Édouard Louis: Im Herzen der Gewalt

Édouard Louis: Im Herzen der Gewalt

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Realität mit krassen Erfahrungen.

In einer Art traumatisierter Verfassung erzählt der Icherzähler eine Geschichte, die sehr gruselig anmutet.

Eines Tages in einer Weihnachtsnacht begegnet Édouard auf dem Heimweg von einem Freundestreffen einem Mann unbekannter Herkunft. Der Fremde gerät in ein Gespräch mit ihm und folgt Édouard unaufgefordert, bis dieser ihn mit in seine Wohnung nimmt. Sie feiern eine Sexnacht zusammen, die zu einer überraschenden Wende führt: der Fremde, Reda, ist ein Gauner. Er bedroht und vergewaltigt Édouard, so dass dieser in ein schreckliches Trauma erleidet.

Reda ist Nachfahre algerischer Eltern. Was der Vater von Reda nach seiner Flucht aus Algerien in Frankreich erlebt hat, gab er seinem Sohn weiter. Rassistische Vorurteile haben den Flüchtlingen das Leben schwergemacht. Arbeitslos und ausgestoßen schlugen sie sich mühsam durchs Leben. Eine ausgedehnte Kriminalitätsrate ist die Folge dieser Ausgrenzung.

Die Tatsachen sind schnell erzählt. Édouard aber befindet sich fortan in einer Art somnambulen Ausnahmezustand. Er versucht Freunden oder seiner Schwester von der Geschichte zu erzählen. Es gelingt ihm kaum, einen zusammenhängenden Bericht zu geben. Sein gesamtes Weltbild scheint aus den Fugen geraten. Dem Leser teilt sich der Zustand nachfühlbar mit. Angst und Abscheu werden nach dem Ereignis die ständigen Begleiter von Édouards davonlaufender Zeit.

Der Roman trägt autobiographische Züge.

Grandios vermag uns der Autor in seine psychische Verfassung hinein zu ziehen. Man fühlt ständig die Angst vor neuer Bedrohung, die doch nach der ersten Begegnung und der verbrachten Nacht mit Reda so unwahrscheinlich schien.

In Wechsel erzählt der Autor aus dem Blickwinkel seiner Schwester, die ihrem Mann von Édouards Geschichte berichtet, um dann wieder Assoziationen einzufügen. Freunde sind zur Stelle, die ihm helfen, die Torturen der Nachforschungen seitens der Kriminalpolizei oder der Rechtsmediziner durchzustehen. Die eigenartige Erzählweise zwischen Bericht und Assoziation, Gefühlschaos und ängstlichen Visionen führt zu einer immensen Spannung, deren Sog man sich nicht entziehen kann. Die nächtlichen Straßen von Paris sind ebenso gegenwärtig wie die befremdliche Anziehung des Unbekannten.

Die Erzählung ist von Beginn an in einer düsteren Stimmung gehalten. Aus einer Straßenbekanntschaft kann nichts Gutes werden. Éduard ist verführbar und naiv in seinem Zutrauen einem Fremden gegenüber. Sein Verhalten scheint auch Ausdruck von Einsamkeit und Sehnsucht zu sein. Die Enttäuschung nach dem Ende der Nacht ist von ernüchternder Klarheit.

Édouard Louis kommt selber aus ärmlichstem Milieu. Er hat in dem Roman “Das Ende von Eddy“ über seine Herkunft berichtet. Er konnte seinem Herkunftsort entkommen und ein Soziologiestudium in Paris beginnen. Sein Debütroman schlug hohe Wellen in der literarischen Welt. Der zweite Roman steht dem ersten in Nichts nach. Die biographischen Züge geben dem Ganzen einen hoch komplexen literarischen Glanz.

Édouard Louis
Im Herzen der Gewalt
224 Seiten, gebunden
S. FISCHER, August 2017
ISBN-10: 3103972423
ISBN-13: 978-3103972429
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