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Schlagwort: Totschlag

Emmanule Carrère: Der Widersacher

Emmanule Carrère: Der Widersacher

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Emmanuel Carrère hat sich eines Genres für seine Geschichte angenommen, die man nicht anders als eine romanhafte Dokumentation beschreiben kann.

Als er in der Zeitung von einem Hochstapler liest, der innerhalb kurzer Zeit seine nahe Familie umgebracht hat, kann er nicht anders, als sich dieses Falls literarisch anzunehmen.

Diese Erklärung setzt er seiner Erzählung voran.

Er hat Kontakt zu dem Ungeheuer und verfolgt dessen Prozess.

Nun aber einmal langsam: minutiös geht er dem Geschehen nach und erkennt, dass hier wirklich ein kranker Mensch gehandelt hat.

Am 19.Januar 1993 erschlug der vermeintliche Arzt und hoch angesehene Wissenschaftler Jean-Claude Romand zuerst seine Frau, kurz darauf seine beiden kleinen Kinder und danach auch noch seine beiden Eltern mit dem geliebten Familienhund. Er zündete sein Haus an und nahm Schlaftabletten. Unglücklicherweise für ihn rettete ihn die Feuerwehr und seine ganze erlogene Existenz flog auf.

Hier setzt Carrère mit seinem Bericht an. Er befragt die Freunde von Romand, seine Nachbarn und erkundet sein Umfeld. Erschrocken nimmt er zur Kenntnis, dass hier die Abgründe der menschlichen Psyche ihren Ausdruck gefunden hat. Unter der Maske bürgerlicher Wohlanständigkeit mit erfolgreichem Lebensweg verbirgt sich ein Mann, der nichts zuwege gebracht hat: weder sein Arztexamen ist echt noch seine Anstellung bei der WHO in Genf mit häufigen Dienstreisen und Vorträgen überall in der Welt.

Grundlage der finanziellen Existenz dieses Lebens waren großzügige Finanztransaktionen, mit denen Romand vorgeblich durch Anlagen in der Schweiz den arglosen Geldgebern riesige Gewinne versprach. Und hier lauerte denn auch der Fallstrick, der ihn buchstäblich zu Fall brachte.

Wie E. Carrere das alles langsam aufdeckt und den Leser an dieser Erkundungsreise teilnehmen lässt ist atemberaubend und lässt den Leser erschauern. Seine Sprache wird der Brutalität der Vorgänge gerecht; sie ist lebendig und lebensnah, doch lässt sie sowohl den Autor als auch den Leser erstaunen, mit welch einer Leichtigkeit sich Verbrechen begehen lassen.

Wie konnte nur niemand darauf kommen, dass dieses ganze Leben eine Fiktion war?

Man liest das Buch mit höchster Spannung, weil es auch eine Studie über die Psyche eines Mannes birgt, der sich und andere in ein vollständiges Missverhältnis zwischen Wahn und Wirklichkeit führt.

Obwohl ich kein wirklicher Krimifan bin, reizt dieses Buch bis zuletzt als gelungene Sozial- und Psychostudie.

Emmanuel Carrere
Der Widersacher
195 Seiten, gebunden
Matthes & Seitz Berlin, August 2018)
ISBN-10: 3957576121
ISBN-13: 978-3957576125
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Pierre Lemaitre: Opfer

Pierre Lemaitre: Opfer

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Kriminalfall mit vielen Tücken

Pierre Lemaitre ist als Krimibuchautor bekannt. In Deutschland ist dieser Krimi sein erster, nachdem er mit zwei Erstlingswerken rühmlich beim deutschen Lesepublikum in Erscheinung getreten war.

Hier passiert gleich zu Beginn der Lektüre ein versuchter Mordfall. Anne, Freundin von Camille, dem Leiter der Pariser Mordkommission, wird eines Morgens, als sie in aller Eile vor dem Dienst in einer Ladenpassage noch einen Kaffee trinken will, hinterrücks auf grausame Weise überfallen und übel zugerichtet.

Rückblickend, noch während sich Camille mit diesem Überfall beschäftigt, erfährt man, wie ihre Beziehung zustande kam.

Die eigentliche Kunst des Autors besteht darin, dass mitten im Leben schreckliche Dinge passieren. Erst rückwirkend erfährt man nach und nach, wie die Lebensschicksale der Beteiligten miteinander verknüpft waren. Mit ungeheurer Wucht nimmt das Schicksal seinen Lauf. Lemaitre versteht es, seine Geschichten so aufzubauen, dass man von einer Aufregung zur nächsten hastet. Und so ein Fall wird nicht schnell aufgerollt, sondern alles nimmt einen langsamen und sich steigernden Verlauf.

Camilles Leben war schon vor vier Jahren von einem bitteren Schicksal gezeichnet. Und nun das!

Das gewöhnliche und alltägliche Leben kommt bei der Fülle von schweren Verbrechen nicht zu kurz. Im Gegenteil: wird einem doch Camilles zwiespältige Liebesbeziehung zu Anne erst allmählich klar. Gegenwart und nahe Vergangenheit verschmelzen zu einem drängend nach Aufklärung rufenden Schluss! Aber der Leser muss sich gedulden! Denn die Dinge liegen nicht so einfach, wie uns der Autor zunächst glauben machen will. Eine Vielzahl von Ganoven und Kriminellen haben ihre Hände im Spiel. Es bedarf intensiver Forschung und Spurensuche, um dem gewaltigen Netz an Verbrechern auf die Schliche zu kommen. Raffinierte Verbindungen, Abmachungen und gegenseitiger Abrechnungen spielen hinein, um der abgekarteten Ganovenbande das Handwerk zu legen. Am Ende bleibt ob der Vielfalt an Verwicklungen ein fast überforderter Leser zurück.

Lemaitre ist ein wirklich perfekter Krimiautor. Die Finten, mit denen er den Leser auf falsche Fährten lotst, sind vielfältig und raffiniert. Atemlos sehnt man das Ende herbei, um endlich zu begreifen, was und wie die Dinge miteinander verknüpft sind.

Pierre Lemaitre
Opfer
336 Seiten, broschiert
Tropen, August 2018)
ISBN-10: 3608503706
ISBN-13: 978-3608503708
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A. M. Homes: Auf dass uns vergeben werde

A. M. Homes: Auf dass uns vergeben werde

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Auf dass uns vergeben werde… Nun ja: was? Das ist hier die Frage!

Beginnt man den Text des vorliegenden Romans zu lesen, ist man schon mitten drin in einer sehr skurrilen Familiengeschichte.

George und Harry sind zwei ungleiche Brüder: der eine ist erfolgreicher TV Produzent, der andere Historiker. Harry schreibt schon lange an einem Buch über Nixon, das aber nie fertig zu werden scheint. George lebt mit Frau und zwei Kindern in einem Haus nahe New York. Nachdem George einen unverschuldeten Unfall gebaut hat, bei dem die Eltern eines Jungen ums Leben gekommen sind, gerät er in einen psychischen Ausnahmezustand. Als dessen Folge erschlägt er seine Frau Jane, die ihn mit Harry betrogen hat. George landet in der Psychiatrie. Nat und Ashley, die Kinder von George und Jane, müssen ab sofort von ihrem Onkel Harry als deren Vormund versorgt werden. Harrys Frau Claire, eine erfolgreiche amerikanisch- chinesische Geschäftsfrau, lässt sich von ihm scheiden.

Harry kümmert sich nach den Anfangsturbulenzen um die Kinder und die Haustiere seines Bruders. Er bleibt der Hauptakteur in einer Geschichte, die von immer neuen überraschenden Ereignissen überlagert wird. Nachdem er seinen Job als Lehrer an der Uni verloren hat, scheint er ein unruhig Wandernder zu sein, der in seiner Unrast mit anderen Frauen anbändelt und in höchst peinliche Situationen mit diesen gerät.

So weit zum Tenor der Geschichte: Mord, Totschlag, Scheidung, Tod und jede Menge schräger Sexgeschichten.

Der Roman zeichnet einen Alltag auf, der sehr ungewöhnlich ist. Die Dialoge sind lakonisch, frech, kurz und passend. Es wird wie überall in amerikanischen Romanen der Gegenwart viel getrunken. Zwischen den Brüdern gab es eine Rivalität, die den einen zum Sieger und den anderen zum Verlierer bestimmte.

So zügig und vielversprechend die Geschichte beginnt, so sehr braucht man einen langen Atem, um bei der Stange zu bleiben. Sind doch die uferlosen Begegnungen zwischen den handelnden Personen äußerst breit angelegt und nicht unbedingt Spannung fördernd.

Skurril und aberwitzig werden die Zwischenfälle beschrieben, die dem Roman Würze geben sollen. Harrys Schlaganfall gehört ebenso dazu, wie Besuche im Internat bei Nat oder in der Psychiatrie bei George. Immer neue Ereignisse weisen zwar einen gemeinsamen Tenor auf, doch ausufernde Dialoge und die von ständig neuen Ideen aufgeblähte Geschichte bietet am Ende zu viel des Guten.

Man bleibt nach der Lektüre etwas ratlos zurück und fragt sich, warum dieser in Ansätzen so gut konzipierte Roman sich so verflüchtigen konnte.

A.M. Homes
Auf dass uns vergeben werde
672 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, März 2014
ISBN-10: 3462046101
ISBN-13: 978-3462046106
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Gaito Gasdanow: Das Phantom des Alexander Wolf

Gaito Gasdanow: Das Phantom des Alexander Wolf

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Liebe und Tod als unversöhnliche Gegenpole.

Der Icherzähler und Held der vorliegenden Geschichte lebt als russischer Emigrant Ende der zwanziger Jahre in Paris. Er ist Journalist. Mit unverhohlener Gewalt plagen ihn Erinnerungen an einen Mord, den er als Weißgardist im Russland der Revolutionsjahre begangen hat. In der Gestalt einer Erzählung meint er, den von ihm Ermordeten wieder zu erkennen.

Mit feinem Strich und äußerst delikat beginnt eine Geschichte, in der es um Mord und Totschlag, um Liebe, Schuld, um Tod und Auferstehung geht.
Man wird nicht müde, der Erzählung zu folgen, die sich mit zarten Details über die moralischen Skrupel des Icherzählers auslässt.

Er war jung, vielleicht 14 oder 15, als er dem Gegner in einem Waldstück in Südrussland auf Erkundungstour begegnete. Um selbst dem Tod zu entgehen, hat er aus Notwehr zuerst geschossen. Dass der Getroffene den Angriff überlebt haben könnte, war ihm nie in den Sinn gekommen.
Doch er findet 15 Jahre später im Exil in Paris die Erzählung „I’ll Come Tomorrow“ von Alexander Wolf. In ihr werden die Ereignisse von damals so detailgenau beschrieben, dass unser Held nicht umhin kann, den von ihm vermeintlich Ermordeten in ihnen wieder zu erkennen.
Nun beginnt eine intensive Suche nach Alexander Wolf. Doch ist er ein Phantom oder ein lebender Schriftsteller?
Man wird sehen.

Fein ziseliert und konstruiert erlebt man die Geschichte die ganze Zeit als verwirrend, mysteriös und schemenhaft. Eine unergründliche Düsternis überschattet das Werk. Die dramatische Liebe zu Jelena verwirrt den LeserIn ebenso, wie vielfältige andere Begegnungen mit Exilrussen. Paris war zur damaligen Zeit das Auffangbecken für zahlreiche russische Emigranten, die nach der Revolution in ihrer Heimat nicht mehr bleiben konnten. Doch geht es hier um die innere Erkundung der jeweiligen seelischen Befindlichkeiten und nicht etwa um die politischen Verhältnisse. Erstere sind faszinierend und stimmen zuweilen sprachlos. Eine Erzählstrang greift unerklärlich in den nächsten, so dass man eifrig am Ball bleiben muss, um den Faden nicht zu verlieren.

Gaito Gasdanow ist ein spät wieder entdeckter russischer Schriftsteller, dessen kleine Novelle bereits 1947 zum ersten Mal aufgelegt worden ist. Jetzt ist sie in der Übersetzung von Rosemarie Tietze auf Deutsch erschienen. Die Kritiken zu seinem Werk ergehen sich in höchstem Lob. Zu Recht, wie ich finde!

Gaito Gasdanow
Das Phantom des Alexander Wolf
Kindle Edition
Seitenzahl des Buches: 133 Seiten
Carl Hanser Verlag, August 2012
ISBN-10: 3446238530
ISBN-13: 978-3446238534
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Richard Ford: Kanada

Richard Ford: Kanada

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Von bösen und guten Gelegenheiten zum Scheitern oder zum Überleben.

Dell ist der Held einer Geschichte, in der es um die Abgründe und wechselvollen Schicksale einer kleinen Familie geht.

Mit dem ersten Absatz ist man mitten in einer Erzählung, in der es um einen Banküberfall und um Mord und Totschlag, aber auch um das Leben und die Verirrungen geht, denen ein jeder in seinem Leben anheimfallen kann.

Aus der Sicht des jungen Dell, Zwillingsbruder seiner Schwester Berner, der um 1960 ungefähr fünfzehn Jahre alt ist, schaut man auf seine Eltern, die so gut wie gar nicht zusammenpassen. Man steht im Wahlkampf für John F. Kennedy. Dells Vater ist ganz auf dessen Seite.

Aus einer Zufallsbegegnung ist die Ehe der Eltern zustande gekommen. Von Beginn an ist sie nicht glücklich, denn die beiden passen so gar nicht zusammen. Neeva Parsons ist kopfgesteuert, vernünftig und rational denkend. Bev Parsons aber ist ein Träumer und Schaumschläger, der sein Leben nicht in den Griff bekommt. Er war bei der Air Force und hat vor kurzem seinen Abschied genommen.

Die Familie lebt in einem armseligen Häuschen in Great Falls/Montana.

Wie in einen Strudel zieht Bev seine Frau mit in ein finanzielles Abenteuer, das für beide vernichtend endet.

Nach einem Banküberfall landen die jungen Eltern mit Mitte dreißig im Gefängnis. Berner haut mit ihrem Freund Rudy ins Unbekannte ab. Dell aber gelangt mit Hilfe einer Freundin seiner Mutter nach Kanada. Hier beginnen seine Abenteuer, die ihn durch Einsamkeit, harte Arbeit und dürftige Unterkünfte auf ein Leben vorbereiten, von dem man nicht weiß, wo es ihn hinführen wird.

In Kanada erfährt er Lebensbedingungen, die extrem sind für einen Jungen von 15 Jahren. Er haust in abgelegenen Hütten und ist zwei Männern mit offensichtlich kriminellen Strukturen ausgeliefert. Mit einfachster Arbeit hilft er aus, wo immer er gebraucht wird und geht sein Leben ohne innere Widerstände an. Wunderbare Landschaftsbeschreibungen und atmosphärisch einprägsame Stimmungen begleiten unseren Helden, der seine Unschuld und Offenheit trotz der gravierenden Erlebnisse nicht zu verlieren scheint.

Hervorragend in Konzeption und Aufbau bannt die Geschichte vom ersten Moment an. Dell sieht mit aufmerksamem Blick und feinem Gespür für alles, was von der täglichen Norm abweicht, wie sich um seine Eltern etwas zusammenbraut, das ihn beängstigt. Das große Können Richard Fords lässt uns durch die Augen Dells erfahren, wie es zu den Abwegen und Fehlentwicklungen seiner Eltern kommen konnte, und wie er in seinem eigenen abenteuerlichen Leben in Kanada seinen Weg findet.

Das melancholische und verständnisvolle Ende beleuchtet eine wichtige Erkenntnis, die Dell auf seinem langen Weg zur Normalität gefunden hat. Sie gipfelt in der Einsicht, dass jeder im Leben eine Chance hat, die man nur nutzen muss. Mit Verlusten umgehen und das Gute im Verborgenen finden lernen ist die große Kunst des Lebens.

Man ist fasziniert und hingerissen von den feinen psychologischen Details, mit denen Richard Ford seine Geschichte fort und fort schreibt. Er ist einer der ganz großen Erzähler amerikanischer Herkunft, dessen Erzähltalent ihn in die unendlichen Gefilde ruhmvoller und anerkannter Schriftsteller einreiht.

Richard Ford
Kanada
464 Seiten, gebunden
Hanser Berlin, August 2012
ISBN-10: 3446240268
ISBN-13: 978-3446240261
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Helen FitzGerald: Tod sei Dank

Helen FitzGerald: Tod sei Dank

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Geschichten aus dem Gruselkabinett von Mördern, Drogendealern und anderen Straftätern.

Helen Fitzgerald besitzt die seltene Gabe, eine zunächst alltägliche Geschichte in eine makabere Handlung zu verwandeln.

In ihrem neuen Roman geht es um eine kaputte Familie, in der sich wahre Dramen um die sechzehnjährigen Zwillinge der Familie abspielen.

Will Marion ist von seiner Frau Cynthia mit den Zwillingen Georgie und Kay sitzen gelassen worden, als diese drei Jahre alt waren. Er kümmert sich rührend um die Erziehung der beiden Mädchen. Kay ist die liebe, fröhliche und leicht zu begeisternde Jüngere der beiden. Georgie hingegen ist cholerisch, unzufrieden und anspruchvoll. Der Umgang mit ihr kann gelegentlich zur Tortur werden. Als sie sechzehn Jahre alt sind, wird bei beiden eine schwere Nierenkrankheit diagnostiziert. Will stürzt das in große Nöte. Woher sollen die Nieren für eine erforderliche Transplantation kommen?

Mit diesem Aufhänger beginnt Helen FitzGerald ihren Thriller, der eine Familie im Unterschichtmilieu zeigt. Cynthia ist drogenabhängig und hat sich mit ihrem Pflegebruder aus dem Staub gemacht, der allerdings inzwischen im Knast sitzt.

Will kommt zu dem Ergebnis, dass nur die Transplantation einer Niere von ihm selbst und eine von seiner Frau Cynthia zur Rettung für seine Töchter beitragen könnte.

Mit der Suche nach ihr, die inzwischen ohne Adresse verschollen ist, erfährt man, in welchem Dunstkreis sie sich die Jahre über bewegt hat. Sie treibt sich durch die Welt ohne Sinn und ohne Halt. Will aber wendet seine ganze Energie auf und scheut keine Mühe, die Töchter auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden und bei ihren Krankheiten zu begleiten.

Die Mutter wird schließlich aufgefunden ist aber gesundheitlich und psychisch zerrüttet von ihrem über lange Jahre praktizierten Drogenmissbrauch.

Dem Milieu gemäß beschreibt Helen FitzGerald den Verfall und die Mühen eines Mannes, der seiner Ex-Frau schwach und unmännlich erschienen ist. In der Treue zu seinen Kindern zeigt er sich jedoch beständig und zuverlässig. Selbst der schwierigen Georgie hält er immer die Treue und sorgt sich um sie. Als sich am Ende herausstellt, dass die Nieren der Mutter nach langjährigem Drogenkonsum untauglich für eine Transplantation sind, steht der Vater vor der Kalamität, welchem der beiden Mädchen er nun eine seiner Nieren vermachen soll. Nicht genug damit kommt jetzt, wie bei Helen FitzGerald üblich, erst die richtige Spannung auf. Verwirrende Erkenntnisse, Mord und Totschlag berühren die Sphären der Abartigkeit, wie nur diese Autorin sie erfinden kann. Man kommt zu einem Ende, das unschuldige Seelen zufrieden stellen wird; unausgesprochene Gerechtigkeit waltet überall und bietet den letzten Kick zur Unterhaltung mit diesem spannenden Thriller.

Helen FitzGerald war vor ihrer Schriftstellerinnenkarriere als Sozialabeiterin im Strafvollzug tätig. Ihre Geschichten lassen den Hauch von Realität spüren, der sie zu echten Gruselschockern macht.

Helen FitzGerald
Tod sei Dank
263 Seiten, gebunden
Galiani, Berlin; Februar 2012
ISBN-10: 3869710500
ISBN-13: 978-3869710501
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Elizabeth Subercaseaux: Die Geliebten

Elizabeth Subercaseaux: Die Geliebten

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Krimi oder Liebesroman: Das ist hier die Frage!

Zahlreiche Liebschaften und verworrene Paarbeziehungen bilden den Plot zu diesem Roman! Die Verwicklungen sind vielschichtig und in ihren Zusammenhängen nicht leicht zu durchschauen.

Einer der Protagonisten ist der Anwalt Joshua in Amerika, der mit seiner Frau Alexa nach dem Tode der gemeinsamen Tochter Wendy nicht mehr glücklich ist. Er hat eine Geliebte, für die er sich jedoch langfristig nicht entscheiden kann. Diese Freundin Quinn ist schon ganz im Taumel neuen Glücks mit dem reichen Anwalt, als dieser beschließt, doch lieber zu seiner Frau zurückzukehren.

In Chile lebt der Agrarökonom Nahuel. Er findet in der Französin Juliette eine geliebte Partnerin und verlässt für sie seine bigotte zweite Ehefrau Elsa.

Im Wechsel der Jahreszahlen 1999 und 2008 werden aus unterschiedlichen Perspektiven und von verschiedenen Örtlichkeiten und Personen aus die Geschichten zahlreicher Liebender erzählt, die zuerst glücklich zusammengefunden haben und sich dann wieder verlieren. Um die Lebensgeschichten der Hauptakteure tummeln sich noch eine Vielzahl weiterer tragischer und böser Heldinnen und Helden.

Grundbesitzer unter Pinochet hatten noch eine Menge Rechte und herrschten schrankenlos über ihre Arbeiter. Sozialkritik unter dem Mäntelchen einer liebetollen Geschichte! Tief umeinander verschlungen sind die Lebenswege der Helden und Heldinnen, und verwirrend ist die Zusammenführung der Liebesabenteurer zum Ende hin.

Zwischen Tod und Trauer, zwischen Vertrauen und Liebe, Mord und Totschlag oszilliert eine Erzählung, die am Ende etwas gekünstelt zu einem gemeinsamen Schluss verbunden wird. Mehr als ein Krimi denn als Liebesroman liest sich dieser unterhaltsame Schmöker, den man in einem Zuge zu Ende liest. Er ist leider etwas überfrachtet mit den bedeutsamen und geheimnisvollen Verbindungen unter den Protagonisten. Weniger wäre mehr!

Elizabeth Subercaseaux ist eine der beliebtesten Autorinnen Chiles, die zu Zeiten Pinochets als Journalistin im Untergrund gearbeitet hat.

Elizabeth Subercaseaux
Die Geliebten
274 Seiten, gebunden
Pendo, September 2011
ISBN-10: 3866122713
ISBN-13: 978-3866122710
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Friedrich Ani: Die Tat

Friedrich Ani: Die Tat

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Sonja Piers, Mutter zweier Kindern, ist erdrosselt worden. Der 15-jährige Sohn Benjamin hat die Leiche gefunden. Bei der Vernehmung ist er nicht ehrlich. Auch bei seinem Vater, der nicht mehr mit Sonja Piers zusammen lebt, haben die Ermittler ein ungutes Gefühl. Und Sonja Piers neuer Lebensgefährte Frank Steidl ist auch keine Hilfe. Das Team, bestehend aus Ludger Endres, Yvonne Papst und Max Vogel, ist beunruhigt. Es sind in diesem Fall Parallelen zu zwei anderen Mordfall erkennbar. Es muss also einen Zusammenhang geben, auch wenn dieser im Moment noch unersichtlich ist.

Das Familienumfeld wird durchleuchtet. Immer klarer wird, das die Familie von einem Gespinst aus Lügen umgeben ist. Lügen und Halbwahrheiten werden den Ermittlern aufgetischt, die trotzdem der Wahrheit immer näher kommen.
Der Tathergang wird schließlich nachgestellt. Es hat sich ein Zeuge gemeldet, der etwas beobachtet und den Mörder von hinten gesehen hat. Eine große Hilfe ist er jedoch nicht. Das Erinnerungsvermögen lässt Jacob Finke im Stich, zumal es Nacht war, als die Tat geschah. Hier schaltet sich Jonas Vogel, der Vater von Max ein. Der blinde Exkommissar will Jacob Finke dazu bringen, sich zu erinnern. Doch was er erfährt, bringt ihn in große Gefahr.

Ganz tief hinein geht es in die Probleme einer komplizierten Familie. Die Konflikte die hier toben, sind unhaltbar. Doch musste Sonja Piers deshalb sterben? Und was ist mit den anderen Ermordeten? Wo besteht die Verbindung. Diesen Fragen gehen die Ermittler nach. Doch es ist ein äußerst schwieriges Unterfangen, die Tat aufzuklären. Verdächtig ist bald das gesamte Umfeld Sonja Piers.

Als Leser ist man hautnah bei den Ermittlungsarbeiten dabei. Dabei lernt man die Ermittler, und ihre unterschiedliche Art zu arbeiten, kennen.
Es ist ein ruhiger Krimi. Nicht Action, sondern Sprache steht im Vordergrund. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Dialogen und den Schlussfolgerungen, die aus den Vernehmungen gezogen werden. Dennoch kennt die Dramatik keine Grenzen. Sonja Piers Leben war von ihrem Unvermögen, Entscheidungen zu treffen, gekennzeichnet.

Auf besonderes Interesse stößt natürlich die Figur des blinden Exkommissars. Der frisst sich an dem Fall fest, obwohl es auch in seiner Familie gerade schwerwiegende Probleme gibt, die eigentlich ebenfalls geklärt werden müssten. Er arbeitet mit allen ihm zur Verfügung stehenden Sinnen. Ihm entgeht keine negative Stimmung, kein noch so kleines Detail. Das fasziniert. Und doch macht auch er einen Fehler, der ihn zum Verhängnis werden könnte.

Fazit: Der Krimi ist durchweg spannend bis hin zum schlüssigen Ende.

Rezension von Heike Rau

Friedrich Ani
Die Tat
192 Seiten, broschiert
dtv, Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423211989
ISBN-13: 978-3423211987