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Schlagwort: Lebenskrise

Eshkol Nevo: Die Wahrheit ist

Eshkol Nevo: Die Wahrheit ist

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Der Roman befasst sich mit dem Schicksal und der Lebensgeschichte eines Schriftstellers.

Zufällig hat er den Namen Eshkol Nevo. Wenngleich es sich um einen Roman handelt, so erscheint die Erzählung doch wie die Autobiographie unseres Autors Eshkol Nevo. Er ist Israeli, lebt in Israel und ist um die vierzig bis fünfzig Jahre alt.

Hier erreichen ihn eine Reihe von Leserbriefen mit Fragen nach seinem Leben und Schaffen. Sie bilden den Auftakt zu einer Bilanz seines Lebens bis heute.

Was z.B. ist Nevo für ein Kind ist gewesen? Und wo steht er heute?
Er war viel sich selbst, seinen Erfahrungen, Ängsten und Fantasien überlassen.
Seine Frau Dikla hat gelegentlich ebenfalls schreckliche Albträume, die mit den ständigen Kriegs-und Terrorzuständen im Land zu tun haben.
Dikla, mit der ihn innige Liebe verband, geht auf Distanz zu ihm, nachdem er ihr von einer Affäre berichtet hat. Er leidet sehr darunter.

Der ganze Roman ist schließlich wie ein Interview gestaltet.
Fragen der Leser führen uns zur Lebensgeschichte des Helden. Er äußerst sich nach und nach zu allem, was sein Leben betrifft. Überschriften wie „Warum wird jemand Schriftsteller? Wusste er das schon immer? Wie biographisch sind seine Bücher? Woran arbeitet er gerade? Wie entstehen seine Frauenfiguren?“ führen uns auf die Spur zu seiner Biographie.

Wie erfahren so viel aus seinem Leben, dass wir am Ende sicher sind, der Autor selbst sei der Hauptprotagonist seines Romans.

Das Leben in Israel mit allen seinen Bedrohungen und Unruhen wird nachvollziehbar.
Die Palästina- Israelproblematik wird in die Handlung einbezogen, so dass man merkt: hier setzt sich einer mit diesem Konflikt kritisch und differenziert auseinander.

Der Roman ist in seinem Aufbau systematisch und seine Hauptperson folgt einem inneren Druck, sich zahlreicher Begebenheiten des vergangenen Lebens zu erinnern.

Moralische Skrupel, wie es um ihn selbst, den Schriftsteller, mit seiner Ehrlichkeit bestellt sei, lösen unendlich Folgefragen aus. Schließlich wird klar, dass dieses Wechselspiel zwischen Wahrheit und Fantasie in seiner Biographie und in seinem Verhalten bei seinem kleinen Sohn Irritationen auslöst.

Handelt es sich also in seinem augenblicklichen Status um eine handfeste Lebenskrise?
Die durchaus kritischen Selbsteinsichten sind tiefschürfend und lassen durchaus darauf schließen. Anmerkungen zu seinen Seelenzuständen und die momentane innere Zerrissenheit treiben den Autor um.

Feinsinnig und differenziert beschreibt Eshkol Nevo Situationen und Gespräche, wie sie stattgefunden haben könnten. Der Wechsel zwischen Icherzählung und immer wieder Gesprächen von Drittpersonen sind gelegentlich verwirrend.

Der Eindruck bleibt, dass es sich hier um ein analytisches Werk handelt, in dem Fiktion und Wirklichkeit unaufhörlich und oft unmerklich wechseln und alle Geschehnisse in einem fort hinterfragt werden.

Das Buch verspricht geistigen Hochgenuss!

Eshkol Nevo
Die Wahrheit ist
432 Seiten, gebunden
dtv Verlagsgesellschaft, April 2020
ISBN-10: 3423282193
ISBN-13: 978-3423282192
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Elizabeth Strout: Bleib bei mir

Elizabeth Strout: Bleib bei mir

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Elizabeth Strout ist eine Meisterin von Sozialstudien über das Miteinander im Kleinstadtleben. In ihrem neuen Buch „Bleib bei mir“ beweist sie ihre Kunst grandios aufs Neue.

Pastor Tyler Caskey lebt mit seinen zwei kleinen Kindern in West Annett, einer kleinen Stadt in Maine hoch im Norden Amerikas. Seine Frau ist kürzlich verstorben.

Der Pastor kam zunächst gut an in seiner Gemeinde. Doch wo jeder jeden beobachtet, bleibt auch nicht die geringste Regung verborgen.

Als er mit seiner jungen Frau in die Stadt kam, war man des Lobes voll über ihn. Seine Frau wurde eher argwöhnisch beäugt. Sie war modebewusst und wirkte leicht überheblich. Sie blieb unter den Kleinbürgern der Stadt eine Außenseiterin.

Mißtrauisch beäugten die Gemeindemitglieder den Pastor nach dem Tod seiner Frau: den so bescheidenen wie liebenswerten Mann folgten nun die Blicke auf der Suche nach möglichem Fehlverhalten.

Wie geht er mit der kleinen, schwierigen Katherine um, wie begegnet er den Menschen, die Rat bei ihm suchen, und wie kommen seine Predigten an?

Er ist körperlich ein großer, starker Mann mit einer Neigung zur Melancholie.

Wie passte seine Frau überhaupt zu diesem zurückhaltenden und nachdenklichen Mann?

E. Strout bietet mit ihren gewohnt scharfen Blicken eine Studie, in der die menschlichen Unzulänglichkeiten der Gemeinde- und Familienmitglieder den gütigen Blicken des Pastors gegenüber stehen. Er ringt um seinen Glauben, in dem ihm Dietrich Bonhoeffer Stil und Richtung vorgibt.

Klatsch und Tratsch machen die Runde und bringen den ernsthaften Pastor um seine Reputation.

Ergreifend kann E. Strout die Entwicklung des Pastors zum Ausdruck bringen. Kein menschliches Gefühl ist ihm fremd. Er muss seinen Weg der Ehrlichkeit und seine Gläubigkeit in harten Prüfungen bestehen. Die Erzählung rührt an die Gefühle des Lesers. Sie vermittelt mit vielfarbigen Charakteren einen Eindruck von der menschlichen Niedertracht, der Reue, aber auch der Freundlichkeit und Güte bei der Suche nach dem rechten Weg. Die Bürger der Stadt haben alle mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten zu kämpfen. Dass das Leben als eine ständige Suche nach Wahrhaftigkeit auf dem Umweg über Irrwege verlaufen kann, wird glaubhaft dargestellt. Elizabeth Strout kann mit ihren Geschichten fesseln und überzeugen. Ihre Charaktere sind nur allzu menschlich, so dass man tief mit ihnen mitempfindet. Das Versöhnliche Element ist anrührend und gibt der Geschichte ihren besonderen Reiz.

E. Strout ist eine der großen amerikanischen Erzähltalente, was erneut aufs schönste mit diesem Roman bewiesen wird.

Elizabeth Strout
Bleib bei mir
336 Seiten, gebunden
Luchterhand Literaturverlag, Juli 2014
ISBN-10: 3630874452
ISBN-13: 978-3630874456
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David Foenkinos: Zum Glück Pauline

David Foenkinos: Zum Glück Pauline

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Leben ist Glückssache!

Der Icherzähler dieses hinreißenden Romans befindet sich in keiner guten Lage. Er lebt mit seiner Frau in Paris zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Unerträgliche Rückenschmerzen plagen ihn und führen zu den wildesten Fantasien über die möglichen Ursachen. Seine Frau Élise und er sind zwanzig Jahre verheiratet und um die vierzig Jahre alt. Die Tochter ist kürzlich mit einem Freund zusammengezogen, und der Sohn, noch nicht einmal 18 Jahre alt, zieht ein Studium in den USA dem weiteren Verbleib im Elternhaus vor. Die Eltern sind geschockt über den Zustand des unwiederbringlichen Alleinseins. Darüber helfen die Freunde Édouard und Sylvie auch nicht hinweg.

Der Icherzähler reflektiert unermüdlich seine Lage, die darauf schließen lässt, dass er hochgradig hypochondrisch und depressiv ist. Zu allem Übel hat er seinen Job als Architekt gerade verloren. Die Einsicht, wie es mit der Liebe zwischen ihm und Élise steht, macht ihn auch nicht gerade froh. “Manchmal, wenn ich mit ihr zwischen den Blumen umherspazierte, überkam uns die Vergangenheit. Dann gingen wir hinauf ins Schlafzimmer und waren für zwanzig Minuten noch mal zwanzig. Diese Momente waren unendlich kostbar.“ Wie sie ihm aus dem Fenster nachwinkt, oder wie sie beide, ihrer Jugend gedenkend, noch einmal kurz die Liebe erleben, das ist meisterhaft in der Beobachtung und Darstellung.
Hier kehrt einer sein Inneres nach außen, und dem Leser werden Zustände vor Augen geführt, die man gut nachempfinden kann. Verlustängste, Zukunftssorgen, Einsamkeit und Verlorenheit kennzeichnen einen Mann, der mit einem sensiblen Gespür für das, was kommen mag, ausgestattet ist. Es kommt schließlich so viel zusammen, dass er wirklich am Leben verzweifeln könnte! Doch dann begegnet ihm Pauline…

Mit ausnehmender Feinsinnigkeit erweckt David Foenkinos seine Helden zum Leben. Man denkt unwillkürlich an Italo Svevo oder Marcel Proust, die zu dem vorliegenden Werk Pate gestanden haben könnten. Sie beschreiben ebenfalls neurotische Menschen mit ihren Selbstzweifeln, Grübeleien, nostalgischen Erinnerungen an die Kindheit und mit der immer gleichen Unsicherheit beim Leiden am Leben. David Foenkinos, Jahrgang 1974, ist jedoch ein Autor ganz eigener Prägung. Er findet genau die passenden Worte für die wechselnden Gefühle und Stimmungslagen, denen sich der Icherzähler ausgeliefert sieht. Die beschriebenen Rückenschmerzen ziehen sich in ihrer Befindlichkeit durch den ganzen Roman und sind Synonym für das allgemeine Elend, in dem der Held steckt. Die Ängste vor den zahlreichen Untersuchungen und der anstehenden Diagnose für seine Beschwerden wachsen sich zur allgemeinen Panik über seinen Gesundheitszustand aus. Bald erweist es sich, dass die Rückenschmerzen psychosomatischen Ursprungs sind.
Wir erleben nun mit, wie gleichsam in einer Art Metamorphose aus dem ängstlichen, zaghaften und zwanghaften Mann ein befreiter Mensch wird, der seine neuen Freiheiten zu nutzen weiß.

Foenkinos Erzählung pendelt zwischen Ernst, Nostalgie, Melancholie und Ironie. Er übertreibt gelegentlich, so dass die Traurigkeit, mit der unser Held seinen von Angst besetzten Netzen der Einbildung und Vergangenheit zu entkommen trachtet, herabgemildert wird. Damit bietet er die nötige Distanz, um die ganze Geschichte mit einem Hauch menschlich absurden Verhaltens zu würzen. Man trifft dieses ja in der Realität tatsächlich häufig an!

Wieder einmal ein gelungener Roman von dem hoch geehrten Autor David Foenkinos!

David Foenkinos
Zum Glück Pauline
411 Seiten, broschiert
Beck, Juli 2013
ISBN-10: 3406654207
ISBN-13: 978-3406654206
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