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Schlagwort: Lieblosigkeit

Dimitri Verhulst: Die Unerwünschten

Dimitri Verhulst: Die Unerwünschten

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Kinderschicksale im Schatten der Gesellschaft.

Was kann es Schlimmeres geben, als ein unerwünschtes Kind zu sein? Liebe, Zärtlichkeit, Geborgenheit und Fürsorge für den Start ins Leben sind die Grundpfeiler für die Bewältigung dessen, was das Leben so bringt. Dimitri hat hier das Gegenteil beschrieben: er zeigt uns die Hölle, die ein Kind durchläuft, wenn es abgeschoben und ungeliebt und im wahrsten Sinne des Wortes „unerwünscht“ ist.

So etwas kann man in dieser hier vorliegenden Weise nur beschreiben, wenn man es selber erlebt hat.

Dimitri Verhulst schöpft aus den Erfahrungen des eigenen Lebens, wenn er uns davon erzählt, wie man sich als ein solches unerwünschtes Kind fühlt. Er lebte in einem Heim mit vielen Kindern, die alle das gleiche Schicksal teilten.

Seine Erzählweise wechselt vom Du zum Ihr, wenn er anschaulich zu machen versucht, wie karg, armselig und bedürftig an Leib und Seele dieses Leben war. Schmucklose Zimmer, karges Essen, pietistische Lebensregeln und ein Mangel an Spiel und Spaß: so sah das Leben für die Heiminsassen aus.

Am Wochenende konnte man Besuch bekommen. Doch es kamen nur wenige Mütter oder entfernte Verwandte, die sich schnell wieder davonmachten, denn wirkliches Interesse war nicht gegeben. Zahlreiche Kinder bekamen nie Besuch.

Die Tatsachen sind schnell aufgezählt: doch wie Verhulst seine Geschichte erzählt, macht ihm so schnell keiner nach. Die Leere und der graue Alltag werden mit sparsamen Worten angedeutet, so dass man sich in die Atmosphäre hineinfühlen kann. Man spürt den Frust und die Sucht der Kinder, sich auf irgendeine Weise selber zu spüren. Das geschieht in nächtlichen Sexorgien, die einzig und alleine dem Zweck dienen, sich auf welche Weise auch immer Zärtlichkeit zuzuführen. Verhulst vermittelt die ganze Trostlosigkeit des Daseins an einem Ort des Verlusts, der mit dem Freitod einer jungen Insassin zu Beginn der Erzählung seinen Anfang nahm.

Man liest seine Erzählung mit leichtem Grauen, weil man gewöhnlich Kinder aus diesen Sphären kaum kennenlernt. Sie sind zerschunden und verwahrlost im Äußeren und Inneren. Wie überlebt man das?

In der zweiten Geschichte erlebt man die Folgen!

Der Autor Dimitri Verhulst hat es ganz offensichtlich geschafft, mit seinem Schreiben die bösen Geister zu bannen und sie zu fixieren. Nur so können ihn die Zerrbilder der damaligen Wirklichkeit, die seine Kinder- und Jugendjahre überschattet haben, verlassen.

Ein trauriges, aufrüttelndes, in weiten Teilen aber auch mit der notwendigen kritischen Distanz erzähltes Stück aus den Tiefen eines frühen Kinderlebens!

Dimitri Verhulst ist in den Niederlanden ein hoch anerkannter Schriftsteller.

Dimitri Verhulst
Die Unterwünschten
144 Seiten, gebunden
Luchterhand Literaturverlag, Oktober 2016
ISBN-10: 3630874797
ISBN-13: 978-3630874791
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Eberhard Rathgeb: Kein Paar wie wir

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Schwestern auf gemeinsamen Lebenspfaden.

Die Schwestern Vika und Ruth sind aus Hitlerdeutschland mit den Eltern Mitte bis Ende der dreißiger Jahre nach Argentinien geflüchtet. Hier hat der Vater seine Lebensgrundlage als Brückenbauer gefunden und führt in der Familie ein eisernes Regiment, während die Mutter im Haushaltsalltag untergeht. Sie hat den Abschied aus ihrem Dorf irgendwo in Deutschland nie verwunden.

Beide Mädchen haben eine triste und belastende Kindheit mit dem von der schwermütigen Mutter geprägten Kinderalltag hinter sich. Sie können sich mit etwa dreißig Jahren aus den Zwängen des herrschsüchtigen Vaters und der depressiven Mutter befreien. Zuerst wandert Ruth nach New York aus. Später folgt Vika der Schwester, und beide leben glücklich wie in ihrer Kindheit eng zusammen. Sie sprechen  fließend drei Sprachen und sind beruflich gut etabliert. Hier in New York geht es ihnen gut, und sie genießen das Leben ihrer Zweisamkeit. Sie sind wahrlich ein ungewöhnliches Paar!

Jetzt sind sie alt und in ihren Gesprächen ziehen die Jahre noch einmal an ihnen vorbei. Teils melancholisch und teilweise trotzig bekräftigen sie ihre Entscheidung, keinen Mann und keine Kinder gewollt zu haben. Gewiss gab es da den einen oder anderen Verehrer. Doch sie sind sich sicher, dass ihrer beider Beziehung sie vor unnötigen Enttäuschungen oder Irrtümern bewahrt hat. Kein Mann und keine Kinder: das ist nach ihrer Meinung die wahre Freiheit, die sie sich erhalten haben. In ihrer beinahe symbiotischen Zweisamkeit scheinen sie das Glück ihres Lebens gefunden zu haben.

In geradezu zärtlicher und rührender Weise veranschaulicht uns Eberhard Rathgeb die Wohnung, das Behagen und die täglichen Verrichtungen der beiden Schwestern. Ihre Reflexionen bewegen sich in ruhigen Bahnen. Da gibt es keine unnötigen Aufregungen oder gar Streitereien. Sie sind sich so zugetan wie nur möglich. Das Leben ihrer Kindheit erleben sie in der Rückschau allerdings als niederdrückende, sprachlose und freudlose Hölle. In ihrem Lebensrückblick erfährt man hautnah, wie traurig das Leben im Elternhaus war. Erst spät lernten sie mit dem Abschied aus dem Elternhaus ihr Leben selbständig zu gestalten. Die Trennung durch den Tod befreite sie  schließlich von den eher bedrückenden Eltern. Große Reisen boten ihnen den Blick auf die Welt außerhalb ihrer engen Grenzen. Als aber Ruth, die ältere der beiden Schwestern, nach dem Tod von Vika übrig bleibt, kommt einem das ganze Elend des Alters und Alleinseins zu Bewusstsein. „Ich werde die Welt nicht mehr sehen. Mir bleiben nur die kleinen Dinge. Ein Teller, eine Gabel, ein Tisch, ein Stuhl, ein Fenster…..“ Kann man besser nachempfinden, wie leer das Leben zum Ende hin sein kann?

Abschied, Heimatlosigkeit und Einsamkeit sind die Begleiter der überlebenden Schwester Ruth.

Eberhard Rathgeb hat ein großartiges in einer bilderreichen Sprache erdichtetes Lebensbild zweier ungewöhnlicher Schwestern gezeichnet, das lange im Gedächtnis haften bleibt.

Eberhard Rathgeb
Kein Paar wie wir
192 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag, Februar 2013
ISBN-10: 3446241310
ISBN-13: 978-3446241312
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Beth Hoffman: Die Frauen von Savannah

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Jugend und Menschwerdung unter besonderen Bedingungen!

CeeCee ist 12 Jahre alt, als sie frühzeitig von ihrer Mutter Abschied nehmen muss, denn diese ist bei einem Autounfall zu Tode gekommen.
Dem Ereignis gingen tragische Jahre voraus, denn der Vater war so gut wie nie zu Hause, und die Mutter, das ahnt CeeCee nur, ist krank. Sie benimmt sich sonderbar, kleidet sich bizarr und bietet ihrer Umwelt einen recht verrückten Anblick. Cecelia ist viel alleine, liest und findet Trost bei einer alten Nachbarin. Sie weiß nicht, dass ihre Mutter psychotisch ist. Mit dem Tag ihrer Beerdigung entscheidet der Vater, CeeCee zu zwei alten Tanten nach Savannah zu geben. Cecelia wehrt sich und trauert, fasst aber dennoch bald Vertrauen zu Tante Tootie, die sie mit offenen Armen bei sich aufnimmt. In einem herrlichen, geräumigen und von einem großen Garten umgebenen Südstaatenhaus beginnt zum ersten Mal ein glückliches Leben für das junge Mädchen.

Beth Hoffman beschreibt mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit die Entwicklung von Cecelia Rose Honeycutt, die nach dem Tod der Mutter und deren Krankheit, die sie nicht begreifen konnte, verstört zurück geblieben war.

Man spürt die liebevolle und wärmende Hingabe, mit der Cecelia im Haus ihrer Tante, bei deren Freundinnen, Nachbarn und der Haushälterin Oletta aufgenommen wird. Treffend wird die heimelige Atmosphäre im Haus der Tante eingefangen. Hier erfährt Cecelia Verständnis und fürsorgliche Geborgenheit. Psychologisch einfühlsam geht Beth Hoffmann in ihren Schilderungen auf die schweren Jahre mit der kranken Mutter ein. In der Figur der Tante wächst für CeeCee eine liebevolle Person heran, die sie aus ihren düsteren Erinnerungen zu befreien trachtet.

Dort in Savannah lernt CeeCee auch noch Tante Lu und deren Freundin Rosa kennen, die eng befreundet sind. Im Kreise aller dieser Frauen findet sie zu sich, und lernt ein Leben kennen, in dem Anteilnahme und liebevolle Zuneigung den Ton angeben.
Ihre eigene Sehnsucht nach Glück gipfelt in dem Satz: “Ob ich je das Glück haben würde, ein Freundin zu finden, mit der ich alt wurde, eine Freundin, die meine Geheimnisse kannte, meine Ängste, meine Hoffnungen—und die mich trotzdem liebte.“
Die Icherzählerin wächst einem mit ihrer klugen, sensiblen und interessierten Neugierde ans Herz. Man folgt ihr auf allen Wegen und fühlt ganz mit ihr!

Dieser Südstaatenroman ist leicht, verständlich und originell geschrieben. Er ist echt, ehrlich und teilweise humorig und eignet sich hervorragend auch als Jugendbuch für Mädchen ab 15 Jahren.
Beth Hoffman wünscht man für ihren Debütroman recht viele Leserinnen!

Beth Hoffman
Die Frauen von Savannah
368 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, März 2011
ISBN-10: 3462042866
ISBN-13: 978-3462042863
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