Lebe – Yascha!

Lebe – Yascha!

Die Autorin Hülya Rinscheid beschreibt in ihren biographischen Roman die Lebensgeschichte des türkischen Bauernmädchen Yascha.
Yaschas Eltern, islamische Bauern, ziehen Anfang der 20er-Jahre von Griechenland in ein kleines Dorf in der Türkei. Yaschas Geschwister und auch sie werden dort geboren – in einem Dorf der Frauenunterdrückung unter den Deckmantel der Religion und des Aberglaubens.

Unschönsein, das Kopftuch, harte Arbeit, Bildungslosigkeit und Gehorsam gehören zum Leben der Frauen. Die Frauen versuchen sich mit ihren eigenen wenigen Mitteln zu helfen. Aber es bleibt eigentlich immer nur ein Versuch, den Drang nach Freiheit zu verwirklichen. Der Grund, die Frauen haben es durch Familie und Erziehung nie anders kennen gelernt.

Hülya Rinscheid erzählt, wie das Bauernmädchen Yascha sich diesen eingefahrenen Regeln zu widersetzen versucht und wie sie oft am intensiven Glauben der Menschen und ihrer Familie scheitert. Erst ihre eigene Stärke in einem von Atatürk reformierten Land, bringen ihr die ersehnte Freiheit. Eine Freiheit, die sie letztendlich auch nur an der Seite eines Mannes durchsetzen kann. Eine Freiheit, die nicht wirklich eine Freiheit ist.

Der biographische Roman erläutert sehr ausführlich eine kurze Zeit in der türkischen Geschichte. Atatürks Reformen und die Ansätze der modernen Türkei, werden erwähnt. Ein Land entfernt sich aus den Zwängen des Mittelalters und der dogmatischen Religion.
Was bleibt ist ein Bauernmädchen, das sich eigentlich aus dem angeborenen LEBEN nicht befreien kann.

Hülya Rinscheid beschreibt ihren Romaninhalt sehr nett. Leider sind Wiederholungen oft störend. Der Inhalt ist oft sehr oberflächlich, nicht konkret. Trotzdem, war das Lesen dieses Buches auch für mich sehr interessant und informativ. Und ich denke, damit hat die Autorin ihr Ziel erreicht.

Hülya Rinscheid
Lebe – Yascha!
Biographische Roman
ISBN:3830107870
Bestellen

Der Fundamentalist,der keiner sein wollte

Der Fundamentalist,der keiner sein wollte


Wie soll man sich das Zusammentreffen eines Amerikaners in Lahore, Pakistan, mit einem Pakistani vorstellen?
Es ist ein nicht ungefährliches Unterfangen, als Amerikaner alleine da herum zu reisen.

Auf einem Platz in der Altstadt von Lahore begegnen sich die beiden ganz zufällig.
Changez, der Pakistani, ist ein freundlicher, zuvorkommender und gebildeter Mann. Er spricht den Fremden, offensichtlich ein amerikanischer Geschäftsmann, höflich an und versucht, ihm behilflich zu sein bei der Suche nach einem ruhigen Platz, wo man gemächlich eine Tasse Tee zu sich nehmen kann.
Man kommt ins Gespräch, aber eigentlich spricht Changez die ganze Zeit.
Er erzählt ganz übergangslos von seinem Studium in Amerika und von seiner einstmals reichen, jetzt eher verarmten Familie in Lahore.
Er hat mit einem Stipendium in Princeton studiert, hat das amerikanische Leben mit seinem neureichen Überschwang erlebt und sich in eine reiche Amerikanerin verliebt. Darüber ist ihm die Vergangenheit mit der alten Kultur und Würde in seiner Familie fast ein wenig in Vergessenheit geraten. Seine Erzählungen aus der Kindheit erscheinen wie ein fernes Märchen.
Nach dem Studium ist er nach einem strengen Auswahlverfahren von einer äußerst elitären und anspruchsvollen Firma eingestellt worden, als einer von wenigen seiner Mitkommilitonen. Es geht ihm so gesehen gut. Er hat es weit gebracht und man könnte ihn als assimiliert bezeichnen.
Dann kam der Überfall auf das WTC am 11. September 2001!
Vom selben Moment an verändert sich die Welt und zugleich das Leben von Changez. Man darf auf seine Entwicklung gespannt sein!

M.Hamid hat eine ausgefeilte, ästhetische und poetische Sprache, die seinen literaturbegeisterten Leser einfach mit nimmt in seine Welt. Man wird sofort von der Geschichte durch die sensible Erzählweise gefesselt.

In dem unaufhaltbaren Redefluss des Helden zeigt sich eine feine Beobachtungsgabe für die Charaktere seiner Protagonisten. Empfindsam werden Gefühle schon erraten, bevor sie überhaupt zur Sprache gekommen sind. Feinste menschliche Schwächen oder Stärken werden registriert. Das Leben in Lahore und das Leben in New York werden atmosphärisch so einprägsam beschrieben, dass man sich fragt, wie man im Wechsel zwischen diesen beiden Welten leben kann. Dass es in der Firma in New York Förderer gibt, die Changez immer wieder zu neuen Leistungen ermutigen, zeigt die menschliche Seite Amerikas. Man ahnt jedoch auch die raue Seite des american way of life und die Arroganz einer Militärmacht, die sich zum Retter der Welt berufen fühlt! Sollte es da nicht verwundern, wenn man als amerikanisierter Pakistani über die eigene Identität ins Grübeln gerät?

Hamids Gedanken sind von tiefenpsychologischer Klarheit, großer Ehrlichkeit in den dargestellten Gefühlswelten und sie sind hoch politisch.
Es geht um verschiedene Kulturen und Zivilisationen, und es geht darum, wie verschiedene Welten zu einander finden können, ohne die eigene Historie zu verraten.
Hamid versucht mit seiner Geschichte, beide Seiten der geteilten Welt nach dem 11.09.2001 zu beleuchten.

Er kennt alles, worüber er in diesem Buch schreibt, aus eigener Anschauung.
Er wuchs in Lahore, Pakistan, auf, studierte in Harvard und Princeton, wurde mit anerkannten Preisen ausgezeichnet und arbeitet für verschiedene New Yorker Zeitungen.
Ich kann das Buch jedem kulturanthropologisch Interessiertem nur empfehlen.

Mohsin Hamid
Der Fundamentalist,der keiner sein wollte
Perspektiven aus zwei verschiedenen Welten
ISBN:3455400477
Bestellen

Es war einmal ein Schiff

Es war einmal ein Schiff

Archäologische und naturwissenschaftliche Erkenntnisse zusammengenommen lassen interessante Einblicke in die Vergangenheit zu. Mit ein bisschen Fantasie werden sie zu interessanten Geschichten. Von solchen Geschichten, dem Weg dahin und vielen Hintergrundinformationen erzählen die Autoren, Archäologen und Wissenschaftler, in diesem Buch.

Rekonstruiert wird beispielsweise der Tagesablauf einer Ertebøllerfamilie 4472 v. Chr. an der Ostseeküste bei Neustadt in Holstein.
Interessant ist auch die Geschichte um den Goldfund von Schwesing. Er wurde um 1940 bei der Anlage eines Militärflughafens gefunden, nachdem neun urgeschichtliche Grabhügel entdeckt worden. Datiert wurde der Goldring um 3000 v. Chr. Allerdings waren die steinzeitlichen Bauern jener Zeit nicht in der Lagen einen solchen Ring herzustellen, noch verfügten sie über das Material.
Eine bedeutende Entdeckung ist auch der Fund, der auf der dänischen Insel Alsen bei Hjortspring gemacht wurde. Obwohl schon viel eher entdeckt, wurde mit der Grabung im Moor erst 1921 begonnen. Im Buch kann man sich die Rekonstruktionszeichnung des prähistorischen, gut 2300 Jahre alten Paddelbootes genau ansehen, das als wichtigster Bestandteil des Fundes gilt.
Gezeigt wird auch ein Foto aus dem Nationalmuseum Kopenhagen. Bewundern kann man aber auch die Fotos eines Nachbaus.
Im Schifffahrtmuseum Bremerhafen kann man eine Bremer Kogge bestaunen. Diese Schiff konnte auf das Jahr 1380 datiert werden. Auch hier werden Bergung und Wiederaufbau beschrieben.
Das Cover des Buches schmückt das königliche Schiff „Vasa“, das man heute im Vasa-Museum in Stockholm besichtigen kann. Hier werden Neuigkeiten aus der Forschung präsentiert.
Interessant ist auch die Vitus-Bering-Expedition von 1991. Dänische und russische Forscher wandelten auf den Spuren von Vitus Bering. Rekonstruiert wird dessen letzte Forschungsreise.

Die Autoren des Buches zeigen, wie spannend Archäologie sein kann. Dementsprechend gut liest sich das Buch. Forschungsergebnisse, die sich auf den nordeuropäischen Raum beziehen, werden auf interessante Art und Weise präsentiert, die daraus gezogenen Schlüsse in Form von spannenden Geschichten erzählt. Dazu gibt es viele Fotos und auch Zeichnungen zur Ansicht.
Das Buch ist so geschrieben, dass auch Laien es gut lesen können. Vorwissen ist nicht nötig, Interesse genügt.
Die Artikel sind chronologisch angeordnet. Es ist, als würde man eine Zeitreise machen, die vor Tausenden von Jahren beginnt und zurück in unsere Zeit führt. Das ist ausgesprochen faszinierend. Als Leser wird man in die Lage versetzt, nachvollziehen zu können, wie Meeresarchäologen arbeiten, wie sie anhand von spektakulären, aber auch kleinen, zunächst unscheinbar wirkenden, Funden ihre Schlüsse ziehen, ihren Wissenstand stetig erweitern und so manches mysteriöse Geheimnis lösen.

Rezension von Heike Rau

Claus von Carnap-Bornheim / Christian Radtke (Hg.)
Es war einmal ein Schiff
Archäologische Expedition zum Meer
360 Seiten, gebunden, 100 Abbildungen und Karten
Marebuchverlag, Hamburg
ISBN: 978-3866480537
Bestellen

Das Ende ist mein Anfang

Das Ende ist mein Anfang

Tiziano Terzani Das Ende ist mein Anfang DVA
ISBN 3421042926

Dieses Buch ist das Manifest und auch Vermächtnis eines großartigen Journalisten. Er wurde Journalist mit einer Leidenschaft und Beharrlichkeit, die einer Berufung gleichkam.

Am Ende seines Lebens stehend, wohl wissen, dass seine Tage gezählt sind, tritt er in ein langes Gespräch mit seinem Sohn ein, in dem er diesem von seinem Leben und seiner journalistischen Leidenschaft erzählt. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist offen und vertraut.

Tiziano Terzani stammte aus ärmlichen Verhältnissen aus der Nähe von Florenz und hat zielstrebig und intelligent seinen Weg zum Beruf des Journalisten gesucht.
Nach Studium und Berufserfahrung gelangte er als Korrespondent zum Spiegel, für den er Jahre lang aus Asien berichtet hat.
Neben dem Beruf hatte er in sehr jungen Jahren seine Frau gefunden, mit der er in inniger Gemeinschaft verbunden war.

Was er seinem Sohn zu erzählen hat, das zeugt von tiefer Lebenserfahrung, Menschenkenntnis und einem Reichtum an praktischer Erfahrung im Umgang mit politischen Systemen, für die man ihn wahrlich beneiden kann. Er hat Vietnam während des Krieges bereist, er war in China, Indien und Kambodscha und hat von allen Schauplätzen und Kriegsschauplätzen aus dieser Region berichtet. China hatte es ihm besonders angetan.

Angefangen von den Lügen, mit denen politische Systeme ihre Untaten in Kriegen und bei der Unterdrückung ihrer Bevölkerungen kaschieren, über die Korruption einzelner Staaten und der Arbeit ihrer Geheimdienste bis hin zur Konkurrenz unter den Kollegen: es bleibt nichts ungesagt, womit Journalisten in ihrem Berufsalltag konfrontiert werden.
Das Geschichtswissen um eine Region, in der man arbeitet, ist für ihn ein maßgebliches Instrument, um hinter verborgene Wahrheiten zu kommen.

Seine Berufsleben gipfelt in dem Satz: > Auf der Suche nach der Wahrheit durch die Welt zu reisen—- das ist Journalismus>.

Terzani ist unbestechlich und teilweise unter Lebensgefahr seiner Profession als freier Journalist nachgekommen. Je älter er wurde, desto weniger ließ er sich von seinem Weg abbringen. Zuletzt hat er dem Journalismus ganz entsagt.
Er wendet sich indischen Gurus zu und sucht sein Heil in der irdischen Entsagung. Mit dieser Einstellung gelingt ihm ein langsamer und schmerzloser Abschied von der Welt und von seiner Familie.
Am Ende seines Lebens ist er ein weiser Mann geworden, der aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfend ehrlich und aufrichtig das sagt, was er für die Wahrheit hält.

Das ist kein Buch, das einen literarischen Anspruch erhebt, sondern die Aufzeichnung eines sehr anrührenden Gesprächs zwischen Vater und Sohn.

Man liest den Bericht mit Faszination und ist ganz einfach beeindruckt von einem so vitalen, intensiven und abwechslungsreichen Leben und von dem persönlichen Charisma eines ungewöhnlichen Journalisten.
Bestellen

Steinbachs Naturführer für die Familie

Steinbachs Naturführer für die Familie

Wenn man auf einer Wanderung oder einem Spaziergang mal genau hinsieht, gibt es viel zu entdecken. Kinder erleben die Natur mit Neugier. Aber nicht jedes Tier und jede Pflanze ist so bekannt, dass man sie sofort benennen kann. Der Naturführer hilft hier weiter. Er ist so konzipiert, dass alle Kinderfragen beantwortet werden können.

Zunächst werden im Buch aber erst einmal die Grundlagen der Tierbestimmung erklärt. Wie in einem Lexikon findet man Begriffe wie Insekten, Spinnen, Schnecken, Amphibien. Genauso geht es mit Grundsätzlichem zur Pflanzenbestimmung weiter. Erklärt wird, auf welche Merkmale man achten muss.

Im Buch werden interessante Aktionen vorgeschlagen. So findet man beispielsweise die Anleitung für den Bau eines Wildbienen-Nisthäuschens. Bei einem Spaziergang kann man Wildkräuter sammeln und Zuhause weiterverarbeiten. Man kann aber auch Interessantes über den Marienkäfer nachlesen. Expeditionen an einen Teich oder auch den eigenen Gartenteich sind spannend. Wer möchte kann sich nach der Anleitung aber auch ein eigenes Tümpelaquarium einrichten und Tiere, natürlich nur solche, die nicht unter Naturschutz stehen, ganz genau beobachten.
Für Kinder ist es wichtig, die Giftpflanzen ihrer Heimat zu kennen. Deswegen werden im Buch Pfaffenhütchen, Eibe und andere giftige Pflanzen vorgestellt. Eine besondere Anziehungskraft für Kinder hat auch der Herbst mit seinem bunten Blättern. Im Buch wird erklärt, warum die Blätter sich verfärben und dann abfallen. Dazu gibt es tolle Bastelvorschläge mit Herbstlaub.
Wer wissen will, was die Tiere im Winter machen, kann auch das in der entsprechenden Rubrik nachlesen.

Nach diesem Aktionsteil geht es mit dem Tier- und Pflanzenführer weiter. Anhand von kleinen Steckbriefen mit aussagekräftigen Fotos kann man die häufig vorkommenden Tiere und Pflanzen sicher bestimmen und viel Informationen nachlesen.

Das Buch ist äußert handlich und auch sehr praktisch. Man kann es mitnehmen und ist bestens gerüstet. Es werden viele Möglichkeiten für Familien vorgestellt, die Natur aktiv zu erleben. Die Fragen, die Kinder häufig stellen, werden alle beantwortet, egal ob sie wissen wollen, welche Tiere sich unter einem Stein verstecken, ob man das Alter eines Marienkäfers tatsächlich an seinen Punkten abzählen kann, was ein „Froschregen“ ist oder ob man tatsächlich an drei Hornissenstichen sterben kann.

Rezension von Heike Rau

Heiko Bellmann u.a.
Steinbachs Naturführer für die Familie
mit 11 Naturabenteuern
190 Seiten, broschiert, 413 Farbfotos, 102 Zeichnungen
Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart
ISBN: 978-3800153633
Bestellen

Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Irland im Jahre 688. Die Äbtissin Faife und ihre Begleiterinnen vom Kloster Ard Fhearta finden auf dem Rückweg ihrer Pilgerreise zur Kapelle des Gründers ihrer Abtei einen Seemann am Strand. Kapitän Esumaro stammt von einem Handelsschiff, das unter Einwirkung von Piraten an den Klippen zerschellt ist. Er wird zu einer Schutzhütte gebracht und versorgt. Hier werden sie von einem Trupp Krieger überrascht. Es sind jene Strandräuber, die Esumaro niedergeschlagen haben. Der Kapitän, nun im Mönchsgewand, wird nicht erkannt. Die Äbtissin bezahlt die Begegnung allerdings mit ihrem Leben, während ihre Begleiterinnen und auch Esumaro verschleppt werden.

Abt Erc in der Abtei von Ard Fhearta macht im Bethaus eine erschreckende Entdeckung. Hinter dem Altar entdeckt er eine Leiche. Dem Ehrwürdigen Cináed, einem Gelehrten mit umstrittenen Ansichten, wurde offenbar der Schädel eingeschlagen. Das ist nun schon der zweite tragische Vorfall, nachdem die Leiche von Äbtissin Faife gefunden worden ist.
Zum Glück kehrt Conrí „König der Wölfe“ und Kriegsherr der Uí Fidgente gerade zurück. Mit ihm reisen Ordensschwester Fidelma, eine irische Nonne von königlichem Geblüt, und Anwältin bei Gericht und ihr Begleiter Bruder Eadulf.

Die Theorie, dass die Kapelle ausgeraubt werden sollte, wird von Fidelma widerlegt. Schnell kommt sie auch der Idendiät des Schiffbrüchigen auf die Spur. Dass zwischen den Toten eine freundschaftliche Beziehung geherrscht hat, bleibt ihr auch nicht verborgen. Eadulf glaubt, den entscheidenden Hinweis gefunden zu haben, als er zwei blutbefleckte Kutten im Waschhaus entdeckt. Allerdings sind Fidelma und Eadulf auf dem Holzweg. Die Kutten gehören dem Metzger und der heilkundigen Schwester, die sich um die Toten gekümmert hat.
Der Fall gestaltet sich also schwieriger, als zunächst vermutet. Doch Fidelma lässt nicht locker.

Schwester Fidelma ermittelt wieder mit gewohnter Hartnäckigkeit. Der Autor zeichnet sie als strenge Ermittlerin. Dem entsprechend interessant sind die Verhördialoge, manchmal leider auch etwas kompliziert, zum Beispiel wenn es um die politischen Anschauungen des Gelehrten Cináed geht. Hartnäckig und beharrlich verfolgt Fidelma die Aufklärung der Morde, lässt sich nicht von Anschuldigungen beeinflussen, sondern setzt nur auf Beweise. Eadulf dagegen verrennt sich gern. Dennoch bleibt er in diesem Krimi leider sehr im Hintergrund. Zwischen Fidelma und Eadulf herrscht ohnehin ein merkwürdig steifes Miteinander, dabei befinden sich die beiden, wie man nachlesen kann, zur Probe in einem zeitlich befristeten Ehebündnis.
Der Krimi selbst ist kompliziert, aber perfekt aufgebaut. Der Schreibstil des Autors macht die Zeitreise aber sehr realistisch. Was wirklich hinter den Morden steckt, offenbart der Autor geschickt Stück für Stück, so dass der Spannungsbogen des Buches perfekt ausgearbeitet wirkt und man bei der Lektüre des Buches gut unterhalten wird.

Über den Autor:
Peter Tremayne ist ein Pseudonym. Der anerkannte Historiker hat sich auf die versunkene Kultur der Kelten spezialisiert. 2002 wurde der Autor zum Ehrenmitglied der Irish Literary Society auf Lebenszeit ernannt.

Rezension von Heike Rau

Peter Tremayne
Tod vor der Morgenmesse
Historischer Kriminalroman
458 Seiten, broschiert
Aufbau Taschenbuch Verlag
ISBN: 978-3746622989
Bestellen

So lange der Haifisch schläft

So lange der Haifisch schläft

Milena Agus So lange der Haifisch schläft
Klett-Cotta ISBN 3608937498

Dieser wunderbare, heitere, naive, herzerfrischend und sehr italienische Roman reißt den Leser sofort mit!

Eine Familie: Vater, Mutter, Bruder, Großmutter, eine Tante und die Icherzählerin leben zusammen in einem Dorf auf Sardinien.
Durch die Augen der Icherzählerin erfahren wir in leisen Tönen, naiv, lakonisch und treuherzig, wie jeder einzelne lebt und die Welt betrachtet.
Der Vater ist ein Weltverbesserer, der viel fort ist, um in sich in Südamerika als Entwicklungshelfer hervor zu tun. Die schöne Tante schwebt von einem Liebhaber zum anderen; nie klappt es wirklich mit der Liebe. Die Mutter, eine zarte kleine Person, ist von ihrem Mann aus mühevoller Archivarbeit befreit worden und darf nun malen. Sie widmet sich dem Metier mit Hingabe. Der Bruder bleibt im Schatten der anderen, leidet an der Welt und den bösartigen Mitschülern und spielt immer nur Klavier. Die Großmutter gibt über allen schwebend ihre weisen Kommentare von sich.
Und unsere Icherzählerin? Sie schreibt Geschichten und hat einen verheirateten und absolut perversen Liebhaber.

Es geht um Gott und die Welt, um die Liebe, die Leichtigkeit und die Schwere des Seins.
Neben dem irdischen Allerlei des Tages wird immer wieder die Liebe in allen ihren Variationen thematisiert. Die herrlichsten poetischen Liebesbeweise tönen einem entgegen, hinreißend und von feinster Sprache zeugend.
Ohne Trauer und Verlust ist die Liebe nichts. Und so beschwört M. Agus die ganze Welt der Gefühle in ihrem Büchlein herauf.
Sie schreibt mit leichter Feder; selbst die unglaublichsten Einfälle von Perversion werden wie ganz normale leichte Geschichten daher erzählt. Fragen nach dem Lebenssinn und nach Gott werden unbeschwert, kindlich und naiv gestellt und beantwortet.
Die Familie ist scheinbar eng verbunden. Zugleich ist erkennbar, dass jeder seine eigene Philosophie und sein eigenes Bild von Gott und seinen Taten hat. Und zuletzt wird bei aller Einigkeit nach außen auch klar, dass jeder sein einsames Leben abgesondert vom Innenleben der anderen lebt.

Agus beschreibt ihre Charaktere kraftvoll und intensiv. Väter und Geliebte sind oft erotische Helden, die sich allerhand erlauben dürfen. Nichts aber ist verbissen, ehrpusselig oder gar moralisierend. Es ist wie es ist! Das mag als Motto für das Leben der hier beschrieben Menschen gelten.
Bei allem Ernst, der hinter den einzelnen Leben erspürt werden kann, ist die Geschichte heiter, zuweilen traurig, manchmal verzweifelt und melancholisch, immer aber auch südländisch und fröhlich.
Milena Agus ist eine wunderbare Erzählerin!
Man wünscht diesem Buch viele Leser und Leserinnen; es lohnt sich!
Bestellen

Die Nudel

Die Nudel

Die Nudeln haben möglicherweise ihren Anfang im heutigen Irak, in Syrien oder vielleicht in Afghanistan genommen. Aber das ist nur eine Hypothese, eine umstrittene dazu. Dass sie schnell ins Innere Asiens gelangten, steht aber fest. Vermutlich war die Nudel das erste verarbeitete Grundnahrungsmittel mit dem im großen Stiele Fernhandel betrieben wurde. Der Autor versucht den Weg der Nudel über die Welt zu verfolgen und ihrer Ausbreitung nachzugehen. Schon das kommt einem Abenteuer gleich. Der Autor verweist auf Erwiesenes und Vermutetes.

Jede Kultur hat ihre eigenen Nudelspezialitäten entwickelt. Es gibt unglaublich viele Sorten die in verschiedenen Variationen gegessen werden. Der Autor macht Station in Italien, China und anderen Ländern, schaut tief in die Töpfe und probiert was gegessen wird. Dabei wirft er auch einen Blick auf die Herstellungsarten der Nudel. Auch Deutschland gilt sein Interesse. Die Maultaschen sollen ja die Mönche von Maulbronn zu Zeiten Luthers erfunden haben. Vielleicht war aber auch alles ganz anders. Legenden gibt es genug. Die Beweislage ist schwierig. Möglicherweise sind die Maultaschen gar russische Pelmeni. Der Autor geht trotzdem der Frage nach, woher der Begriff kommt und wie genau sie zubereitet werden und wie man sie isst.

Die Herkunft von Rezepten zu erforschen, ist keine leichte Aufgabe. Die Vielfalt der Nudeltypen und Gerichte ist riesengroß. 320 Seiten braucht der Autor um die Geschichte der Nudel zu erzählen. Er tut dies auf eine sehr humorvolle und ausschweifende Art und Weise. Als Nudelliebhaber wird man damit sehr gut unterhalten. Vor der Lektüre des Buches sollte man sich aber einen Vorrat an Nudeln oder den Zutaten zum Nudelteig bereitstellen. Denn das schön gestaltete Buch hat eine nicht zu unterschätzende Nebenwirkung. Es macht großen Appetit.

Rezension von Heike Rau

Christoph Neidhart
Die Nudel
Eine Kulturgeschichte mit Biss
Gestaltet und illustriert von Günter Mattei
Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien
320 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3552060425
Bestellen

Zimmerflimmern

Zimmerflimmern

Rein namentlich unterscheidet die Beiden jeweils nur ein Buchstabe. Hans Magnus, geboren 1929 und laut Meyers Taschenlexikon bekannt und berühmt wegen seiner zeitkritischen Lyrik in schmuckloser klarer Sprache, schreibt seinen Familiennamen mit „b“ wie Enzensberger. Manfred Enzensperger, geboren 1952, wird mit seiner klaren, aber keineswegs schmucklosen Sprache immer bekannter und steigerte mit seinem neusten Gedichtband „Zimmerflimmern“ seine lyrischen Qualitäten ein weiteres Mal.
Mit diesem auch nicht gerade zeitunkritischen Band legt er einen lyrischen „Reiseführer“ durch Straßen, Länder und Städte vor, mit dem er nicht nur vor Haus- und Wohnungstüren kehrt. Er findet den Weg ins Private und wieder hinaus. Und bereits im ersten Gedicht seines Lyrik-Bandes lässt er „bäume“ in sein „zimmer“ kommen und fordert „schieß doch, parkhaus“.
Enzensperger, egal, ob er gerade im niederländischen Seeland oder in Venedig wortreich ausgeschmückte eindrucksvolle Bilder sammelt, hat immer auch „seine“ Stadt Köln zum Vergleich in Kopf und Bauch und hilft damit, Fremdes zu verinnerlichen und sinnlich erfahrbar bisherigen Erlebnissen hinzu zu fügen.
Zugegeben, ein Rezensent lässt sich manchmal aus Zeitmangel zum „Querlesen“ verführen.
Zimmerflimmern erlaubt diese Lesart nicht. Selbst wenn darin – zum Schein einschränkend – „eine blume verspricht eine blume zu sein“ kann doch „irgendwo zwischen herne und wanne“ „ein streunendes weiterso in der luft liegen“, das ausgiebiges Weiterdenken und sorgfältiges Einfühlen verdient.
Der Autor versteht es, Leser und Leserinnen mit seinem lyrischen „Reiseführer“ immer wieder an zunächst unscheinbare Ecken und in scheinbare Sackgassen zu führen, hinter denen oder an deren Ende es unerwartet immer noch Türen, Gänge und Tore gibt, die nicht ausschließlich, aber meistens ins Innere führen. Und dort „liegt“ unvermutet plötzlich „die wahrheit an der oberfläche“.
Ein Reise(ver)führer, der auch dazu animiert, die darin beschriebenen Orte aufzusuchen, um dort die Empfindungen des Autors aufzunehmen und weiter zu spinnen, denn „wäre rom nicht rom was wäre rom“?

Manfred Enzensperger, Zimmerflimmern, Gedicht, Horlemann-Verlag, Bad Honnef, 2007, 79 Seiten, € 12,90

Manfred Enzensperger
Zimmerflimmern
Ein lyrischer „Reiseführer“
ISBN:389502242X
Bestellen

Gran Sol

Gran Sol

Nach dem Abschied von den Familien geht es an Bord. Die Leinen werden losgemacht und die „Aril“ sticht in See, gerade als das Gewitter beginnt und es die ersten Tropfen regnet. Es verläuft alles normal, auch wenn das Meer aufgewühlt ist und die Brecher das Schiff erzittern lässt.
Gran Sol ist das Ziel der Fischer. Die lange Fahrt dorthin verbringen die Männer mit Routinearbeiten und Gesprächen. Paulino Castro schreibt in sein Logbuch „Keine weiteren Vorkommnisse,…“
Dann endlich kommt Bewegung in den eintönigen Alltag. Das Netz wird zu Wasser gelassen, die „Aril“ und ihr Schwesterschiff die „Uro“ beginnen zu schleppen. Der Ton unter den Männern wird härter. Die anstrengende Arbeit zermürbt, zumal der Fang gering ausfällt. Schleppgang um Schleppgang müssen die Männer bewältigen.
Die Bank von Gran Sol liegt noch siebzig Meilen entfernt. In den Nachrichten wird noch schlechteres Wetter vorhergesagt. Trotzdem geht die Arbeit weiter, weil Kapitän Orozco es so will. Eine Havarie lässt nicht lange auf sich warten. Das Netzt verhakt sich in der Schraube der „Uro“. Der Fang geht verloren. Für die „Uro“ besteht nur eine Chance, wenn es gelingt mit Hilfe der „Aril“ das Schiff trotzt Schlechtwetterfront in einen sicheren Hafen zu ziehen.

Ignacio Aldecoa nimmt seine Leser direkt mit an Bord eines Hochseekutters und lässt ihn teilhaben am Arbeitsalltag der dreizehn kantabrischen Fischer, die unterwegs zur Fischbank Gran Sol westlich von Irland sind. Ihre Gespräche, Rangeleien und derben Scherze untereinander kann man so hautnah miterleben. Es ist, als hätte man Anteil an ihren Sorgen, Nöten und Hoffnungen. Der Autor beschreibt ihr Leben an Bord akribisch genau, lässt verschiedene Stimmungen deutlich werden. Seine Schilderungen des unberechenbaren Meeres bei Wind und Wetter sind so gut, dass man dem nachspüren kann. Die Gefahr, der sich die Männer aussetzten, ist stets präsent.
Die Charaktere werden so lebendig beschrieben, dass man eine echte Chance hat, sie kennen zu lernen. Die Fischer, denen ihre Sterblichkeit praktisch angesichts des Unwetters jede Minute vor Augen geführt wird, sind die Helden des Buches. Sie werden vom Autor mit viel Einfühlungsvermögen beschrieben und genau beobachtet. Der Roman besticht durch seine deutliche Sprache, so dass sehr eindringliche Bilder bei der Lektüre des Romans entstehen.

Über den Autor:
Ignacio Aldecoa lebte von 1925-1968. Er studierte an der Universität von Madrid. Er gilt als einer der Wegbereiter der spanischen Literatur und ist einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

Rezension von Heike Rau

Ignacio Aldecoa
Gran Sol
Übersetzt von Willi Zurbrüggen
300 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3866480575
Bestellen