Browsed by
Schlagwort: Frust

Kent Haruf: Das Band, das uns hält

Kent Haruf: Das Band, das uns hält

Dieses Buch direkt bei Amazon bestellen!
Aufgebrochen in den Westen der USA nach Colorado, damals um 1900 noch ein raues und unbesiedeltes Land, finden die junge Ada und John Goodnough nur schwer zueinander.
Er ist ein notorischer Eigenbrötler mit raubeinigen Manieren und wenig Herz. Seine Frau Ada ist zart und empfindsam. Sie ist dem groben Leben auf dem erst noch urbar zu machenden Land kaum gewachsen.

Mit dieser Einführung beginnt ein Roman, in dem es an Härte aber auch Liebe unter den Menschen nicht mangelt.
Die Geschichte schildert ein Geschwisterpaar, das durch äußere Umstände eng aneinander gebunden bleibt, so dass beide kein Lebensglück finden können.
Langsam aufgebaut und mit immer neuen Erzählsträngen versehen, öffnet uns der Autor den Blick auf ein Leben, das von äußerster Kargheit und entbehrungsreichen Jahren gezeichnet ist.

Ada stirbt schon mit 42 Jahren und hinterlässt ihre jungen Kinder einem Vater, der mit harter Hand durchgreift. Mürrisch und herrisch lässt er seine Kinder auf dem Feld und bei der Viehzucht kräftig zupacken.
Edith und Lyman sind die Kinder dieser Ehe, die kein Glück für alle brachte.

Erwachsen geworden wird Edith, eine hübsche junge Frau, von einem Nachbarn umworben, der sie gerne heiraten will. Der brutale und selbstsüchtige Vater weiß das zu verhindern. Edith kann sich seinem Anspruch, weiterhin für ihn und den Bruder Lyman zu sorgen, nicht entziehen.
Lymann sucht eines Tages das Weite und lässt sich erst 20 Jahre später wieder blicken.

Die Spannung steigt mit Fortgang der Geschichte. Man bekommt einen unmittelbaren Eindruck vom Leben auf dem Land, von Dürre, Schnee und Kälte. John Roscoe, der Nachbar, sieht mit argwöhnischen Augen, wie Ediths Leben unter der Härte der Lebensbedingungen langsam vergeht.

Die Erzählung vermittelt einen starken Eindruck vom Leben der Farmer, ihrer spartanischen Lebensweise, den wenigen Freuden, und den unfreundlichen Umgangsformen eines cholerischen und harten Wüterichs, den Roy Goudnough verkörpert.

Edith ist die eigentlich Leidtragende, weil sie dem wütenden Vater ausgeliefert bleibt. John Roscoe, deren Nachbar, heiratet und sie bekommen Sohn Sanders, der die ganze Zeit Erzähler dieser Geschichte bleibt.

In dem Roman passieren noch weitere unwahrscheinliche Geschichten. Ein rundes Bild einer fast archaischen Welt tut sich auf. Die Jahre gehen ins Land, und die Zeiten ändern sich.
Unverdrossen bleibt Edith ihrem Bruder Lyman verbunden, der bis zum bitteren Ende ihr Leben belastet.
Auch so kann Leben sein: Plackerei, Mühe und nie zugelassene Träume von einer besseren Lebensgestaltung.

Kent Haruf berichtet hautnah und intensiv. Man bleibt zunehmend fasziniert vom Fortgang der Geschichte und ihrem Ende. Haruf ist ein herausragender Erzähler, von dem es schon zahlreiche Bücher über den fiktiven Ort Holt in Colorado gibt.

Kent Haruf
Das Band, das uns hält
320 Seiten, gebunden
Diogenes, Mai 2023
ISBN-10: 3257072295
ISBN-13: 978-3257072297
-> Dieses Buch jetzt bei Amazon bestellen

Johanna Thydell und Emma Adbåge: Blödes Bild!

Johanna Thydell und Emma Adbåge: Blödes Bild!

Dieses Buch direkt bei Amazon bestellen!
Die kleine Minze sitzt mit ihrem drei Jahre älteren Bruder in der Küche am Tisch. Beide wollen malen. Gern würde Minze auch so schön oder noch schöner malen als Max. Aber sie hat im Gegensatz zu ihm keine Idee. Sie könnte malen, was ihr Bruder malt. Aber sie kann nicht sehen, was er macht, denn er hat einen Arm um sein Zeichenblatt gelegt, tut geheimnisvoll und will nichts verraten.

Gelangweilt läuft Minze in der Wohnung herum, um doch noch auf eine Idee zu kommen. Dann sieht sie, dass es draußen schneit, und beschließt Schnee zu malen. Weißen Schnee auf ein weißes Blatt zu malen, gelingt nicht, wie Minze bald einsehen muss. Max hilft mit einem hilfreichen Vorschlag weiter. Aber Minze ist mittlerweile sehr gefrustet, was man gut an ihrer Körperhaltung, der Mimik, dem rotem Kopf und den fliegenden Zöpfen erkennen kann. Ein Missgeschick folgt dem anderen. Es ist unfassbar! Schließlich wird das blöde Bild voller Wut von dem kleinen Mädchen zerknüllt und mit der Schere bearbeitet. Doch damit ist die Geschichte nicht beendet.

Das Buch ist sehr einfühlsam geschrieben und wunderbar gezeichnet. Kinder werden den Frust der kleinen Minze gut verstehen können. Es gibt so Tage, an denen einfach nichts gelingen will.

Die Autorin zeigt im Buch, dass Kreativität oft eigene Wege geht und auch mit Wut und Ärger im Bauch etwas entstehen kann. Es ist eine große Überraschung zu sehen, was letztendlich aus Versehen aus dem zerknüllten Papierball wird. Und auch das Bild, das Max gemalt hat, bringt Minze zum Staunen. Es zeigt, wie lieb Max seine kleine Schwester hat. Zum Schluss arbeiten die beiden gemeinsam. Die kleine Schwester zeigt dem großen Bruder genau, wie sie aus ihrem blöden Bild ein kleines Kunstwerk gezaubert hat. Diese Idee kann jedes Kind ausprobieren! Garantiert wird jedes auf diese Weise erschaffene Kunstwerk ein Unikat sein!

Rezension von Heike Rau

Johanna Thydell und Emma Adbåge
Blödes Bild!
Aus dem Schwedischen von Maike Dörries
32 Seiten, gebundenes Bilderbuch
ab 3 Jahren
Verlag Antje Kunstmann
ISBN-10: 3956143272
ISBN-13: 978-3956143274
-> Dieses Buch jetzt bei Amazon bestellen

J.-K. Huysmans: Monsieur Bougran in Pension

J.-K. Huysmans: Monsieur Bougran in Pension

Dieses Buch direkt bei Amazon bestellen!
Literarisches Kleinod aus dem Haus der Friedenauer Presse.

Die vorliegende delikate kurze Novelle von J.-K. Huysmans ist von bezaubernder Einfachheit in ihrer Darstellung der Welt eines kleinen untergeordneten Büroangestellten. Er lebt und arbeitet in Paris zum Ende des 19. Jahrhunderts.

Im Fokus steht der unbedeutende Angestellte  Monsieur Bougran. Ihm wird die Frühverrentung angetragen, und sein geordnetes Leben gerät aus dem Gleis. Die Arbeit hat dem allein lebenden skurrilen Kleinbürger Sinn und Lebensfreude beschert. Soll das alles nun vorbei sein? Monsieur Bougran kann es nicht fassen, dass er seinen Arbeitplatz räumen muss. Ist er doch erst 50 Jahre alt und hat sein Leben ganz der Arbeit gewidmet. Wie soll er die Tage verbringen? Wie dem Tag noch etwas Gutes abgewinnen? Er fügt sich, und man erlebt einen geknechteten Charakter, den diese schmerzliche Erfahrung umtreibt.

Mit fein ziselierten Beobachtungen beschreibt der Autor die Atmosphäre und das Interieur des Büros, in dem Bougran die Entlassung von seinem Büroleiter verkündet wird. Die Teppiche, der Schreibtisch und der Bücherschrank mit den Gesetzestexten werden detailgenaue gewürdigt.

Huysmans zeigt in dieser kurzen Schrift sein ganzes Können eines Schriftstellers von Rang. Die Gedanken, das Ambiente und die Wege, die Bougran am Tage geht, sind äußerst penible beschrieben, so wie der ganze Mann von einer Aura aus Gewissenhaftigkeit und Fleiß umgeben ist, die plötzlich zerbricht.

Monsieur Bougran gestaltet den Alltag neu und verfällt darauf, zu Hause sein Büro nachzubauen und einen Laufburschen einzustellen. Er versucht beharrlich, sein altes Leben beizubehalten.

Es geht hier also auch um eine ungewöhnliche Sozialstudie, die von makaberen Zügen begleitet ist.

„In der Auflehnung von Monsieur Bougran gegen die Regeln des Öffentlichen Dienstes, die Heimsuchungen des Alters und die unwiederbringlich vergehende Zeit manifestiert sich ein wahrhaft heroischer Widerstand.“

In dieser Form birgt der Text eine Menge kostbarer Details, die das Lesen zu einem Genuss werden lässt.

Huysmans war selbst Beamter. Er hat den vorliegenden Text als Auftragsarbeit geschrieben. In dieser Form wurde die Arbeit vom Auftraggeber abgelehnt. Erst 1964 gewann der 1888 verfasste Text die Aufmerksamkeit eines Verlegers.

Heute nun haben uns die Mitarbeiter der Friedenauer Presse wieder einmal eines ihrer Kleinodien präsentiert, mit denen sie immer wieder Aufmerksamkeit erregen.

In der Aufmachung und dem Inhalt nach eignet sich das fast an eine Broschüre gemahnende kleine Büchlein als edles Geschenk zu passenden Gelegenheiten.

J.-K. Huysmans
Monsieur Bougran in Pension
32 Seiten, broschiert
Friedenauer Presse, Oktober 2012
ISBN-10: 3932109724
ISBN-13: 978-3932109720
-> Dieses Buch jetzt bei Amazon bestellen

Todd Hasak-Lowy: Schlecht beraten durch Rabbi Brenner

Todd Hasak-Lowy: Schlecht beraten durch Rabbi Brenner

Dieses Buch direkt bei Amazon bestellen!
Überdruss und Komik  im Leben eines versierten Drehbuchschreibers.

Der Drehbuchautor Daniel Bloom verzweifelt an der Welt: an der großen Zahl von Managern, die sich an ihren Kunden bereichern und Politikern, die korrupt und ehrgeizig nur den eigenen Vorteil im Auge haben.

Schnell und witzig entführt uns Todd Hasak-Lowy nach Los Angeles zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Daniel ist Jude, vermögend, verheiratet und sucht eine neue Herausforderung für sein Schreiben. Dabei fällt ihm nur eines ein: Er will ein Drehbuch schreiben, das in seiner Handlung genau diese beschriebene abgewrackte alte und neue Welt zum Thema haben soll. Gedrängt von seinem Agenten Max macht er sich an die Arbeit.

Nebenbei geht Zack, sein Sohn, auf seine Bar – Mizwa zu, womit er zum anerkannten Mann in der jüdischen Gemeinde werden soll. Die Eltern Daniel und Caroline sind nicht besonders fromm und betrachten den Thoraunterricht skeptisch. Sie gehören zu den assimilierten Juden, die es weder mit der Religion noch mit den Synagogenbesuchen so genau nehmen.

Einen tieferen Einblick in die Gewohnheiten agnostisch ausgerichteter Juden bietet Hasak-Lowy mit den Familiengeschichten der beiden.

Erkennbar befindet sich der Hauptprotagonist Daniel in einer Sinn- und Lebenskrise. Dem neuen Rabbi Ethan Brenner in der jüdischen Gemeinde vertraut er seine Zweifel und Gedanken und seine inneren Nöte an. Dieser, selber ein unorthodoxer und verdrehter Mensch, vermittelt ihm schließlich eine Reise nach Israel.

In einer an Ideen überschießenden Geschichte voller Phantasiereichtum erzählt Todd Hasak-Lowy, wie es einem im jüdischen Künstlermilieu Hollywoods als erfolgreicher Drehbuchschreiber geht. Daniel unternimmt seine „Bildungsreise“ nach Israel, die ihm reiche Erfahrungen in dem Krisen geplagten Land beschert. Er nimmt Drogen, besieht sich das Leben dort und in Amerika und beschließt zuletzt einen totalen Neuanfang. Dass es bis dahin komische bis verrückte Erlebnisse aller Beteiligten gibt, dass Daniel in Ethan Brenner einen noch verrückteren Typen findet, als er sie selber schon erfindet: das Geschehen ist unterhaltsam und erinnert gelegentlich an Slapsticks. Rabbi Ethan Brenner führt die Religion mit seinem unüblichen Gebaren ad absurdum, und Daniel wandert als derjenige durch die Erzählung, der den Finger auf die Wunden der amerikanischen Gesellschaft legt. Er ist ein naiver, liebenswerter und verwunderter Held, der nicht immer alles versteht, was er erlebt. Lakonisch nimmt er hin, dass sein Leben aus den Fugen zu geraten scheint. Da kann einem schon die Orientierung verloren gehen! Für den Leser hält der Autor Dialoge von Witz und Komik bereit, die einem die Lektüre zu einem unterhaltsamen Abenteuer werden lässt. Längen muss man dafür in Kauf nehmen!

Todd Hasak – Lowy reiht sich mit seinem ersten Roman in die  Riege amerikanischen Autoren jüdischer Herkunft von einigem Format ein. Mit Markus Ingendaay wurde ein Übersetzer gefunden, der das Werk gekonnt ins Deutsche übertragen hat.

Todd Hasak-Lowy 
Schlecht beraten durch Rabbi Brenner
480 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462041940
ISBN-13: 978-3462041941

Philip Militz & Kai Pannen: Tom und die Schimpfwortpolizei

Philip Militz & Kai Pannen: Tom und die Schimpfwortpolizei

Dieses Buch direkt bei Amazon bestellen!
Der kleine Tom hat wirklich ein merkwürdiges Hobby. Er sammelt Schimpfwörter. In ein kleines rotes Notizbuch trägt er diese ein und wenn er schlechte Laune hat, dann kriegen seine Mitmenschen was auf die Ohren. Sogar Oma Brakelmann ist entsetzt, auch wenn sie Tom trotzdem lieb hat.
Als Tom aber eines Tages eine ganze Reihe von Schimpfwörtern zum Küchenfenster auf ahnungslose Passanten hinunterschmettert, ist der Spaß vorbei. Schimpfwortpolizist Karl-Bruno Bitterbeck vom Dussel-Dezernat steht vor der Tür. Mit seinen riesigen Hörrohren entgehen ihm auch die leisesten Schimpfwörter nicht. Er ist gekommen, um Tom mit Seife den Mund auszuspülen. Tatsächlich macht Tom den Mund auf, aber nur, um weiter zu schimpfen. Die schlimmsten Kraftausdrücke fallen ihm ein und kriechen in die Hörrohre. Immer weiter plustert sich der Polizist auf. Bis er nicht mehr an sich halten kann und eine unglaubliche Schimpftirade aus ihm herausplatzt.

Tom ist ein Auskenner. Er weiß genau, dass zu schimpfen gut tut, wenn man Frust hat. Allerdings übertreibt er es ein bisschen. So sehr, dass er die Schimpfwortpolizei auf den Plan ruft.
Natürlich vergreift sich jeder mal im Ton. Kinder müssen erst lernen, angemessen mit Ärger umzugehen. Während der kleine Tom keine Beherrschung zeigt, nimmt der Schimpfwortpolizist die Sache zu ernst. Es ist spannend mit anzusehen, was passiert, wenn zwei so in ihrem Verhalten gegensätzliche Personen aufeinandertreffen.

Kinder brauchen natürlich kein Buch, das ihnen Schimpfwörter vorgibt. Und tatsächlich findet man im Buch auch kein einziges böses Wort. Vielmehr sind es Zeichnungen, welche die Schimpfwörter darstellen. Da sieht man zum Beispiel ein Huhn mit Blindenstock und Sonnenbrille. Die meisten Zeichnungen sind aber noch viel fantasievoller, so dass Kinder ganz eigene Wortkreationen schaffen können und die werden sicher sehr lustig sein. Kinder trainieren ihre Sprache, indem sie lustige zusammengesetzte Begriffe zu finden versuchen, die zu den Bildern passen. Wirkliche Schimpfwörter geraten in den Hintergrund. Da gibt es doch wirklich Fantasievolleres. An dem Buch haben Kinder und Eltern gleichermaßen Spaß!

Rezension von Heike Rau

Philip Militz & Kai Pannen
Tom und die Schimpfwortpolizei
32 Seiten, gebunden
ab 4 Jahren
Lappan Verlag
ISBN-10: 3830311435
ISBN-13: 978-3830311430