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Schlagwort: Krimi

Jussi Adler-Olsen: Erlösung

Jussi Adler-Olsen: Erlösung

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Zugegeben, zunächst hatte ich Schwierigkeiten, in den Stoff einzusteigen. War mir anfangs etwas zu lahm. Das dritte Buch dieses Autors ist mein erstes. Ich kannte die Figuren noch nicht und musste mich zunächst an die bunt zusammengesetzte Mannschaft, bestehend aus dem Chef Carl Mørck, dem Assistenten Assad aus Syrien und der Hardcore-Punkerin Rose, gewöhnen. Der stets grantelnde Mørck macht es einem nicht leicht. Doch dann wurde es immer fesselnder.

In Schottland wurde von Jahren eine Flaschenpost gefunden. Nach Strömungslage konnte sie nur aus Dänemark kommen. Doch dann wird die Flasche noch auf dem Fensterbrett bei der Polizei vergessen, bis sie einige Jahre später jemandem auffällt. Da stellt man fest, dass der Brief in der Flaschenpost mit Blut geschrieben wurde. Nun wird das Fundstück an die Kopenhagener Polizei weitergeleitet. Es ist ein Fall für das Sonderdezernat Q von Carl Mørck.

Das fesselnde an diesem Buch sind die zeitlich nicht genau parallel laufenden Erzählperspektiven aus verschiedenen Ansichten. So gibt es den Strang um die Polizeiermittlungen, den Strang aus der Sicht des Serientäters, den Strang aus der Sicht der Ehefrau des Serientäters. Das Schicksal des Mörders, der in einer extrem-religiösen Familie aufgewachsen ist, wird dabei so präzise geschildert, dass man geneigt ist, Mitleid mit ihm zu haben und zu verstehen, warum er die Kinder religiöser Familien entführt und umbringt. Infolge der Asynchronität der parallelen Handlungen wird der Leser in die Lage versetzt, bereits zu wissen, was demnächst geschieht. Er ist den handelnden Figuren immer einen Schritt voraus, wird aber auch über das Geschehen in den Handlungssprüngen aufgeklärt, falls es welche gab. So beginnt eine rasante Jagd auf einen perfiden Serienmörder, der so ganz nebenbei noch seine Ehefrau aus dem Weg räumt.

Bei all dem stressigen Ermitteln lässt Adler-Olsen den Humor nicht außen vor. Im Gegenteil, die Dialoge zwischen Carl und seinen Kollegen weisen sich als höchst humorvoll und satirisch aus. Assad, der aufgeweckte Assistent erweist sich als cleverer Gesprächspartner und ermittelt mit hervorragenden Ergebnissen, obwohl er kein Polizist ist. Den “Profis” in den oberen Etagen, denn das Sonderdezernat Q hat seine Räume im Keller des Polizeipräsidiums, kann er beweisen, wer ein ebenbürtiger Ermittler ist. Selbst Rose birgt so ihre eigenen Geheimnisse. Und wenn der Chef gar mit der Polizeipsychologin turtelt, bekommt die Szenerie etwas vom “letzten Bullen”.

Wenn gerne mit süffisantem Humor und einer gehörigen Portion Thrill ins Bett geht, der kommt um dieses Buch nicht herum.

Jussi Adler-Olsen
Erlösung
Der dritte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q
Thriller
Aus dem Dänischen von Hannes Thiess
592 Seiten, Klappenbroschur
Dtv – Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423248521
ISBN-13: 978-3423248525

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011
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Holger Karsten Schmidt: Isenhart

Holger Karsten Schmidt: Isenhart

Dieses Buch direkt bei Amazon bestellen!Von einem Fremden wird das tote Neugeborene zum Leben erweckt. Man sieht es mit Bestürzung. Dennoch kann der Fremde mit Drohungen erreichen, dass sich jemand um das Kind kümmert, bevor er geht. Wer der Unheimliche ist, bleibt im Dunkeln.

Walther von Ascisberg ist dem Fremden auf der Spur und kommt zu spät. Was geschehen ist, kann er nicht hinnehmen. So tötet er das Kind. Doch sogleich bereut er es. Ihm gelingt es, den Kleinen wieder ins Leben zurückzuholen, in dem auch er ihm etwas von seiner Seele einhaucht, genau wie der Fremde.
Walter von Ascisberg nimmt den Jungen mit sich. Er übergibt ihn dem Burgherren Sigimund von Laurin, der ihn in der Familie seines Schmieds in Obhut gibt. Hier wächst Isenhart auf, ohne Kenntnis seiner Vergangenheit, während Walther von Ascisberg weiter lenkend in sein Leben eingreift. Er sorgt dafür, dass der heranwachsende Junge, der die Kunst des Schmiedhandwerks erlernt, zusätzlich Unterricht bei Pater Hieronymus erhält. Isenhart lernt mit Konrad zusammen, dem Sohn des Burgherrn. In die Tochter von Sigimund von Laurin verliebt er sich. Heimlich trifft er sich mit Anna. Doch sie wird ihm wieder genommen. Durch Mord. Isenhart findet sie mit herausgerissenem Herzen im Wald. Man kommt dem Täter schnell auf die Spur. Doch Alexander von Westheim weist alle Schuld von sich. Er bezichtigt den Abt des Klosters von Mullenbrunnen seine Hände im Spiel zu haben.

Schon dieser Anfang verspricht Spannung. Tatsächlich werden alle Erwartungen überboten. Der Mittelalterkrimi hat es in sich. 1171 beginnt die Geschichte mit Geburt, vermutetem Tod und Wiedergeburt Isenharts. Wer sein Vater ist, bleibt zunächst im Dunkeln und auch warum der Gelehrte Walther von Ascisberg sich seiner annimmt. Das untote Kind steht unter seinem Schutz. Das Privileg der Bildung kommt dem jungen Isenhart zu, der sich als ausgesprochen intelligent und wissensdurstig erweist. Doch das Glück scheint nicht auf seiner Seite. Seine junge Geliebte wird ermordet. Isenhart setzt alles daran, den Mörder zu finden. Diese Suche dauert das ganze Buch an. Denn der Mörder ist überaus raffiniert. Er versteht seine Identität perfekt zu verschleiern und er mordet unter diesem Deckmantel weiter.

Die Geschichte wird mit Perfektion im Schreibstil erzählt. Die Sätze fließen ineinander. Die Ausdrucksweise des Autors fasziniert. Detailreich, aber ohne sich in den Details zu verlieren, wird erzählt. Man könnte keinen einzigen Satz streichen. Man liest nicht nur, man erlebt die Geschichte mit. Man wird hineingezogen, interessiert und begeistert. Jeder einzelne Charakter überzeugt, auch die weniger bedeutenden sind gut ausgearbeitet.

Die Handlung ist gut ausgedacht und überzeugend konstruiert. Immer wieder wird man mit spektakulären Wendungen überrascht. Isenhart wird vom Mörder mehr als einmal getäuscht und der Leser mit ihm. Am Ende fügt sich eins ins andere. Der Mittelalterkrimi wird überaus spannend aufgelöst. Von Anfang bis Ende ein sensationell gutes Buch!

Rezensionen von Heike Rau

Holger Karsten Schmidt
Isenhart
816 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462043323
ISBN-13: 978-3462043327
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Franziska Franke: Sherlock Holmes und der Club des Höllenfeuers

Franziska Franke: Sherlock Holmes und der Club des Höllenfeuers

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Liebhaber des Detektivromans kommen mit der Reinkarnation einer aus Literatur und Film bestens bekannten Romanfigur in den spannenden Genuss, die Welt um sich herum zu vergessen und in das mediterrane Flair von Florenz einzutauchen. Franziska Franke hat sich der lange totgeglaubten Romanfigur des britischen Meisterdetektivs Sherlock Holmes angenommen. Nach ihrem Debütroman „Sherlock Holmes und die Büste der Primavera“ handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um den zweiten Krimi dieses Stils, eines Stils, der dem des Altmeisters Arthur Conan Doyles nicht unähnlich ist.

In nüchterner, berichtender Weise beschreibt Mister Tristram, der enge Vertraute des großen Detektivs in der englischen Gemeinde von Florenz, Holmes Vorgehensweise bei den Ermittlungen. Während Holmes in England kaum auf seinen Dr. Watson verzichtete, weil der ihm unendlich viele Chancen bot, mit seinem Spürsinn zu glänzen, so verhält sich Mr. Tristram kaum anders. Bemüht, den Freund Holmes bei den Ermittlungen zu unterstützen, hat dieser nichts anderes zu tun, ihn bloßzustellen und mit seinem eigenen Wissen zu glänzen und zu belehren. Aus seiner Verblüffung über so manchen verwinkelten Gedankengang seines Freundes, der inkognito ermittelt, macht Tristram kein Geheimnis.

Die Ermittlungen drehen sich zunächst um das Auffinden eines Gemäldes, welches bei einem Mitglied des Höllenfeuer-Clubs, einem elitären Kreis der englischen Gemeinde, verschwunden ist. Sherlock Holmes wird beauftragt, das Gemälde zu finden. Erstaunlicherweise hat der Täter nicht die überaus wertvollen Gemälde aus der Renaissancezeit entwendet, sondern eines, auf welchem die fünf Mitglieder dieses esoterischen Clubs von einem Restaurator der Stadt porträtiert worden waren. Der Routinefall wandelt sich schnell zu etwas Ungewöhnlichem, als der Florentiner Maler und Restaurator tödlich verunglückt. Ein Umstand, den Sherlock Holmes stark bezweifelt. Nicht nur Holmes sondern auch sein Gehilfe Tristram geht von Mord aus und kommt so manchem Geheimnis der fünf Porträtierten auf die Spur.

Mit faszinierender Detailtreue beschreibt die Autorin die akribische Ermittlungsarbeit. Da der Eindruck eines nüchternen Berichts erweckt werden soll, dessen Manuskript auf dem Dachboden eines Buchhändlers gefunden wurde, bedient sich die Autorin auch gerne Fußnoten, die das eine oder andere Detail näher erläutern. Eine Methode, die dem Roman Authentizität verleiht.

Mit Humor beseelt werden immer wieder die zwar für Tristram und den Leser überraschenden Wendungen, die für den Meister jedoch offenbar immer wieder vorhersehbar waren. Als Leser kann man sich das etwas langsamer funktionierende Gehirn Mr. Tristrams allerdings gut nachvollziehen, sieht man sich doch selbst oft genug von Holmes an der Nase herumgeführt.

Für Leser, die Sherlock Holmes, Hercule Poirot oder Miss Marple lieben, ist dieses Buch ein unabdingbares Muss. Er wird verzaubert mit einer spannenden Mischung aus Arthus C. Doyle und Donna Leon.

Franziska Franke
Sherlock Holmes und der Club des Höllenfeuers
365 Seiten, broschiert
KBV Verlag, Hillesheim
ISBN-10: 3940077933
ISBN-13: 978-3940077-93-6

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011
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Uwe Schimunek: Katzmann und die Dämonen des Krieges

Uwe Schimunek: Katzmann und die Dämonen des Krieges

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Ich habe mich auf den Kriminalroman „Katzmann und die Dämonen des Krieges“ gefreut, denn ich hatte Uwe Schimuneks Schreibstil aus den Kurzgeschichten in „13 kleine Thriller“ als sehr unterhaltsam in Erinnerung. Er hat diesen Stil auch bei dem Roman beibehalten. Leider.

Von vorn: „Katzmann und die Dämonen des Krieges“ ist der zweite Fall um den Dresdner Journalisten Konrad Katzmann. Die Roman-Reihe lässt in fiktiven Kriminalfällen das Sachsen der frühen 1900er Jahre lebendig werden. Sagt zumindest der Klappentext auf dem hinteren Cover. Das Buch von Uwe Schimunek (Journalist) führt Katzmann bei einem Diensteinsatz in das Leipzig des Jahres 1920. Schimunek (Jahrgang 1969) hat dafür gründlich recherchiert und kann das Leipzig jener Tage anscheinend auf die Hausnummer genau nachzeichnen. Und er tut es auch.

Ist das das Problem? Wie schon in den „13 kleinen Thrillern“ benutzt Schimunek Straßen- und ähnliche Namen mit einer Selbstverständlichkeit, als zeigten sie, wie es „dort“ aussieht. Aber das tun sie natürlich nicht. Das heißt, man bekommt Fakten genannt, die leer bleiben. Bei den Kurzgeschichten war das schon nicht so glücklich, hier aber stört es mich massiv. Nicht nur, dass so das offenkundig geplante Lokalkolorit nicht entsteht, der Leser wird mit jedem Namen, der ihm fremd ist, auch noch daran erinnert, dass er keine Ahnung vom Handlungsort hat. Dummerweise fühlte ich mich dennoch verpflichtet, den Namen Bedeutung beizumessen. Sicher – so das penetrante Gefühl – hat in dieser Straße und jenem Haus etwas historisch Interessantes stattgefunden, wenn die Lokalität schon so plakativ erwähnt wird. Ich weiß es nur nicht, ich Dummchen. Nachgegrübelt habe ich beim Lesen trotzdem immer. Ablenkend war das auf jeden Fall.

Ablenkend ist auch der zugegeben besondere Stil Schimuneks. Es ist eine eher harte, detailreiche Sprache, die nicht recht ins Fließen kommt. Das betrifft zum einen den reinen Klang, zum anderen die ständigen sehr farbigen Details, die permanente Konzentration fordern. Sowas wie „Stimmung“ gibt es nicht, selbst das Denken der Figuren ist kurz, faktenreich und abgehakt. Richtig schwer wird das Erfassen all dieser Details dadurch, dass sie nahezu nie aufeinander aufbauende Bilder ergeben, und – und das ist das größte Manko – so ungewöhnlich „codiert“ und bildhaft gemacht sind, dass man immer neu überlegen muss, was Schimunek meint. Nicht immer gelang mir das. Der Drang, originelle Vergleiche anzustellen, treibt zuweilen sogar groteske Blüten. Da sind Geheimratsecken dergestalt, dass man „ein Hühnerei darin platzieren könnte“ oder das eigentlich harte, trockene, laute Klappern von etlichen Schreibmaschinen wird mit „Mäusen“ verglichen, die „versuchen, Stahlträger mit kleinen Hämmerchen zu verformen“. Dass einer der Protagonisten, als er zusammengekrümmt daliegt, seine „Hände in der Bauchhöhle“ versteckt, ist schließlich regelrechter Unsinn. In den ganz kurzen Texten Schimuneks mag dieser Wunsch nach Originalität zu einem locker-witzigen Ton führen – nach 15 Seiten wird es jedoch kraft- und konzentrationsraubend und Katzmanns zweiter Fall hat da noch nicht mal richtig angefangen.

Apropos anfangen: Ich weiß nicht, wann Katzmann anfängt, den Fall zu lösen. Das Buch beginnt damit, dass Helmut Cramer bei einem Einbruch bei einem Großhändler diesen ermordet vorfindet und liegen lässt. Die Sekretärin – die blutjunge Liesbeth Weymann – ist die nächste, die den Toten findet, und sie holt die Polizei. Inzwischen wartet Heinz Eggebrecht, seines Zeichens Lehrling bei der Leipziger Volkszeitung, auf Konrad Katzman, der eine Zeit lang in Leipzig arbeiten soll und sich schon kurz nach der Ankunft in den Mordfall verbeißt. Erzählt wird – nahezu im ganzen Roman – aus der Sicht dieser drei Figuren. Bis zur Hälfte des Buches werden nun diese und weitere Personen zueinander in Relation und Stellung gebracht, gestohlenes Geld wird als Krimi-Element eingeführt und Katzmann führt ein paar launige, wenig informative Gespräche. Dann geht es Schlag auf Schlag: Plötzlich werden wirklich wichtige Dinge in den „Interviews“ offenbart, wirklich wichtige Figuren und Konstellationen gezeigt und die Action geht los. Im Hintergrund zumindest, denn irgendwie reiten die Hauptfiguren nur auf den Wellen der Ereignisse, statt sie selbst zu erzeugen. Im Höchstfall rühren sie gelegentlich mal ein bisschen oberflächlich darin herum. Am Ende braust alles ohne ersichtlichen Anlass plötzlich hoch auf, überschlägt sich und ist – irgendwie wie von selbst – gelöst.

Ja, mag sein, dass der Fall an sich logisch korrekt gebaut ist, dass die Straßennamen und historischen Ereignisse korrekt zitiert werden und der Spannungsbogen formal einigermaßen stimmt. Aber es gibt keinen Zugang zu den Figuren. Sie sind – trotz der mitgeteilten „Blicke aus dem Innern“ – alles in allem kaum mehr kleinteilige Oberflächen. Vielleicht hätte Schimunek wenigstens die Ermittler-Position (also Katzmann) handelnd darstellen sollen, statt Eggebrecht nur beobachten zu lassen, was Katzmann tut. Aber auch dann müsste er in die Figur eintauchen, sie spielen, statt sie wie Marionetten zu führen und die Emotionen in Bilder zu packen, die wie Hinweisschilder in die Kulisse gestellt werden. Selbst in den Momenten, wenn im Fluss des Erzählens eine Empfindung recht „pur“ heraus quillt, glaubt Schimunek, sie noch durch einen Vergleich anschaulicher machen zu müssen – und futsch ist die Stimmung.

Noch manches könnte kritisch erwähnt werden. Dass die „Dämonen des Krieges“ aus dem Titel sich als relativ simple Schweinerei entpuppen zum Beispiel, oder dass die politische Situation nackte Kulisse bleibt statt wirklich lebendig zu werden. Auch hier fühlen sich die erwähnten Fakten wie aufgestellte Schilder an, die man genausogut aus der Kulisse entfernen könnte, ohne dass die Handlung Schaden nimmt. Das zeitweilige Verbot der Leipziger Volkszeitung zum Beispiel lässt Katzmann nicht anders agieren als in der Zeit, als die LVZ wieder erscheinen darf. Das einzig Spürbare dieser Kategorie ist eine gewisses „Genossentum“ und die Animositäten zwischen den Parteien und Gruppen. Das schimmert in Dialogen immer wieder durch, was (z. B.) weder von der „ausgeschilderten“ Arroganz der „Reichen“ noch mit Blick auf den Kapp-Putsch sagen kann. Vielleicht hätte das versprochene „lebendige Bild“ dieser Zeit gezeichnet werden können, wenn Schimunek ein, zwei politisch halbwegs engagierte Figuren zum Erzählerstandort gemacht hätte und/oder seine Figuren nicht nur durch den Fall sondern tatsächlich durch ihren Alltag begleitet hätte. Und zwar nicht als originell formulierender, beobachtender Journalist, sondern als sich einfühlender Teilnehmer.

Nein, es ist kein Meisterwerk, was Uwe Schimunek da abgeliefert hat. Man kann den Stil, der in Krimi-Mini-Stories hervorragend funktioniert, eben nicht einfach auf 203 Seiten ausdehnen. Schade. Um die sicher mühsame Recherche, den Aufwand beim Originell-Sein und beim Fall-Bauen und um die Figuren, die so blass und klischeehaft bleiben.

Gibt es noch was Gutes zu sagen? Wer Leipzig liebt und gut kennt, freut sich vielleicht, vertraute Namen zu lesen. Wer mag, kann die oben erwähnte „Schweinerei“ durchaus auch als Friedensmahnung verstehen (obwohl das leicht angreifbar wäre) und die erkennbaren Absichten im Buch honorieren. Und darüber hinaus? Vielleicht: Schlecht ist das Buch nicht wirklich. Ich war nur sehr enttäuscht.

Uwe Schimunek
Katzmann und die Dämonen des Krieges
Katzmanns zweiter Fall
203 Seiten, broschiert
Jaron-Verlag
ISBN-10: 3897739011
ISBN-13: 978-3-89773-9017
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Wieland Freund: Falsches Spiel in Silver City

Wieland Freund: Falsches Spiel in Silver City

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Es ist eine Menge Geld, mit der Dave Kellen da unterwegs ist. Er hütet es gut, aber wohl ist ihm nicht bei der Sache. Von dem Geld, so haben seine Brüder beschlossen, sollen in Virginia City Anteile an einer Silbermine gekauft werden.
Vor Silver City passiert es dann. Die Postkutsche wird überfallen. Er und seine Mitreisenden Edmund Curry und Penny Dreadful sind einem dreisten Dieb ausgeliefert. Edmund erweist sich nicht gerade als Held. Zwar versucht er gegen den einarmigen Räuber vorzugehen, aber ein von ihm abgefeuerter Schuss streift Dave. Dann wird Edmund niedergeschlagen und der Räuber macht weiter Beute. Auch Daves Geldkatze gerät ins Visier des skrupellosen Diebes.
In Silver City sucht man sofort den Sheriff Sam Finney auf. Dave hat sich als Erklärung für seine Reise eine Lüge ausgedacht. Er erzählt, nach Salt Lake zu wollen, wo sein Onkel ihn mit dem Geld zur Begleichung von Schulden erwartet.
Im Büro des Sheriffs erfahren die drei, dass der Einarmige nicht zum ersten Mal zugeschlagen hat. Dave und die zwei Erwachsenen wollen vorerst in der Stadt bleiben. Sie haben Hoffnung, dass der Dieb geschnappt wird.
Allerdings hat niemand mehr Geld. Als sie Hiram McLoud von den „Argent News“ treffen, scheint sich eine Möglichkeit zu ergeben. Edmund Curry gibt vor, Autor zu sein. Er wäre bereit über den Überfall in der Zeitung zu berichten. So nimmt Hiram die Reisenden auf.

Unversehens strandet die kleine Reisegruppe in Silver City, ohne einen Cent in der Tasche. Edmund Curry hat ohnehin nicht viel besessen. Penny Dreadful hat etwas mehr zu verlieren, darunter auch einen Schmuckstein, einen schwarzen Karfunkel. Für Dave steht schon etwas mehr auf dem Spiel.
Und weil die drei wiederhaben wollen, was gestohlen wurde und der einarmige Bandit nicht einfach so davonkommen soll, bilden sie ein Team. In Hiram McLoud finden sie einen Verbündeten. Es ist spannend zu beobachten, wie diese ungleichen Personen zu einem Team zusammenwachsen.

Die Hintergründe zum Roman sind also für sich genommen schon mal sehr spannend. Der Autor bedient dazu die üblichen Klieschees, so wie man es von einem ordentlichen Wildwest-Krimi erwartet. Da stimmt einfach alles.
Der Buchtitel sagt aber schon einmal aus, dass es nicht einfach sein wird, den Fall zu lösen. Dem entsprechend abenteuerlich geht es bei der Suche nach dem Räuber zu. Vor Überraschungen im Verlauf der Handlung kann man nie sicher sein. Sehr unterhaltsam sind auch die eingebauten lustigen Szenen.

Sehr gut gefallen die Figuren. Allen voran der 12-jährige Dave, dem seine Rolle als Kind auch gelassen wird. Bei Edmund Curry und Penny Dreadful kann man nur spekulieren. Sie haben ihre Geheimnisse. Man interessiert sich für sie. Aber auch alle Nebenfiguren sind gut ausgearbeitet. Die Geschichte wirkt dadurch sehr lebendig. Der Schreibstil tut ein Übriges. Das Buch liest sich sehr flüssig.

Der Sheriff zeigt sich wenig engagiert, so dass die Dinge vor allem von den anderen in die Hände genommen werden müssen. Doch gerade Edmund Curry ist ein aufmerksamer und wissbegieriger Zuhörer. Er geht auf die Menschen zu und weckt umgehend ihr Vertrauen, selbst wenn er Lügen erzählt. So kommt er an Informationen, die wichtig sind. Es macht sehr viel Spaß zu lesen, wie die Geschichte sich entwickelt, wie ganz langsam Licht ins Dunkel kommt. Die Handlung bleibt abenteuerlich bis zum Schluss und wird mit einer Überraschung aufgelöst. Ein wirklich wunderbares Buch!

Rezension von Heike Rau

Wieland Freund
Falsches Spiel in Silver City
Eine Wildwest-Geschichte
152 Seiten, gebunden
Beltz & Gelberg
ISBN-10: 3407799853
ISBN-13: 978-3407799852
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Ursula Meyer: … brenne auf mein Licht

Ursula Meyer: … brenne auf mein Licht

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Der sechste Fall für Kommissarin Züricher in Münster ist ein spannender und unterhaltender Roman von Ursula Meyer. Die Kriminalschriftstellerin überzeugt mit detailreicher Milieukenntnis, sowohl was Münster und dessen Umgebung als auch die kirchlichen, regionalen Zusammenhänge angeht. An manch einer Stelle hätte eine Beschreibung nicht so umfangreich sein müssen, weil die Nerven des Lesers ohnehin wegen der kriminellen Spannung strapaziert wurden.

In einem Kindergarten wurde die anonyme Ankündigung eines Entführung entgegengenommen. Dieser Brief erweckt Besorgnis, denn bereits vor sechs Jahren waren Kinder aus demselben Kindergarten entführt und später tot aufgefunden worden. Es hat den Anschein, als würde es sich erneut um einen solchen Vorfall handeln und die Polizei hätte es jetzt definitiv mit einer Serientat zu tun. Das Verbrechen soll wie zuvor am Martinstag geschehen. Zwei Wochen bleiben der Ermittlerin und ihrem Team vom KK12 (vermisste Personen), dem Täter auf die Spur zu kommen, bevor das Verbrechen geschehen kann. Fieberhaft wird ermittelt, werden Fragen zu den vorangegangenen Entführungen gestellt, Akten gewälzt. Den Spuren, die ins Bistum führen, muss ebenso nachgegangen werden wie denen, die nach Italien führen. Züricher möchte verzweifeln. Diesen Luxus kann sie sich jedoch nicht leisten, denn im Hafen wird eine Leiche gefunden.

Die Autorin bringt eine große Anzahl Personen in die Handlung. Personen, die zwar nicht unwichtig für den Fortgang der Handlung sind, die aber andererseits nicht so detailliert ausgearbeitet sind, dass sich der Leser mit ihnen identifizieren kann. Eher nüchtern werden die Kommissare, das Personal des Kindergartens und die anderen Personen vorgestellt. Ihre Handlungen und Denkweisen sind nachvollziehbar und plausibel, aber in die Haut von Sieglinde Züricher und ihren Kollegen Max Lückmann kann man nicht schlüpfen.

Alles in allem ein sehr unterhaltsamer und gerne zu empfehlender Krimi aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Kollegen Wilsberg, Börne und Thiel, der nicht lange auf dem Nachttisch liegenbleiben wird, wenn man einmal auf der ersten Seite zu lesen begonnen hat.

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Meyer, Ursula
… brenne auf mein Licht
Sieglinde Zürichers sechster Fall
304 Seiten, broschiert
Waxmann Verlag
ISBN-10: 3830914148
ISBN-13: 978-3830914143
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2011
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Thomas Pynchon: Natürliche Mängel

Thomas Pynchon: Natürliche Mängel

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Wer lange Zeit keinen Detektivroman gelesen hat, der kann sich mit dem neuen Roman des medienscheuen Thomas Pynchon wieder an dieses Genre herantasten. „Natürliche Mängel“, so der deutsche Titel für „Inherent Vice“, führt zurück in das Kalifornien von 1970. Allerdings sollte der Leser keinen Detektiv a la Philipp Marlowe oder Mike Hammer erwarten. Larry „Doc“ Sportello ist ein Detektiv Anfang Zwanzig und fest in der Hippie-Szene verankert. Er verschmäht den Stoff nicht und hat seinem Detektivbüro den vielsagenden Namen „Location, Survaillance, Detection“ – kurz: LSD – gegeben. Nur den chronischen Geldmangel hat er gemein mit den anderen klassischen Romandetektiven. Deshalb ist ihm wie auch jenen jeder Auftrag recht. So nimmt er noch schnell den Auftrag zum Schuldeneintreiben an. Beim Leibwächter des in Los Angeles angesehensten Immobilienhais soll er das Geld beschaffen. Leichte Sache, denkt er sich, taucht jedoch bei seiner Arbeit in den neon-gelben Nebel eines Marihuana-Rauschs. Als er wieder wach wird, blickt er in das Gesicht seines Lieblingspolizisten. Der Schlamassel kann beginnen: neben ihm liegt der Leibwächter tot auf dem Boden, der Immobilienhai ist spurlos verschwunden, entführt. Sein Lieblingspolizist ist nicht gut auf Hippies zu sprechen.

Auf stets wechselnden Schauplätzen in L. A. und Las Vegas lässt Pynchon seinen Detektiv ermitteln, höchst ominöse Gestalten agieren in der Handlung und legen falsche Fährten sowohl für den Ermittler als auch für den Leser. Dazu gehören auch der Lieblingspolizist Bigfoot Bjornsen, der Stacheldraht sammeln sein Hobby nennt, Sportellos Anwalt, der hauptsächlich auf Donald Duck spezialisiert ist, ein Verbrechersyndikat mit dem chinesisch klingen Namen „Goldener Fang“, Verbrecher wie Charles Manson und Richard Nixon.

Mit viel Humor und jede Menge kleiner Details lässt der Autor die frühen 1970er Jahre in Kalifornien im Kopf der Leser entstehen. Der Humor drückt sich in der Skurilität der Figuren und ihren Dialogen aus. Äußerst unterhaltsam ist das plötzliche Erscheinen von Sportellos Eltern vor seiner Wohnung, die er zusammen mit einem Kumpel bewohnt. Oder auch die folgende Szene:

„Doc stellte fest, dass er keine Zigaretten mehr hatte. Er legte den Hörer auf den Küchentisch und ging seine Stange Kools suchen, die sich nach längeren Nachforschungen im Gefrierfach fand, neben den Resten einer Pizza, deren Vorhandensein er vergessen hatte und deren Zutaten er trotz ihrer Buntheit nicht mehr alle identifizieren konnte. Da er trotzdem leichten Hunger verspürte, beschloss er, sich ein Sandwich mit Erdnussbutter und Mayonnaise zu schmieren, machte eine kalte Dose Burgie ausfindig und wollte schon ins andere Zimmer gehen, um den Fernseher einzuschalten, als er seltsame Geräusche hörte, die vom Telefon kamen, dessen Hörer offenbar abgenommen war …“

Die vielen Details sorgen bei den Lesern, die die Zeit selbst miterlebt haben, für unerschöpfliche Möglichkeiten, den Erinnerungen auf die Sprünge zu helfen. Neben Fernsehserien wie „Raumschiff Enterprise“ wird mit viel Musik im West Coast Sound an die damalige Zeit erinnert. Die Beach Boys scheinen dem Leser unaufhörlich im Ohr zu klingen, schrille Neonreklamen laufen vor seinem geistigen Auge ab, auf jeder dritten Seite wird er zum Kiffen animiert.

Nicht zuletzt dank der gelungenen Übersetzung von Nikolaus Stingl bietet der Roman beste Unterhaltung auf hohem Niveau mit der Bedienung eines Genres in allen Details und Klischees, die von diesem Genre erwartet werden. Eine Zeitreise in eine vergangene, jedoch nicht zu ferne, Zeit, die von vielen Lesern auch mit verklärten Augen gesehen werden wird und die von den jüngeren Lesern zu einer Aufklärungsreise über ihre Eltern führen kann.
Und noch ein kleiner Tipp: auf YouTube oder bei Amazon kann der Videotrailer zum Roman angeschaut werden, der angeblich vom Autor selbst besprochen sein soll.

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Pynchon, Thomas
Natürliche Mängel
(aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl)
480 Seiten, gebunden
Rohwohlt, Hamburg
ISBN-10: 3498053108
ISBN-13: 978-3498053109
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2011
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Colin McAdam: Fall

Colin McAdam: Fall

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Milieustudie aus einem Nobel-Internat in Kanada.

Noel und Julius sind Eliteschüler in einem noblen College in St.Ebury in Kanada. Sie gehören zu den letzten drei Klassen, in denen Jungenüberschuss herrscht. Ihre Fantasien gelten den wenigen Mädchen und hier besonders Fall, einer der reizvollsten und schönsten Töchter aus gutem Hause. Alle befinden sich voll im Übergang von der Jugend zum Erwachsensein. Die Pubertät beherrscht mit allen ihren Nöten das Denken und Fühlen der Jungen und Mädchen.

In einer sehr eigenwilligen Sprachmodulation erfasst Colin McAdam mit seinen knappen, betörenden und von Unsicherheit gekennzeichneten Worten den Ton der Jugendlichen. Man lebt gedrängt in Mehrbettzimmern und kommt sich so näher, als manch’ einem lieb ist.

Noel bleibt der Benachteiligte, der die schöne Fall nicht für sich gewinnen kann, weil diese Julius, den smarten und klugen Diplomatensohn des US Botschafters, bevorzugt. Was für ein Ränkespiel betreibt Noel, der Eigenbrötler und Bücherfreund seinem Freund Julius gegenüber?

Aus unterschiedlichen Perspektiven beschreiben Noel und Julius ihre Erlebnisse und Gefühle. Hinter den beinahe surrealen Assoziationen, die von der Liebe, von den Körpern und Gerüchen der anderen und von ersehnten Begegnungen handeln, spürt man die drängenden Wünsche nach sexueller Annäherung und Erfüllung. Zugleich wird das Internatsleben mit seinen Bedrückungen und Beengungen gezeigt. Die Söhne und Töchter der mehr oder weniger gut gestellten Diplomaten sind dem System von Lernen und Frust ausgesetzt, das zu unwirklichen Handlungen führt. Dass sich in den letzten Teil des Romans unaufdringlich ein Kriminalfall einschleicht, macht die Geschichte spannend. Lange Zeit bleibt man alleine den vagen Erlebnissen und Assoziationen der Schüler überlassen, die zwar atmosphärisch ausgeprägt sind jedoch keinen wirklichen Handlungsstrang versprechen. So bleibt der Eindruck, dass wir es hier mit einer aussagekräftigen Milieustudie zu tun haben, die nicht jedem in seiner leicht gekünstelten Darstellungsvielfalt gefallen wird.

Colin McAdam
Fall
392 Seiten, gebunden
Verlag Klaus Wagenbach
ISBN-10: 3803132339
ISBN-13: 978-3803132338
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Anita Shreve: Weil sie sich liebten

Anita Shreve: Weil sie sich liebten

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Unglückliche Folgen einer Jugendverfehlung.

Anita Shreve zieht ihre Krimis in besonderer Weise auf: sie hebt den Fokus der Untat zuerst in den Blick, und bemüht sich danach erst wie im richtigen Leben um Aufklärung über die Hintergründe eines Verbrechens.

Hier veranstalten in einem feinen Eliteinternat in Vermont drei Jungen und ein 14jähriges Mädchen eine sexuelle Orgie, die auf einem Band von einem fünften Täter festgehalten und zur Kenntnis der Schulleitung gebracht wird. Die Bilder sind ekelhaft und der Schulleiter Mike Bordwin ist geschockt. Niemand kann sich einen Reim darauf machen, wie es zu dem Verstoß gegen alle guten Sitten und die Internatsordnung kommen konnte.

In einer strengen Analyse versucht Anita Shreve, Ordnung in das äußere Chaos der Handlung zu bringen. Aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet sie Ehen, Familien und einzelne Personen mit ihren Verbindungen, Neigungen und unglücklich verlaufenden Lebensdaten. Absonderliche Handlungen brechen sich Bahn, und Anita Shreve beschreibt mit klarem Blick das Ausmaß menschlicher Schwächen. Im Alkoholrausch verlieren alle Schranken bürgerlicher Wohlanständigkeit ihre Gültigkeit. Die Tragödie, die Ehen und Beziehungen zwischen ganz normalen Menschen zerstört, fördert geheime Wünsche und Abartigkeiten zu Tage.

Anita Shreve gelingt das Soziogramm einer Jugendgemeinschaft, in der sich Handlungen verselbständigen, und perverse Bedürfnisse ohne Rücksicht auf die Folgen ausgelebt werden.

Charaktere von Eltern und Schülern werden in ihrer Verschiedenartigkeit geschildert, und Schuld, Liebe und Sühne verschwimmen mit einander.

Handlungsabläufe bringen uns einzelne Protagonisten nahe. Gebannt folgt man der Entwicklung, die eine ganze Schule und zuletzt die Stadt in Misskredit bringt, Familien zerstört und Existenzen bedroht.

Der Roman hat unmittelbaren Realitätsbezug und ist somit ein Dokument unserer Zeit. Außerdem zeigt er, was alles möglich ist, und in welcher Weise Medien bei der Verbreitung und Bekanntmachung eines Verbrechens mitwirken, so dass schließlich alle Betroffenen auf der Strecke bleiben.

Anita Shreve schreibt sich mit dieser subtilen Romanhandlung einmal mehr in die Herzen der Krimifreunde.

Anita Shreve
Weil sie sich liebten
353 Seiten, gebunden
Piper, September 2010
ISBN-10: 3492052851
ISBN-13: 978-3492052856
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Stefanie Koch: Die Stunde der Artisten

Stefanie Koch: Die Stunde der Artisten

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Man glaubt gar nicht, was sich auf Düsseldorfs Straßen und in seinen Häusern und Varietés alles während einer Fußball-WM abspielt. Bei einem toten Varietémanager bleibt es nicht, schnell gesellen sich weitere tote Artisten und ein toter Taxifahrer hinzu. Dass der Tod des Leiters des weit über Düsseldorf hinaus bekannten Apollo-Theaters (Roncalli) etwas mit dem Tod der Artistin zusammenhängt, mag angehen. Doch wie passt der tote Taxifahrer hier hinein?

Kommissar Lavalle steht mit seinem Team vor seinem dritten Fall, dessen Aufklärung aussichtslos bis unmöglich scheint. Daran ist allerdings Düsseldorfs Polizeipräsident mit seiner Karrieresucht nicht ganz unschuldig (ein beliebtes Spielfeld auch für andere Düsseldorfer Krimiautoren wie Horst Eckert oder Klaus Stickelbröck). Im Falle von Stefanie Koch setzt besagter Polizeichef eine aus Frankfurt kommende, alkoholabhängige Beamtin auf Lavalle und seine Leute an, damit sie dessen Posten übernehmen und seine Mitarbeiter gefügig machen kann. Die kranke Polizistin zieht alle Register des Mobbings und behindert damit die Ermittlungen, deren Erfolg sie sich selbst an die Brust heften möchte.

Stefanie Koch ist eine zwar verworrene, aber umso mehr faszinierende und spannende Verschachtelung der Plots aus Haupt- und Nebenhandlungen gelungen, die den Leser sofort in ihren Bann ziehen. Ihre Zeit und Mühen, die die Autorin in die Recherchen im Artistenmilieu investierte, haben in dem Buch reiche Früchte getragen. Mit einer Detailtreue ist dieses Milieu beschrieben und als Leser ist man Willens zu glauben, dass viele Informationen und Abläufe der Realität entsprechen. Mit der bildhaften Beschreibung wird der Leser direkt in die Szenerie gesetzt, so dass er der Meinung sein könnte, unmittelbar an den Ermittlungen beteiligt zu sein. Gleich mehrere Figuren haben das Zeug in sich, mit dem sich die Leser identifizieren können, egal ob es sich dabei um die Kollegen oder Freunde von Lavalle handelt. Die Handlungen und Gedanken sind nachvollziehbar, weshalb dann auch die Problemchen in Lavalles persönlichem Umfeld unterhaltsam und spannend sind.

Die ungeheuer komplexe Geschichte hätte jedoch nicht gleich von Beginn an so komplex erscheinen müssen. Zu viele Personen wurden ins Spiel gebracht. Die Einführung der notwendigen Personen im Rahmen der Handlung hätte sicherlich ausgereicht. Nicht nur namentlich werden ein mehrköpfiges Ermittlerteam, vier Töchter, von denen zwei im weiteren Verlauf ein Rolle spielen, zwölf Artisten und weitere Personen charakterisiert. Doch dann wird es mit fortschreitender Handlung ruhiger, was die Charakterisierung angeht, nicht was die Handlung betrifft. Die Spannung bleibt bei allem immer auf gleich hohem Niveau. Das Tempo wird von der Handlung diktiert, die nicht nur wegen ihrer Bilder, sondern auch dank der alltagstauglichen Dialoge, die in einem ausgewogenen Wechsel zu den erzählten Passagen auftauchen. Die Chronologie der Handlung, die innerhalb einer Woche abläuft, ist mit entsprechenden Absatzüberschriften und Ortsangaben versehen, was nicht nur dem Düsseldorfer Leser eine Orientierung gibt.

Die rasante Handlung und die Turbulenzen im Team und im Leben des Kommissars mit französischen Wurzeln lassen das Buch schnell und flüssig lesen. Es ist wünschenswert, dass die Autorin ihr in der Danksagung gegebenes Versprechen einhält und Lavalle mit seiner Mannschaft noch weitere Fälle am Rhein lösen wird.

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Stefanie Koch
Die Stunde der Artisten
272 Seiten, broschiert
Ars Vivendi
ISBN-10: 3897169835
ISBN-13: 978-3897169838
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(c) Detlef Knut, Düsseldorf, 2010
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