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Schlagwort: Mirijam Günter

Die Ameisensiedlung

Die Ameisensiedlung

Conny ist fünfzehn. Mit ihren Freunden Andi, Michi und Bennie lebt sie in der Ameisensiedlung. Ihre Mutter ist Alkoholikerin. Sie schafft es nicht, sich um Conny und ihrer zwei kleinen Brüder zu kümmern. Ihre Freunde sind seltsame Vögel, so meint sie selbst, und doch hängt sie viel lieber mit ihnen herum, als in die Schule zu gehen. Wenn dicke Luft zu Hause ist, übernachtet sie bei Andi, obwohl die beiden kein Paar sind.

Die Jugendlichen wissen, dass ihre Lage hoffnungslos ist. Sie wissen, das niemals etwas aus ihnen werden kann. Andi versucht es trotzdem noch einmal, nach einem Gespräch mit einem älteren Jugendlichen. Er beginnt eine Ausbildung zum Maler. Doch schon nach kurzer Zeit schmeißt er alles hin. Es geht immer weiter mit ihm bergab.

Als Connys Mutter nach einem Zusammenbruch ins Krankenhaus kommt, um eine Entziehungskur zu machen, ahnt Conny, welche Verantwortung sie ihren Brüdern gegenüber nun hat. Sie beschließt, es noch einmal mit der Schule zu versuchen. Unterstützung findet sie bei einem Lehrer, der Conny und ihre Geschwister aufnimmt, solange die Mutter nicht da ist. Er bietet ihr die Chance, ihr Leben zu ändern. Die Vorraussetzung dafür ist der Schulbesuch. Connys Freunde können den Lehrer nicht verstehen. Längst haben sie verlernt, das Gute im Menschen zu sehen oder auch nur jemandem zu vertrauen. So schmieden sie einen verhängnisvollen Plan, der gegen den Lehrer gerichtet ist.

Die dramatische Geschichte erzählt von vier Jugendlichen, die ihr Leben ein Stück weit aufgegeben haben, die verzweifelt und fertig sind. Ihr Wohnumfeld ist ein sozialer Brennpunkt. Hier leben die Ärmsten der Stadt. Man mag glauben, dass Conny sich nichts mehr wünscht, als hier wegzukommen. Das tut sie auch. Sie ist aber nicht in der Lage, Hilfe anzunehmen. Stattdessen fühlt sie sich unter Druck gesetzt. Sie hat Angst vor der Kraftanstrengung, die es kosten wird, ihr Leben zu ändern.

Der Roman macht sehr nachdenklich. Mirijam Günter hat viele Botschaften an Jugendliche untergebracht. Dabei schreibt sie in einer klaren, einfachen Sprache, bleibt beim Wesentlichen und spart sich das ganze Drumherum. Ihre Kulisse spricht für sich. Der Leser bleibt desillusioniert zurück. Dafür wirkt der Roman sehr ehrlich und aufrichtig. Die Autorin schmückt ihn nicht aus. Dafür sind die Charaktere sehr gut ausgearbeitet. Das verfehlt seine Wirkung nicht.

Über die Autorin:
Mirijam Günter, in Köln aufgewachsen, versuchte sich als Automechanikerin, Malerin und Köchin, fand dann zum Schreiben, studiert heute als Stipendiatin am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig.. Mit ihrem ersten Buch „Heim“ gewann sie den Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis.

Rezension von Heike Rau

Mirijam Günter
Die Ameisensiedlung
268 Seiten, broschiert
ab 14 Jahren
Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3-423-78212-9
ISBN-13: 978-3-423-78212-8
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Heim

Heim

Sie wird von Heim zu Heim geschoben. Sie will sich nicht unterordnen, nicht erziehen lassen. Sie ist misstrauisch gegenüber jedem Erwachsenen, lässt sich nichts sagen, will keine Hilfe annehmen. Die aufgestellten Regeln sind für sie nicht nachvollziehbar und somit nicht einzuhalten. Nicht rauchen, zur Schule gehen, aufräumen, angemessenes Verhalten zeigen, das alles schafft sie nicht.
Es dauert nie lange, bis sie alle Erzieher gegen sich hat. Sie denkt nicht an die Konsequenzen ihres Handelns. Immer wieder verliert sie den Boden unter den Füßen. Sie stiehlt, sie prügelt sich, sie randaliert, sie bricht aus. Jede Chance auf Veränderung lässt sie ungenutzt. Halt findet sie nur bei ihren Freunden. Die denken genauso wie sie.

Mirijam Günter hat einen schonungslosen, aber ehrlichen Roman geschrieben. Einigermaßen fassungslos folgt man der Ich-Erzählerin, spürt Hilflosigkeit. Kein Weg scheint hinauszuführen aus der Situation. Zwischendurch auftretende Hoffnung wird sofort wieder im Keim erstickt. Dabei ist die Protagonistin keineswegs unsympathisch. Sie ist überraschend schlagfertig. Was sie tut, mag aus ihrer Sicht richtig, ja sogar normal sein. Sie kennt es nicht anders. Es geht um ein Leben, das nicht der Norm entspricht. Es geht ums Überleben in einer Welt ohne Familie. Manche bleiben auf der Strecke, schaffen es nicht. Einziger Halt ist die Clique, ein wackeliger Halt. Die Autorin schreibt sehr realistisch und glaubwürdig. Trotz allem, was das Mädchen erlebt hat, scheint kaum eine Möglichkeit für sie zu geben, die eingefahrene Bahn zu verlassen. So ist der Anfang des Buches auch das Ende. Wieder kommt das Mädchen in ein neues Heim. „Du wirst sehen, du wirst dich hier wohlfühlen.“

Über die Autorin:
Mirijam Günter ist in Köln aufgewachsen. Sie hat bis zu ihrem 16. Lebensjahr in sieben verschiedenen Heimen gelebt und mehrere Schulen besucht. Autobiographisch ist ihr Roman „Heim“, der mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis 2003 ausgezeichnet wurde, jedoch nicht. Die Autorin lebt heute in Köln-Ehrenfeld.

Rezension von Heike Rau

Mirijam Günter
Heim
302 Seiten, Klappenbroschur
dtv extra
Deutscher Taschenbuch Verlag, München
ISBN: 3-423-70884-0
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