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Schlagwort: Liebessehnsucht

Emily St. John Mandel: Das Licht der letzten Tage

Emily St. John Mandel: Das Licht der letzten Tage

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Apokalyptische Visionen.

In dieser Geschichte, teils Fiktion, teils Rückblende, ist zunächst schwer ein roter Faden auszumachen.

Er zeigt apokalyptische Formen, die fast ein wenig an den ebenfalls sehr apokalyptischen Roman „Die Strasse“ von Cormac McCarthy erinnert.

Hier geht es um einen Virus, der binnen kurzer Zeit alles menschliche Leben auf Erden vernichtet. Es gibt nur wenige Überlebende.

In der Rückblende erfährt man erst Näheres über die einzelnen Akteure, Schauspieler, Liebende oder Freunde verschiedener Profession.

Arthur Leander, ein inzwischen berühmter Schauspieler, ist einer der Hauptakteure. Er hat verschiedene Ehen hinter sich. Zuerst mit Miranda, einer sieben Jahre jüngeren Frau, die er schon nach drei Jahren über hat und sie ihn! Hinreißend ist die Beschreibung, wie sie erkennt, dass sie in dieses Hollywood jener Schauspieler von Rang und Namen nicht gehört.

Doch sie ist eine aparte Person mit einem eigenwilligen Charakter. Schon lange arbeitet sie an einem Comic mit dem Titel „Das Licht der letzten Tage“. Es handelt sich nach ihren Aussagen um eine Graphic Novel, aber sie bietet niemandem Einblick in ihr Werk. Nur wir können uns vorstellen, dass dieser Comic uns an den Anfang der Geschichte zurückkatapultieren will.

So weit so gut.

Im Grunde geht es hier um die ganzen menschlichen Eitelkeiten, Entwicklungen, Trauer, Verlust und die Liebe!

Die Erzählung ist fein gesponnen, klug durchdacht und sprüht nur so vor Ideen, die den Leser herausfordern, sich intensiv mit dem Sujet zu befassen. Denn häufige Orts- und Szenenwechsel müssen verfolgt und erkannt werden.

Dann aber bekommt man Einblicke in gesellschaftliche Tabus und Verlockungen, in das Wechselspiel zwischen Beziehungen vom Beginn bis zum Ende bieten und in die Verwicklungen, in denen sich Menschen in Verkennung von Realität und Traum verfangen können.

Umrahmt bleibt die ganze Geschichte vom apokalyptischen Untergang. Die Menschen sind alle irgendwo gestrandet, wo sie den Rest ihres Lebens verbringen unter Bedingungen, wie sie die Frühzeit kannte: jagen, essen, überleben und das alles immer mit dem Bedürfnis, diese Hölle alter Zeiten in die noch in Erinnerung gebliebene Zivilisation wieder verlassen zu können. Doch geht denn das?

Ratlos und geschockt bleibt der Leser zurück. Der Roman zeigt, wie es uns allen gehen könnte, wenn eine Pandemie unser gegenwärtiges Leben auslöschen würde.

Emily St. John Mandel
Das Licht der letzten Tage
416 Seiten, broschiert
Piper Paperback, September 2015
ISBN-10: 3492060226
ISBN-13: 978-3492060226

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Thommie Bayer: Die kurzen und die langen Jahre

Thommie Bayer: Die kurzen und die langen Jahre

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Simon und Sylvie lernten sich im Jahr 1974 über zwei Todesfälle kennen: Simons Vater wurde eines Tages ermordet und zu gleicher Zeit auch Sylvies Mann Konrad. Wie konnte es dazu kommen?

Simon lebt in Konstanz und Sylvie in Lindau am Bodensee. Simon ist gerade 22 Jahre alt, Sylvie ist acht Jahre älter. Er verliebt sich sehr in diese ältere Gefährtin, die ihm eine echte Gefährtin nicht sein will!

Die beiden bleiben die ganze Zeit im Mittelpunkt der Geschichte. Sie fühlen sich auf subtile Weise von einander angezogen.

Der Bogen der Geschichte aber ist weit gespannt von 1964 bis zum Jahr 2014. Er bietet zahlreiche unerwartete Überraschungen.

Als Klavierstimmer schlägt sich Simon durchs Leben und hilft zwischendrin in einer Musikalienhandlung aus. Dort trifft er seinen guten Freund Manni, der eine Band hat. Auch Knut gehört zu der Clique und Anke und ihre Schwester. Man lebt und feiert zusammen und freut sich der gegenseitigen Zuneigung. Freundschaften entstehen, und Liebesbeziehungen bringen Freude oder auch Trauer.

Insgesamt ist es eine freudvolle Jugend mit allen Spielarten, die das Alter so mit sich bringt.

Simon wartet und sehnt sich nach Sylvie, und sie bleibt ihm eng verbunden; doch wirklich nahe kommen sie sich vor allem in ihren Briefen. Hier öffnet Sylvie ihr Herz, und Simon wartet sehnsüchtig auf diese Briefe.

Mit feiner Ironie und in sanften Farben malt Thommie Bayer das Leben in den Siebzigern in Deutschland. Die Jahre brachten politischen Aufruhr und die RAF, die mit ihrer Killermentalität die Republik erschütterte. Das sind die äußeren Umstände, in denen die Handlung angesiedelt ist. Im Inneren geht es um das alte Lied von Liebe, Treue, Abschied und Schmerz.

Spannend, einfühlsam und gelegentlich melancholisch berichtet Thommie Bayer von der Beziehung der beiden Hauptprotagonisten. Sie umkreisen sich und verlieren sich, nähern sich erneut und bleiben doch in einer sicheren Distanz zu einander. Dass sich hinter allem Geschehen noch ein Kriminalfall verbirgt, dass Kindergeburten und unerwartete Todesfälle eine geheime Dramatik entfalten, gibt der ganzen Geschichte einen besonderen Anstrich.

Thommie Bayer schreibt einen sanften Stil, hinter dem man diese Dramatik zunächst nicht vermutet. Es ist eine gelungene Geschichte: abenteuerlich, anspruchsvoll und faszinierend. Man sollte sich diesen Autor merken!

Thommie Bayer
Die kurzen und die langen Jahre
208 Seiten, gebunden
Piper, März 2014
ISBN-10: 3492054811
ISBN-13: 978-3492054812
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Peter Schneider: Die Lieben meiner Mutter

Peter Schneider: Die Lieben meiner Mutter

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Krieg und Liebessehnsucht. Eine Familienstudie.

Peter Schneider geht weit zurück in seinen hier vor liegenden Erinnerungen. Er  beschreibt das Leben seiner Eltern und seine eigenen ersten Jahre während und nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er 1940 geboren wurde. Viel weiß er nicht über seine Eltern. Doch anhand von Briefen seiner Mutter kann er aufschlüsseln, dass sie neben ihrem Mann Heinrich einen zweiten innig liebte und mit diesem auch zusammen war. Beide Männer waren an der Oper tätig, die aus Gründen der Propaganda seitens des Reichspropagandaministers Goebbels noch bis weit in das Kriegsjahr 1943 mit ihren Spielplänen erhalten geblieben war, bevor auch das letzte Aufgebot an Männern an die Front geschickt wurde. Andreas war Regisseur, Peter Schneiders Vater Heinrich war Dirigent.

Die Mutter hatte den Vater jung geheiratet und bekam insgesamt nach einander vier Kinder. Dass sie dafür eigentlich zu schade war, bescheinigt ihr der Liebhaber Andreas. Es bleibt klar, dass die Mutter zwei Männer liebte. Diese waren Freunde und duldeten einander. Peter Schneider erfährt von den Liebschaften seiner Mutter wohl erst durch ihre spät gelesenen Briefe.

Aus seinen Impressionen und Recherchen schält sich ein Künstlerleben heraus, in dem häufig finanzielle Not herrschte. Die Kriegsjahre überstand die Familie einigermaßen unbeschadet nur mit Hilfe der Näharbeiten seiner Mutter.

Die aufgefundenen Briefe sind aufschlussreich im Hinblick auf die Toleranz aller Beteiligten in den Dreiecksbeziehungen. Andreas liebte seine Freiheit, Heinrich liebte seine Frau über alles, und Schneiders Mutter liebte beide gleichzeitig. Für die Sitten und Moral in jenen fernen Zeiten ist das eine seltene Konstellation.

Die Form der Biographie, in der hier berichtet wird, ist ungewöhnlich. Aus dem facettenreichen Leben der Mutter kann der Sohn sich zusammenreimen, wie sie ihr Eigenleben neben der Arbeit und der Fürsorge für ihre Kinder gestaltet hat. Da gab es Hingabe, Entsagung und die Gabe, sich fröhlich zu vergnügen. Es gab aber auch die Schwermut, die zuletzt das Leben dieser liebessehnsüchtigen Frau zu zerstören schien. Zwei Themen werden hier abgehandelt: die Kindheit als Flüchtlingskind in einem Dorf in Bayern und die Sehnsüchte einer liebebedürftigen Mutter.

Die Endzeitstimmung des Zweiten Weltkriegs wird authentisch wiederbelebt. Untergang und Flucht aus der zerstörten Stadt Dresden unter unglaublichen Kriegsbedingungen werden so hautnah beschrieben, dass man glaubt, man wäre dabei gewesen. Eine Frau mit vier kleinen Kindern brauchte Energie, Kraft und Lebensmut, um diesem Zumutungen standzuhalten. Daneben konnte sich die Mutter wohl nur durch ihre Liebesbriefe und eine unersättliche Leidenschaft zu verschiedenen Männern am Leben halten. Dass ihr eigener Mann durch alle Widrigkeiten und Nebenliebschaften zu ihr gehalten hat, war Trost und  Hilfe für die geplagte Mutter.

Peter Schneider gehörte einst zu der so genannten 68 sechziger Generation, die scharf mit der Elterngeneration abgerechnet hat. Erst spät erfährt er, dass sein Vater zwar kein Nazi war aber doch stillgehalten hat, um seine Position an der Oper nicht zu gefährden.

Vermutlich ist es nicht leicht, einer Mutter mit diesem bewegten Innen- und Außenleben die angemessene Würdigung entgegen zu bringen. Peter Schneider ist das gelungen.

Peter Schneider
Die Lieben meiner Mutter
304 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, Mai 2013
ISBN-10: 3462045148
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Martin Page: Die besten Wochen meines Lebens

Martin Page: Die besten Wochen meines Lebens

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Ein liebestoller kluger Tor auf der Suche nach dem Glück!

Voller Selbstzweifel, Furcht und eingebildeter Krankheiten zieht der dreißigjährige Virgile durch Paris, immer auf der Suche nach dem Liebesglück. Seine Psychoanalytikerin versucht ihr Bestes, er aber bleibt verfolgt von seinen Zwängen und wartet auf Erlösung von seinen Ängsten.

Als er eines Tages auf dem Anrufbeantworter eine Frau mit Namen Clara hört, die mit ihm Schluss machen will, ist es ganz um ihn geschehen, denn er kennt überhaupt keine Clara, von einer Beziehung ganz zu schweigen. Er macht sich auf die Suche, diese ominöse Frau zu finden.

In seiner Werbeagentur ist er fleißig und zuverlässig. Dort erlebt er den Tag in einem fest gelegten Zeitrahmen, so dass er sich sicher und geborgen fühlt. Als ihm eines schönen Tages ein Aufstieg mit einer Gehaltserhöhung in der Agentur angekündigt wird, lehnt er das Angebot ab. Er hält es mit Marc Aurel: „Man muss im Leben gleichermaßen danach trachten, nicht zu verlieren und nicht zu gewinnen.“ Das ist ein schwieriges Unterfangen, das von Gegensätzen bestimmt wird.

Wir erleben einen Virgile, der gescheit, witzig und mit Selbstironie ausgestattet seinen Weg im Leben sucht immer bedroht von seiner Hypochondrie.

Mit Witz und Humor erzählt Martin Page von einem Helden, der einem Woody Allen gleich durchs Leben marschiert. Geistreich und überbordend kreiert der Autor immer neue Einfälle, mit denen er den Leser begeistert. Die Analytikerin trägt den symbolträchtigen Namen Zetkin, der an die bekannte sozialistische deutsche Frauenrechtlerin und ihr Wirken zu Beginn des 20. Jahrhunderts erinnert. Dass der Held seine Kindheit ausgerechnet in einem Wanderzirkus verbracht hat, gibt der Geschichte eine besondere Note.

In Bezug auf die merkwürdige Liebe zu Clara sagt Virgile den denkwürdigen Spruch: “Wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, diejenigen zu verlieren, die wir lieben könnten, gibt es nur ein einziges Mittel: Wir dürfen sie nicht in unser Leben hineinlassen“. Fantasie und Wirklichkeit vermischen sich bei ihm zu irrwitzigen Vorausahnungen.

Man darf sich amüsieren und erfreuen an einem Helden, der sich auf die Suche nach der vermeintlich nicht existierende Clara begibt. Paris mit einer Mischung aus Freiheit, Kunst und gutem Leben wird hautnah spürbar.

Teils als Hypochonder und teils als verliebt – ängstlichen jedoch klugen Toren sieht man den Helden der Geschichte auf der Suche nach dem Glück! Das Ende wird überraschen!

Martin Page ist ein erfolgreicher französischer Autor, der bereits mit zahlreichen Romanen von sich reden machte. Seinem ersten Roman „Antoine oder Idiotie“ war gleich ein großer internationaler Erfolg beschieden. Dieses Buch reicht an seinen ersten Erfolg nicht ganz heran glänzt jedoch auch mit Witz und Einfallsreichtum.

Martin Page
Die besten Wochen meines Lebens
208 Seiten, gebunden
Thiele Verlag, Februar 2010
ISBN-10: 3851791207
ISBN-13: 978-3851791204