird als Handlanger der Nightrider enttarnt. Die Bücher und Schriften, die man bei ihm findet hat, werden verbrannt. Master Seyward muss das schrecklich unmenschliche Cleansing, das einer Auslöschung gleichkommt, durchlaufen. Doch in der Gefängniszelle hat er zuvor eine Botschaft hinterlassen, die Dante entdeckt und Kendira zeigt. Offenbar sind die Electoren in Lebensgefahr.

Es ist der erste Teil einer Trilogie. Die Geschichte beginnt äußerst spannend. Man hat hier eine in sich abgeschlossenen Teil, der dennoch zum Ende hin offen gehalten ist. Liberty 9 ist eine Sicherheitszone. Die Schüler hier dienen einer höheren Macht. Was genau ihre Aufgabe ist, gleicht aber einem Mysterium. Der Autor entwickelt diese Welt vor den Augen des Lesers sehr schnell. Man muss sich einlesen.

Keiner der Schüler weiß also über seine Zukunft etwas Genaueres. Niemand hat bisher die Geschehnisse hinterfragt, bis Dante, der kein privilegiertes Leben führt, sondern ein Diener ist, bei Kendira Misstrauen schürt. Das macht die Spannung im Buch aus. Auch der Leser erfährt nicht, wie die Zukunft der Schüler aussehen wird, sondern wird im Unklaren gelassen. Man bekommt keinen Hinweis, weiß nur, dass es etwas komplett Unerwartetes sein wird. Interessante Vorkommnisse und Wendungen werten das Geschehen zusätzlich auf.

Die Charaktere sind gut beschrieben. Obwohl es viele Personen sind, die neben Kendira und Dante die Handlung bestimmen, verliert man nicht den Überblick. Kendira und Dante sind glaubwürdig dargestellt. Man folgt den beiden gerne.

Die Geschichte ist also spannend gemacht, inhaltlich überzeugend, gut vorstellbar und flüssig geschrieben. Es macht Spaß, dieses Buch zu lesen. Ich bin gespannt, wie es mit dem zweiten Band weitergehen wird.

Rezension von Heike Rau

Rainer M. Schröder
Liberty 9 – Sicherheitszone
496 Seiten, gebunden
cbj, München
ISBN-10: 3570154645
ISBN-13: 978-3570154649
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Jess Jochimsen: Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst?

Jess Jochimsen: Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst?

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Sehr humorvolle Geschichten eines Vaters im Zusammenleben und bei der Erziehung seines Sohnes Tom. Der größte Teil der Geschichten macht Spaß beim Lesen, wohl jede Mutter oder jeder Vater erkennen viele Szenen aus dem eigenen Leben, es wird kaum jemanden geben, der sich nicht in einer der Geschichten wiedererkennt.

Bedauerlicherweise kippt dieser Spaß im dritten Drittel der Geschichten. Nahezu jede Geschichte muss ab da dafür herhalten, dass der Autor mit den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen in Deutschland abrechnet. Politiker, Manager und Griechen, alle kriegen ihr Fett ab. Der erhobene Zeigefinger kommt aus seinen Höhen nicht mehr herunter. Die Sprache des Erzählers ist nicht mehr kindgerecht und die Geschichten haben auch nichts mehr mit dem Sohn zu tun, dessen Name nur noch plakativ hingeworfen wird. Der hintere Teil ist leider der verzichtbarste Teil des ansonsten überaus unterhaltsamen Buches.

Zwischendurch tauchen Widersprüche in der Familie des Erzählers auf. Meist durchweg geht man als Leser von einem alleinerziehenden Vater aus. Das wird verstärkt, als er berichtet, mit einer Freundin nicht ins Kino gehen zu können. Anschließend wird dann von Ehefrau und Mutter gesprochen. Hier ist zwischen den Geschichten keine Homogenität gegeben. Die Plausibilität leidet darunter.

Jochimsen, Jess
Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst?
160 Seiten, broschiert
dtv, München
ISBN-10: 3423347155
ISBN-13: 9783423347150

© Detlef Knut, Düsseldorf 2012

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Lionel Shriver: Dieses Leben, das wir haben

Lionel Shriver: Dieses Leben, das wir haben

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Am Scheideweg zum Tod.

Shepherd und Glynis sind ein Paar in der Mitte des Lebens. Er will sich nach dem Verkauf seiner Firma, der einen großen Ertrag brachte, ein gutes Leben machen. Ob seine Frau Glynis, die Kunstschmiedin, das mitmachen will, steht dahin. Denn ehe man an die Veränderungen eines neuen und anderen Lebens denken kann, entdeckt man bei Glynis Krebs, und sie wird schwer krank. All’ das schöne Geld zerrinnt unter den hohen Ausgaben für das amerikanische Gesundheitssystem, und zerrinnen werden auch alle Hoffnungen und Beziehungen, in denen sich das Paar bisher geborgen fühlte.

Neben den eigentlichen Hauptakteuren bilden die Verwandten und Freunde das Umfeld, in dem sich das gesellschaftliche und “normale“ Leben abspielt.

Begleitet von den Kümmernissen und verletzten Lebenshaltungen der Lebenden, stößt Glynis zu der wahren Erkenntnis vor, die ihr niemand mit noch so verlogenen Zurufen nehmen kann: im Angesicht des Todes werden alle irdischen Vorkommnisse in Politik und Gesellschaft nachrangig. Ihre gesunde Reaktion auf die ganz gewöhnlichen Banalitäten des Alltags ist Wut; Wut auch auf ihren Mann, der ihr in seiner aufopferungswilligen Fürsorge fast suspekt erscheint. Sie, die vom Tod gezeichnet ist, erträgt zuweilen seine entsagungsvolle Zuwendung kaum mehr.

Der Durchbruch zur Realität des bevorstehenden Abschieds und seiner Folgen für alle ist die einzige Wahrheit, die in diesem Roman zählt. Sie wird mit harter Konsequenz unsentimental bis zum Ende durchgespielt.

Eine der stärksten Szenen in dem Buch ist der Ausbruch von Glynis, in dem sie die Lügen und den Eigennutz, die Verlogenheit der Tröstungen und die nachlassende Bereitschaft ihrer Freunde und Verwandten, sich ihrer überhaupt noch anzunehmen, herausschreit. Wie aber kann man es denn überhaupt noch jemandem Recht machen, der mit seinem körperlichen und seelischen Zerfallsprozess für die gesamte Umwelt die Grenzen des Erträglichen berührt?

Lionel Shriver hat in ihrem Buch über „Dieses Leben, das wir haben“, kenntnisreich und wissend berichtet. Selten hat man so realistisch, glasklar und hart gelesen, wie es sich anfühlt, zu sterben, wenn um einen herum das Leben weiter geht.

Alle die Eitelkeiten, Sehnsüchte und Pläne, ja selbst das Scheitern anderer Existenzen, sind nur die Begleitmusik zu einem Scheitern ganz anderer Art: nämlich den Tod als unbesiegbar zu erleben.

Lionel Shriver entwirft das Bild einer zerfallenden familiären und freundschaftlichen Gemeinschaft mit allen begleitenden Kalamitäten.

Es ist ein starkes und beeindruckendes Buch, mit dem die Autorin über ein allseits fälliges aber häufig tabuisiertes Thema berichtet.

Sehr empfehlenswert!

Lionel Shriver
Dieses Leben, das wir haben
544 Seiten, broschiert
Piper Taschenbuch, Juni 2012
ISBN-10: 3492274579
ISBN-13: 978-3492274579
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Ellen Sussmann: An einem Tag in Paris

Ellen Sussmann: An einem Tag in Paris

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Der Titel des Buches in seiner deutschen Fassung bringt es auf den Punkt. Es geschieht alles an ein und demselben Tag in Paris, allerdings aus der Sicht verschiedener Protagonisten. Wenn man sie überhaupt Protagonisten nennen kann, so handelt es sich um Amerikaner Josie, Riley und Jeremy, die von ihren Privatlehrern Nico, Philippe und Chantal einen ganzen Tag lang durch Paris geführt werden und am Nachmittag den Dreharbeiten eines Kinofilms beiwohnen. Sie sind nach Frankreich übergesiedelt oder haben längere Zeit dort zu tun. Die französische Sprache entgleitet noch nicht so flüssig ihren Lippen oder, wie im Falle Jeremys, der Ehemann des in dem Kinofilm mitspielenden Hollywood-Stars, bekamen die Französischlehrerin zum Zeitvertreib an die Seite gestellt.

Auf diese Weise wird ein Tag im Leben des jeweiligen Pärchens geschildert. Dabei geht es meist sehr viel um – um was soll es in Paris schon gehen? – Liebe. Und um Sex. Es geht um das Leben und die Beziehungen zu den Ehepartnern und Lebensgefährten, zu den Eltern, zu den Kindern. Die Protagonisten stellen sich die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Hiersein, nach der Vollkommenheit ihrer selbst. Besonders schön gelungen ist der Autorin die Kulisse von Paris. Der Charme dieser großen, kleinen Stadt mit dem Duft seiner Straßenzüge, dem Duft seiner Bistros und Cafés, den Gärten, den Museen, mit allem, was Paris ausmacht. Parisliebhaber, und ich zähle mich dazu, werden dieses Buch mögen. Sie nehmen sich beim Lesen eine Auszeit und machen einen Ausflug in die europäische Metropole an der Seine.

Trotzdem gibt es einen schalen Beigeschmack für die Geschichtenliebhaber unter den Lesern. Es handelt sich um einen Episodenroman. Die Geschichten sind untereinander nicht miteinander verbunden, bis auf die Privatlehrer und den Filmdreh. Es sind also drei verschiedene Geschichten, drei Geschichten von sechs Menschen, die durch die Welt taumeln und nicht wissen, wo ihr Ziel liegt. Es sind unterhaltsame und lesbare Zustandsbeschreibungen, denen aber der Makel der fehlenden Spannung anhaftet. Auch die grammatikalischen Zeiten stimmen nicht immer. Wenn beispielsweise in einer Rückblende über die Zukunft (die noch vor der Handlung in der Gegenwart liegt) spekuliert wird, dann ist mir das nicht klar. Denn der Erzähler weiß zu diesem Zeitpunkt, wie die Vergangenheit ausgesehen hat und muss darüber keine Spekulationen anstellen. In diesem Falle liegt die Zukunft bereits in der Vergangenheit und ein Konjunktiv verbietet sich. Doch da es sich um eine Übersetzung handelt, ist die Ursache der grammatikalischen Ungereimtheiten nicht sofort feststellbar. Ein Konjunktiv in der Vergangenheit liest sich halt ungewohnt.

Dennoch: Wer gerade keine Zeit hat, um sich ein paar schöne Tage in Paris zu machen, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen. Leichte, charmante Lektüre von einem ebensolch charmanten Paris. Pariser Leben als Gefühl auf dem heimischen Sofa.

Sussmann, Ellen
An einem Tag in Paris
Aus dem Amerikanischen von Veronika Dünninger
288 Seiten, gebunden
Limes Verlag, München
ISBN-10:3809026034
ISBN-13: 978-3809026037

© Detlef Knut, Düsseldorf 2012

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Inara Scott: Night Academy – Die Begabte

Inara Scott: Night Academy – Die Begabte

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Dancia Lewis ist vierzehn Jahre alt, als sie die Einladung für die Night Academy persönlich überbracht bekommt. Sie soll sogar ein Vollstipendium erhalten. Allerdings ist die Schule Schülern mit besonderen Fähigkeiten vorbehalten. Zwar hat Dancia außergewöhnlich Kräfte, doch kann eigentlich niemand davon wissen. Sollte sie tatsächlich, wie man ihr sagt, aufgrund ihres außergewöhnlichen Mutes aufgefallen sein?

Die Schule ist beeindruckend, wird aber sehr abgeschirmt. Die Sicherungsvorkehrungen sind entsprechend. Dancia, die bisher immer versucht hat, unauffällig zu bleiben, um ja nicht die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu lenken, kann sich nun in der neuen Schule doch etwas gelassener geben.
Cameron Sanders, ein älterer Schüler, kümmert sich in seiner Funktion als Schulsprecher zudem liebevoll um sie. In Esther und Hennie findet Dancia sogar Freundinnen. Die beiden haben echte Begabungen. Anders als Jack Landry, den Dancia von einer eher seltsamen Begegnung in Danville bereits kennt. Auch er weiß nicht so genau, warum er hier ist.

Dancia hält es für möglich, dass auch andere Schüler, ebenso wie sie selbst, neben ihren Talenten auch übersinnliche Fähigkeiten haben, die nicht für andere ersichtlich sind. Was genau in der Schule vor sich geht, und warum nicht mit offenen Karten gespielt wird, lässt sich nicht sagen. Dancias Misstrauen wächst.

Die Autorin überzeugt sofort mit ihrem Schreibstil, der sehr flüssig zu lesen ist. Dancia ist ein interessantes junges Mädchen. Durch ihre bewegte Vergangenheit wirkt sie sehr erwachsen. Auch wenn sie bei ihrer Oma lebt, ist sie doch auf sich allein gestellt. Um jeden Preis versucht sie, ihr Geheimnis zu wahren. Das hat sie zur Einzelgängerin gemacht.

Die Night Academy ist natürlich keine normale Schule, auch wenn es zunächst so scheint. In diesem ersten Teil geht es für Danica vor allem darum, hinter die Geheimnisse dieser Schule zu kommen. Weiterhin lernt Dancia Schüler und Lehrer kennen. Zwei Jungs spielen eine Rolle. Der draufgängerische Jack und der bodenständige, aber geheimnisvolle Cam.

Das ist auch wirklich alles spannend gemacht. Aber um viel mehr geht es eben nicht. Kritisch betrachtet, hat man es im Grunde hier mit einer Einleitung zu tun. Es passiert nichts, was die Handlung ordentlich voranbringt. Auch wenn sich das Buch gut liest, ist es inhaltlich wenig überzeugend. Das ist dann doch ein etwas dünner Serienauftakt.

Rezensionen von Heike Rau

Inara Scott
Night Academy – Die Begabte
Aus dem Englischen von Petra Knese
352 Seiten, gebunden
Egmont INK
ISBN-10: 3863960424
ISBN-13: 978-3863960421
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Milena Michiko Flasar: Ich nannte ihn Krawatte

Milena Michiko Flasar: Ich nannte ihn Krawatte

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Fremd in der eigenen Haut.

Geheimnisvoll und beunruhigend beginnt der vorliegende Roman von Milena M. Flasar, der uns in die Weisheit, das Leben und die Mentalität japanischen Lebens einführt.

Jeder kennt die Bilder der schweigenden Duldsamkeit, mit denen Japaner Naturkatastrophen und das bekannte Atomunglück in Fukushima hingenommen haben.

Hier begegnen wir zwei Männern, der eine jung, der andere alt, die sich täglich auf einer Parkbank begegnen. Sie schweigen. Erst nach und nach beginnen sie in wenigen Worten, später auch Sätzen, ein Gespräch mit einander.

Wie sind sie in ihre jetzige Lage gekommen?

Zwei Gescheiterte scheinen sich hier einander anzunähern. Stumm und in ihren eigenen Gedanken gefangen erfährt man erst allmählich von ihrem Schicksal. Mit assoziativen Einfällen und langsam sich öffnenden Herzen erfahren die beiden Männer, wie sie an den Rand der Gesellschaft geraten sind. Bei dem einen war der Tod eines Mitschülers die schockierende Ursache, beim anderen der Verlust der Arbeitsstelle.

Ohara Tetsu unterbricht als erster das lange Schweigen. Sein Gegenüber ist Taguchi Hiro. Letzterer ist ein verstörter Schüler, der die Schule abgebrochen hat und sein Leben in der Höhle seines Zimmers fristet. Hikikomori heißen diese Schüler, die der Welt den Rücken kehren und sich im Elternhaus verstecken. Sie bilden eine schwere Prüfung für Väter und Mütter, die nach außen den Schein wahren möchten und von einer langen „Auslandreise“ sprechen, wenn Angehörige oder Nachbarn nach dem Verschwundenen fragen.

Der „Salaryman“, ein ehemaliger Firmenangestellter, zeichnet sich durch korrekte Arbeitskleidung und eine Krawatte aus. Seine Frau soll nicht wissen, dass er arbeitslos geworden ist. Er ist ein liebevoller Ehemann, der jedoch dem Leistungsdruck der nachrückenden jüngeren Generation in der Firma nicht mehr gewachsen war.

Man weiß, dass Japaner in der Tat schweigsam sind, höflich und korrekt. Diese Männer, der alte und der junge, klagen und zetern nicht: sie nehmen stillschweigend ihr Unglück hin, dass jeden von ihnen zum einsamen Außenseiter gemacht hat. Erst allmählich lösen sich die Zungen, und die trostlosen Erfahrungen, von denen man hört, wollen schier kein Ende nehmen.

Der Leser bekommt ein Bild von dem Arbeitsdruck in den Firmen und erfährt von der öffentlichen Schande, die das Herausfallen aus allen Lebensmustern mit sich bringt. Geheimnisvoll und vielsagend beschreibt die Autorin, wie die beiden Außenseiter Konfliktsituationen und Schicksalsschläge vergeblich in den Griff zu bekommen trachten. Vor uns breitet sich ein fremde Mentalität und innere Verschlossenheit aus.

Besinnlich, nachdenklich und zart gesponnen entwickelt die Autorin ihren Romanstoff, der doch einen Teil japanischer Realität widerspiegelt.

Die Geschichten der beiden Hauptprotagonisten verdichten sich zu einer empfindsamen und traurigen Erzählung, in der sehr viel inneres Leid steckt. Mit poetischen Bildern untermauert M. M. Flasar noch die äußere Schönheit der Welt mit dem inneren Zerfall der Unglücksraben.

Eine stille, ruhige  und nachdenklich gestaltete Erzählung erwartet den Leser, der auf diese Weise ein Bild vom japanischen Leben bekommt.

Milena Michiko Flasar
Ich nannte ihn Krawatte
144 Seiten, gebunden
Verlag Klaus Wagenbach, Januar 2012
ISBN-10: 380313241X
ISBN-13: 978-3803132413
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