Julian Barnes: Der Mann im roten Rock

Julian Barnes: Der Mann im roten Rock

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Nach seinen zahlreichen wunderbaren Romanen und auch philosophischen Schriften, z.B. „Nichts, was man fürchten müsste“, hat Julian Barnes dieses Mal ein Sachbuch geschrieben.
Anhand der Geschichte eines berühmten französischen Arztes im 19. Jahrhundert, Dr. Samuel Pozzi, beschreibt er rückblickend die als belle Époque bezeichnete Zeit in Frankreich und England.
Die Fülle von Namen, Daten, kulturellen Strömungen und Verbindungen zwischen einzelnen Personen sind zu Beginn fast ein wenig überwältigend

Dr. Pozzi, der Mann im roten Rock, war ein Intellektueller und Freigeist. Er stammte aus einem Dorf in Frankreich und geriet in Paris dank seines Berufs als Arzt in die Gesellschaft aus Intellektuellen, Künstlern, Parvenüs, Dandys, Homosexuellen und ganz allgemein der Dekadenz.

Er suchte Kontakte zu Herzögen, Prinzen und Grafen und stieg in der Pariser Gesellschaft hoch geehrt auf. Als hervorragender Arzt und nach einiger Zeit auch weltberühmter Chirurg genoss er allseits Anerkennung und Ruhm. Eine Unzahl bekannter Persönlichkeiten aus den Bereichen schöner Künste, Maler des Impressionismus und vieler bekannter Schriftsteller gehörten zu seinem Umfeld.

Er wird vom Autor als kultiviert, weitgereist, charismatisch, gutaussehend und charmant beschrieben. Er hatte reich geheiratet. Seine Ehe scheiterte an den womöglich nicht zu vereinbarenden gegenseitigen Erwartungen und der in dieser Zeit herrschenden Sexualmoral. Dass die Ehe dennoch dreißig Jahre hielt, lag an dem schönen Schein, den man allenthalben zu wahren wusste.

Barnes ging es um eine Geschichte der Zeit, in der alle jene zur Darstellung kommen, die das Kolorit dieser Epoche mitbestimmten: Künstler, Wissenschaftler (auch Darwin findet Erwähnung), Schriftsteller und die ganze auf Erfolg und Berühmtheit geeichte Gesellschaft. Es würde den Rahmen dieser Besprechung sprengen, wenn ich alle Namen aufzählen würde.
Paris bot das morbide Klima, das dem eher nüchternen Leben in England gegenüberstand.

Man kann sich ein Bild machen von den überragenden Künstlern jener Zeit, die voller explosiver Kraft, Kreativität und Schöpfungswillen waren. Man behält die vielen Beziehungen untereinander nicht im Detail, denn der Stoff ist zu umfangreich. Es gibt allenfalls einen Wiedererkennungswert.

Alle diese Berühmtheiten kannten sich untereinander, liebten oder hassten sich: überragend blieb die Figur der Dr. Pozzi, auch „Docteur Dieu“ genannt, um den herum Julian Barnes sein Zeitgemälde entstehen ließ. Pozzi war zu intelligent, um sich in das allgemeine Klatschgeschehen, das dort herrschte, einzufädeln. Er blieb der beliebte Arzt, der überall gerne gesehen war.

Julian Barnes musste für sein Werk recherchieren, Textstellen bekannter Autoren hinzuziehen, Bezüge zwischen den Personen und Schriftstellern herstellen, um auf diese Weise die Zeit des Aufbruchs in der Wissenschaft und der Kunst, aber auch der Dekadenz in den Fokus zu nehmen.

Während man beim Lesen über den Umfang des zusammengetragenen Materials staunt, findet man im Nachwort den bekannten Julian Barnes wieder, der in einem sehr persönlichen Schlusswort noch einmal beschreibt, was den Helden der Geschichte auszeichnet.

Pozzi, Zitat, der „rational, wissenschaftlich, fortschrittlich, international und unentwegt wissbegierig war; der jeden neuen Tag mit Begeisterung und Neugier begrüßte; der sein Leben mit Medizin, Kunst, Büchern, Reisen, Gesellschaft, Politik“ und so fort „verbrachte“ war ein Ausnahmetalent.

Im Anhang gibt es sowohl Literaturhinweise als auch Hinweise auf die zahlreichen Bildtafeln und Fotos.

Für den gebildeten Leser ist das Buch eine umfassende Bildungslektüre, das man gerne empfehlen möchte.

Julian Barnes
Der Mann im roten Rock
Kiepenheuer & Witsch, Januar 2021
304 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3462054767
ISBN-13: 978-3462054767
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