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Schlagwort: Gesellschaft

Louise de Vilmorin: Madame de

Louise de Vilmorin: Madame de

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Man sieht die beiden verführerisch und lasziv in eleganter Aufmachung beim Tanz. Verführerisch und lasziv ist die ganze Geschichte, die uns hinter die Kulissen des Adels in Frankreich Mitte der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts entführt, und die von Max Ophüls 1953 verfilmt wurde.

Madame de ist eine adelige Dame, elegant und anziehend und das Schmuckstück einer jeden Gesellschaft. Stilvoll und berückend scheut sie keine Ausgaben, um ihr Äußeres zu verbessern. Ihr verschwenderischer Lebensstil hat sie in hohe Schulden getrieben. Sie verkauft in ihrer Not Ohrringe in Herzform aus Diamanten an einen Juwelier, der ihr Stillschweigen über den Ankauf verspricht. Die Ohrringe waren das Hochzeitsgeschenk ihres Mannes! Wie die Dinge so laufen, kommt dieses Schmuckstück auf Umwegen an die Verkäuferin zurück, die sich inzwischen unsterblich in einen Diplomaten verliebt hat.

Louise de Vilmorin kennt die Kreise, in denen Madame verkehrt und weiß um die Gelüste, die ein langweiliges Gesellschaftsleben in den Teilnehmern dieser Kreise auslösen. Leidenschaften, die vielleicht gar keine sind, befallen die angeödeten Damen auf der Jagd nach Abwechslung. Gekonnt spielt die Autorin auf der Klaviatur der gesellschaftlichen Geflogenheiten und entwirft das Bild einer Epoche, in der Umgang und Beziehungen alles waren. Madame de versteckt ihre Amouren geschickt vor den Augen ihres Mannes, ist aber innerlich zerrissen von dem missglückten Spiel, dass sie mit ihrem Ehemann und dem geliebten Diplomaten spielt. Liebe und Eifersucht sind die Triebfedern für ein Geschehen, in dem sich am Ende alle verfangen.

Mit wenigen Skizzen nur zeichnet Louise de Vilmorin ein Gesellschaftsbild, in dem neben der Geselligkeit Fantasien freisetzt werden, die nur zum Unglück führen können.

De Vilmorin erinnert mit ihrer Geschichte an die großen Vorbilder Maupassant, Flaubert und Balzac. Gibt es doch von Maupassant die Geschichte „Der Schmuck“, in der wie hier ein Schmuckstück zur Überführung einer ungetreuen Ehefrau führt.

Liebesschmachten, Herzgeschichten, Langeweile und die stolze Gesellschaft einer verwöhnten Klasse bilden den Hintergrund für die Geschichte. Die Raffinesse, mit der die Autorin Gefühle aufzeigt und die Not der verbotenen Liebe beschreibt, ist unübertroffen.

Man liest die Geschichte mit nostalgischen Gedanken an eine Zeit, in der romantische, leidenschaftliche und in ihren Auswüchsen zuweilen tragisch endende Liebesehnsüchte den Alltag bestimmten. Konventionen und Haltung galten viel und waren die Voraussetzung dafür, dass man weiterhin „dazu gehörte“.

Es handelt sich bei der Novelle um eine hübsch inszenierte und fein ausgesponnene Geschichte, die durch die äußere Aufmachung des Büchleins aus dem Dörlemann Verlag noch den Geschmack des kultivierten Lesers anspricht. Die Übersetzung von Patricia Klobusiczky krönt das kleine Meisterwerk.

Louise de Vilmorin war selber mit berühmten Männern ihrer Zeit liiert und gehörte zu Klasse des Adels. Sie starb 1969.

Louise de Vilmorin
Madame de
128 Seiten, gebunden
Dörlemann, Februar 2012
ISBN-10: 3908777747
ISBN-13: 978-3908777748
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Julian Fellowes: Eine Klasse für sich

Julian Fellowes: Eine Klasse für sich

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In der Upperclass…

Der namenlose Icherzähler dieses Romans erhält nach vierzig Jahren einen Brief von seinem früheren Freund und späteren Erzfeind, der ihn um einen Besuch bittet.
Mit dieser Einladung verbinden sich für den Icherzähler Erinnerungen an seine Jugend in den sechziger Jahren. Adel und eine Gesellschaft von Gleichen unter Gleichen spielten damals noch eine herausragende Rolle, in der die so genannten einfachen „Bürger“ nichts zu suchen hatten.
Damian Baxter ist einer von den letzteren, der sich in die Gesellschaft drängte, mit einem Eklat ausgestossen wurde und mittlerweile zu ungeahntem Reichtum gekommen ist.
Jetzt steigt er wie aus dem Nichts der vergangenen Jahre auf und sucht Kontakt zum Icherzähler, um einem Geheimnis seiner Jugend auf die Spur zu kommen. Dass er gerade auf ihn verfällt, ist schon einigermaßen verwunderlich. Denn damals sind aus gegebenem Anlass aus Freunden unerbittliche Gegner geworden. Spielten dabei womöglich die Gesellschaft und die Frauen eine entscheidende Rolle?

Damian Baxter steht nun kurz vor seinem Ende. Er sucht einen Erben für sein beträchtliches Vermögen, und dabei soll ihm der Icherzähler helfen.

Die Konstruktion der Geschichte ermöglicht eine Rückschau auf eine längst vergangene Epoche, in der alle jung, übermütig, verliebt und gesellig waren.

Julian Fellowes bringt das Gesellschaftsbild jener inzwischen fernen Jahre mit detaillierten und malerischen Farben zum Leuchten. Sitten und Gebräuche, Umgangsformen und Kleidung: der Autor gewährt einen Blick zurück, der echt und typisch für die damalige Gesellschaft war. Das stilvolle Ambiente und die formvollendeten Manieren zeigten Merkmale der sozialen Zugehörigkeit, deuten aber auch schon den bevorstehenden Umbruch an.
Nach vierzig Jahren haben die Jungen von damals die unterschiedlichsten Entwicklungen genommen. Aus der vermeintlich heilen Welt, die mit ihren Strukturen Halt und Sicherheit bieten sollte, ist eine unsichere geworden.

Die Konfrontation von Gegenwart und Vergangenheit macht einen wichtigen Teil der Erzählung aus.

Julian Fellowes ist eine wunderbare und inhaltsreiche Sozialstudie gelungen. Die Rahmenhandlung,“very british“, bietet die notwendige Spannung, aus der heraus sich ein illustrer Gesellschaftsroman entwickelt.

Einem Mosaikgebilde gleich enthält der Roman zahlreiche Einzelgeschichten, die sich zuletzt zu einem Ganzen zusammenfügen.

Sehr empfehlenswert!

Julian Fellowes
Eine Klasse für sich
480 Seiten, gebunden
C. Bertelsmann Verlag, April 2011
ISBN-10: 3570100154
ISBN-13: 978-3570100158
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Ines Geipel: Seelenriss

Ines Geipel: Seelenriss

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Eine Abhandlung.

Ines Geipel beginnt ihre Ausführungen mit dem Untertitel „Depression und Leistungsdruck“ mit dem sehr spektakulären Fall von Robert Enke. Er war Torwart bei Hannover 96, einer der großen Hoffnungen des Fußballs, als er sich im November 2009 das Leben nahm.

Anhand einer Analyse seines Werdegangs zeigt uns die Autorin, dass Ehrgeiz, Stolpersteine in der jugendlichen Entwicklung und Niederlagen die Disposition bieten, die am Ende zur Krankheit „Depression“ führen könnte.

Auch weitere Beispiele aus der nahen Sportgeschichte, insbesondere in der DDR, spiegeln den Leistungsdruck und den Wechsel von Erfolg und Niederlage, mit denen junge  Menschen traktiert werden.

Wieder andere Beispiele befassen sich mit den Folgen des Ersten Weltkriegs, mit dem Verlust von Familienvätern, Söhnen und der Lebensgrundlage von Sicherheit und Zukunft. Alle Komponenten zusammen bilden den Nährboden, auf dem sich die seelische Deformation „Depression“ entwickeln kann.

Am Beispiel des Films „Das weiße Band“ führt die Autorin aus, wie die Folgen archaischer Erziehungsmethoden aussehen, wenn Kinder wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts schikaniert, dressiert, misshandelt und missbraucht werden, bis sie selber zu kleinen, grausamen Tätern mutieren.

Wenn die beschriebenen Lebensbilder auch interessante Abhandlungen zum Thema Depression bieten, können die Fallgeschichten alleine keine ausreichende Erklärung für die Ursachen der Depression sein. Schließlich ist die Gemütskrankheit, wenn auch unter anderem Namen, seit zweitausend Jahren bekannt; Plato, Sokrates und Nietzsche, Schopenhauer und Shakespeares Hamlet, Dürer und viele weitere bekannte Namen lassen sich mit der Krankheit verbinden. Sie hat eine sehr lange Geschichte.

Vielleicht ist der Titel falsch gewählt, denn Einzelschicksale und Fallbeispiele in großer Zahl bieten noch keinen verbindlichen Durchblick zur Thematik der Depression.

Insofern fehlt mir die Struktur in diesem wohl als Sachbuch zu betrachtenden Abriss seelischer Krankheiten, die in vielfachen Formen, mit unterschiedlichen Ursachen und mit gravierenden Folgen für die Betroffenen einhergehen.

Die ehemalige Weltklasse-Sprinterin Ines Geipel floh 1989 aus der DDR in die Bundesrepublik und kennt die Anwendung und Folgen von Doping aus eigener Anschauung.

Sie studierte nach ihrer Flucht aus der DDR Philosophie und Soziologie. Ihr Buch mit den unterschiedlichen Fallbeispielen liest sich leicht und befriedigt die Neugierde über einzelne Sportler, deren Erfolge mit Dopingvorwürfen- und Handlungen und mit der in der DDR praktizierten Talentförderung einhergingen. Als Buch der Fallbeispiele kann man ihre Abhandlung gelten lassen. Weniger oder mehr ist es nicht.

Ines Geipel
Seelenriss
250 Seiten, gebunden
Klett-Cotta, September 2010
ISBN-10: 3608946594
ISBN-13: 978-3608946598
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