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Schlagwort: Verlust

Paul Harding: Verlust

Paul Harding: Verlust

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Trauer und Verzweiflung in aussichtsloser Lage.

Im kleinen Städtchen Enon im Maine lebte über Generationen die Familie Crosby. In diesem Roman wird ein Teil ihrer Geschichte fortgeschrieben.

Die Geschichte nimmt den Plot sofort vorweg: Charlies Tochter Kate ist tot! Sie war 13 Jahre alt und wurde von einem Auto angefahren.
Vater und Tochter waren eine glückliche und harmonische Einheit.

Auffallend ist der Bruch, mit dem die Erzählung beginnt: ein vermeintlich glückliches Familienleben mit einem normalen Alltag bricht buchstäblich zusammen. Kates Mutter Susan fährt zu ihren Eltern und verlässt ihren Mann, der mit seiner Trauer ganz alleine bleibt.

So beginnt eine Geschichte, die Trauer, Verzweiflung und Lebensangst zum Inhalt haben wird. Es wird eine Geschichte der Vergangenheit.

Charlie lebt nach der Trennung von seiner Frau alleine in einem Haus, das nach und nach verwahrlost. Er vertieft sich ganz in seine Erinnerungen. Einmal denkt er an seine eigene Kindheit, seine Großeltern und Urgroßeltern; dann wieder fallen ihm Erinnerungsfetzen ein, die schöne Tage und gute Jahre mit Kate heraufbeschwören.

Die Erzählung ergeht sich in wunderschönen Naturbetrachtungen im Wald und am See. Man spürt buchstäblich als Leser die Düfte und Stimmungen des Tages. Daneben wird man Zeuge einer beispiellosen Verzweiflung, mit der Charlie den Bezug zur Gegenwart zu verlieren scheint. Er wird medikamentensüchtig und beschafft sich Drogen und Schmerzmittel auf immer unzulässigeren Wegen. Äußerlich kommt er herunter.

Die Parallelgeschichte: hier die empfindsamen Naturbeobachtungen und da der körperliche Verfall eines aus allen Bindungen gefallenen Mannes macht den Reiz einer Erzählung aus, die sich den schönen und den traurigen Seiten des Lebens widmet. Der VERLUST ist das Thema! Dieser wird in vielfältiger Weise erkennbar und trägt den armen Vater weit fort aus seinem bisherigen Leben. Die Visionen, Erinnerungen und Halluzinationen sind lebensnah beschrieben und lassen einen spüren, dass es Trauer gibt, die das bisherige Leben fast auslöschen. Man geht in Gedanken einen Lebensweg mit, von dem man nicht weiß, wie er enden wird.

Paul Harding ist Pulitzerpreisträger. Er lebt mit Frau und Kindern in Boston und gilt als Star unter den neuen amerikanischen Erzähltalenten.

Paul Harding
Verlust
272 Seiten, gebunden
Luchterhand Literaturverlag Juni, 2015
ISBN-10: 3630873774
ISBN-13: 978-3630873770
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Carola Saavedra: Blaue Blumen

Carola Saavedra: Blaue Blumen

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Liebe, Verlust, Leben, Leidenschaft…

Ein Mann und ein Frau geraten sehr zufällig in einen geheimen Kontakt zueinander.

Die Frau schreibt Liebesbriefe an ihren verflossenen Liebhaber, die sie an die Adresse richtet, in der mittlerweile ein anderer Mann wohnt.

Wortgewandt im Ausdruck und tiefschürfend in den Gefühlen kann man den Liebesbriefen entnehmen, dass die unbekannte Frau ihren Freund sehr geliebt hat. Sie lässt in ihren Schilderungen keine Einzelheiten dieser für sie mit Sehnsucht nach Glück besetzten Beziehung aus. Ihr Liebhaber hat sie verlassen, und nun geht sie in ihren Gedanken den gemeinsamen Erlebnissen und gelebten Erinnerungen nach. Indem sie ihn direkt anspricht, wähnt man die Frau in einer Art Selbstgespräch mit dem verflossenen Liebhaber. Die langen Monologe bieten Erinnerungen, gute, schlechte, traurige und melancholische.

Der fremde Mann, der in den Besitz dieser an einen anderen gerichteten Briefen gelangt, wird neugierig und gerät nach und nach ganz in den Bann der für ihn so fremden Frau. Doch er ist selber ein Verlassener, der ab und zu seine dreijährige Tochter bei sich hat. Er fühlt sich fremd in seiner Haut mit dem kleinen Kind und einer Frau, die ebenfalls die Trennung herbeigeführt hat.

Mit zahlreichen Beispielen und Wendungen in der Wortwahl darf man sich in eine Welt hinein versetzen, in der Gefühle aufgespürt und aufgerührt werden, die beide Protagonisten im tiefsten Inneren anrühren und verbinden.

Während die Briefschreiberin merkwürdig fleischlos wirkt, ist der Mann auch im Alltag zu sehen: er führt Gespräche mit neuen Liebhaberinnen, mit seiner Exfrau, seinem Kind und seiner Sekretärin. Er ist ein trauriger und ganz in sich zurück gezogener Zeitgenosse. Voller Melancholie verirrt er sich in seinen Phantasien zu der geheimnisvollen Briefschreiberin, von der er sich ein illusionäres Bild macht. Sie ist ja nicht greifbar, nicht real und nur immer in ihren sehnsuchtsvollen Briefen vorhanden.

Insgesamt ist der Roman von tiefer Melancholie, Resignation aber auch Leidenschaft und Einsamkeit getragen. Fiktion bestimmt das Leben der Protagonisten, die den Weg ins reale Leben nicht zu bewältigen scheinen.

Die Geschichte bietet ein nachdenkliches und poetisches Bild einer Welt zwischen Traum und Wirklichkeit.

Das Ende bietet noch einmal eine überraschende Wende, in der so recht deutlich wird, wir leicht wir von unseren Phantasien überwältig werden können, die uns ein Leben mit Leidenschaft und Glück verheißen wie es sie in dieser reinen Form wohl niemals gibt.

Maria Hummitzsch ist eine kongeniale Übersetzerin. Man lese das Buch in einer ruhigen Stunde, um sich ganz dem Eindruck des Lebens dieser beiden Hauptfiguren zu überlassen.

Carola Saavedra
Blaue Blumen
223 Seiten, gebunden
C.H.Beck, März 2015
ISBN-10: 3406675670
ISBN-13: 978-3406675676
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Ulrike Draesner: Mein Hiddensee

Ulrike Draesner: Mein Hiddensee

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Seit fast zwanzig Jahren zieht es die Autorin immer wieder auf die Insel. Auch jetzt wieder. Sie hat ihr Kind dabei und den Hund. Und ihren Mann, der aber nicht mehr an ihrer Seite ist und eine neue Partnerin hat. Vielleicht ist das der Grund, dass die Autorin von außen auf die Szene schaut und nicht in der Ich-Perspektive schreibt. Nicht mal Namen werden genannt. Das sorgt für den nötigen Abstand, lässt vielleicht auch den Schmerz außen vor. Ich kann mich allerdings mit dieser Art zu schreiben nicht anfreunden. Alles wirkt oberflächlich. Natürlich verwendet die Autorin für ihre Beobachtungen reichlich aussagekräftige Wörter. Aber es ist, als blicke man durch einen Schleier. Als würde die Schönheit der Natur herangezogen als Ablenkung. Um andere Gedanken abzugrenzen. Aber um Selbstfindung scheint es auch nicht zu gehen. Auch nicht um den Entwurf eines neuen Lebenskonzeptes. Vielleicht um die Betäubung der Sehnsucht nach einem Leben in einer stabilen Partnerschaft. Denn Sehnsucht ist es auch, die die Autorin immer wieder auf Hiddensee zieht. Aber auch hier nagt der Zahn der Zeit. Alles verändert sich. Die Natur gibt und nimmt. Geht es um die Vergänglichkeit der Zeit? Der ablaufenden Zeit? Anderen vor ihr ging es so. Darunter berühmte Menschen, die nur noch Erinnerung sind.
Die Stimmung im Buch ist durchweg melancholisch. Die Natur ist nicht immer nur schön und anschaulich. Nicht selten bläst ein harter Wind. Kaum, dass man sich auf den Beinen halten kann. Die Landschaft ist mitunter karg und von entsprechendem Bewuchs. Ruhe zu finden, scheint kaum möglich, der Wind bläst das Gehirn einfach nicht leer. Die Bilder zeigen eine Vision der wahren Gefühle. Gefühle, die nicht länger unterdrückt oder weggeschoben werden können. Die Autorin mal diese Bilder jedoch so, dass ich sie nicht sehen kann, auch wenn das Buch schon ein bisschen nachdenklich macht. Aber wirklich Zugang habe ich nicht gefunden.

Rezension von Heike Rau

Ulrike Draesner
Mein Hiddensee
192 Seiten, gebunden
Mare Buchverlag
ISBN-10: 3866482132
ISBN-13: 978-3866482135
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Christina Rasmussen: Lebe – lache – liebe – Neustart ins Leben nach einem schmerzlichen Verlust

Christina Rasmussen: Lebe – lache – liebe – Neustart ins Leben nach einem schmerzlichen Verlust

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Christina Rasmussen ist Gründerin der Organisation „Second firsts“. Sie arbeitet als Therapeutin und Kriseninterventionsberaterin und berät Menschen nach einem schweren Verlust. Sie tut dies aus eigener Erfahrung heraus. Als ihr Mann, der Vater ihrer zwei Töchter, nach schwerer Krankheit starb, ist sie selbst in ein tiefes Loch gefallen. Nach einem Schicksalsschlag wieder ins Leben hineinzufinden ist ein langer Prozess, der Anleitung bedarf. Und diese will Christina Rasmussen mit diesem Buch geben.

Die Autorin nimmt die Trauer ernst. Nur darf man nicht darin gefangen bleiben. Das Leben wird nie mehr sein wie vorher, aber es kann nach einen Neustart neu aufgebaut werden. Ihr Neustarter-Übungsprogramm soll hier Hilfe und Unterstützung sein. Es ist sehr gut aufgebaut. Die Autorin geht auf den Menschen zu und nimmt ihn mit seiner Trauer, seinen Ängsten und Nöten ernst. Deshalb sind die Schritte, die nach und nach zu gehen sind, auch sehr klein. Das Tempo bestimmt der Betroffene. Die Autorin erklärt und motiviert. Dabei geht es direkt auch um biochemische Vorgänge im Körper, insbesondere im Gehirn. Alte Denk- und Verhaltensmuster werden durch realistische und positive Vorgänge in vorteilhaftere Bahnen gelenkt.

Die Autorin schreibt in einer sehr einfühlsamen Sprache. Sie schildert ihre eigene Geschichte auf ehrliche Art und Weise und betrachtet diese auch im Rückblick.
Neben dem Übungsprogramm findet man im Buch auch persönliche Briefe an den Leser, die sogenannte Flaschenpost. Mit diesen Briefen macht die Autorin Mut, wieder ins Leben zurückzukehren.
Ich sehe dieses Buch durchweg positiv. Wem es nach einem Schicksalsschlag an Lebensmut fehlt, wer wieder ins Leben zurück will und doch nicht vorwärts kommt, der sollte dieses Buch lesen. Es tröstet, macht neuen Mut und gibt konkrete Hilfestellung.

Rezension von Heike Rau

Christina Rasmussen
Lebe – lache – liebe – Neustart ins Leben nach einem schmerzlichen Verlust
Aus dem Englischen von Judith Elze
224 Seiten, Klappenbroschur
Knaur MensSana
ISBN-10: 3426657430
ISBN-13: 978-3426657430
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Tomas Gonzalez: Das spröde Licht

Tomas Gonzalez: Das spröde Licht

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Eine Geschichte von Liebe, Schmerz und Verlust…

Die Familie von David aus Kolumbien ist glücklich und zufrieden, bis sie ein unvorhergesehenes tragisches Unglück trifft: Jacobo, der älteste Sohn, wird bei einem Autounfall schwer verletzt, und es gibt keine Hoffnung auf Besserung. Er ist vom Hals ab gelähmt und kämpft einen verzweifelten Kampf um die Rückkehr ins Leben.

Früher hat die Familie in Miami gelebt und zuletzt in New York, wo David als Maler Erfolg hat. Die drei Söhne gehen ihren Studien– und Schulbesuchen nach. Wir schreiben das Jahr 1999.

Die Familiengeschichte mit den charaktervollen Söhnen und der hübschen und tatkräftigen Mutter Sara ist eingebettet in ein lebhaftes Familienleben, in dem es bis dahin keine Betrübnis gab. David hat einen grünen Daumen, so dass er hübsche Gewächse in den Räumen und auf den Balkonen gepflanzt hat. Ein Papagei und der Kater Cristóbal ergänzen das Leben in dieser Oase des Friedens.

Nach Jacobos Unfall ändert sich das Leben der Familie komplett.

Über längere Zeit muss der Sohn mit den heftigsten Schmerzen leben, bis er und seine Familie zu einer schweren Entscheidung finden.

Jacobo beschließt, seinem Leben ein Ende zu setzen, weil er die Schmerzen nicht mehr ertragen kann. In Gedanken und Taten begleiten ihn Familienmitglieder und Freunde, und diese Zeit des Abschieds ist dramatisch und packend in ihrer Dynamik.

David ist zuletzt alt und bereits Witwer als ihn die Erinnerung an Sara und die Söhne noch einmal tief in die Vergangenheit blicken lässt.

Tomas Gonzalez schreibt emphatisch, tief verbunden mit seinen Figuren und mit Leidenschaft und Verve. Vor uns entfaltet er in einer blumigen  Sprache das Familienleben einer Latinofamilie von gehobenem Stand in Amerika. Seine Protagonisten mit ihrem Leid der Unheilbarkeit und der Verzweiflung bieten die eine Seite der Geschichte. Die andere zeigt das Leben in Miami und New York und später das in Kolumbien. Die Geräusche der Straße, der Duft der Blumen und die Pracht der Bäume im Central Park sind äußerst gegenwärtig.

In einer so innigen und zugleich sachlichen Weise hat man selten über Freundschaft, Liebe, Altern, Tod und Vergänglichkeit gelesen. Hier liegen Glück und Schmerz, Freude und Verlust nahe beieinander. Im Ton überzeugend und echt erlebt man jeden einzelnen mit den Gefühlen von Abschied und Erinnerung. Doch bleibt der Rahmen immer einer der verstehenden Zuwendung mit zärtlichen Familienbindungen.

Die Übersetzer haben sich in das fremde Leben eingefühlt und sind bemüht, auch in der Übersetzung die gleichen Effekte zu erzielen, wie im Original. Mir scheint das sehr gelungen.

Es ist ein kurzer aber inhaltsvoller kleiner Roman, in dem man sich den Menschen und den Hauptdarstellern eng verbunden fühlt.

Tomas Gonzalez ist ein bemerkenswerter latein-amerikanischer Dichter, dessen Entdeckung sich lohnt.

Tomas Gonzalez
Das spröde Licht
176 Seiten, gebunden
S. FISCHER, 2.Auflage, September 2012
ISBN-10: 3100266056
ISBN-13: 978-3100266057
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Richard Ford: Kanada

Richard Ford: Kanada

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Von bösen und guten Gelegenheiten zum Scheitern oder zum Überleben.

Dell ist der Held einer Geschichte, in der es um die Abgründe und wechselvollen Schicksale einer kleinen Familie geht.

Mit dem ersten Absatz ist man mitten in einer Erzählung, in der es um einen Banküberfall und um Mord und Totschlag, aber auch um das Leben und die Verirrungen geht, denen ein jeder in seinem Leben anheimfallen kann.

Aus der Sicht des jungen Dell, Zwillingsbruder seiner Schwester Berner, der um 1960 ungefähr fünfzehn Jahre alt ist, schaut man auf seine Eltern, die so gut wie gar nicht zusammenpassen. Man steht im Wahlkampf für John F. Kennedy. Dells Vater ist ganz auf dessen Seite.

Aus einer Zufallsbegegnung ist die Ehe der Eltern zustande gekommen. Von Beginn an ist sie nicht glücklich, denn die beiden passen so gar nicht zusammen. Neeva Parsons ist kopfgesteuert, vernünftig und rational denkend. Bev Parsons aber ist ein Träumer und Schaumschläger, der sein Leben nicht in den Griff bekommt. Er war bei der Air Force und hat vor kurzem seinen Abschied genommen.

Die Familie lebt in einem armseligen Häuschen in Great Falls/Montana.

Wie in einen Strudel zieht Bev seine Frau mit in ein finanzielles Abenteuer, das für beide vernichtend endet.

Nach einem Banküberfall landen die jungen Eltern mit Mitte dreißig im Gefängnis. Berner haut mit ihrem Freund Rudy ins Unbekannte ab. Dell aber gelangt mit Hilfe einer Freundin seiner Mutter nach Kanada. Hier beginnen seine Abenteuer, die ihn durch Einsamkeit, harte Arbeit und dürftige Unterkünfte auf ein Leben vorbereiten, von dem man nicht weiß, wo es ihn hinführen wird.

In Kanada erfährt er Lebensbedingungen, die extrem sind für einen Jungen von 15 Jahren. Er haust in abgelegenen Hütten und ist zwei Männern mit offensichtlich kriminellen Strukturen ausgeliefert. Mit einfachster Arbeit hilft er aus, wo immer er gebraucht wird und geht sein Leben ohne innere Widerstände an. Wunderbare Landschaftsbeschreibungen und atmosphärisch einprägsame Stimmungen begleiten unseren Helden, der seine Unschuld und Offenheit trotz der gravierenden Erlebnisse nicht zu verlieren scheint.

Hervorragend in Konzeption und Aufbau bannt die Geschichte vom ersten Moment an. Dell sieht mit aufmerksamem Blick und feinem Gespür für alles, was von der täglichen Norm abweicht, wie sich um seine Eltern etwas zusammenbraut, das ihn beängstigt. Das große Können Richard Fords lässt uns durch die Augen Dells erfahren, wie es zu den Abwegen und Fehlentwicklungen seiner Eltern kommen konnte, und wie er in seinem eigenen abenteuerlichen Leben in Kanada seinen Weg findet.

Das melancholische und verständnisvolle Ende beleuchtet eine wichtige Erkenntnis, die Dell auf seinem langen Weg zur Normalität gefunden hat. Sie gipfelt in der Einsicht, dass jeder im Leben eine Chance hat, die man nur nutzen muss. Mit Verlusten umgehen und das Gute im Verborgenen finden lernen ist die große Kunst des Lebens.

Man ist fasziniert und hingerissen von den feinen psychologischen Details, mit denen Richard Ford seine Geschichte fort und fort schreibt. Er ist einer der ganz großen Erzähler amerikanischer Herkunft, dessen Erzähltalent ihn in die unendlichen Gefilde ruhmvoller und anerkannter Schriftsteller einreiht.

Richard Ford
Kanada
464 Seiten, gebunden
Hanser Berlin, August 2012
ISBN-10: 3446240268
ISBN-13: 978-3446240261
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Tim Krohn: Ans Meer

Tim Krohn: Ans Meer

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Sommerroman…

Ein unergründliches und belastendes Geheimnis trennt zwei Freundinnen, die sich in frühester Kindheit liebten. Die Familien der beiden besaßen ein Haus am Meer. An der Ostsee haben sie zusammen glückliche Kindertage verbracht. Doch eines Tages zerbrach die Gemeinschaft, und die Familien trennten sich.

Jetzt lebt Anna in Kiel und Josefa in Zürich. Beide haben sich zwölf lange Jahre nicht gesehen. Anna sucht schließlich erneut den Kontakt zu Josefa.

Bis es dazu kommt, wird das jeweilige Schicksal aller Beteiligten skizziert.
Josefa hat den zwölfjährigen Sohn Jens, den sie sehr liebt. Er drängt sie ungeduldig, zum Haus ans Meer zu reisen. Er möchte so gerne auf der Ostsee segeln! Doch Josefa ist taub auf dem Ohr. Sie will nicht zurück an den Ort ihrer Kindheit, wo es ein dunkles Geheimnis gab, das die Gemeinschaft aus glücklichen Tagen zerbrechen ließ.

Anna ist berufstätig und wünscht sich sehnsüchtig ein Kind von ihrem Partner Kalle. Leider wartet sie vergeblich, bis auch sie hinter ein Geheimnis kommt, das ihre Beziehung zu sprengen droht.
Man merk schon: das Buch steckt voller versteckter und verworrener Geschichten, und der Durchblick ist schwer!

Zahlreiche Spuren führen zu den einzelnen Figuren, die sich wie in einem Netz verfangen haben. Niemand weiß alles, jeder kennt nur Teile der Geheimnisse des anderen. Ungewöhnlich frühreif steht Jens, der zwölfjährige Sohn von Josefa, im Mittelpunkt der Erzählung. Aus seinen Augen schaut man zurück und sucht neugierig nach Spuren, die für ihn Unerklärliches verstehbar machen. Doch er und auch wir müssen lange warten, bis wir begreifen, wie es denn nun zu den Zerwürfnissen in den Familien gekommen ist!

Tim Krohn hat seinen Roman verschachtelt angelegt, so dass man sich getrieben fühlt, den einzelnen Spuren zu folgen, um endlich zu verstehen. Immer wenn man auf dem richtigen Erkenntnisweg zu sein scheint, muss man sich doch noch gedulden, bis man der Auflösung aller Rätsel näher kommt.

Der Autor hat einen leichten Roman verfasst. Auch alle unerklärlichen Todesfälle können die sommerliche Unbeschwertheit der Glücksmomente nicht überdecken. Lieben und geliebt werden, Treue und Untreue, Leidenschaft und Vergänglichkeit: alles kommt vor und man hat trefflich zu tun, der Aufklärung zu folgen. Wer der leichten Muse zugetan ist, der wird die kurzweilige Lektüre zwischen Krimi und Gesellschaftsroman genießen.

Tim Krohn
Ans Meer
328 Seiten, broschiert
Diogenes, Juni 2011
ISBN-10: 3257240767
ISBN-13: 978-3257240764
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Hanns-Josef Ortheil: Die Erfindung des Lebens

Hanns-Josef Ortheil: Die Erfindung des Lebens

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Trauer, Krieg und eine außergewöhnliche Lebensgeschichte!

In Rom, der von ihm sehr geliebten Stadt, gelingt es dem Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil, noch einmal die Geschichte seiner Kindheit zu erinnern. Er beschreibt diese von einer ungeheuren Familienkatastrophe überschattete Kindheit beredt, sensibel und von magischen Eindrücken durchzogen.

Es ist die Geschichte eines stummen Jungen, der in enger Symbiose mit Mutter und Vater aufwächst.

Wie war es dazu gekommen?

Der Krieg hatte den Eltern tiefe Narben geschlagen. Vor Kummer um den frühen Verlust ihrer ersten Kinder im zweiten Weltkrieg hatte die Mutter ihre Sprache verloren. Als einige Jahre nach dem Krieg ein letzter Sohn geboren wurde, der nunmehr das einzige Kind seiner Eltern blieb, konnte weder die Mutter noch der Junge sprechen.

H.-J. Ortheil beschreibt das Aufwachsen wie einen stummen Traum: Glück ist es, mit der Mutter zu sein, den Vater nach Hause kommen zu hören, die Natur zu beobachten und sich versonnen am Rande der Gesellschaft zu bewegen. Es scheint, als seien mangels der Sprachfähigkeit seine übrigen Sinne besonders wach. Ortheil erzählt von dem hoch sensiblen und tief mit der Mutter verbundenen Jungen, der sie in unsichtbaren Gefahren wähnt. Er erlebt die Eltern in enger Zugehörigkeit und Liebe, und er erfährt erste unbekannte Schikanen in der Schule, die sein Leben bedrängen.

Als eines Tages ein Klavier ins Haus kommt, empfindet er ungeahntes Glück: Musik zu hören wird zum außergewöhnlichen Ereignis.

Mit einem entschlossenen Kraftakt beschließt der Vater eines Tages, ohne die Mutter mit dem Jungen aufs Land zu fahren. Dort auf dem  heimischen Bauernhof, der zur Familie des Vaters gehört, mit vielen Onkeln und Tanten, mit geregeltem Arbeitsablauf, festen Mahlzeiten und langen Spaziergängen mit dem Vater vollzieht sich die erhoffte und unerwartete Wende: der Junge blüht auf, kräftigt sich an Leib und Seele, lernt schreiben und lesen und zuletzt auch das Sprechen. Wie sich sein weiteres Leben entwickelt, ist von ebenso besonderer Eigenart wie seine frühe Kindheit

In feiner Manier, ganz aus den Augen eines verstörten Kindes, berichtet Ortheil seine Erlebnisse als Kind und die Folgen, die das jahrelange Schweigen für sein Aufwachsen hatte. Man wir zum Zeugen einer „ Sprachwerdung“, die von ungewöhnlichem Ausdruck ist. Kaum vorstellbar sind die Entwicklungen, die im Zeitraffertempo in wenigen Wochen auf dem Land stattfinden.

Der Junge entwickelt allmählich einen zaghaften eigenen Willen, mit dem er seinen weiteren Lebensweg beschreitet. Musik und Literatur bestimmen sein weiteres Leben.

Freude, Glück und Enttäuschung aber liegen immer weiter nahe beieinander.

Der Autor hat seine eigene Kindheitsgeschichte zu einem fiktiven Roman verfremdet. Sein harmonischer Charakter scheint das Ergebnis des besonders einfühlsamen und pädagogisch befähigten Vaters zu sein. Beiden Eltern zollt der Autor in seinem Buch Respekt und Anerkennung, ohne die kritischen Phasen seiner Entwicklung zu verschweigen. Seine Geschichte hat er in einen Strom poetischer Worten gekleidet, mit dem man ganz nah an sein inneres Erwachen herangeführt wird. Der ruhige Erzählstrom entspricht den sich langsam entfaltenden Möglichkeiten des heranwachsenden Jungen. Er ergeht sich nicht in tiefenpsychologischen Deutungen und verrät dennoch Gründe und Ursprünge einer außergewöhnlichen seelischen Entwicklungsgeschichte. Diese seltene Form der Biographie ist höchst beeindruckend!

Hanns-Josef Ortheil
Die Erfindung des Lebens
Gebundene Ausgabe: 592 Seiten
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
ISBN-10: 3630872964
ISBN-13: 978-3630872964

Kim Echlin: Der verschollene Liebhaber

Kim Echlin: Der verschollene Liebhaber

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Liebe in Zeiten des Krieges und des Untergangs.

Wie überall in den großen Städten der westlichen Welt war Montreal zu Ende der siebziger Jahre erfüllt von Lebenslust, Musik und den ungebundenen und fröhlichen Klängen einer Jugend, die sich frei und unbeschwert amüsierte.

Anne Greves ist sechzehn Jahre alt und macht erste Erfahrungen in den Clubs und Musikkneipen der Stadt. Blues und Rock sind die Musikströmungen, denen sie anhängt. Ihr Vater ist ein eigenbrötlerischer Sonderling, Prothesenbauer von Beruf und Professor an der Universität. Nach dem frühen Tod von Annes Mutter lebt sie mit ihrem Vater alleine. Als sie mit ihrem ersten Freund, einem Kambodschaner, bei ihrem Vater erscheint, ist er nicht gerade beigeistert und hält ihr immer wieder vor, dass sie ihr Leben mit diesem Freund ruinieren wird.

Die Liebesgeschichte von Anne und Serey steht am Beginn einer Erzählung, die uns später nach Kambodscha führt, wo wir uns mit Land und Leuten und den Folgen des unsäglichen Krieges unter der Gewaltherrschaft Pol Pots konfrontiert sehen. Von 1975 -1979 haben bekanntlich die marodierenden Truppen der Roten Khmer grausamen Völkermord an den Kambodschanern begangen.

Serey ist vor den Roten Khmer aus Kambodscha geflohen. Als Musiker, Student und Tutor an der Universität schlägt er sich wacker durch. Anne verliebt sich tief und ernst in den aparten und ungewöhnlichen Exilanten. Zart und warmherzig leben sie ihre Liebe, die sie unzertrennlich macht. Doch Sereys Heimweh ist größer als seine Liebe. Als er eine Möglichkeit sieht, in das vom Krieg zerstörte Land seiner Vorfahren zurückzukehren, verlässt er Anne,–und zehn Jahre hört sie nichts mehr von ihm.
Abenteuerlich und irrwitzig macht Anne sich nach langer Zeit Anfang der neunziger Jahre auf, um Serey in Phnom Penh zu suchen. Sie findet ihn tatsächlich, und für eine kurze Weile leben sie wieder zusammen.

Anne besteht in der Folgezeit zahlreiche Irritationen und berichtet rückblickend nach dreißig Jahren von ihrem und dem Schicksal ihres geliebten Serey.

Die Autorin nutzt die Liebesgeschichte, die von besonderer Nähe und Innigkeit ist, um das Leid der Menschen in einem vom Terror geplagten Land krass herauszustellen. Anne stößt bei ihrer Suche nach Serey, der eines Tages wieder verschollen ist, weit in das Landesinnere Kambodschas vor. Sie findet neben der Verwüstung des Landes und den vielfach traumatisierten Menschen eine liebenswerte Gesellschaft, gastfreundlich und aufgeschlossen, die jedoch in erbärmlichen Unterkünften haust. Fast alle haben Familienmitglieder oder sogar die ganze Familien durch den Krieg verloren. Angst begleitet beinahe alle Kontakte, so dass man sich einem verschüchterten und resignierten Volk gegenüber sieht.

In fazettenreichen und eindrucksvollen Bildern zeigt uns die Autorin das Bild der bunten und orientalisch- exotischen Stadt Phnom Penh. Diese bietet in einem Land von einzigartiger Naturschönheit ein Bild der Zerstörung, der Armut, mangelnder Hygiene und des Untergangs.

Spannende Unterhaltung pur bietet der Roman, der nebenbei auch noch ein Stück Zeitgeschichte beinhaltet.

Auf Deutsch ist diesem ersten Roman von Kim Echlin in der guten Übersetzung von Claudia Feldmann hoffentlich ein ausgezeichneter Erfolg beschieden.

Kim Echlin
Der verschollene Liebhaber
Gebundene Ausgabe: 263 Seiten
Verlag: Kiepenheuer
ISBN-10: 3378011041
ISBN-13: 978-3378011045