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Patrick Ness / Siobhan Dowd: Sieben Minuten nach Mitternacht

Patrick Ness / Siobhan Dowd: Sieben Minuten nach Mitternacht

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Kurz nach Mitternacht ist es. Conor ist nach einem immer wiederkehrenden Albtraum nun wach, als die Eibe in der Nähe des Hauses sich erhebt. Sie wird zum Monster und will Conor holen. Doch Conor hat keine Angst. Das Monster aus seinem anderen Traum ist viel schrecklicher als diese hier.

Am nächsten Morgen muss Conor sich fragen, ob wirklich passiert ist, was er in dieser Nacht erlebt hat oder ob er doch wieder eingeschlafen war und träumte. Er ist allein mit seinen Gedanken und seinem Frühstück, weil es seiner Mutter nicht gut geht. Die Großmutter wird kommen, um sich um alles zu kümmern. Aber Conor versteht sich nicht gut mit ihr. Auch das macht ihm Sorgen.
In der Schule wird er gemobbt. Lily ist die Einzige, die sich für Conor einsetzt. Doch er will ihre Hilfe nicht. Sie hat allen verraten, dass seine Mutter krank ist. Seitdem sehen ihm die Schüler und Lehrer anders an.

Das Monster kommt wieder. Drei Geschichten will es erzählen. Die vierte soll Conor dann selbst erzählen. Nicht irgendeine Geschichte soll es sein. Das Monster will die Wahrheit hören. Und so nimmt das Baummonster immer mehr Raum in seinem Leben ein. So wie seine Mutter schwächer wird, scheint es stärker zu werden. Und umso stärker es wird, umso größer wird die Wut in Conor.

Zunächst etwas zur Entstehungsgeschichte. Patrick Ness hat dieses Buch nach einer Idee von Siobhan Dowd, die 2007 an Krebs starb, geschrieben. Patrick Ness erklärt in einem Vorwort, wie er sich, von dem was vorlag, das sind die Charaktere, ein Exposé und der Anfang, inspirieren lassen und ein eigenes Werk geschaffen hat.

Die Geschichte ist so traurig, dass man manchmal gar nicht weiter lesen mag. Aber es gibt Dinge, denen man sich stellen muss.
Conors Mutter ist schwer krank und Aussicht auf Heilung besteht kaum. Man leidet mit Conor, der zwar nach außen hin stark wirkt, es aber nicht ist. Er bleibt auf der Strecke, weil alles sich um seine Mutter dreht. Verständlicherweise! Er muss, als die Mutter ins Krankenhaus kommt, zu seiner Großmutter ziehen, mit der er sich nicht versteht. Ohne sein Zuhause fehlt ihm jede Rückzugsmöglichkeit. Dem Albtraum kann er nicht entfliehen und auch nicht dem Baummonster.
Conor verspürt keinen Halt mehr. Er hat große Sorge um seine Mutter und Angst vor der Wahrheit. Er spürt Wut und Hilflosigkeit. Das alles kann er kann er zunächst gar nicht erfassen.

Einfühlsam wird beschrieben, wie es Conor geht, wie das Baummonster ihm nicht gerade sanft zum Nachdenken bringt und ihm hilft die die Ursache für seinen schrecklichen Albtraum herauszufinden. Gefühle werden auch über die Bilder transportiert. Die nachtschwarz sind und sehr beklemmend wirken. Ein Buch, das so ausdrucksstark ist, in Wort und Bild, findet man selten.

Rezension von Heike Rau

Patrick Ness / Siobhan Dowd
Sieben Minuten nach Mitternacht
Illustriert von Jim Kay
Aus dem Englischen von Bettina Abarbarnell
216 Seiten, gebunden
cbj, München
ISBN-10: 3570153746
ISBN-13: 978-3570153741
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Michael Kumpfmüller: Die Herrlichkeit des Lebens

Michael Kumpfmüller: Die Herrlichkeit des Lebens

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Der schwierige, sensible und empfindsame Franz Kafka lernt im Sommer 1923 Dora Diamant kennen. Sie arbeitete in einem Kinderheim in Graal-Müritz an der Ostsee. Hier erholte sich FK von einer Lungentuberkulose, die ihn zunehmend schwächt und sein Leben überschattet.
Dass nach mehreren Verlobungen und Frauenbeziehungen die schlichte Dora zu seiner treuen Begleiterin wurde, ist ihrem zugleich schüchternen, liebevollen, einfühlsamen und handfesten Charakter geschuldet. Franz Kafka fand in ihr die unkomplizierte und treue Lebensgefährtin, an deren Seite er Ruhe und Fürsorge fand.
Michael Kumpfmüller hat die zarte und schüchterne Beziehung mit poetischen und eindringlichen Bildern nachgezeichnet. Die Annäherung der beiden Liebenden auf langen Spaziergängen am Ostseestrand und die spröde und einnehmend herbe Landschaft bildet den Rahmen, in dem Franz Kafka und Dora zögerlich zu einander finden. Von beiden Seiten sieht man eine ersehnte und angestrebte Gemeinschaft, die zu einem eheähnlichen Zusammenleben führte.

Michael Kumpfmüller ist ein sensibler Beobachter. Er zeigt in klugen und feinfühligen Bildern, wie sich Dora und Franz in einander verlieben. Die scheue und zugleich dringliche Liebe wird von beiden Partnern intensiv herbeigesehnt. Dora liebt den Mann ohne jede Einschränkung, während Kafka, schon von schwerer Krankheit gezeichnet, jeden Tag und Augenblick mit Dora genießt. Durch die Zeilen von Kumpfmüller zieht uneingeschränkt ein Hauch von Melancholie und Abschied. Kafka hängt von den Schwestern und von seinen Eltern ab, denn er ist seiner schweren Krankheit wegen schon mit 40 Jahren pensioniert worden. Er schreibt und quält sich mit seiner Arbeit. Er isst zu wenig, leidet an heftigen Fieberattacken und erscheint blass und ausgezehrt. Doch diese einmalige Liebe zwischen ihm und Dora ist für ihn wie ein Lebenselixier. Der Leser nimmt Teil an einem ergreifenden Schicksal: der vom Tod gezeichnete Mann in der Fürsorge und in den Armen seiner ihn über alles liebenden Dora. Sie kämpft um sein Leben, das doch unaufhörlich dem Ende zugeht.
Diese atemberaubende Liebesgeschichte mit tragischem Ende wird in den wunderbarsten Worten beschrieben, so dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte.
Sehr lesenswert!

Michael Kumpfmüller
Die Herrlichkeit des Lebens
256 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, August 2011
ISBN-10: 3462043269
ISBN-13: 978-3462043266
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Franziska Franke: Sherlock Holmes und der Club des Höllenfeuers

Franziska Franke: Sherlock Holmes und der Club des Höllenfeuers

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Liebhaber des Detektivromans kommen mit der Reinkarnation einer aus Literatur und Film bestens bekannten Romanfigur in den spannenden Genuss, die Welt um sich herum zu vergessen und in das mediterrane Flair von Florenz einzutauchen. Franziska Franke hat sich der lange totgeglaubten Romanfigur des britischen Meisterdetektivs Sherlock Holmes angenommen. Nach ihrem Debütroman „Sherlock Holmes und die Büste der Primavera“ handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um den zweiten Krimi dieses Stils, eines Stils, der dem des Altmeisters Arthur Conan Doyles nicht unähnlich ist.

In nüchterner, berichtender Weise beschreibt Mister Tristram, der enge Vertraute des großen Detektivs in der englischen Gemeinde von Florenz, Holmes Vorgehensweise bei den Ermittlungen. Während Holmes in England kaum auf seinen Dr. Watson verzichtete, weil der ihm unendlich viele Chancen bot, mit seinem Spürsinn zu glänzen, so verhält sich Mr. Tristram kaum anders. Bemüht, den Freund Holmes bei den Ermittlungen zu unterstützen, hat dieser nichts anderes zu tun, ihn bloßzustellen und mit seinem eigenen Wissen zu glänzen und zu belehren. Aus seiner Verblüffung über so manchen verwinkelten Gedankengang seines Freundes, der inkognito ermittelt, macht Tristram kein Geheimnis.

Die Ermittlungen drehen sich zunächst um das Auffinden eines Gemäldes, welches bei einem Mitglied des Höllenfeuer-Clubs, einem elitären Kreis der englischen Gemeinde, verschwunden ist. Sherlock Holmes wird beauftragt, das Gemälde zu finden. Erstaunlicherweise hat der Täter nicht die überaus wertvollen Gemälde aus der Renaissancezeit entwendet, sondern eines, auf welchem die fünf Mitglieder dieses esoterischen Clubs von einem Restaurator der Stadt porträtiert worden waren. Der Routinefall wandelt sich schnell zu etwas Ungewöhnlichem, als der Florentiner Maler und Restaurator tödlich verunglückt. Ein Umstand, den Sherlock Holmes stark bezweifelt. Nicht nur Holmes sondern auch sein Gehilfe Tristram geht von Mord aus und kommt so manchem Geheimnis der fünf Porträtierten auf die Spur.

Mit faszinierender Detailtreue beschreibt die Autorin die akribische Ermittlungsarbeit. Da der Eindruck eines nüchternen Berichts erweckt werden soll, dessen Manuskript auf dem Dachboden eines Buchhändlers gefunden wurde, bedient sich die Autorin auch gerne Fußnoten, die das eine oder andere Detail näher erläutern. Eine Methode, die dem Roman Authentizität verleiht.

Mit Humor beseelt werden immer wieder die zwar für Tristram und den Leser überraschenden Wendungen, die für den Meister jedoch offenbar immer wieder vorhersehbar waren. Als Leser kann man sich das etwas langsamer funktionierende Gehirn Mr. Tristrams allerdings gut nachvollziehen, sieht man sich doch selbst oft genug von Holmes an der Nase herumgeführt.

Für Leser, die Sherlock Holmes, Hercule Poirot oder Miss Marple lieben, ist dieses Buch ein unabdingbares Muss. Er wird verzaubert mit einer spannenden Mischung aus Arthus C. Doyle und Donna Leon.

Franziska Franke
Sherlock Holmes und der Club des Höllenfeuers
365 Seiten, broschiert
KBV Verlag, Hillesheim
ISBN-10: 3940077933
ISBN-13: 978-3940077-93-6

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011
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Ulrike Blatter: Der Mann, der niemals töten wollte

Ulrike Blatter: Der Mann, der niemals töten wollte

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Ein sechsjähriges Kind wird vermisst gemeldet. Doch dies ist zunächst kein Fall für die Polizei. Der Entführer ist ein Bosnier, der sich von dem kleinen Mädchen mit „Vater“ anreden lässt.

An dieser Stelle kommt ein gesellschaftliches Thema ins Spiel, welches von der Autorin geschickt in eine spannende Handlung gekleidet wird. Krieg und Flucht aus Ex-Jugoslawien, Aufnahme in unserer westlichen Gesellschaft, Umgang mit ausländischen Mitbürgern. Haarklein werden die Verhältnisse eine Flüchtlingsfamilie in der deutsch-schweizer Gegend um Konstanz und den Bodensee herum geschildert.

Dass sich die Konstanter Kripo nicht um den Entführungsfall kümmert, hat seinen Grund: Sie hat wegen eines Toten, der erstochen in einer Badewanne gefunden wurde, genug zu tun. Das ohnehin schon große Team wird immer wieder durch weitere Experten vergrößert. Noch während die Ermittlungen auf Hochtouren laufen, gibt es einen zweiten Toten, der Ähnlichkeiten zu dem Tötungsdelikt des ersten Toten aufweist. Dieses Mal wurde der Leiter des Jugendamtes bestialisch erstochen und in einem Park abgelegt.

Geschickt sind die Ermittlungen um die Ermordeten mit der Entführung des Mädchens in einer parallelen Handlung verflochten. Die bluttriefenden Details bei der Leichenschau hätten auch ohne diese Konkretheit ihre Wirkung gezeigt, wie auch viele weitere kriminaltechnische Details passend in den Text eingeflossen sind und den Eindruck von Expertenwissen erwecken.

Als angenehm habe ich das Sprechen der handelnden Figuren empfunden, die teilweise im Dialekt oder mit osteuropäischem Akzent ihre Sätze hervorbrachten. Schade, dass dieser Stil nicht konsequent an jeder Stelle umgesetzt wurde.

Während die Ermittlungen der Kripo durchweg interessant und spannend sind, ist die Handlung um die Entführung ein wenig zähfließend. Es steht zwar immer die Frage nach dem „Warum“ im Raum, aber leider ändert sich dies über alle betroffenen Kapitel nicht. Im Ablauf der Entführung gibt es kaum eine überraschende Wendung, kein kleinerer Spannungsbogen, der den Leser bis zum nächsten (Entführungs-) Kapitel gefangen hält. Außerdem wirkt die Sichtweise des Kindes konstruiert, aus dessen Perspektive die Entführung geschildert wird. Es ist offensichtlich die eines Erwachsenen, der glaubt, dass ein Kind so denkt. Das hat nichts mit der realen Denkweise eines Kindes zu tun.

Auf das Thema des Buches ist bereits hingewiesen worden, aber die besondere Herangehensweise an die Problematik des Balkankrieges, an die Schicksale der Flüchtlinge, an die Schilderung der Kriegsleiden bosnischer Soldaten ist ein ausdrückliches Lob wert. Dadurch wird der Krimi einer, der auch zum Nachdenken anregt.

Blatter, Ulrike
Der Mann, der niemals töten wollte
332 Seiten, broschiert
KBV Verlag, Hillesheim
ISBN-10: 3940077968
ISBN-13: 978-3940077967

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011
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Jan Costin Wagner: Das Licht in einem dunklen Haus

Jan Costin Wagner: Das Licht in einem dunklen Haus

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Verwirrspiele zwischen Leben und Tod!

In diesem Krimi erleben wir eine tote Frau, eine tote Ehefrau und einen toten Mann, der von einem Balkon gestürzt wurde. Ein weiterer Mann stirbt durch die Explosion einer Schnapsflasche,–verwirrender kann ein echter Krimi nicht sein!

In Helsinki und Turku tummeln sich Polizisten bei Recherchen zu den ungeklärten Mordfällen. Viele Zusammenhänge bleiben angedeutet und vage, so dass man eifrig versucht, die düsteren Vorgänge zu ergründen. Auf diese Weise wird der Leser in Lebensbezüge hineingezogen, die einerseits miteinander in Verbindung zu stehen scheinen und andererseits immer neue Blickwinkel eröffnen.

Eine Klavierlehrerin und ihre Schüler bilden den Plot, mit dem man nach Jahren den Spuren eines einstmals geschehenen Verbrechens folgt.

Kimmo Joentaa ist der uns schon aus Vorgängerromanen bekannte Kommissar, der sich mit der Aufklärung der Mordfälle befasst. Seine Frau ist tot, und seine laszive Freundin Larissa bleibt ihm gegenüber still und verschlossen. Eines Tages ist sie verschwunden. Man ahnt wohl bald, dass sie ein sehr geheimes Leben neben ihrem Freund Kimmo führte. Schließlich bemüht sich Kimmo, neben der Arbeit in der Mordkommission dem verborgenen Leben dieser Freundin auf die Spur zu kommen.

Wie immer legt J.C. Wagner seine Fährten raffiniert, so dass man seinen psychologisch ausgefeilten Beobachtungen mit Interesse nachsinnt.

Dem Auftreten immer neuer Figuren kann man gelegentlich allerdings nur mühsam folgen, und so gerät man in den Trubel von Ereignissen, die in ihren Zusammenhängen schwer zu ergründen sind.

J.C. Wagner setzt subtile Mittel ein, um den Leser in die Irre zu führen. Es gelingt ihm vortrefflich, seine Erzählung aus einzelnen Puzzlesteinen zusammenzusetzen, so dass die Lösung erst ganz zuletzt sichtbar wird. Ein ambitioniert angelegter Krimi ist das Ergebnis dieses neuen Romans von Jan Costin Wagner. Für Krimifreunde mit anspruchsvollem Literaturgeschmack ist er genau das Richtige!

Jan Costin Wagner
Das Licht in einem dunklen Haus
352 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, Juli 2011
ISBN-10: 3869710160
ISBN-13: 978-3869710167
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Ursula Meyer: … brenne auf mein Licht

Ursula Meyer: … brenne auf mein Licht

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Der sechste Fall für Kommissarin Züricher in Münster ist ein spannender und unterhaltender Roman von Ursula Meyer. Die Kriminalschriftstellerin überzeugt mit detailreicher Milieukenntnis, sowohl was Münster und dessen Umgebung als auch die kirchlichen, regionalen Zusammenhänge angeht. An manch einer Stelle hätte eine Beschreibung nicht so umfangreich sein müssen, weil die Nerven des Lesers ohnehin wegen der kriminellen Spannung strapaziert wurden.

In einem Kindergarten wurde die anonyme Ankündigung eines Entführung entgegengenommen. Dieser Brief erweckt Besorgnis, denn bereits vor sechs Jahren waren Kinder aus demselben Kindergarten entführt und später tot aufgefunden worden. Es hat den Anschein, als würde es sich erneut um einen solchen Vorfall handeln und die Polizei hätte es jetzt definitiv mit einer Serientat zu tun. Das Verbrechen soll wie zuvor am Martinstag geschehen. Zwei Wochen bleiben der Ermittlerin und ihrem Team vom KK12 (vermisste Personen), dem Täter auf die Spur zu kommen, bevor das Verbrechen geschehen kann. Fieberhaft wird ermittelt, werden Fragen zu den vorangegangenen Entführungen gestellt, Akten gewälzt. Den Spuren, die ins Bistum führen, muss ebenso nachgegangen werden wie denen, die nach Italien führen. Züricher möchte verzweifeln. Diesen Luxus kann sie sich jedoch nicht leisten, denn im Hafen wird eine Leiche gefunden.

Die Autorin bringt eine große Anzahl Personen in die Handlung. Personen, die zwar nicht unwichtig für den Fortgang der Handlung sind, die aber andererseits nicht so detailliert ausgearbeitet sind, dass sich der Leser mit ihnen identifizieren kann. Eher nüchtern werden die Kommissare, das Personal des Kindergartens und die anderen Personen vorgestellt. Ihre Handlungen und Denkweisen sind nachvollziehbar und plausibel, aber in die Haut von Sieglinde Züricher und ihren Kollegen Max Lückmann kann man nicht schlüpfen.

Alles in allem ein sehr unterhaltsamer und gerne zu empfehlender Krimi aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Kollegen Wilsberg, Börne und Thiel, der nicht lange auf dem Nachttisch liegenbleiben wird, wenn man einmal auf der ersten Seite zu lesen begonnen hat.

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Meyer, Ursula
… brenne auf mein Licht
Sieglinde Zürichers sechster Fall
304 Seiten, broschiert
Waxmann Verlag
ISBN-10: 3830914148
ISBN-13: 978-3830914143
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2011
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Pascal Mercier: Der Klavierstimmer

Pascal Mercier: Der Klavierstimmer

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Mit dem „Klavierstimmer“ hat der Autor Pascal Mercier erneut einen Roman geschaffen („Perlmanns Schweigen“, „Nachtzug nach Lissabon“), auf den sich der Leser zunächst erst mal einlassen muss, um dann mit fortschreitender Seitenzahl umso tiefer in seinen Bann gezogen zu werden. Rasante Aktionen darf der Leser nicht erwarten, eher zahm und einfühlsam wird er in eine Atmosphäre hineinmanövriert, die ihn bald nicht mehr loslassen wird. Dabei ist es unerheblich, ob sich der Leser in dem zugrunde liegenden Milieu (im vorliegenden Fall das der klassischen Musik, besonders der Oper) auskennt oder ob es ihm fremd ist. Es wird sich ihm erschließen.

Das Zwillingspärchen Patricia und Patrice, die als Erwachsene bereits lange und weit von zuhause entfernt leben, erfahren, dass ihr Vater einen berühmten Opernsänger erschossen hat. Sie eilen zu ihren Eltern und erfahren bei ihren Recherchen sehr viel über sich selbst und über das Leben ihrer Eltern.

Der Autor bedient sich bei der Erzählung der Lebensgeschichten einer eher ungewöhnlichen Erzählmethode. Die Geschwister haben ihre Recherchen nämlich akribisch in Hefte geschrieben, die sie sich gegenseitig zusenden. Sie sprechen sich in Briefen in zweiter Person an, was allein für ein Roman schon ungewöhnlich ist. Auf diese Weise bewegt sich der Leser aber in den Köpfen der Erzähler, deren Hefte im steten Wechsel, eines nach dem anderen vorgestellt werden. Er scheint in deren Gedanken zu dringen und die intimen Gespräche von Bruder und Schwester zu belauschen.
Zwischendurch wird immer wieder in die Position eines Erzählers in dritter Person gewechselt. Das geschieht immer dann, wenn die Geschwister von ihren Gesprächen mit Vater und Mutter berichten und diese dann im Dialog mit ihren Kindern aus ihrem eigenen Leben beziehungsweise aus dem des Ehepartners oder über ihn erzählen.

Mit dieser Erzählmethode gelingt es dem Autor, dem Leser eine sich immer wieder wendende Geschichte aus vier verschiedenen Perspektiven näher zu bringen. Der Mord an dem Opernsänger ist dabei nur das Mittel zum Zweck, der darin besteht, höchst unterschiedliche Menschen in all ihren Facetten, Details, Marotten und sonstigen Eigenschaften vorzustellen. Die Wendungen in der Struktur der Familie und dem Geschehen, welches dem Schreiben der Notizen unmittelbar vorausgegangen ist, kommen meist überraschend und verblüffen umso mehr. Schritt für Schritt, aber mit zunehmendem Tempo wird der Leser über die Familienverhältnisse, über die Umstände, die zum Tod des Opernsängers führten und über den tatsächlichen Ablauf des Geschehens aufgeklärt. Was sich für manch einen Krimienthusiasten anfangs noch langatmig anfühlt, ist am Ende eine packende Geschichte, die man kaum aus der Hand legt, bevor man die letzte Seite nicht gelesen hat.

Mit Interesse verfolgt man, was die Zwillinge über sich, über ihre Eltern erfahren, über die Kälte in der Familie, die in ihrer Tiefe doch eine unendliche Wärme darstellt. Ein Buch voller Gefühle, voller auf und ab, voller hin und hergerissen sein. Dabei gelingt dem Autor am Ende noch ein Schwenk zum humorigen, wenn Patrice von seinen ersten Jahren in Chile erzählt und die Macht eines Übersetzers entdeckt und feststellt, dass er dabei wohltätig sein kann, genauso, wie er diejenigen Ausländer mit seinem Dolmetschen unmöglich macht, deren Nasen ihm nicht passen.
Lesevergnügen für viele Stunden!

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Mercier, Pascal
Der Klavierstimmer
512 Seiten, broschiert
btb Verlag
ISBN-10: 3442726549
ISBN-13: 978-3442726547
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2011
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Viveca Sten: Tod im Schärengarten

Viveca Sten: Tod im Schärengarten

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Mord und Beziehungsstress.

Dieser Krimi enthält zunächst alles, was zu einem guten Krimi gehört: gleich zu Anfang passiert ein Mord. Ausgerechnet der bekannte Wirtschaftsanwalt Oscar Juliander wird bei einer Segelregatta, an der er teilnimmt, ermordet. Das führt unweigerlich in die Welt der Reichen und Schönen. Da tummeln sich so allerhand Gerüchte um Liebschaften, eheliche Zerwürfnisse und nur notdürftig gekittete Beziehungen. Natürlich ist man auf diesem gesellschaftlichen Niveau schon arriviert, und Geld spielt eine wichtige Rolle.

Kommissar Thomas Andreasson hatte sich auf ein entspannendes Wochenende bei der Regatta gefreut, als er mit dem komplizierten Mordfall betraut wird. Er und seine Kollegin Margit Grankvist haben alle Hände voll zu tun, um Licht in das Dunkel um den Mord zu bringen.
Nora, die Kinderfreundin von Thomas, ist in Not, als sie ein Haus von einer geheimnisvollen alten Frau erbt, die in mehrere Morde verwickelt war. Ihre nicht sehr glückliche Ehe mit Hendrik erschwert eine Lösung, wie mit dem Haus zu verfahren sei.

Viveca Sten ist eine äußerst lebendige Schriftstellerin. Sie kennt sich aus in der schwedischen Landschaft, die zu ihren Ausführungen das Ambiente bietet. Man meint den Meergeruch zu schnuppern, wenn sie über die Segelschiffe im Schärengarten berichtet.

Familienbeziehungen spielen eine herausragende Rolle in diesem Roman, der atmosphärisch das schwedische Gesellschaftsleben in den Fokus rückt, insbesondere das der Reichen und Arrivierten. Die vielen Zeugenbefragungen bieten Gelegenheit, in die unterschiedlichen Milieus der Befragten Einblicke zu nehmen. Dabei rundet sich ein Gesellschaftsbild, das von Reichtum glänzt, im Inneren aber zerrüttete Familienverhältnisse offenbart.

Es dauert ein wenig, die vielen verwirrenden Namen zuzuordnen. Doch wer sich in den Roman vertieft, wird erbauliche Unterhaltung finden. Gerade der Reichtum im Kontrast zur inneren Zerrüttung der Familienverhältnisse  erzeugt einen differenzierten Einblick in eine Gesellschaft, die sich nach außen solide gibt und im Inneren morbide, kaputt und überdrüssig ist. Außer dem kriminalistischen Spot ist der Roman doch auch ein Gesellschaftsroman, der mit seinen Abhandlungen absolut gleichwertig neben der Kriminalhandlung steht. Leider zieht sich die Handlung durch die vielen Nebengeschichten in die Länge, so dass die Spannung, die der Roman zu Beginn verspricht, sich bald verflüchtigt. Der Roman ist unterhaltsamer für alle jene, die weitschweifige Unterhaltung lieben.

Viveca Sten
Tod im Schärengarten
363 Seiten, broschiert
Kiepenheuer & Witsch, April 2011
ISBN-10: 3462043021
ISBN-13: 978-3462043020
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Richard Russo: Diese alte Sehnsucht

Richard Russo: Diese alte Sehnsucht

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Der amerikanische Autor Richard Russo erzählt in diesem Roman eine auf den ersten Blick unspektakuläre, stille Familiengeschichte. Es ist die einer Familie aus dem amerikanischen Mittelstand, deren Leben in geregelten Bahnen verläuft. Das Besondere und Fesselnde an diesem Buch ist die Erzählweise, mit der Russo seine Leser in den Bann zieht. Dirk van Gunsteren, der den Roman aus dem Amerikanischen ins Deutsche sehr treffend übertragen hat, wird seinen besonderen Spaß daran gehabt haben. Die leichte Geschichte wird so amüsant und humorvoll dargestellt, dass ich glaube, während der gesamten Lektüre mit einem Lächeln auf dem Gesicht im Sessel gesessen zu haben. Lediglich wenn meine Frau sich hin und wieder mir zuwandte, wusste ich, dass ich mit einem lauten Lacher auf mich aufmerksam machte.

Der geschiedene Jack Griffin, seines Zeichens genau wie der Romanautor Drehbuchschreiber in Hollywood, ist auf dem Weg zur Hochzeit der besten Freundin seiner Tochter. Er weiß, dass es auf Cape Cod ein Wiedersehen mit seiner Ex-Frau geben wird. Und er hat in seinem Kofferraum die Urne seines kürzlich verstorbenen Vaters, dessen Asche er ins Meer streuen möchte, um dem letzten Willen seines Vaters gerecht zu werden. Mit sich allein im Zwiegespräch, ab und zu von einem Telefonanruf seiner Mutter unterbrochen, wird das Leben seiner Eltern, seiner Familie und sein eigenes erzählt. Spießig und kleinbürgerlich kam es ihm immer vor, ein Leben, welches er so nie führen wollte. Sein Streben war der Ausbruch aus der kleinbürgerlichen Welt, weg von der Mutter, die in seiner Erinnerung nie ein freundliches Wort gesagt hatte. Dazu wird es erst viel später ein einziges Mal kurz vor ihrem eigenen Tode kommen. Doch jetzt kann sich Griffin, hin- und hergerissen von seinen Gedanken, nicht für einen Ort am Ufer entscheiden, welcher der Asche seines Vaters angemessen erscheint.
So trifft der Leser Griffin ein Jahr später erneut auf einem Weg zu einer Hochzeit wieder. Dieses Mal ist es die seiner Tochter. Dieses Mal hat er zwei Urnen in seinem Kofferraum. Seine Mutter, die im vergangenen Jahr verstarb, hatte gewollt, ebenso im Meer verstreut zu werden. Aber keinesfalls auf der gleichen Seite der Meeresbucht, nie und nimmer in der Nähe ihres Mannes.

Die Leichtigkeit und der Humor sind dem Pulitzer-Preisträger wahrscheinlich seinen Erfahrungen beim Schreiben von Komödien-Drehbüchern zu verdanken. Einen gehörigen Anteil daran hat meines Erachtens auch der o. g. Übersetzer, der die typisch amerikanischen Sequenzen geschickt und gleichermaßen humorvoll ins Deutsche übertragen hat.

Als es um die Beziehung von Griffins Frau zu dessen Mutter geht, heißt es: „In den ersten zehn Jahren hatte sich die arme Joy (Griffins Frau – Anm. der Red.) bemüht, ihre Schwiegermutter dazu zu bringen, ihr Urteil (über Joy – Anm. der Red.) zu revidieren, in den darauffolgenden zehn Jahren hatte sie versucht zu ergründen, warum dies nicht geschah, und im dritten Jahrzehnt schließlich tat sie, als wäre es ihr gleichgültig. In letzter Zeit schien sie geneigt, sich eine neue, geheime Telefonnummer zuteilen zu lassen. In den Flitterwochen machte sie Griffin unabsichtlich ein Kompliment, indem sie ihn fragte, ob er adoptiert worden sei.“
Ein anderes Mal wird der Vater Griffins folgendermaßen charakterisiert: „Sein Vater spezialisierte sich auf Heckzusammenstöße auf dem Parkplatz von Lebensmittelläden und Einkaufszentren. Alle diese Unfälle geschahen ohne jede Vorwarnung. Das erste Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmte, war der Aufprall selbst, gefolgt vom Kreischen sich verformenden Metalls, dem Klirren von Glas und einem Augenblick tiefer Stille, bevor sein Vater in den Rückspiegel sah und sagte: „Wo kam der denn jetzt her?“ Als Kind war Griffin bei den meisten Unfällen dabei gewesen, seines Wissens nie angeschnallt, und er erinnerte sich, dass er oft einen steifen Hals gehabt hatte.“

Doch nun genug mit den Zitaten, schließlich soll an dieser Stelle nicht das gesamte Buch abgeschrieben werden, was dank der zahlreichen köstlichen Szenen schnell geschehen könnte. Bleiben abschließend nur die Fragen, ob Griffin es tatsächlich geschafft hat, sein Leben anders zu gestalten als seine Eltern und was es eigentlich bedeutet, Familie zu haben?

Topempfehlenswert für alle, die humorvolle Geschichten lieben und über die es sich dennoch lohnt nachzudenken.

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Russo, Richard
Diese alte Sehnsucht
Aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren
352 Seiten, gebunden
Dumont Verlag, Köln
ISBN-10: 3832195394
ISBN-13: 978-3832195397
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2011
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Nina Blazon: Ascheherz

Nina Blazon: Ascheherz

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Bisher hatte Summer nur vom Blutmann geträumt, doch nun glaubt sie, ihn wahrhaft gesehen zu haben. Während einer Theatervorstellung saß er im Publikum und brachte sie aus dem Konzept. Nicht dass sie sein Gesicht jemals gesehen hätte, aber die Hände in den Handschuhen sind unverwechselbar.
Mit einer Lüge zieht Summer sich aus der Affäre. Aber sie weiß, um ihre Sicherheit hier in Mymara, der Stadt der Masken, ist es schlecht bestellt. Ihr Versteck ist entdeckt.

Finn aus ihrer Theater-Truppe tröstet sie und beschützt sie, ohne die Wahrheit zu kennen. Er verbringt mit ihr den Abend bei Musik am Hafen. Er kommt ihr zu nahe, droht ihre Lügen zu entlarven, was nicht sein darf. So beschließt sie Abschied zu nehmen. Fasst hätte sie Finn noch geküsst, doch eine Erinnerung kommt dazwischen.

Der Überfall wenig später zeigt ihr, wie groß die Gefahr ist, auch wenn eine rätselhafte Fremde den Angreifer in die Flucht schlägt. Während die Fremde sich aufmacht, um Hilfe für den schwer verletzten Finn zu holen, macht Summer sich aus dem Staub. Es ist alles so viel schlimmer geworden, denn währende des Überfalls hat sie das Gesicht des Blutmanns gesehen. Wieder einmal muss sie ein neues Leben beginnen. Dabei weiß sie nicht einmal, warum der Blutmann ihr folgt und sie töten will.

Allein wird sie nicht sein. Ein seltsamer Begleiter drängt sich ihr förmlich auf. Von Anfang an ist sie fasziniert von ihm und seiner geheimnisvollen Art. Anzej flieht mit ihr ins weit entfernte Nordland. Und hier erfährt Summer, wer sie wirklich ist.

Was für eine wunderbare Geschichte! Romantisch, geheimnisvoll, aber auch dunkel und unheimlich! Dennoch unbeschreiblich schön! Übertragen wird dieses Empfinden durch eine intensive und sehr ausgefeilte Sprache. Die Autorin versteht es, Momente festzuhalten, bis man Stimmungen und Schwingungen hautnah spürt. Man schlüpft als Leser in die Rolle eines geübten Beobachters, dem nichts entgeht. So wird das Buch zu einem ganz besonderen Leseerlebnis.

Die Geschichte beeindruckt. Und immer hautnah spürbar ist der Eishauch des Todes, der ja die Handlung entscheidend beeinflusst.
Beim Lesen fühlt man sich wie in einem Traum gefangen. So geht es auch zeitweise der Protagonistin. Man hat keine Mühe, mit ihr mitzufühlen, sie zu verstehen. Die Handlung wirkt märchenhaft. Man wird verzaubert von diesem Buch, das so sehr auf die Fantasie des Lesers setzt. Man kann gut folgen und glauben, was die Autorin vermittelt.

Rezension von Heike Rau

Nina Blazon
Ascheherz
544 Seiten, gebunden
cbt, München
ISBN-10: 3570160653
ISBN-13: 978-3570160657
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