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Schlagwort: Krankheit

Petra Durst-Benning: Kräuter der Provinz

Petra Durst-Benning: Kräuter der Provinz

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Petra Durst-Benning hat mit dem vorliegenden Roman ihren ersten Gegenwartsroman veröffentlicht. Nach überragenden Erfolgen mit historischen Romanen hat sie sich in ein anderes Genre gewagt. Auch dies erfolgreich, wie ich finde. Denn auch in dieser Geschichte geht es um Frauen, Frauen, die ihr Leben auf den Kopf stellen wollen oder müssen, Frauen, die sich durchsetzen, und am Ende ihr Glück finden … oder auch nicht.

Therese hat in ihrem Heimatdorf Maierhofen im Allgäu einen Landgasthof zum Erfolg gebracht. Als Bürgermeisterin möchte sie solch einen Erfolg auch für das Dorf schaffen. Es gibt nur ein Hindernis: Eine Diagnose „Krebs“ liegt ihr im Nacken und lässt sie immer häufiger den Optimismus verlieren. Durch Zufall wird sie an ihre Cousine Greta erinnert, die sie seit ihrer Kindheit nie wieder getroffen hatte und die eine erfolgreiche Werbefachfrau geworden ist. Das bringt sie auf die Idee, Greta in das beschauliche Maierhofen zu holen und auf fachfrauliche Hilfe bezüglich des Dorfes zu hoffen. Greta, der gerade in der Agentur, in der sie arbeitet, eine viel jüngere neue Werbefrau an die Seite gestellt wurde, verliert die Lust an der Arbeit für diese Agentur. Aber ebenso wenig kann sie sich zunächst eine Kampagne für ein Dorf vorstellen. Sie ist ausgebrannt. Doch sie greift die Idee einer Auszeit und eines kleinen Checkups in dem Allgäu-Dorf ihrer Kindheit auf. Als ihre Ideen für eine Kampagne Gestalt annehmen, wird sie zusätzlich von Thereses Freundin Christine, der Frau des örtlichen Autohändlers und von Beruf Hausfrau, unterstützt.

Petra Durst-Benning zeigt mit diesem spannenden Roman Wege auf, um sich von persönlichen Tiefschlägen nicht in die Knie zwingen zu lassen. Sie will Mut machen und plädiert dafür, den Kopf nie in den Sand zu stecken, immer nach vorne zu schauen und gegebenenfalls neue Wege zu beschreiten. Das Buch trägt selbst in den Wintermonaten, in denn die Handlung teilweise spielt, so viel Sonne in sich, dass man glaubt, stets von dieser beim Lesen begleitet zu werden. Die Figuren, nicht nur die weiblichen, bringt uns die Schriftstellerin über ihr Handeln und Denken sehr nah. Es ist alles nachvollziehbar und plausibel. Es braucht nicht lange, um sie als Freunde ins Herz zu schließen.
Geschmückt wird der Aufbruch des Dorfes mit vielen Rezepten, die Leserin oder Leser gleich ausprobieren kann. Selbst Edy vegane Bratwurst ist dabei. Und wer beim Lesen Appetit auf ein dickes Butterbrot, bestreut mit Kräutersalzen, bekommt, muss sich keinen Zwang antun. Drei kleine Gläschen mit Kräutersalzen gehören ebenfalls zum Buch. Eine wunderschöne Idee für ein wunderschönes Buch, welches Lust auf die Zukunft macht.

Durst-Benning, Petra
Kräuter der Provinz
Blanvalet, München
ISBN 9783734100116

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015
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Atul Gawande: Sterblich sein

Atul Gawande: Sterblich sein

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Wie werden wir am Lebensende leben?

Dieser Frage ist Atul Gawande nachgegangen. Er ist Arzt und Amerikaner von indischer Herkunft und berichtet über seine Erfahrungen in den USA. Sie sind mit den Entwicklungen anderer zivilisierter Länder vergleichbar.

In verschiedenen Kapiteln handelt er den Status des Lebensendes ab und zieht u.a. den Vergleich zwischen früher und heute.

Gawande zeigt auf, dass mit dem demographischen Wandel neu einzurichtende Versicherungssysteme erforderlich wurden. Verlängerte Lebenszeit, die Möglichkeiten moderner Medizin und Mobilität in der heutigen Arbeitswelt sind Bedingungen, die den Zusammenhalt unter den Familien verändert haben. Damit einher ging die Verlagerung der Fürsorge aus dem früher mehr dem Familienverband überlassenen Aufgaben der Altenfürsorge an die so genannte öffentliche Hand. Die ersten Betreuungs – und Pflegeeinrichtungen wurden in Amerika durch engagierte Ärzte und betroffene Familienmitglieder gegründet. Sie endeten häufig im Desaster zwischen sicherer Versorgung, straff organisiertem Tagesablauf und Vereinsamung.

Gawande stellt fest, dass es einen Perspektivwechsel zwischen jungen und sehr alten Menschen gibt: hier wird vermehrt nach einer nach außen gerichteten Aktivität und Lebensgestaltung gesucht; im Alter hingegen wird der Rückzug in die Familie und zu den Kindern und alten Freunden angepeilt, und es herrscht eine allgemeine Abneigung gegen alles Neue.

Aus der Geriatrie (Altersheilkunde) führt der Autor Beispiele an, die uns zeigen, wie anders die Gesundheitsfürsorge für alte Menschen gegenüber jungen Menschen aussehen müsse. Altersmalaisen können vielerlei Ursachen haben, die nichts mit den Symptomen kranker Menschen in der Mitte des Lebens zu tun haben.

Atul Gawande zitiert Philip Roth mit seinem Satz aus dem Buch „Jedermann“, dass das Alter ein Massaker sei. Wie wahr! Er führt aus, dass im letzten Ende das Alter von einer ununterbrochenen Folge von Verlusten gekennzeichnet ist. Verlust von Angehörigen, Freunden, körperlichen Fähigkeiten und nicht zuletzt der eigenen Unabhängigkeit. Mit der häufig am Lebensende zu beobachtenden Versorgung im Heim geht die selbständige Gestaltung des Lebens und Handelns endgültig verloren. Fremdbestimmung und Verlust der Autonomie sind die bitteren Begleiterscheinungen um das Wissen darum, dass wir alle sterblich sind.

Neben den allgemeinen Fakten und Berichten erlebt man in Atul Gawande eine sehr Anteil nehmende Persönlichkeit. Er hat sich mit Patienten aber auch mit dem Sterben und Ende seines Vaters intensiv und liebevoll auseinandergesetzt.

Sein Buch ist ein Appell an die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft für ein Miteinander, dass dem alten Menschen die Würde lässt und den Tod respektiert. Doch auch jeder einzelne von uns ist aufgerufen, sich der eigenen Sterblichkeit zu stellen und die Verleugnung des Todes zu beenden.

Im Anhang findet man eine Reihe von Anmerkungen zu diesem außergewöhnlichen Buch.

Atul Gawande

Sterblich sein
336 Seiten, gebunden
FISCHER, September 2015
ISBN-10: 3100024419
ISBN-13: 978-3100024411
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Rowan Coleman: Zwanzig Zeilen Liebe

Rowan Coleman: Zwanzig Zeilen Liebe

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Stella ist Krankenschwester in einem Hospiz, in dem Schwerkranke die letzten Wochen, Tage oder Monate verbringen.

Diese Arbeit fordert den ganzen Menschen, und in Nachtschwester Stella ist dieser Mensch gefunden.

Sie schreibt Nacht für Nacht Geschichten oder letzte Briefe für Angehörige von den Schwerstranken. Die Bekenntnisse, Lebensbeichten, Trauerreden oder sonst wie Versäumnisse erläuternden Schreiben bieten Einblicke in diverse Lebensschicksale. Sie sollen den Sterbenden das Ende erleichtern, in dem sie Klärungen und Rechtfertigungen ermöglichen. Es sind letzte Nachrichten aus dem irdischen Jetzt an die ehemals Geliebten, Schwestern, Brüdern, Freunde und Eltern oder Kinder. Entstanden sind so Episoden und Einblicke in die Lebenswege von zahlreichen Kranken und auch in die von Stella, Hope und Hugh, die mittelbar von lebensbedrohlichen Schicksalen berichten.

Die Todesnähe macht, dass die Briefe und Erzählungen von einer besonderen Tiefe getragen sind. Letzte Worte und Mitteilungen sind eine schwere Last. Sie müssen unter Umständen die Tragweite eines ganzen Lebens wettmachen. Stella selbst ist belastet durch eine dramatische Kriegsverletzung ihres Mannes, die er in Afghanistan erlitten hat. Während ihres schweren Dienstes am Nächsten kämpft sie selber einen tragischen Kampf um die Rettung ihrer Ehe.

Episode reiht sich an Episode. Die Schicksale rühren ans Herz, wenn einem auch die unausweichliche Nähe des Todes und die vielen Lebensschicksale gelegentlich zu viel werden.

Rowan Coleman neigt zu schmerzlichen Geschichten, in denen es um Krankheit und Tod geht, wie sie es in ihrem Roman „Einfach unvergesslich“ schon bewiesen hat. Sie hat einen ausgesuchten Sprachschatz und ist bemüht, neben der Trauer auch der Freude und den kurzen Augenblicken des Glücks Ausdruck zu geben.

Auf eine leicht makabere Weise ist der Roman unterhaltsam. Glück und Liebe, Schmerz und Kummer, Abschied und Frieden machen den Tenor der Erzählung aus.

Man sollte kein großes literarisches Werk von Rowan Coleman erwarten. Für eine kurze Ablenkung eignet sich der Roman durchaus. Doch eine gewisse Kürzung hätte dem Roman nicht geschadet.

Rowan Coleman
Zwanzig Zeilen Liebe
416 Seiten, broschiert
Piper Paperback, August 2015
ISBN-10: 349206017X
ISBN-13: 978-3492060172
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Verena Lueken: Alles zählt

Verena Lueken: Alles zählt

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Schicksale…

Wunderbar eingängig und sehr flott in der Diktion beginnt der neue Roman von Verena Lueken über eine Frau und ihre Geschichte.

Sie kommt aus Frankfurt/M nach New York, es mag im Jahr 2013 sein, und lebt für einen Sommer in der Wohnung von Freunden. Mit wenigen Worten verdichtet sich das Leben in der heißen, lauten, wilden und multikulturellen Stadt, in der in der Hitze des Abends Jazzklänge zum Tanzen verleiten, und die Menschen in einem fremdartigen Völkergemisch ihren Freuden, Nöten und allerlei sonstigen Tätigkeiten nachgehen.

Doch die Erzählerin ist krank. Sie wird eine schwere Operation erleiden müssen und sich den Fragen von Tod und Leben gegenübersehen.

Die Erzählung setzt sich schmissig fort und lässt in ihrem Tempo nicht nach. Erinnerungen an frühere Lebenszeiten und Erinnerungen an eine bewunderte Mutter und deren Lebenspartner wechseln ab mit den wachen Gedankenspielen darüber, welche Lebensphasen, Ziele und Gewohnheiten dem Leben inne wohnen.

Atmosphärisch dicht und im Erzählstrang nachdenklich erlebt man Reflexionen, Zweifel und kritische Lebensbetrachtungen einer Protagonistin, die es nicht leicht mit ihrer schweren Krankheit hat. Ihre nüchterne Betrachtungsweise und die klaren Ansagen zum eigenen Befinden werden sachlich vorgetragen. Erzählung reiht sich an Erzählung, in diesem Falle Erinnerungen und tägliche Begegnungen, ohne dass zwischen den einzelnen Episoden Brüche entstehen. Das erweckt den Eindruck einer flüssig fortschreitenden Geschichte.

Verena Lueken schreibt einen poetischen Stil, in dem das Leben in seiner ganzen Bandbreite Platz findet. Sie kann mit wenigen Worten Stimmungen, Ängste und Nöte einfangen, ohne je aufdringlich zu werden. Man fühlt sich berührt und liest mit großer Aufmerksamkeit, wie die namenlose Frau in dieser Erzählung ihr Leben zu meistern versucht.

Verena Lueken
Alles zählt
208 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, August 2015
ISBN-10: 3462047973
ISBN-13: 978-3462047974
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Henry Marsh: Um Leben und Tod

Henry Marsh: Um Leben und Tod

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Medizinische und menschliche Aspekte eines anspruchsvollen Lebens als Neurochirurg.

Henry Marsh ist Neurochirurg, ein bekannter dazu, und hat in seinem vorliegenden Buch in ungewöhnlicher Weise über seinen Berufsweg und die langjährigen Erfahrungen, die er als Chefarzt gemacht hat, ausführlich berichtet.

Dabei geht es um die Medizin, um die Bürokratie des englischen Gesundheitswesens und um die Hoffnungen und Zweifel von Arzt und Patient.

Nach frühen Umwegen bei der Berufsfindung hat er sich zum Facharzt für Neurochirurgie ausbilden lassen. Er genießt in England hohes Ansehen auf seinem Fachgebiet.

In verschiedenen Kapiteln werden Hirnerkrankungen unterschiedlichster Genese und Formen mit ebenso vielfältigen Folgen abgehandelt.

Seine Arbeit ist schwer und auch für die praktizierenden Ärzte, wie er versichert, zuweilen unerträglich. Geht es doch immer um schwerstkranke Menschen, deren Weiterleben oder Sterben von dem Grad der Erkrankung und vom Können des Chirurgen abhängt.

Seine Leidenschaft für das Handwerk, das für die Feinarbeit als Hirnchirurg unabdingbar ist, macht ihn zum Könner auf seinem Gebiet.

Dass man als Neurochirurg einerseits Distanz zum Kranken bewahren muss, um nicht im Mitleid unterzugehen, und sich andererseits doch mitmenschlich und empathisch dem Kranken und seinen Angehörigen zuwenden muss, macht er in seinen Aufzeichnungen sehr deutlich.

Er hat die Gabe, sich klug und einfühlsam zu verhalten. Das bemerkt man, wenn er über Gespräche mit Kranken und Angehörigen berichtet.

Eigenreflexionen und die Einschätzung gegenüber eigenen und den Fehlern anderer bieten ein hohes Maß an Selbstkritik. Henry Marsh ist im wahrsten Sinne des Wortes ein mitfühlender und nachdenklicher Mensch.

Man liest den Bericht über den Klinikalltag mit seinen bürokratischen Anforderungen und den medizinischen Herausforderungen teilweise mit hohem Interesse, teilweise mit Grauen, immer aber mit großer Aufmerksamkeit.

Bei den Möglichkeiten der Heilung verweist H. Marsh auf die dem Arzt gesetzten Grenzen. Der Grat zwischen Leben und Tod wird gerade in diesem Bericht überdeutlich. Zuweilen ist Nichthandeln menschlicher als Handeln, wenn sicheres Siechtum oder nur qualvolle Lebensverlängerung zu erwarten ist.

Die menschlichen, medizinischen und wissenschaftlichen Komponenten in seinem Handeln und seinem inneren Kampf um den richtigen Weg bilden den Grundtenor in seinem beruflichen Lebensrückblick. Das macht das Buch anrührend und nimmt den Leser auf ganz eigene Weise mit.

Henry Marsh
Um Leben und Tod
352 Seiten, gebunden
Deutsche Verlags-Anstalt, April 2015
ISBN-10: 3421046786
ISBN-13: 978-3421046789
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Harro Albrecht: Schmerz – Eine Befreiungsgeschichte

Harro Albrecht: Schmerz – Eine Befreiungsgeschichte

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Schmerzen kennt fast jeder. Viele haben gelegentlich mit Kopfschmerzen, Rückenschmerzen oder mit Muskelkater zu tun. Manchmal wird der Schmerz auch chronisch oder wird als so stark empfunden, dass er eigentlich nicht auszuhalten ist. Schmerzmittel helfen dann nicht mehr oder verursachen Nebenwirkungen, die auch nicht hinnehmbar sind.

Der Medizinjournalist Dr. med. Harro Albrecht hat sich einmal ausführlich mit dem Schmerz beschäftigt. Über 600 Seiten hat das vorliegende Buch. Es geht vor allem darum, wie wir Schmerz empfinden und wie wir damit umgehen. Angestrebt wird scheinbar eine komplette Schmerzfreiheit. Möglich ist das allerdings nicht und auch nicht erstrebenswert, wie der Autor aufzeigt. Er berichtet von Menschen mit einem Gendefekt, die nie Schmerzen empfinden und denen damit die Warnfunktion des Schmerzes nicht zur Verfügung steht.

Interessant ist, dass der Schmerz sich verselbstständigen kann. Es ist praktisch keine Ursache zu finden. Dass es trotzdem schmerzt, ist unbestritten, eine Behandlung aber umso schwieriger. Der Autor hat sich ausführlich mit der Entstehung des Schmerzes beschäftigt und er ist dazu quer durch die Geschichte gegangen und hat Forscher und ihre Arbeiten noch einmal aus heutiger Sicht betrachtet.

Unser Umgang mit Schmerz muss überdacht werden. Die Behandlung muss auf den ganzen Menschen bezogen werden, also ganzheitlich sein, denn Umfeld, Lebensbedingungen und Psyche spielen eine Rolle. Der Griff zur Tablette ist nicht immer sinnvoll, man kann vieles tun, das Linderung verschafft.

Das Thema ist sehr detailliert aufgearbeitet. Der Autor schlägt einen erzählenden Ton an, sodass man als interessierter Leser gut durch die Kapitel geführt wird. Ich habe eine Menge gelernt. Mein Verständnis für den Schmerz ist gewachsen. Als Ratgeber ist das Buch sicherlich nicht gedacht. Aber die Auseinandersetzung mit dem Thema lässt doch ein wenig umdenken. Die eigene Betrachtungsweise verändert sich, einfach weil man nach der Lektüre Zusammenhänge, die den Schmerz betreffen, besser versteht.

Rezension von Heike Rau

Harro Albrecht
Schmerz – Eine Befreiungsgeschichte
608 Seiten, gebunden
Pattloch Verlag
ISBN-10: 3629130380
ISBN-13: 978-3629130389
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Jonathan Evison: Umweg nach Hause

Jonathan Evison: Umweg nach Hause

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Roadtrip mit skurrilen Erlebnissen…

Schon bei den ersten Zeilen dieses Romans wird man sehr plötzlich in ein Geschehen hineingezogen, das sich erst allmählich enträtseln lässt.

Mit Einfühlungsvermögen und Sachverstand erzählt Jonathan Evison die Geschichte eines Scheiterns. Scheitern einer Ehe, eines Familienlebens und Scheitern eines schwer kranken Jungen, der nie gesund werden wird.

Ben, der unbekannte Held in diesem Roman, bewirbt sich als Krankenpfleger, da er sonst nichts mit sich anzufangen weiß und außerdem pleite ist. Der Patient, um den er sich kümmern wird, hat eine seltene Krankheit, die ihn als Krüppel in den Rollstuhl gezwungen hat. Trevor ist ca 19 Jahre alt.

Der Ton, in dem die Erzählung daher kommt, ist leicht selbstironisch, ein wenig sarkastisch, immer aber auf eine gewisse Weise humorig. Der Humor überdeckt jedoch nur eine ziemlich traurige Geschichte, in der Ben gefangen ist.

Anlässlich einer abenteuerlichen Autoreise von Washington nach Salt Lake City auf der Suche nach Trevors Vater trifft Ben mit seinem Schützling einige Anhalter, die den Unterhaltungswert der Erzählung aufmischen. Dot, Peaches und Elton haben selber kein besonders glückliches Leben. Doch für Trev und Ben sind sie liebenswert und ihrer Fürsorge wert.

Landschaftsbeschreibungen und diverse Attraktionen unterwegs geben den nötigen Pep, der die leicht melancholischen und doch so lebens- und liebeshungrigen Protagonisten aus ihrem tristen Alltag löst. Bens tragische Geschichte wird allmählich erst in groben Zügen deutlich und lässt den Leser nicht los.

Tragik und Komik liegen dicht beieinander. Es ist ein lesenwerter Roman für diejenigen unter den Lesern, die eine tragische Geschichte des Lebens lieber nicht zu dick aufgetragen erleben möchten. Doch sie rührt in ihrer Treuherzigkeit ans Herz!

Es geht um Freundschaft, Liebe, Sehnsucht und letztlich auch um die Akzeptanz der Realität.

Jonathan Evison lebt in Kalifornien und wurde für seinen ersten Roman “Alles über Lulu“ mit dem Washington State Book Award ausgezeichnet.

Jonathan Evison
Umweg nach Hause
384 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, Februar 2015
ISBN-10: 3462046594
ISBN-13: 978-3462046595
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Cecilie Enger: Die Geschenke meiner Mutter

Cecilie Enger: Die Geschenke meiner Mutter

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Im Licht der Vergänglichkeit…

In diesem Buch der Erinnerung kann man sich noch einmal die Geschichte einer Familie vergegenwärtigen, die fast ein ganzes Jahrhundert umfasst.

In einer stillen Stunde kehrt Cecilie in das Haus ihrer Eltern zurück, um den Haushalt aufzulösen. Verbunden mit der Haushaltsauflösung ist der Abschied vom Haus der Mutter und von zahlreichen Gegenständen, die Cecilie an ihre Kindheit und Jugend erinnern.

Die Familie lebt in Norwegen und wir schreiben das Jahr 2010.

Es bleibt nicht aus, dass dieser Abschied auch schmerzliche Gedanken hervorruft, denn die Mutter ist an Alzheimer erkrankt und lebt sei kurzem in einem Pflegeheim. Dass der Augenblick der Trennung kommen würde, war allen bewusst. Doch die Realität ist oftmals weniger leicht auszuhalten als die Angst davor.

Nun steht Cecilie mit ihren Erinnerungen alleine da mit dem Wust an Gegenständen, Möbeln und nicht zuletzt Aufzeichnungen ihrer Mutter. Unter anderem findet sie eine sorgfältig erstellte Liste mit Geschenken, die im Laufe eines langen Lebens an Angehörige und Freunde zu den Jahrestagen und Festen gegangen sind. Anhand dieser Erinnerungsstücke geht Cecilie Enger zurück zu den Zeiten, als sie noch ein Kind war und Freude hatte an den zahlreichen Freunden und Verwandten der Familie und an all’ den schönen Festen und Tagen der Heiterkeit.

Cecilie Enger versteht mit ihren Einfällen umzugehen und andere an diesem Geschehen teilnehmen zu lassen. Sie wechselt gekonnt zwischen Gegenwart und Vergangenheit und spinnt den Faden der Geschichte fort, bis ein rundes Familienbild entsteht.

Aus dem Licht der Vergangenheit treten Gestalten und Orte hervor und verzaubern noch einmal mit ihrer Originalität und Lebendigkeit den Leser, der angeregt von diesen Aufzeichnungen auf die eigene Lebensgeschichte stößt. Ein wenig melancholisch fühlt sich das an, wie hier ein langes Leben am inneren Auge der Autorin vorbei zieht, ein Leben, das nun bald endgültig der Vergangenheit angehören wird. Stimmungen von Ort und Zeit nehmen Gestalt an und lassen einem Roman gleich die Charaktere lebendig werden. Und wieder einmal merkt man, wie jedes Leben einem Roman gleicht und umgekehrt Romane echtes Leben widerspiegeln können. Ein schönes und lebensnahes Buch ist entstanden, an dem sich viele Leser erfreuen werden!

Die Autorin ist 51 Jahre alt und lebt in Norwegen. Sie ist Journalistin und hat für dieses Buch den Preis norwegischer Buchhändler bekommen.

Cecilie Enger

Die Geschenke meiner Mutter
272 Seiten, gebunden
Deutsche Verlags-Anstalt, September 2014
ISBN-10: 3421046522
ISBN-13: 978-3421046529
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Wolfgang Herrndorf: Arbeit und Struktur

Wolfgang Herrndorf: Arbeit und Struktur

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Tod, Abschied, Kreativität…

Ein schwer kranker Mann bemüht sich, dem Leben Tage und Wochen abzuringen, ehe der Tod kommt.

In einem Blog, dem Internettagebuch, erzählt Wolfgang Herrndorf von den Erfahrungen, die er mit der Diagnose Glioblastom machen musste. Angefangen mit den unheimlichen Symptomen, die schleichend kommen und an allerhand andere Krankheiten denken lassen bis zur endgültigen Diagnose vergeht wertvolle Zeit. Doch meistens führt der sehr aggressive Krankheitsverlauf bei dieser Krebserkrankung in sehr kurzer Zeit zum Tode.

Wolfgang Herrndorf erkrankt mit 45 Jahren an diesem unheilbaren Krebs. Hin und her gerissen zwischen Unglauben und Verzweiflung notiert er jede Regung, die ihn überwältigt. Wie soll man sich in so jungen Jahren auf der Höhe seines literarischen Erfolgs einem solchen Schicksal stellen?

Mit seinem Roman “Tschick“ hat W. Herrndorf eine ganze Generation mit ihren Sehnsüchten nach Aufbruch angesprochen. Er wurde mit seiner lakonischen Komik in diesem modernen Jugendroman jedenfalls in Deutschland sehr berühmt. Preise und Ehrungen wurden ihm zuteil; doch immer und überall fällt er nach der Diagnose wieder in das Loch des Unvermeidbaren: den nahenden Tod!

Kein Selbstmitleid und keine Rührseligkeiten stören das Bild eines Mannes, der mit aller Energie bis zuletzt schreiben will. In seinem „Blog“ registriert er sein Selenleben und den physischen Verfall. Seine Aussagen wirken authentisch und beschreiben in poetischen Worten die schwankenden Stimmungen, denen er sich ausgesetzt sieht. Anrührende Kindheitserinnerungen, sehr gute Freunde, die ihm zur Seite stehen und das Auf und Ab seines physischen und psychischen Befindens finden ausgeprägt ernsthafte Würdigung.

Er wolle Herr über sein Handeln bleiben. Diese Aussage kommt früh. Er denkt über die Möglichkeiten einer Selbsttötung nach, zu der es am Ende denn auch kommt. Doch die Intensität seines Schaffens hat uns noch weitere Werke beschert; zuletzt erschien der Roman „Sand“ und nachträglich diese von Lektoren und Freunden herausgegebenen Tagebuchaufzeichnungen. Sie gehören in ihrer klaren und freien Sprache zu den anrührend tief empfundenen  Zeugenaussagen eines von Tod Gezeichneten. Man legt das Buch nur schwer aus der Hand und möchte dem Erzähler, der uns so viel zu sagen hat, immerfort weiter zuhören.

Überraschend sind in den letzten Jahren mehrere Ausnahmekünstler in vergleichbarem Alter von um die fünfzig Jahre ihrem vorzeitigen Lebensende durch bösartige Krebserkrankungen erlegen. Neben W. Herrndorf gehören dazu Jakob Arjouni und Christoph Schlingensief.

Sie werden uns in ihren künstlerischen Nachlassenschaften in Erinnerung bleiben.

Wolfgang Herrndorf
Arbeit und Struktur
448 Seiten
Rowohlt Berlin, Dezember
ISBN-10: 3871347817
ISBN-13: 978-3871347818
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Bernhard Albrecht: Patient meines Lebens – Von Ärzten, die alles wagen

Bernhard Albrecht: Patient meines Lebens – Von Ärzten, die alles wagen

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Bernhard Albrecht ist Arzt und Wissenschaftsjournalist. In seinem Buch hat er Krankengeschichten zusammengetragen, die ungewöhnlich sind. Für den Patienten bestand keine oder kaum noch Hoffnung, jemals geheilt zu werden. Es ist den Ärzten zu verdanken, die unkonventionell handelten, sich persönlich einbrachten und alles daran setzten, dass doch ein Heilungsweg gefunden wurde. Sie gingen spektakuläre Wagnisse ein und bewegten sich dabei auf sehr dünnem Eis.

Da wird versucht, frühgeborene Zwillinge durchzubringen, die eigentlich laut Expertenmeinung keine Chance auf ein Überleben haben. Da ist der Notarzt, der einen jungen und völlig unterkühlten Mann, der dem Tod nicht näher kommen könnte, unter schwierigen Umständen doch noch rettet. Und dann der Stationsarzt, der bei einem Patienten auf eine zunächst sehr fragwürdige Therapie setzt und ihn damit von Aids heilt.

Es sind wirklich unglaubliche Fälle, die Bernhard Albrecht hier schildert. Es geht um Ärzte, die alles geben und um Patienten, die leben wollen. Die Geschichten sind so anschaulich geschildert, dass man beim Lesen eine Gänsehaut bekommt. Die Beweggründe der Ärzte und ihre Leidenschaft zum Beruf sind die eine Seite. Der Überlebenswille der Patienten, ihre Gefühle und ihr Mut, sich auf Therapieversuche einzulassen, die andere. Das alles kommt sehr tiefgehend zum Tragen.

Die medizinischen Sachverhalte sind gut erklärt. Als Leser kann man ohne entsprechendes medizinisches Wissen problemlos folgen und die Hintergründe verstehen. Sicherlich geht es um Einzelfälle. Und das Buch will auch nicht unterstellen, dass andere Ärzte nicht bereit sind, alles für ihre Patienten zu geben, auch wenn manche nur nach den festgelegten Vorgaben arbeiten. Genauso gut könnte man auch den Patienten unterstellen, nicht alles für ihre Gesundheit zu tun. Es spielen also viele Faktoren zusammen, wenn es zu einer optimalen Arzt-Patient-Konstellation kommt, wie im Buch beschrieben.

Rezension von Heike Rau

Bernhard Albrecht
Patient meines Lebens – Von Ärzten, die alles wagen
272 Seiten, gebunden
Droemer Verlag
ISBN-10: 3426275945
ISBN-13: 978-3426275948
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