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Schlagwort: Schicksal

Kevin Power: Die letzte Nacht des Sommers

Kevin Power: Die letzte Nacht des Sommers

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Schicksalhaft, traurig und super spannend!

Die letzte Nacht des Sommers verbringen viele Studenten in einem Club. Als vier von ihnen spät in der Nacht den Club in Blackrock, County Dublin, verlassen, sind sie mehr oder weniger betrunken. Bei einer folgenden Schlägerei  töten drei von ihnen ohne ersichtlichen Grund einen vierten. Mit ein paar harten Tritten und Faustschlägen haben sie Conor Harris umgebracht. Niemand begreift, wie es zur Tat kommen konnte. Schon beim ersten Tritt ist Conor Harris tot. „Die drei Studenten, die wegen schwerer Körperverletzung ins Gefängnis kamen, heißen Stephen O’Brien, Barry Fox und Richard Culhane“. Lakonisch und einfach beginnt der Bericht über ein Verbrechen, für das es in der Wirklichkeit ein Vorbild gab.

Der Autor Kevin Power zieht diesen Krimi anders als üblich auf. Der Tathergang wird detailliert beschrieben, die Schuldigen sind ausgemacht und die Strafen verhängt.

Im weiteren Verlauf geht es um die Herkunft und das soziale Gefüge, aus dem die Mörder und der Tote kommen. Streng katholisch, reich und privilegiert ist Richard Culhane, der als Haupttäter ausgemacht wurde, der Sohn einer wohlhabenden Familie. Er ist ein schöner junger Mann, der seine Herkunft zu schätzen weiß. Alle jungen Männer haben zusammen eine Privatschule besucht, das Brookfield College in Blackrock. Sie sind die Söhne erfolgreicher Väter, die ebenfalls dieses College besucht haben und führen die Schultradition fort.

Immer wieder rollt die Szene der Todsnacht ab: der unbekannte Icherzähler, von dem wir erst sehr spät erfahren, wer er ist, berichtet aus verschiedenen Perspektiven, beschreibt die Mädchen und Jungen, die bei der Prügelei dabei gewesen sind, und erläutert ihre Herkunft. Sie stammen alle aus der oberen Mittelschicht. Es geht ihnen gut, die Jugendlichen sind wohl versorgt und leben ein leichtes und zufriedenes Leben. Nur langsam nähert sich der Autor seinem Plot: der Erforschung der Gründe, die zu Conors Tod geführt haben. Mit seiner Erzählweise entwickelt er eine psychosoziale Studie der Gesellschaftsschicht, aus der die Jugendlichen kommen. Alle Mädchen und Jungen dieser Schicht sind standesbewusst und selbstsicher. In der Tradition von Reichtum, Bildung, Herkommen und beruflich gesicherter Zukunft kommt ein Verbrechen wie das geschehene einfach  nicht vor. Die Schockstarre, unter der betroffene Mitschüler, Mitstudenten, Eltern und Lehrer leiden, ist merklich spürbar.

Sie kennen sich alle, sind Kollegen oder Mitglieder gemeinsamer Clubs und Sportmannschaften. Spannend und penibel umkreist der Autor in seiner erzählten Recherche alle Freunde, Bekannten und Verwandten des Toten. Man weiß, wer der Mörder ist. Doch Verschleierung und Aufklärungsfehler bringen die Untersuchungsbehörden nur schwer voran.

Kevin Powers geht den einzelnen Schicksalen nach und findet zuletzt Worte für die Tat und ihre Folgen, die schwer ans Gemüt rühren. Ohne Rührseligkeit beschreibt er ein Milieu, das durch Tradition und Herkunft verbunden ist, bis einer von ihnen durch seine Tat aus allen gesellschaftlichen Bezügen gerissen wird. Erschüttert und schmerzlich berührt erfährt man, wie das Schicksal jene bestraft, die sich gegen das Gesetzt stellen und die Kontrolle über das eigene Handeln verlieren.

Kevin Powers ist ein hervorragender irischer Autor, dessen Debütroman mit zahleichen Preisen geehrt wurde.

Kevin Power
Die letzte Nacht des Sommers
304 Seiten, broschiert
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462042483
ISBN-13: 978-3462042481
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T. C. Boyle: Drop City

T. C. Boyle: Drop City

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Wer diesen Roman zur Hand nimmt, was gleich vorneweg sehr zu empfehlen ist, der wird sich zunächst auf zwei Geschichten einlassen müssen, die im ersten Moment nichts miteinander zu tun haben. In den sechs Teilen, in denen das Buch untergliedert ist, wird im Wechsel zunächst die Geschichte von einer Hippie-Kommune irgendwo in Kalifornien berichtet.

Dabei stehen nicht nur die zwei Personen Star und Ronnie (genannt Pan) im Vordergrund, die den Auftakt bilden. Sondern mit einem detailgetreuen Wissen um die Abläufe in solch einem Mikrokosmos, was eine Kommune ursprünglich auch darstellen sollte, gibt der Ex-Hippie Thomas C. Boyle vielen Figuren Raum in dieser Geschichte. Vielleicht ist aber gerade das der Grund, warum die Geschichte so detailliert und authentisch wirkt. So gibt es Norm und seine Frau, dem das Grundstück gehört, auf dem die Kommune lebt, der dadurch in eine Anführerrolle gerutscht ist, die er gar nicht gewollt hat. Es gibt Alfredo, den Möchte-gern-Chef der Gruppe, mit seiner Familie, es gibt die Clique der Schwarzen um Lester, denen unterstellt wird, dass sie zwar von der Kommune leben, ihr aber nichts beisteuern wollen.

Jeder Tag im sonnigen Kalifornien läuft wie der vorhergehende, und wenn die Kleinkinder mal zu lästig werden, dann werden sie mit LSD im Orangensaft ruhig gestellt. Ein Drink, der eigentlich nur für die Erwachsenen gemixt wurde. Aufregendes, abgesehen von den alltäglichen Problemchen sowie den Klagen der Nachbarn über diese verlausten Nichtsnutze oder gar eine Vergewaltigung innerhalb der Kommune, passiert nicht.

In der Parallelhandlung der anderen Teile im Buch geht es um Sess Harder, ein Mann, der für sich herausgefunden hat, dass ein Leben als einsamer Fallensteller in einer Blockhütte in Alaska das Leben ist, was für ihn nur in Frage kommt. Doch er weiß, dass es sich mit einer Frau an der Seite in der Einsamkeit auch sehr gut anfühlen kann und ist umso mehr überrascht, dass sich Pamela für ihn interessiert. Ursprünglich wollte Pamela nicht ihn, sie kannte ihn da noch nicht, sondern Joe Bosky besuchen. Der jedoch nimmt es seinem Nachbarn später übel, Pamela geheiratet zu haben.
Die Liebesgeschichte um Pamela, Sess und Joe könnte sicherlich auch alleine als spannender Roman funktionieren, wenn Norm, der Chef von Drop City, nicht die Schnauze voll von den Behörden und kein Grundstück in Alaska geerbt hätte. Er setzt allen den Floh ins Ohr, dass sie als Kommune in Alaska ein phantastisches Leben vor sich hätten, ein Leben in völliger Freiheit und Natur, unbelästigt von dem ganzen spießigen Kleinbürgertum.

Man ahnt es: an dieser Stelle werden die beiden Handlungsstränge ineinander geführt. Die Wege von Norm, Ronnie, Star und Sess kreuzen sich und das Desaster nimmt seinen Lauf. Die Hippies treffen in Alaska auf ein Umfeld, mit dem sie nicht gerechnet hatten, so hatten sie dieses Land in ihren Vorstellungen und Träumen nicht gesehen. Es kommt zu einer Vermischung mit den Einwohnern und sie werden in deren Probleme hineingezogen. Die Unterschiede zwischen einer Kommune im ewig sonnigen Kalifornien und einer in einem sechs Monate lang bei Temperaturen weit unterhalb von Null liegendem Alaska sind so gravierend, dass das Auseinanderbrechen der Gemeinschaft zwangläufig sein muss.

Dass in der Kommune nicht viel passiert, ist natürlich weit untertrieben. Die detailgenaue Phantasie Boyles schafft genügend spannende Momente, die den Leser die Zeilen verschlingen lassen. Aber in der Phantasie des Autors mag zwar die Handlung in der Natur Alaskas gelegen haben, das detailreiche Wissen darüber verdankt er seinen Recherchen. Außerdem ist Boyle eines seit seiner Hippie-Zeit geblieben: die Liebe zur Natur. Auch heute noch wandert er tagelang durch abgeschiedene Landschaften.

Boyle ist ein großes Epos über ein als alternativ möglich gesehenes Gesellschaftsmodell, welches mit dem heutigen Abstand auch in seinen Augen als gescheitert anzusehen ist, gelungen. Er schreibt von Menschen, die davon reden, im Einklang mit der Natur zu leben (wie die Hippies) und von solchen, die es tatsächlich tun (wie die Einsiedler in Alaska). Boyle schreibt von Menschen, deren Naivität schier grenzenlos zu sein scheint, die damit aber nichts anderes als das blanke Chaos hervorrufen. Der Zusammenbruch der Gemeinschaft wird schließlich dadurch symbolisiert, dass die Hippies plötzlich ihre Namen auf das Geschirr kratzen, wo bis dato doch allen alles gehörte.
Ein Buch, welches unbedingt gelesen werden sollte.

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T. C. Boyle
Drop City
528 Seiten, gebunden
Hanser Verlag
ISBN-10: 3446203486
ISBN-13: 978-3446203488
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2010
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T. C. Boyle: Zähne und Klauen

T. C. Boyle: Zähne und Klauen

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„Er wusste nicht, wie es passiert war – mangelnde Voraussicht seinerseits, mangelndes Engagement, mangelnde Planung, mangelnde Rücklagen für schlechte Zeiten -, aber in rascher Folge verlor er seinen Job, seine Freundin und das Dach über dem Kopf, und eines Morgens erwachte er auf dem Gehsteig vor der Post.“ („Hier kommt“)

Mit solch faszinierender Spannung, die auf das Porträt eines Verlierers hinweist, kann der Leser rechnen, wenn er sich den vorliegenden Erzählband zur Hand nimmt. Wer Boyle kennt, ist schon gespannt auf das Ende einer Geschichte, bevor er sie überhaupt zu lesen begonnen hat, bevor er weiß, wovon sie handelt. Mit diesem 2005 in den USA erschienenen Erzählband zeigt der Autor einmal mehr seinen Spaß beim Feinschleifen seiner Sätze. Novellen, Erzählungen und Kurzgeschichten haben auf der anderen Seite des Teiches einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland, wo solche Schreibübungen lediglich von preisgekrönten Schriftstellern geduldet werden. Für die Amerikaner gehören solche kürzeren Geschichten ganz einfach zu jedem Autor. Boyle ist die Lust am Gestalten dieser Geschichten anzumerken. Damit schafft er selbst in sehr kurzen Geschichten eine solche Dichte an Umfeld und Geschehen, dass man das Gefühl hat, trotzdem einen ganzen Roman gelesen zu haben. So ist es auch bei den 14 Geschichten dieses Bandes.

Bei „Windsbraut“ entwickelt sich auf einer stürmischen Insel eine romantische Liebesbeziehung zwischen einem eher zurückgezogen lebenden Inselbewohner und einer amerikanischen Vogelkundlerin, die von den Inselbewohnern nur die Frau mit den Vögeln oder die Vogelfrau genannt wird. Sehr humorvoll wird eine Romanze aufgebaut, bis es schließlich in einem Desaster endet.
In „Der freundliche Mörder“ geht es um einen Rekordversuch im Wachsein eines Radiomoderators, bei dem er die Leute auf der Straße durch ein Schaufenster zuschauen lässt.
In „Chicxulub“ erfährt ein Ehepaar vom Unfall ihrer Tochter, auf dem Weg in die Klinik leiden sie Qualen.
Meteoriteneinschläge in Sibirien und in Mittelamerika demonstrieren die Unabwendbarkeit mancher Ereignisse und erhöhen mit ihrer ständigen Unterbrechung der laufenden Handlung die Spannung, die darin besteht, zu erfahren, wie es der Tochter geht.
„Hier kommt“ erzählt die Geschichte eines Mannes, der alles verloren hat und gerade auf der Straße wach geworden ist. So langsam wird ihm bewusst, dass ihn der Alkohol im Griff hat, weil alle seine Probleme verschwinden, sobald er etwas getrunken hat. Bis er schließlich ein Verbrechen beobachtet.
„Geblendet“ spielt auf den südamerikanischen Estancias, auf welcher sich ein Wissenschaftler an die Untersuchung der UV-Strahlung macht. Doch so unaufhörlich er den Estancieros von den negativen Auswirkungen der Strahlung auf Mensch und Tier predigt, so unnachgiebig muss er von einer Estancia zur nächsten ziehen.
„Gegen die Wand“ wird sprichwörtlich das Leben eines jungen Mannes gefahren, der sich vor dem Vietnamkrieg drückt, vom Kiffen auf harte Drogen umsteigt und nichts anderes als Rausch im Sinn hat, obwohl sich ihm Alternativen bieten.

Fingerübungen sind diese Geschichten vom amerikanischen Autor, der selbst einen Großteil seiner Jugend als Hippie durchlebte, allemal. Dem Boyle-Leser wird die eine oder andere Figur nicht ganz fremd vorkommen. So weisen die Inselbewohner in „Windsbraut“ eine gewisse Ähnlichkeit mit den kauzigen Einwohnern des Alaska-Örtchens Boynton auf und von dem rauschbesessenen Typen in „Gegen die Wand“ gibt es in „Drop City“ gleich eine ganze Kommune. Die Geschichten gleichen Charakterstudien, die früher oder später den Protagonisten und Antagonisten in seinen Romanen als Grundlage dienen. Die behandelten Themen sind sehr vielschichtig und obwohl so manche von ihnen mit einem Desaster endet, in welcher der Protagonist ein Chaos hinterlässt, sind viele sehr humorvoll geschrieben und treiben dem Leser ein Schmunzeln oder gar die Tränen ins Gesicht. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er nicht alles so ernst nehmen sollte, wie es am Ende aussieht. Boyle ist perfekt in der Lage, mit dem zwinkernden Auge und eine alle Sinne ansprechende Weise seine Geschichten an die Leser zu bringen.
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T. C. Boyle
Zähne und Klauen
384 Seiten, broschiert
DTV, Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423211946
ISBN-13: 978-3423211949
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Jeremy Page: Tagebuch eines ungelebten Lebens

Jeremy Page: Tagebuch eines ungelebten Lebens

Für Guy hat das Leben keinen Sinn mehr. Sein kleine Tochter lebt nicht mehr. Daraufhin haben seine Frau und er sich getrennt. Guy hat sich zurückgezogen auf sein Boot, ein altes holländisches Frachtschiff. In dieser Einsamkeit setzt er das Familienleben in einem Tagebuch fort. Jeden Tag schreibt er, als wäre seine Tochter noch am Leben und seine Frau bei ihm. Doch nicht nur er sucht auf dem Wasser Ruhe, Geborgenheit und Schutz. So lernt er Marta und ihre erwachsene Tochter kennen. Ihre Probleme beginnt er, an sich heran zu lassen. Er muss dafür ein Stück weit seine Traumwelt verlassen und in die Realität finden.
Das hat Folgen. Die Tagebuchwelt verändert sich, beginnt ein Eigenleben. Der Ton ändert sich. Die kleine Familie bekommt Probleme. Guy fühlt sich bald weder in seinen Gedanken, noch in der Realität wohl. Der Druck wird so groß, dass er bald keinen Ausweg mehr weiß.

Es ist beängstigend zu sehen, wie Guy in einer Trauerphase versinkt, die nicht enden will. Traum und Wirklichkeit vermischen sich. Nur so ist das Leben überhaupt noch auszuhalten. Oder auch nicht. Man macht sich Sorgen um Guy, der immer wieder mit lebensgefährlichen Aktionen den Tod herausfordert.
Die Atmosphäre im Buch, von Trauer und Trostlosigkeit getragen, dürfte so manchen Leser überfordern.
Der Autor findet Worte für ein Schicksal, das beeindruckt und zu Herzen geht. Gefühle werden nachvollziehbar deutlich. Gefühle, die man eigentlich niemals spüren will.
So gut das Buch auch geschrieben ist, es macht unendlich traurig. Am Ende möchte man einen Stift zur Hand nehmen und fortsetzten, was offen endet. Man möchte dem Ganzen irgendetwas Positives geben. Aber irgendwie ist alle Hoffnung dahin.

Rezension von Heike Rau

Jeremy Page
Tagebuch eines ungelebten Lebens
Übersetzt von Andreas Gressmann
416 Seiten, gebunden
Mare Verlag
ISBN-10: 3866481136
ISBN-13: 978-3866481138
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Leon de Winter: Das Recht auf Rückkehr

Leon de Winter: Das Recht auf Rückkehr

Thriller um Religionskrieg zwischen Judentum und Islamisten.

Wieder einmal geht es Leon de Winter um eine Geschichte, die Israel und seine politische Lage in einen Thriller von ungeheurer Spannung mit einbezieht.

Bram Mannheim betreibt im Jahre 2024 eine Agentur zum Aufspüren verschwundener Kinder. Vor Jahren war er Hochschulprofessor in Princeton und mit einer sehr geliebten Frau und einem ebenso geliebten Sohn gesegnet.

Das unerklärliche und katastrophale Verschwinden seines kleinen Sohnes kurz nach dem Erwerb eines schönen alten Hauses in der Nähe von Princeton hat sein Leben aus der Bahn geworfen. Zwanzig Jahre ist das jetzt schon her! Er irrte zunächst mit verrückten Zahlenkombinationen durch das Land, immer auf der Suche nach seinem verschwundenen Sohn. Seine Ehe war längst zerbrochen, bis er in Israel bei seinem Vater eine neue Bleibe fand und sich mit einer anders gearteten schwierigen Aufgabe befasste, in der sich sein eigenes Schicksal spiegelt.

Atmosphärisch geschickt baut Leon de Winter seine Geschichte auf.
Als gut situierter Professor mit Frau und Kind und als Sohn eines hoch begabten Nobelpreisträgers der Biochemie gewährleisten die wissenschaftlichen Karrieren beider Männer die Zugehörigkeit zu einer angesehenen Schicht.

Brams Frau Rachel ist begabt und bildschön. Beide leben nach der Geburt von Ben in einer erotisch prickelnden Beziehung.
Unversehens und unheimlich bricht das unerklärliche Verschwinden von Ben den Glückszustand und Bram stürzt ab.
Die Geschichte seines Absturzes und die jahrelange Suche nach Ben bilden den eigentlichen Plot der Geschichte.
Dramatisch und hautnah erlebt man Bram auf seiner Irrfahrt durch sein weiteres Leben, das zeitweise von Irrwitz und Wahn bestimmt zu sein scheint. Die Verzweiflung, der Jammer und die seelische Verkümmerung eines Menschen nach einem unerträglichen Schicksalsschlag geben der Geschichte eine menschliche Seite und eine Spannung, die den Leser ganz in seinen Sog nimmt. Unerträglich erscheint das Leid, und der Mann gerät ganz aus dem Gleichgewicht.

Schließlich hat er sich fast schon in sein Schicksal und die neue Aufgabe ergeben, als sich eine annähernd märchenhafte und irrwitzige Lösung anbahnt.
Weltumspannend sind die Verwicklungen, und der Islam und das Judentum begegnen sich in einem dramatischen Verwirrspiel. Die zahlreichen Abirrungen, die väterliche Berühmtheit und eine neue Liebe versprechen die Auflösung eines Thrillers, der an Spannung nichts zu wünschen übrig lässt.

Leon de Winter
Das Recht auf Rückkehr
Gebundene Ausgabe: 549 Seiten
Verlag: Diogenes
ISBN-10: 325706733X
ISBN-13: 978-3257067330

James Agee: Ein Todesfall in der Familie

James Agee: Ein Todesfall in der Familie

Familienfrieden, Glück und Zweifel; eine Geschichte von Glaubensfragen und unvorhersehbaren Schicksalsschlägen.

Knoxville in Texas, weit im Süden der USA gelegen, ist der Ort einer Handlung, die von der ersten Zeile an mit dramatischem Sog in ein schicksalhaftes Geschehen führt.
Atmosphärisch dicht und von tief innerlichen Gefühlen geprägt lenkt der Roman des bereits 1955 verstorbenen Autor James Agee die Aufmerksamkeit auf das Geschick einer jungen Familie, das fast in einer Art Kammerspiel dargeboten wird.
Umhüllt von heimeliger Dunkelheit und dem Sternenglanz kommen ein Vater und sein kleiner Sohn von einem Kinobesuch nach Hause. Das Leben zeigt sich friedlich, geborgen und trostreich. Die liebevollen Familienbande sind intakt und versprechen harmonische Idylle.
Catherine und Rufus, die beiden Kinder, gehen zu Bett.

Szenenwechsel: mitten in der Nacht schrillt das Telefon. Unruhig geht Jay, der junge Familienvater, ans Telefon. Jeder Ton und jeder Schritt wird verzeichnet, so dass eine untergründige Spannung entsteht.
In einem stockenden Telefonat berichtet der Bruder von Jay, dass der Vater erkrankt sei, wie schwer, ist kaum auszumachen. Zögerlich, zuletzt aber doch überzeugt, dass er besser gleich aufbricht, bereitet sich Jay auf die Nachtfahrt zu seinen Eltern vor. Liebevoll bereitet ihm Mary noch ein Frühstück und liebevoll ist der Abschied, fast, als wäre es für immer. Er denkt an die Kinder und versichert mehrfach, dass er schon morgen zurück sein werde.

Mary findet kaum Ruhe nach seiner Abfahrt. Sie hält Zwiesprache mit Gott, und aufmerksam hört man von einem Familienkonflikt, der das Glück überschattet: Mary ist fromm katholisch, Jay aber teilt ihren Glauben nicht. Sie fürchtet, dass die von ihr und ihrem Glauben geforderte katholische Erziehung der Kinder den Familienfrieden und den Zusammenhalt der Familie gefährden könnte.
Diese Szene ist grandios in ihrer dichterischen Aufbereitung.

In der Folge steigert James Agee noch die Spannung, denn
erst spät am nächsten Vormittag kommt ein Anruf, in dem von einem Unfall die Rede ist, vom dem Jay betroffen sei.
Das Protokoll einer Todesnachricht wird zu einem minutiösen Bericht des Unfallhergangs.

Wie die Verwandten sich um Mary scharen, was gesprochen, vermutet und befürchtet wird, das schwankt zwischen Hoffnung, ahnungsvollen Untergangsängsten, Glauben und Verzweiflung. Stimmungen und Gefühle, jeder Gang und jede Gebärde oder Verrichtung im Haushalt werden registriert. So entsteht ein genaues Abbild der Vorgänge, und man gelangt zu tiefen Einblicken in die Seelenzustände und Handlungen der Protagonisten. Fast fühlt man sich an Musil erinnert, dessen Gefühlswahrnehmungen ähnlich dauerhaft und präzise in seinem „ Mann ohne Eigenschaften“ abgehandelt werden. Der Zustand zwischen Realität und seelischer Befindlichkeit rührt an die Schmerzgrenze.
Die eingeschobenen Reflexionen einzelner bieten den eigenartigen und faszinierenden Eindruck von lyrisch vorgetragenen Gedanken, die fast Gebeten gleichen.
Der vom Vater an die Tochter gerichtete Satz: „Du musst immer daran denken, dass kein Mensch auf dieser Welt ein Vorrecht genießt. Jeden Augenblick kann die Axt auf den Nacken jedes Menschen niedersausen, ohne vorherige Warnung und ohne Rücksicht auf Gerechtigkeit “ hinterlässt Schauer der Erschütterung mit seiner fast biblischen Weissagung.

Hinreißend ist die Beobachtung, wie ein Schmetterling aus dem versinkenden Sarg in den Himmel steigt. Symbolträchtiger geht es nicht, und symbolhaft beleuchtet er einen Religionskonflikt, der die Familiengeschichte unterschwellig durchzieht.

Nur drei Tage umfasst der Bericht, mit dem fast im Zeitlupentempo eine Aussage gelingt über das, was in den Empfindungen und Köpfen der einzelnen Familienmitglieder vor sich geht.

Wiewohl der Roman zur modernen amerikanischen Klassik gezählt wird, würde ich ihn aus der Menge der Neuerscheinungen als einen der besten dieses Frühjahrs herausheben.
James Agee wirkte in den vierziger Jahren als einflussreicher Drehbuchautor, Filmkritiker und Journalist in den USA. Sein unvollendet gebliebener Roman wurde in Deutschland 1962 zum ersten Mal auf Deutsch veröffentlicht. Nach seinem Tod wurde der Autor posthum mit dem Pulitzerpreis geehrt.

James Agee
Ein Todesfall in der Familie
C.H.Beck
368 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3406583889

Thomas Clavinic: Das Leben der Wünsche

Thomas Clavinic: Das Leben der Wünsche

Drei Wünsche will der Fremde erfüllen. Und weil der seltsame Mann so viel über Jonas weiß, ist er geneigt, im ein kleine wenig zu glauben. Jonas hat viele Wünsche. Sie auf drei zu reduzieren, ist ein Unding. Da er nicht auf den Kopf gefallen ist, wünscht er sich mehr Wünsche.

Nach diesem seltsamen Erlebnis holt ihn der Alltag wieder ein. Ein Alltag mit seiner Frau und den zwei Kindern, einem ungeliebten Job und seiner Geliebten Marie. Im Hinterkopf hat Jonas die Sache mit den Wünschen. Er kauft sich ein Los, gewinnt aber nicht. Im Büro stellt er dann fest, dass seine Aktien um fast 15 Prozent gestiegen sind. Das macht den entgangene Losgewinn wett.

Ein glücklicher Mann ist Jonas nicht. Er will seine Frau Helen nicht verlieren, aber auch mit Marie zusammensein. Von dem, was er sich wirklich wünscht, erfüllt sich aber nichts. Durch Ausprobieren ist er zu diesem Schluss gekommen. Der Alltag ist das übliche Chaos. Dann, wie aus dem Nicht und direkt vor seinen Augen, geschieht dieser Unfall. Ein LKW erwischt einen Mann, der Jonas wegen dessen Langsamkeit genervt hat. Einem Wunder gleich kommt, dass sein Sohn Chris, dessen Wachstum Grund zur Sorge gegeben hat, plötzlich ein paar Zentimeter in die Höhe schießt.
Dann geschieht etwas Unfassbares. Jonas findet seine Frau in der Badewanne besinnungslos vor. Seine Wiederbelebungsversuche zeigen keine Wirkung. Der herbeigerufene Notarzt kann nichts mehr tun. Helen erlag einem Herzversagen.
Später sitzt Jonas wieder auf der Bank. Da, wo er den seltsamen Mann traf, der ihm drei Wünsche erfüllen wollte. Es ist unfassbar für Jonas, was bisher geschah.

Im Grunde spielt sich hier eine ganz normale Geschichte ab, so wie das Leben sie tausendfach schreibt, wäre da nicht die Sache mit den Wünschen. Jonas scheint nicht viel drauf zu geben. Er probiert einiges aus. Manches läuft wunschgemäß, anderes nicht. Bald spielt es für ihn keine Rolle mehr. Für den Leser schon. Man verfolgt sehr gespannt den Lauf der Geschichte und beobachtet Jonas genau. Man kommt nicht umhin, sich zu fragen, inwieweit er sein Schicksal und das anderer durch seine Gedanken steuert. Der ein oder andere geheime Wunsch ist darunter. Der Verdacht liegt also nahe, dass Jonas das Geschehen wenn auch nicht immer bewusst, so doch durch sein Unterbewusstsein steuert.
Nach und nach entsteht eine sehr drückende Atmosphäre. Spätestens als Jonas’ Frau Helen unter mysteriösen Umständen stirbt, ist der Spaß vorbei.
Jonas befindet sich ab da in einem Zustand der Schwerelosigkeit. Die Trauer überfällt ihn ungebremst. Er läuft nur noch auf Autopilot.
Der Leser ahnt, das Jonas auf eine Katastrophe zusteuert. Unbehagen findet sich ein. Es ist ein Spiel mit den Erwartungen des Lesers. Wirklich sehr gelungen! Man liest nicht einfach so, man wird beschäftigt. Der Anfang der Geschichte kommt einem Märchen gleich, später wird daraus der blanke Horror.
Dabei erzählt der Autor im Grunde seine Geschichte sehr sachlich. Es ist die eigene Fantasie, die beim Lesen nicht im Zaum zu halten ist. Das ist eine sehr interessante Erfahrung!

Rezension von Heike Rau

Thomas Clavinic
Das Leben der Wünsche
320 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag
ISBN: 978-3446233904

Romain Gary: Die Liebe einer Frau

Romain Gary: Die Liebe einer Frau

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Hommage an die unvergängliche Liebe!

Mysteriös und sehr traurig beginnt die Geschichte von einem Mann, der die Liebe beschwört und die Melancholie über ihre Vergänglichkeit in jedem seiner Worte anklingen lässt.Er will von Flughafen Paris aus nach Caracas fliegen, kehrt jedoch spontan um und fährt wie magisch angezogen nach Paris zurück. Beim Aussteigen aus dem Taxi stößt Michel auf eine Frau, der bei dieser Gelegenheit alle Einkäufe aus der Hand fallen. Sie hat wunderschöne weiße Haare, entschuldigt sich, gibt ihm auf seine Bitten noch ihre Adresse und verschwindet.

Hemmungslos verwirrt sucht Michel daraufhin die Nähe der Frau, die er aus dem Taxi kommend angerempelt hat. Sie macht kein Hehl daraus, dass ihr Leben nach dem kürzlich erfolgten Unfall ihres Ehemannes und dem Tod ihres Kindes den Sinn verloren hat. Auch Michel hat Kummer, denn seine Liebste ist krank. Sie wird sterben, und er fühlt sich ohne sie als ein Nichts! Kurz vor ihrem Ende haben sie sich getrennt, unfähig, den Abschied in Kummer und Sorgen zu ertragen.

Zwei betrübte Geister suchen Schutz und Nähe und sind und bleiben von ihrer Trauer gezeichnet.

In kurzen Szenen versinkt Michel in Trauer, Schweigen und Verzweiflung. Er lernt einen Dompteur kennen, der mit einem rosa Pudel und Schimpansen im Varieté auftritt. Trostlos erscheint auch dieses Milieu. Was wollen die beiden Männer von einander, die sich fremd und in ihrer Trauer doch ähnlich sind? Michel sucht sein Ebenbild im Spiegel, weiß nicht mehr wie und wer er ist. Er gerät durch Lydia, die Bekanntschaft der Nacht, in die Kreise russisch-jüdischer Emigranten und man erlebt clowneske Begegnungen und verwirrende Gespräche, die um die wahre Liebe kreisen.

Gary hat die Liebe in verschiedenen Tonarten hier besungen: betrübt, himmlisch, begeisternd, unzerstörbar und doch vom Ende bedroht. Mit Sätzen wie diesen :. „ Die Freude eines Kindes oder die Zärtlichkeit eines Paares leuchten für alle, sie sind immer ein Platz an der Sonne. Und ein Verzweifelter aus Liebe, der an der Liebe verzweifelt, ist ein recht seltsamer Widerspruch “… ruft er den Zauber des Glücks herbei.

Als Vorbild für das unglückliche Ende einer Liebe kann die eigene Verbindung des Autors mit Jean Seberg gelten: Romain Gary und die Schauspielerin waren von 1962 bis 1970 ein Paar und nahmen sich im kurzen Zeitabstand von eineinhalb Jahren nacheinander das Leben. Er hat den Zusammenhang seiner Protagonisten mit sich und Jean Seberg zwar verneint. Der alternde Beau, weltgewandte Diplomat und Draufgänger und die blutjunge Frau suchten seiner Zeit Erfüllung beieinander: Zärtlichkeit und Fürsorge von seiner und Schutzbedürftigkeit von ihrer Seite, wie sie sich in den Fotos spiegeln, fanden zu einer glücklichen Symbiose, die schlussendlich an der Realität zerbrach.

Romain Garys Erzählung handelt von der Liebe, die für ewig gelten soll, und deren Untergang man nicht überleben kann.
Wie es im Einband heißt: es geht um den existenziellen Wert der Liebe, an den Gary fest glaubte, und dem er über alle Zeitströmungen hinweg das Hohelied sang.
Nach seinem Buch gab es einen Film von Jean Luc Godard, in dem Romy Schneider und Ives Montand die Hauptrollen spielen.

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Romain Gary
Die Liebe einer Frau
192 Seiten, gebunden
SchirmerGraf
ISBN: 978-3865550699
ISBN-10: 386555069X
Originaltitel: Claire de femme

Viktor Lodato: Mathilda Savitch

Viktor Lodato: Mathilda Savitch

Leben zwischen Wahn und Wirklichkeit.

Für eine Halbwüchsige ist das Leben voller Geheimnisse und verborgener Genüsse. Mit vagen Erwartungen und stiller Neugierde beäugt man die Erwachsenen, deren Handeln man nicht immer begreift. Mathilda Savitch ist ein eigenwilliges, leicht widerborstiges und mit wachem Verstand ausgestattetes junges Mädchen. Sie ist fünfzehn Jahre alt, frech und aufmüpfig und hat eine empfindsame Beobachtungsgabe.

Monoton und witzig plaudert sie vor sich hin, und man erfährt so allerlei aus ihrem jungen Leben. So hört man, dass die Schwester Helene tot ist, und die Eltern seither sprachlos und stumm sind. Geheimnisumwittert bleibt der frühe Tod der Schwester, die eines Morgens vor einen Zug gestoßen wurde. Aus dem Schatten der naiv neugierig parlierenden Göre tritt ganz allmählich eine Familie in den Fokus, in der nicht alles so einfach, problemlos und taufrisch ist, wie es aussieht.

Victor Lodato hat seine einmalig sensible Erzählung mit vielen feinen Psychodetails ausgestattet!
Der Ton seiner Protagonistin Mathilda ist verwundert, fragend und naiv auf eine Weise, die anziehend und bestrickend ist. Düstere Wolken ziehen am Himmel auf, je tiefer man in die Familiengeschichte eintaucht. Man wähnt sich zuletzt zwischen einer möglichen wahren Geschichte und einem Psychothriller. Leicht verrückt und zuweilen von anrührender Komik bleibt der Autor die ganze Zeit bei der Hauptprotagonistin, aus deren Augen, Sinnen und Trachten man das skurrile und traurige Leben der kleinen Familie betrachtet.

Dass man sich so genau in die Gedanken – und Gefühlswelt einer Fünfzehnjährigen hineinversetzen kann, ist erstaunlich genug. Hinzu kommt die witzige und in skurrile Einfälle verpackte Sozialstudie einer Familie, die durch den unfassbaren Tod einer ums Leben gekommenen Tochter in Schockstarre geraten ist. Nur Mathilda scheint lebendig und neugierig in ihrer ungetrübten Unschuld und begibt sich unscheinbar und unaufdringlich auf die Suche nach dem Täter. Sie geht es ruhig und schlau an. Schon der Schattenriss des jungen Mädchens auf dem Buchumschlag zeigt sie auf der Suche: nicht nur nach einem Mörder, sondern auch nach ihrem eigenen Woher und Wohin. Der preisgekrönte Autor wird mit seinem Debütroman die Bestellerlisten erklettern!

Victor Lodato
Mathilda Savitch
220 Seiten,  gebunden
C.H. Beck
ISBN:  978-3406590740

Der geheime Zirkel III – Kartiks Schicksal

Der geheime Zirkel III – Kartiks Schicksal

Gemma kann das Tor aus Licht nicht mehr erscheinen lassen. Der Weg in das Magische Reich bleibt für sie und damit auch für ihre Freundinnen Ann und Felicity versperrt. Die Debütantinnensaison steht kurz bevor. Für Gemma ist es nicht das Ziel ihrer Träume. Felicitys sorgenfreie Zukunft ist an Bedingungen geknüpft, sie wird einen Mann heiraten müssen, den sie nicht liebt. Ann blickt noch sorgenvoller in die Zukunft, sie wird Gouvernante werden. Statt auf Teepartys zu gehen, würden die Mädchen viel lieber das Magische Reich besuchen und mit Hilfe der Magie ihr Schicksal ändern. Aber das einzig Interessante, was sich in der Mädchenschule abspielt, ist der Wiederaufbau des einst niedergebrannten Ostflügels. Die Bauarbeiter legen hier einen Stein frei, der seltsame eingeritzte Zeichen trägt. Der Stein übt eine ungeheure Anziehungskraft auf Gemma aus. Sie bringt ihre Freundinnen an diesen Ort. Hier kann sie das Tor ins Magische Reich endlich wieder heraufbeschwören. Die jungen Frauen finden den Weg in den Garten, wo sie hoffen auf Pippa zu treffen. Aber vielleicht haben die Freundinnen Pippa auch längst an die Winterwelt verloren. Von der Medusa erfahren sie, dass es ruhig geworden ist, im Magischen Reich. Alle warten ab. Gemma als Hüterin der Magie obliegt es, das Magische Reich mit Hilfe der Zauberkraft zu verändern, möglicherweise wieder zu dem zu machen, was es einmal war. Hohe Erwartungen werden in sie gesetzt. Immer mehr fühlt Gemma sich dem nicht mehr gewachsen, auch weil sie ohne die Hilfe von Kartik auf sich allein gestellt ist. Ihr Zögern hat nicht nur Auswirkungen auf das Magische Reich, sondern auch immer mehr auf die Welt der Sterblichen.

Nach den beiden ersten Bänden „Gemmas Visionen“ und „Circes Rückkehr“ geht es nun endlich weiter. Zunächst scheint Gemma ihre magischen Kräfte verloren zu haben. Ein Leben ohne Magie scheint ihr und ihren Freundinnen Ann und Felicity trostlos. Doch bald müssen die drei feststellen, dass die Magie sich nur verändert und auch ihre Schattenseiten hat. Sie wächst Gemma über den Kopf, ist nur mit Mühe noch beherrschbar. Gemma muss sich entscheiden, was sie damit anfängt, mit wem sie die Magie teilt. Damit würde sie über das Schicksal der Magischen Welt entscheiden. Dieser Aufgabe ist sie nicht gewachsen, zumal sie sich bald nichts mehr sicher ist, weil sie von so vielen Seiten beeinflusst wird. Der Leser wird in dieses Verwirrspiel zwischen Gut und Böse hineingezogen. Es ist äußerst spannend zu verfolgen, wie sich diese mysteriöse Geschichte weiterentwickelt. Die Geschichte wird, wie auch die beiden vorangegangenen Bände, von einer unheimlichen Stimmung getragen, die sich immer weiter verschärft.
Auch wenn das Buch mit seinen über 850 Seiten ausgesprochen lang ist, liest es sich sehr schnell. Manchmal wirkt die Geschichte zwar etwas in die Länge gezogen, langweilig wird es aber nie. Man will einfach immer wissen, wie es weitergeht.
Bei einer Geschichte, die so schicksalhaft ist, erwartet man nicht unbedingt ein gutes Ende. Und dennoch kommt es schlimmer, als man bereit ist, zu glauben. Das ist schade, aber man muss das wohl so hinnehmen. Im Grunde bleibt so Raum für eine Fortsetzung.

Rezension von Heike Rau

Libba Bray
Der geheime Zirkel III – Kartiks Schicksal
Aus dem Amerikanischen von Ingrid Weixelbaumer
862 Seiten, Klappenbroschur
Dtv – Deutscher Taschenbuchverlag
ISBN: 978-3423713276
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