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Schlagwort: Vergessen

David Wagner: Der vergessliche Riese

David Wagner: Der vergessliche Riese

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Demenz ist weithin bekannt, doch wie viele verschiedene Formen es gibt, das wissen die meisten nicht.

Alzheimer und die vaskuläre Demenz sind unter den Demenzerkrankten die am häufigsten vertretene Form der Krankheit. Sie nehmen den breitesten Raum in der öffentlichen Wahrnehmung ein.

David Wagner beschreibt mit äußerst sensiblen und einfühlsamen Worten, wie sich sein Vater verändert und welche Folgen das für alle Beteiligten hat.
Die Krankheit beginnt schleichend. Zuerst sind es nur Kleinigkeiten, die vergessen werden.

Nach und nach mehren sich die Verdrehungen und Ungenauigkeiten, mit denen sich die Krankheit manifestiert. Nachfragen und Wiederholungen seitens des Kranken, oft fragend, lassen sichtbar werden, dass der Vater, von dem hier die Rede ist, nicht mehr so klar in seinem Denken ist. Er vergisst Orte und Zeiten, kann sich im Gespräch nicht mehr an Vergangenes erinnern, und seine Orientierungslosigkeit wird immer deutlicher. Lange Zeit aber lassen sich Vergesslichkeiten durch Scherze oder Vertuschungen, auch eine besondere Form der Höflichkeit und Aufmerksamkeit in den Umgangsformen, immer wieder kompensieren. Niemand Außenstehender, selbst nahe Angehörige, die seltener mit dem Angehörigen zusammentreffen, können glauben, dass der Vater dement ist.

David Wagner wählt die besondere Form des Dialogs, um auf das Verschwimmen der Gedanken aufmerksam zu machen. Der Leser wird Teil des Prozesses, in dem der Geist seinen Bezug zur Realität verliert. Die Gespräche verlaufen liebevoll, fast zärtlich und zeugen von anhaltender Teilnahme. Der Autor nimmt alles ernst, was der Vater sagt. Da wird nichts beschönigt oder gar verbessert. Liebevoll versucht er, dem Vater bei seinen Erinnerungslücken auf die Spur zu helfen.
Und liebevoll ist auch die Schilderung, wie der Vater selber seine Vergesslichkeit wahrnimmt.

Wer selber so etwas erlebt hat, wird alles genau so wiederfinden, wie er selbst den Prozess des Hirnabbaus miterleben konnte.
Unaufhaltsam naht der Tag der Heimunterbringung. Man kann zahlreihe Pflegefälle im eigenen Heim bewältigen. Bei Demenz im in fortgeschrittener Ausprägung lässt sich das nicht realisieren. Zu pflegeintensiv und zeitaufwendig sind die Forderungen des Alltags, denn Unruhezustände, Angst und unvorhergesehene Handlungen machen eine Fürsorge rund um die Uhr erforderlich.
Für Angehörige ist die Heimunterbringung ein schwerer Schritt. Möchte man den Wechsel von der vertrauten Umgebung in eine fremde, beängstigende Welt einem Dementen doch auf jeden Fall ersparen.

Es ist David Wagner gelungen, seinem Vater mit diesem Dokument der Erinnerung ein würdiges und von Anerkennung durchzogenes Denkmal zu setzen. Der Vater bleibt der Riese, der er für seine Kinder ja war, er ist nun nur vergesslich!

Ein rundum lesenswertes Buch, das zudem die ganze Zeit einen tröstlichen Unterton behält.

David Wagner
Der vergessliche Riese
272 Seiten, gebunden
Rowohlt Buchverlag, 2. Auflage, August 2019
ISBN-10: 3498073850
ISBN-13: 978-3498073855
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Alexandra Burt: Remember Mia

Alexandra Burt: Remember Mia

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Estelle Paradise kann sich nicht erinnern, was geschehen ist. Schwer verletzt liegt sie nach einem Autounfall im Krankenhaus. Von ihrer kleinen Tochter fehlt jede Spur. So wird Estelle verdächtigt, etwas mit dem Verschwinden von Mia zu tun zu haben. Nach und nach kehren einige Bruchstücke an Erinnerung zurück. Nichts davon erklärt allerdings, was mit dem Baby geschehen ist. Auf Anraten ihres Ehemannes, der mit der Situation nicht klarkommt, geht Estelle in eine psychiatrische Klinik. Hier gibt es einen Spezialisten, der ihr helfen will, Licht ins Dunkel zu bringen. Estelle erkennt, dass sie vollkommen überfordert war von der Situation. Sie hatte Mia, die sehr viel geweint hatte kaum zur Ruhe bringen können. Estelle glaubt, keine gute Mutter gewesen zu sein. Ihr Mann war ihr keine Hilfe und hat sie aus beruflichen Gründen allein mit dem Kind gelassen. Die Tage sind immer beschwerlicher geworden…

Estelles Situation ist so beschrieben, dass sie gut nachvollziehbar ist. Auch als Leser steht man vor einem Rätsel und spürt, dass nichts so ist, wie es scheint. In Rückblenden, so wie die Erinnerung zurückkommt, erfährt man bruchstückhaft was geschehen sein könnte. Doch zunächst erklärt nichts davon das Verschwinden von Mia.

Die Autorin hat einen perfekten Spannungsbogen geschaffen. Die Handlung ist sehr gut aufgebaut. Estelle lernt man immer besser kennen. Ich habe Sympathie für sie entwickelt. Sie will die Wahrheit herausfinden, egal was dabei herauskommt. Aber auf die Erinnerungen ist möglicherweise kein Verlass. Man fragt sich immer wieder, ob überhaupt die richtigen Schlüsse gezogen werden. Als Leser wird man also auf die Folter gespannt und auch immer wieder überrascht. Die Autorin schreibt gut. Sie versteht es, den Leser zu fesseln. Das Ende ist entsprechend spektakulär und schwer anzunehmen.

Rezension von Heike Rau

Alexandra Burt
Remember Mia
Deutsch von Susanne Goga-Klinkenberg
384 Seiten, Klappenbroschur
Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423261013
ISBN-13: 978-3423261012
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Donatella Di Pietrantonio: Meine Mutter ist ein Fluss

Donatella Di Pietrantonio: Meine Mutter ist ein Fluss

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Was tut man, wenn die Mutter ihre eigene Geschichte vergisst? Wenn die Erinnerungen gehen oder nur noch bruchstückhaft existieren. Dass es nicht wieder besser werden wird, weiß die Tochter, die sich um ihre Mutter kümmert. So geht sie gedanklich zurück in die Vergangenheit und arbeitet diese auf, indem sie ihrer Mutter ihre Erinnerungen schildert und auch die Erinnerungen, die sie nur von ihrer Mutter weiß, weil sie ein kleines Kind war oder diese in eine Zeit zurückgehen, die die Kindheit und Jugend ihrer Mutter betreffen.

Es war ein entbehrungsreiches Leben. Esperina stammt aus einer armer Bauernfamilie in den Abruzzen und heiratete Cesare. Die beiden lebten auf den Höfen der Eltern und Schwiegereltern. Die Arbeit ging immer vor. Es reichte auch so kaum zum Überleben. In diese Großfamilie hinein wurde die Tochter geboren. Viel Liebe hat sie nicht von ihrer Mutter bekommen und das macht ihr heute immer noch zu schaffen. Eine klärendes Gespräch wäre nötig, nach all den langen Jahren. Doch das wird es nicht mehr geben.

Der Blick der Tochter, die längst eine eigene Familie hat und beruflich erfolgreich ist, auf die Mutter ist dennoch von Liebe geprägt. Das kann man zwischen den Zeilen lesen. Der Anklang ist melancholisch, sehnsüchtig, gedankenverloren, unendlich traurig und dennoch wohlwollend. Denn diese Erinnerungen verbinden beide Frauen und das versöhnt letztendlich doch.

Rezension von Heike Rau

Donatella Di Pietrantonio
Meine Mutter ist ein Fluss
Aus dem Italienischen von Maja Pflug
176 Seiten, gebunden
Verlag Antja Kunstmann
ISBN-10: 3888978173
ISBN-13: 978-3888978173
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