Gabrielle Filteau-Chiba: Bis der Fluss taut – Tagebuch aus der Wildnis

Gabrielle Filteau-Chiba: Bis der Fluss taut – Tagebuch aus der Wildnis

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Anouk hat Montreal den Rücken gekehrt, um in einer einfachen Hütte in der Wildnis von Kamouraska zu leben. Um in dieser eisigen Kälte überleben zu können, muss sie sich jeden Tag bei durch den Schnee kämpfen, um Holz zu holen, damit der kleine Ofen, er ist ihre einzige Wärmequelle, nicht ausgeht. Bald friert der Fluss zu und gibt kein Wasser mehr her, sodass ihr nichts anderes übrig bleibt, als Schnee zu schmelzen. Von der Zivilisation hört sie nur den Zug, der ihr eine zeitliche Orientierung gibt und für eine gewisse Struktur im Alltag sorgt. Doch eines Tages fährt er nicht mehr.

Zurück will Anouk keinesfalls, denn das zivilisierte Leben hat ihr noch viel weniger zu bieten. Sie zieht die Einsamkeit vor, doch wäre ihr Zweisamkeit lieber. Die junge Frau denkt viel nach, träumt und beschäftigt sich mit dem Schreiben in den wenigen hellen Stunden und in der Dunkelheit bei Kerzenschein. Sie versucht, mit ihren Ängsten klarzukommen und sich auf das Wesentliche hier draußen zu konzentrieren, denn auch ernste Gefahren hält die Natur bereit, wie sie bald feststellen muss. Anouk ist froh, als eines Tages ein Kater kommt und ihr Gesellschaft leistet. Nach Wärme und Nähe sehnt sich sehr. Er soll nicht der einzige Überraschungsgast bleiben.

Die Autorin bedient sich einer tiefgehenden Sprache und schafft eine besondere Atmosphäre. Sie malt mit Worten faszinierende Naturbilder, die einen Gegensatz zur Enge in der einfachen Hütte bilden.

Viel ist in diesem Buch leider nicht über Anouk zu erfahren. Dazu ist es viel zu kurz. Ihre Motivation stellt sich vor allem in ihrer engen Naturverbundenheit dar. Sie sieht das Ökosystem bedroht und ist damit nicht allein. Was wird wohl aus ihr werden? Was wird sie tun nach dieser Kältewelle und nach diesem Winter? Wir erfahren es nicht, aber es ist auf den letzten Seiten ihres Tagebuchs von Hoffnung zu lesen und einem großen Vorhaben, das sie angehen will.

Rezension von Heike Rau

Gabrielle Filteau-Chiba
Bis der Fluss taut
Tagebuch aus der Wildnis
Aus dem Quebecfranzösischen von Katrin Segerer
112 Seiten, gebunden
dtv Verlagsgesellschaft, Dezember 2022
ISBN-10: 3423290277
ISBN-13: 978-3423290272
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Daniela Krien: Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Daniela Krien: Irgendwann werden wir uns alles erzählen

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In diesem Debütroman aus dem Jahr 2016 von Daniela Krien geht es um eine außergewöhnliche Liebesgeschichte und um eine weitläufige Bauernfamilie jenseits der westdeutschen Grenze in der DDR.

Der Brendel- und der Hennerhof sind zwei benachbarte Höfe. Das Leben in und um die Höfe ist geprägt von den Bewohnern, die in ihrer ganzen vielfältigen Verwandtschaft in die Geschichte hineinspielen.

Die Wende hat gerade stattgefunden. Hier aber geht das Leben seinen Gang. Die LPGs gibt es nicht mehr, und einzelne Bauern sind wieder Besitzer ihrer Höfe. Ein großes Fest zur Wiedervereinigung steht an!

Maria, die Icherzählerin, ist 16 und geht in die Schule. Dort trifft sie Johannis vom Brendelhof. Er nimmt sie mit und stellt sie seinen Eltern vor. Fortan lebt sie mit ihm auf seinem elterlichen Gehöft, da ihre Mutter verlassen vom Vater ein ärmliches Leben führt.

Herrliche Landschaftsbilder in einem flimmernden Sommer führen einen sogleich in das Landleben ein. Maria ist jung, hübsch und unbeschwert. Sie schwänzt die Schule und geht ihren eigenen Träumen nach. Dem Lesen gehört ihre Leidenschaft. Es sind die „Brüder Karamasow“, die sie besonders faszinieren.

Bei all dem Treiben und den Begegnungen lernt sie den viel älteren Bauern Henner vom Nachbarhof kennen. Er ist schon vierzig Jahre alt.
Zwischen den beiden bahnt sich eine große Leidenschaft an. Maria ist diesem Mann sehr bald hörig. Ihre Gefühle schwanken zwischen Scham, Schuld und Ekstase. Die Lüge überdeckt ihr geheimes Leben mit Henner, der ihr Vater, Mutter, Freund und Geliebter in einem ist.

Der Krieg mit seinen Auswüchsen, die DDR mit ihrem Gefolgschaftswahn und ihren Schrecken: durch die Schicksale der einzelnen Figuren kommt vieles zur Sprache.
Mit der Wende soll nun alles anders werden.

Hinreißend sind die Naturbeschreibungen und die von Maria wahrgenommenen Empfindungen beim Betrachten der Häuser, der Zimmer mit allen Einzelheiten und der Küche mit ihren wunderbaren Gerüchen vom Backen, Braten und Kochen. Die Ansprüche der Bewohner sind bescheiden. In der Kneipe mit ihren Besuchern findet man Einblicke in das Dorfleben, und in der Natur erlebt man die Vielfalt an Stimmungen mit ihren wechselnden Jahreszeiten.

Die amour fou zwischen dem vierzigjährigen Henner und der bald siebzehnjährigen Maria bleibt das untergründig beherrschende Thema der Geschichte, geheim und verboten. Das Reifen des jungen Mädchens zur Frau ist nachvollziehbar. Es gibt der Geschichte Spannung und wird in einer so authentischen Weise geschildert, dass man meint, alles könnte sich genau so zugetragen haben.

Daniela Krien kann schreiben! Sie hat das Feingefühl und das richtige Gespür für menschliche Schwächen, Größen und, ja, auch Details des Alltagslebens auf dem Land. Wie sich die Zeiten verändern, wie es auch nebenbei politische Betrachtungen gibt, das ist meisterhaft geschildert.
Das Ende kommt überraschend, erschreckend und passt genau.

Ein wunderbares Buch, das einmal mehr Daniela Kriens Fähigkeiten als herausragende Autorin unter Beweis stellt.

Daniela Krien
Irgendwann werden wir uns alles erzählen
Diogenes, 1. Auflage, November 2022
272 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3257072198
ISBN-13: 978-3257072198O
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Emma Haughton: The Dark

Emma Haughton: The Dark

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12 Monate wird die Notärztin Kate North nun auf einer Antarktisstation arbeiten. Sie folgt kurzfristig auf den Arzt Jean-Luc Bernas, der einen tragischen Unfall hatte und ums Leben gekommen ist. Auf der Station, die sich Forschungszwecken widmet, herrscht eine seltsame Stimmung, die sich noch verstärkt, als der Winter anbricht, der noch eisigeren Kälte und tiefe Dunkelheit mit sich bringt.

Kate beginnt an der Richtigkeit ihrer Entscheidung zu zweifeln, denn Dunkelheit macht ihr Angst. Doch die Tragödie, die sie erlebt hat, hat sie zu einer Flucht aus ihrem Umfeld gezwungen. Als sie versucht, mehr über ihren Vorgänger Jean-Luc zu erfahren, zeigen sich die anderen nicht gerade gesprächig, was zu verstehen ist. Doch Kate bleibt hartnäckig und schießt dabei schnell einmal über das Ziel hinaus. Mancher fühlt sich von ihr vor den Kopf gestoßen. Aber in ihr wächst der Verdacht, dass es kein Unfall war. Doch wer könnte ein Interesse daran gehabt haben, Jean-Luc aus dem Weg zu räumen? Und warum?

Der Autorin gelingt es gut, die Station im Eis zu beschreiben, auch wenn die Forschungsarbeit selbst im Hintergrund bleibt. Die Kälte, die Dunkelheit und die beengten Verhältnisse machen es den Mitgliedern der Crew nicht leicht. Psychologisch ausgefeilt wird dargestellt, wie die Stimmung ist und wie sie sich zunehmend verändert. Unstrukturierte Tage, unaufgearbeitete private Probleme, kaum Kontakt zur Außenwelt und Müdigkeit durch Schlafmangel erschweren konstruktives Handeln und klares Denken. So entstehen Stresssituation, die an die Nerven gehen, und Diskussionen arten in Streitigkeiten und Angriffe aus.

Für Kate ist klar, dass unter ihnen ein Mörder ist, der vielleicht noch einmal zuschlagen wird. Es gibt nur ihre Sichtweise. Sie hat Anhaltspunkte, wenn auch echte Beweise fehlen oder diese verschwinden. Kate ist jedoch meiner Meinung nach nicht als besonders sympathische Person dargestellt. Sie hat Probleme, die sie eigentlich nicht für ihren Job qualifizieren. Hier wackelt die Glaubwürdigkeit etwas. Andererseits treibt sie die Handlung voran und bringt durch ihr unüberlegtes Handel die Gruppenmitglieder auch mal gegeneinander auf. Die Autorin rückt die Gruppendynamik in den Vordergrund, das sich aufbauende Misstrauen und zeigt gleichzeitig auf, dass jeder auf den anderen angewiesen ist, um auf der abgeschnittenen Forschungsstation überleben zu können.

Der Antarktis-Thriller unterhält gut und ist bis zum Ende sehr spannend.

Rezension von Heike Rau

Emma Haughton
The Dark
Antarktis-Thriller
Aus dem Englischen von Cornelia Röser
400 Seiten, broschiert
Knaur Verlag, November 2022
ISBN-10: 3426227932
ISBN-13:‎ 978-3426227930
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Sarah Farr: Heilende Kräutertees

Sarah Farr: Heilende Kräutertees

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Das Buch ist für Menschen gemacht, die sich dem Teemischen widmen oder widmen möchten und dabei seine heilsame Wirkung kennenlernen, vertiefen und nutzen wollen. Es ist ein umfangreiches Werk, das über die üblichen Kräuter hinausgeht. Es werden Kräutermischungen hergestellt, die mir einzigartig erscheinen und die spezielles Wissen voraussetzen, aber auch ein besonderes Gefühl für die Kräuter. Die Autorin zeigt sich sehr naturverbunden, lässt sich von den Kräutern verzaubern und betrachtet sie mit Wertschätzung.

Das Buch beginnt mit einem ausführlichen Vorwort und führt dann in die „Kunst der Teerezeptur“ ein. Die Autorin geht auf die Herkunft der Kräuter ein und zeigt auf, wie Teemischungen entstehen, wie sie gelagert und daraus Tees zubereitet werden.

Bei der Zusammenstellung der Rezepturen spielen verschiedene Aspekte wie Wirkungsweise und Geschmack mit hinein. Der Rezeptteil ist untergliedert und es finden sich ganzheitlich wirkende Tees, spezielle Heil- und Arzneitees sowie Jahreszeiten-Tees. Für jedes Bedürfnis wird eine geeignete Teemischung vorgestellt.

Jeder Teemischung ist eine Seite gewidmet. Die Autorin beschreibt die Möglichkeiten der Anwendung, die Wirkung und den Geschmack. Sie erzählt gerne auch von ihren eigenen Erfahrungen. In einem Kästchen ist Wichtiges noch einmal kurz und knapp zusammengefasst. Bestimmte Heilpflanzen werden in einem Pflanzenporträt ausführlich beschrieben. Auch gesundheitliche und mentale Probleme werden besprochen und es wird aufgezeigt, wie ein Tee hier helfen kann. So ergibt sich ein rundes Bild.

Bei den Teemischungen fällt auf, dass ein breites Spektrum an Kräutern verwendet wird. Einige Tees sind speziell und enthalten ausgefallene Zutaten. Hier muss erst noch recherchiert werden, wo sie erhältlich sind. Heimische Kräuter können von Kräuterkundigen selbst gesammelt werden. Außerdem gibt es im Buch ein Kapitel, das sich dem Kräuteranbau widmet. Hier erfährt der Leser, wie ein Kräutergarten angelegt wird und welche Pflanzen zu empfehlen sind. Sehr hilfreich ist hier die gemalte Sonnenkarte. Auch wer nicht so groß planen möchte oder kann, erhält Tipps.
Das Buch ist ausführlich gehalten, aber mit dem Repertorium am Ende gut überschaubar.

Rezension von Heike Rau

Sarah Farr
Heilende Kräutertees
101 Kräutermischungen für jede Lebenslage selbst herstellen
294 Seiten,
Unimedica, Oktober 2022
ISBN-10: 3962573186
ISBN-13: 978-3962573188
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Fatma Aydemir: Dschinns

Fatma Aydemir: Dschinns

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In diesem Familienroman wird eine Gastarbeiterfamilie aus der Türkei zum Thema der Auseinandersetzung genommen, die zwischen eigener Identität und aufgezwungener Fremdheit besteht.

Die Familie von Hüseyin versammelt sich in einer Wohnung in Istanbul nach dem Tod von Hüseyin, der voller Glück seine mühsam ersparte neue Wohnung für den Ruhestand beziehen wollte. Infolge eines Herzinfarktes ist er gestorben.

Nach der Hochzeit ist Hüseyin nach Deutschland gegangen, um gutes Geld zu verdienen. Sie hatten damals schon drei Kinder: Sevda, Hakan und Perihan.
Nach acht langen Jahren holt Hüseyin seine Frau und zwei seiner Kinder nach Deutschland. Sevda muss noch einige Zeit bei der Großmutter bleiben. Erst als sie 15 ist, wird sie vom Vater nachgeholt.

Die Erzählung befasst sich mit den Auswirkungen der Umsiedlung nach Deutschland, die für Familienkonstellationen eigene Probleme mit sich bringt: fremd in einem fernen Land halten sich die Eltern an die Sitten und Gebräuche ihrer Herkunft, während die Kinder sich an die Normen des Gastarbeiterlandes anzupassen versuchen.

In einzelnen Kapiteln widmet sich die Autorin intensiv jedem Familienmitglied.
Sevda muss jung heiraten und darf ihrem Wunsch, eine Schule zu besuchen, nicht nachkommen.
Sie zeigt früh Freiheitbestrebungen. Mit Groll erinnert sie sich ihres erzwungenen Ehelebens.
Hakan ist ein Verlierer, der abseits von Erfolg und Ehrgeiz dubiosen Geschäfte nachgeht.
Peri darf nach erfolgreichem Schulabschluss studieren. Der Nachzügler ist schwul, was er nur der Schwester anvertraut.

Die Zerrissenheit der Familie liegt auf der Hand. Hüseyin plagt sich redlich in der Fabrik. Sein Leben pendelt zwischen Arbeit und Schlafen. Emine geht nie aus und bleibt für Haus und Küche da. Die Kinder dieser Gastarbeiterfamilie sind sich selber überlassen. Sie wandeln auf unterschiedlichen Pfaden. Und wie unterschiedlich fallen diese aus!

In einem gut konstruierten Rahmen zeigt uns die Autorin, wohin die Wege des Menschen führen, wenn keine geschlossene Gemeinschaft mehr besteht. Eine Orientierung ist unter diesen Bedingungen nur schwer zu finden.

Die Eltern tragen ein ganz besonders bedrückendes Geheimnis mit sich. Es zeigt einmal mehr die Abhängigkeiten der Frauen vom Familienverband. Frauen gelten nicht als Individuen.

Sevda wird sich dem Zwang irgendwann entziehen und zusammen mit ihren Kindern ihre eigenen Wünsche realisieren. Sevda ist auch diejenige, die die klarsten und schmerzlichsten Worte findet, um ihrer Mutter Fehlentscheidungen und die mangelnde Selbstständigkeit vorzuhalten.
Missverständnisse und Schweigen zeichnen die Beziehungen zwischen Hüseyin und Emine aus.
Vieles bleibt tabuisiert! Da kann nur eine desillusionierte Sevda dazwischen gehen.
Das Treffen in Istanbul anlässlich des Todes von Hüseyin endet dramatisch.

Fatma Aydemir hat einen großartigen Familienroman verfasst. Hier prallen Orient und Oxident aufeinander. Die Fliehkräfte unterschiedlicher Lebensformen bringen den Zusammenhalt der Familie auseinander. Keiner wird mit seiner Lebensgestaltung wirklich glücklich. Nicht viele Menschen des Gastlandes können sich in die Lage ihrer Gastarbeiter hineinversetzen. Auch diese bleiben unter sich und leben schlecht und recht mit ihrer Isolation und Einsamkeit in einem fremden Land.

Die Autorin Fatma Aydemir schreibt voller Empathie, feiner Beobachtung und sensibler Wahrnehmung, was in dieser Familie mit den einzelnen Mitgliedern passiert.

Der Leser*in bleibt nicht unberührt vom Geschehen und schaut mit anderen Augen auf Menschen, die als Arbeiter unser Land unterstützen und sich selber fast verlieren in der Hilflosigkeit.
Es ist ein wirklicher Verdienst der Autorin, einmal den Fokus auf diese Problematik zu lenken.

Fatma Aydemir
Dschinns
Carl Hanser Verlag, 6. Auflage, Februar 2022
368 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3446269142
ISBN-13: 978-3446269149
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Caroline Ronnefeldt: Quendel (Band 3) – Über die Schattengrenze

Caroline Ronnefeldt: Quendel (Band 3) – Über die Schattengrenze

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Die Schrecken des Bäumelburger Maskenfest stecken den Bewohnern des Hügellandes noch in den Knochen. Zu viele Familienangehörige und Freunde sind nicht mehr bei ihnen und über ihr Schicksal ist nichts bekannt. Aber ein bisschen Hoffnung bleibt, denn es gibt einen, der es gewagt hat, hinter die Schattengrenze zu gehen und zurückzukehren. Eine kleine Gruppe will dieses Abenteuer noch einmal wagen, um nach den Vermissten zu suchen. Schließlich stehen die Raunächte bevor und der Übergang in die Anderswelt könnte wieder möglich sein.

Und so wird im Haus von Bullrich Schattenbart eine Versammlung einberufen. Alte Bekannte wie sein Neffe Karlmann, seine Nachbarin Hortensia, Odilio und Zwentibold resümieren, was man über die Schattengrenze weiß und ziehen eine alte Landkarte zurate, auf der womöglich der Verlauf eingezeichnet ist.

Schließlich wird eine kleine Gruppe zusammengestellt. Kater Reizker Fuchsrot und die Katze der vermissten Griseldis, Arwa Seidelbast, kommen mit, ebenso wie Hund Trautmann. Das Gepäck soll Pony Nebelung tragen. Man weiß um die besonderen Fähigkeiten der Tiere, die Dinge bemerken, die den Quendeln entgehen.
Doch schon der Beginn der Reise wartet mit einem Geschehnis auf, das die Angst der kleinen Truppe weiter schürt und ihnen zeigt, wie gefährlich das Unterfangen ist. Doch aufzugeben ist nicht ihre Sache.

Das lange Warten auf den 3. Band hat sich gelohnt. Es ist nicht schwer, wieder in die Geschichte hineinzufinden, denn geschickt frischt die Autorin die Erinnerung auf. Gleichzeitig baut sie eine schauerliche Kulisse auf, die von alten Mythen und Legenden lebt. Bekannte Figuren tauchen auf, die so schrullig und wundersam sind wie eh und je. Und so ist der Leser schnell bereit für ein neues Abenteuer. Und dieses hat es in sich und droht gefährlich zu werden.

Schön, dass dieses Buch so viele Seiten hat. Durch die Ausführlichkeit, in der die Autorin schreibt, gelingt es, sich voll und ganz in die Geschichte hineinzuversetzen. Manches beschreibt sie fast schon in Zeitlupe und so lässt sich jede Nuance aufnehmen. Der Leser wird zu einem Mitglied der kleinen Gruppe, ist hautnah mit dabei und fühlt mit. Spürt Grauen und Bedrohung, Angst, schwindende Hoffnung, neue Motivation und bedingungslosen Zusammenhalt. Sieht, was die Figuren sehen und erfährt, was in ihnen auf dieser beschwerlichen Reise vorgeht, die voller Gefahren ist. Schließlich haben es die Quendel mit Dämonen und Geistern zu tun sowie den Unwägbarkeiten der fremden Natur der Anderswelt. Immer wieder flammt eine ungeheure Spannung auf und lädt zum Mitfiebern ein. Das Ende macht etwas wehmütig, da der Abschiede von den Quendeln schwerfällt, ist aber sehr gut gelungen.

Die Reiseroute der Quendel lässt sich auf einer von der Autorin gezeichneten Karte verfolgen.

Rezension von Heike Rau

Caroline Ronnefeldt
Quendel (Band 3) – Über die Schattengrenze
512 Seiten, gebunden
Ueberreuter Verlag, Oktober 2022
ISBN-10: 3764171111
ISBN-13: ‎978-3764171117
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Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter

Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter

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Mutter ist zu dick!
Wie ein Mantra zieht sich diese Feststellung durch den ganzen Roman.

Dieses Buch über eine Familie im Hunsrück zu Beginn der 80ziger Jahre löst Mitgefühl, Empörung und Zorn aus. Zorn darüber, wie ein Mann seine Frau tyrannisiert, und wie diese Frau über Jahre mit dieser Tyrannei leben konnte.

Sie leben in einem kleinen Dorf im Hunsrück: Vater, Mutter und die Tochter Ela.
Von Beginn an merkt man, dass ein unerträgliches Klima des Zanks und des Streits in der Familie zu spüren ist.
Der Vater moniert ständig, dass seine Frau zu dick sei. Das Töchterchen Ela beobachtet und fühlt die Spannung, die fast zu jede Minute des Zusammenseins in der Luft liegt. Sie berichtet aus der Perspektive einer Sechs-bis Zehnjährigen über die Jahre zwischen 1986 bis 1990.

Ist die Mutter zu dick? Man glaubt es kaum, denn anlässlich eines Badeurlaubs in Italien denkt Ela, dass die Mutter schön ist. Im Laufe der Jahre sieht sie die Mutter aber mehr und mehr mit den Augen des Vaters.

Die hilfsbereite und soziale Mutter und der ambitionierte Vater bilden die Pole, zwischen denen das Befinden des Kindes schwankt.

Eine unausgesprochene Wut seitens der Mutter und die ständigen Nörgeleien des Vaters, der ihre Figur zur Ursache für seine eigenen Misserfolge erklärt, prägen das Geschehen. Hin und her gerissen zwischen der Liebe zur Mutter und dem Vater muss sich Ela einen eigenen Weg suchen. Sie ist ein fröhliches Kind, der „Sonnenschein“ der Familie.

Ela ist unschwer als das Alter Ego der Autorin zu erkennen. Sie beschreibt das Leben ihrer Mutter als einer Abhängigen, die sich der ständigen Kritik des Vaters nicht entziehen kann. Der Vater hat seine bäuerliche Herkunft verlassen und ist technischer Zeichner geworden. Er möchte Karriere machen. Seine Klagen über den Berufsalltag und die empfundene Ungerechtigkeit bei Beförderungen bestimmen sein Denken und die Gespräche bei Tisch.
Es ist ein schrecklich verklemmtes Spießerleben, voller Vorurteile und Klischees!

Zwischen den einzelnen Kapiteln des Romans reflektiert die erwachsene Tochter Ela das Verhalten der Eltern und stellt Fragen, ob wirklich alles so war, wie sie es sieht.

Während sich die Mutter mit Diäten quält, tänzelt der Vater mit immer neuen Ideen durchs Leben, braun gebrannt und dem Erfolg hinterher. Ein neues Auto, ein neues Haus: nichts scheint unmöglich, um Prestige zu gewinnen.

Auch die Großelternpaare streiten untereinander.
Das Motto in beiden Häusern war: “ Opa hat entschieden, Oma ist gelaufen. Er war der Kopf, sie die Beine“.

Die achtziger Jahre mit ihren gesellschaftlichen und familiären Zwängen werden ausgezeichnet wiedergegeben. Die Grünen ziehen in den Bundestag ein, und Kohl wird Bundeskanzler. Männerherrschaft in allen Bereichen wird überzeugend beschrieben. Mit der Emanzipation hat es in dem abgelegenen Dorf, und vielleicht nicht nur dort, noch nicht geklappt.

Das Buch liest sich flüssig. Es sind bedrückende Jahre ihrer Kindheit, die von der erwachsenen Ela/ Dröscher zu einem aufschlussreichen Familienporträt verarbeitet wurden. Man kann sich den Sog der Erzählung nicht entziehen.

Daniela Dröscher war mit dieser Arbeit auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.

Daniela Dröscher
Lügen über meine Mutter
Kiepenheuer & Witsch, 3. Auflage, August 2022
448 Seiten, gebunden
ISBN-10: 346200199X
ISBN-13: 978-3462001990
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Ian McEwan: Lektionen

Ian McEwan: Lektionen

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Roland Baines ist der Held einer Geschichte, in der es um die Geschicke eines langen Lebens geht. Wie der Autor ist er 1948 geboren.
Wir begegnen ihm als jungen Vater mit seinem Baby Lawrence, allein, denn seine Frau hat ihn kürzlich verlassen. Wir schreiben das Jahr 1986.

Seine Gedanken wandern zurück zu seiner Jugend und Vergangenheit.
In Lybien verbrachte er eine sorglose Kindheit. Sein Vater war Offizier des englischen Militärs in Tiflis.
Mit 11 Jahre schickte der Vater ihn nach England in ein Internat. Abgesehen von den strengen und rigiden Erziehungsformen begegnet er der Klavierlehrerin Cornell. Durch sie erfährt sein Leben eine Wende, die schicksalhaft für sein weiteres Leben sein wird.

Sein hoffnungsvoller Start als möglicher Starpianist zerschellte an der Wirklichkeit seines Lebens.
Er kommt fortan nie zu einem zufriedenstellenden Berufswerdegang. Mit Gelegenheitsarbeiten schlägt er sich durch und wird zuletzt Barpianist. Die Anzahl unsteter Frauenbeziehungen ist legendär.

Jahre nach der Trennung von Alissa, seiner Frau, findet er eine neue Partnerin. Auch Daphnes Ehe ist gescheitert. Leider hält auch diese Beziehung den Forderungen des Alltags nicht stand, weil Roland entschlusslos vor sich hinlebt. Einzig sein Sohn Lawrence bietet eine ruhige Konstante. Die beiden leben in Frieden zusammen. Warum ihn seine Frau verlassen hat, wird er erst viel später erfahren.

Die Erzählung MacEwans bewegt sich stets ganz nah am Schicksal seines Helden. Man spürt die innere Verbundenheit mit ihm.
Es gelingt ihm vorbildlich, seinen Protagonisten durch lange Jahre des Lebens zu begleiten. Er zeigt Empathie und bestimmt den Fortgang der Geschichte durch die Entzerrung der verworrenen Geschehnisse, die Roland Baines auf seinen so unbefriedigenden Lebensweg geführt haben.
Es gibt in der Geschichte Familientragödien, lustlose Ehen und abgebrochene Karrieren.

Die politische Geschichte bietet einen weiteren Rahmen zur Erzählung: Kubakrise, Mauerbau, Fall der Mauer, 9/11 und Wandel in den politischen Geschicken der einzelnen Länder bis hin zur Pandemie der Jahre ab 2020 weiten unseren Blick auf das Zeitgeschehen.

McEwan erzählt mit langem Atem und verliert sich zuweilen in Seitensträngen. Die Figur von Roland Baines und sein Leben bieten die Basis für Erkenntnisse um Leben, Liebe, Tod und Leidenschaft.
Ihm ist es gelungen, die Strömungen und Einflüsse eines halben Jahrhunderts transparent zu machen. Jugendlicher Leichtsinn, Verführung, Versagen und Genügsamkeit prägten Roland Baines Leben. Altersweisheit führt zuletzt zu einem versöhnlichen Ende.

Die Geschichte begeistert, denn selten werden so wunderbar Höhen und Tiefen eines Lebens ausgelotet wie von Ian MacEwan.

Ian McEwan
Lektionen
Diogenes, September 2022
720 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3257072139
ISBN-13: 978-3257072136
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Judith Brockmann: Feste Naturkosmetik selber machen

Judith Brockmann: Feste Naturkosmetik selber machen

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Pflegeprodukte sollen möglichst nachhaltig sein und zudem plastikfrei verpackt. Mittlerweile ist feste Naturkosmetik im Handel angekommen, doch hat diese ihren Preis. Produkte selbst zu machen, ist Trend und so sind im vorliegenden Buch zahlreiche Rezepte für die Haar- und Hautpflege zu finden. Die Umsetzung muss sich nicht schwierig gestalten, wie Autorin Judith Brockmann beweist. Die Grundlagen müssen sitzen und werden deshalb ausführlich im Buch vermittelt.

Unterteilt ist der Ratgeber in feste Reinigungsprodukte, feste Pflegeprodukte und feste Verwöhnprodukte. Er beginnt mit einem umfangreichen Einleitungsteil, der Wissenswertes vermittelt und Fachbegriffe erklärt. Auch vorbereitende Maßnahmen werden aufgezeigt.

Sehen wir uns das Kapitel mit den festen Reinigungsprodukten einmal näher an. Besprochen wird, welche Aufgaben diese erfüllen müssen, welche Rohstoffe zum Einsatz kommen können und welche Funktion sie haben. Hergestellt werden Shampoo Bars, Conditioner, Dusch Bars mit und ohne Peelingeffekt, Badebomben, Reinigungs- und Peelingpulver für das Gesicht und Zahnpulver.
Der Leser findet auf einer Doppelseite den Einkaufszettel und benötigtes Zubehör, eine verständliche Schritt-für-Schritt-Anleitung, Tipps zur Anwendung und Zubereitung sowie ein Foto.

Die Zutaten aufzutreiben, sollte nicht schwierig sein, da Bezugsquellen angegeben sind. Ich habe Stichproben gemacht und alles gefunden. Teils sind kostspielige Zutaten darunter, die dann aber für mehrere Produkte verwendet werden können, da die benötigten Mengen pro Rezept wiederum gering sind. Davon abgesehen kommen auch Zutaten zum Einsatz, die in jedem Haushalt verfügbar sind. So entsteht am Ende ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Mit 50 Rezepten ist das Buch zudem übersichtlich und überfordert nicht.

Die vorgestellten Produkte sind fast alle für Anfänger geeignet, aber auch zum Experimentieren für Fortgeschrittene zu empfehlen. Die Autorin bietet Spielraum, macht Vorschläge zum Austausch verschiedener Inhaltsstoffe, sodass eine Anpassung an die eigenen Bedürfnisse möglich ist.

Rezension von Heike Rau

Judith Brockmann
Feste Naturkosmetik selber machen
50 fantastische Reuepte für feste Shampoos, Lotion Bars & Co.
128 Seiten, broschiert
Verlag Eugen Ulmer, September 2022
ISBN-10: 3818616582
ISBN-13: 978-3818616588
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Gregor Wolf: Etzel Zauderkern und die Macht der Wünsche

Gregor Wolf: Etzel Zauderkern und die Macht der Wünsche

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Der Bote hat keine Chance, denn die Angreifer kennen keine Gnade. Doch Etzel ist ebenfalls im Wald von Helmfest unterwegs. Er ist Zauberlehrling und es gelingt ihm mit einem etwas unbeholfenen Zauber, die Räuber zum Rückzug zu bewegen. Der Bote ist schwer verletzt, kann sich jedoch noch auf seinem Pferd halten, sodass Etzel ihn zur Burg Helmfest führen kann.

Die überbrachte Botschaft ist wichtig. Die schwer erkrankte Königin von Nahfern bittet um Hilfe. Nur ein Trank von Zaubermeister Graufels, dessen Lehrling Etzel ist, kann ihr noch helfen. Doch ist der Meister selbst nicht auf dem Posten. So muss Etzel nun bei Brauen der Medizin helfen und sie auch überbringen.

Die Räuber dürften allerdings noch immer auf der Lauer liegen. Eine Verschwörung wird vermutet, die der Königin schaden soll. Mit auf den Weg bekommt Etzel das Pferd des Boten, das von der seiner letzten Reise noch ziemlich angeschlagen sein dürfte. Doch erweist sich das Pferd, das er Ehrenwert nennt, als guter Freund. Außerdem hat Etzel noch seine etwas bescheidene Zauberkraft zur Verfügung und er bekommt Hilfe von Knappin Gisa von Sturm, die außergewöhnlich mutig ist, ihm aus einer brenzligen Situation hilft und dann bereit ist, ihn zu begleiten. Die Zeit läuft.

Der Autor hält sich nicht lange mit Nebensächlichkeiten auf, sondern steigt sofort in die Geschichte ein. Und so beginnt eine spannende Reise, die in einer längst vergangenen Zeit stattfindet. Der Leser ist ganz nah bei Etzel Zauderkern und reist mit. Seine Reisegefährten sind gut ausgewählt. Hier natürlich insbesondere Gisa von Sturm. Aber auch die Pferde der beiden tragen nicht unerheblich zum Fortgang der Geschichte bei.

Es gilt, sich versteckt zu halten, Gefahren und Hindernisse zu meistern, Vertraute zu finden und sich gegen die Widersacher wehren. Und hier hat sich Gregor Wolf viel einfallen lassen. Aufregende Szenen reihen sich aneinander und laden zum Mitfiebern ein. Es ist nicht zu sagen, wie die Sache letztendlich ausgehen wird, denn auf Etzels Zauberkraft ist kein Verlass. Doch immer mehr glaubt er zu erkennen, was diese Kraft ausmacht und wie er sie wecken kann.

Der Autor hat einen märchenhaften Schreibstil, schreibt gut vorstellbar, detailreich und versteht es auf besondere Weise, die Spannung zu halten. Auch die Kulisse und das ganze Drumherum begeistern. Alles ist gut ausgearbeitet.

Rezension von Heike Rau

Gregor Wolf
Etzel Zauderkern und die Macht der Wünsche
Ueberreuter Verlag, Septermber 2022
288 Seiten, gebunden
ab 10 Jahren
ISBN-10: 3764152117
ISBN-13: 978-3764152116
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