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Schlagwort: Wende

Éliette Abécassis: Mit uns wäre es anders gewesen

Éliette Abécassis: Mit uns wäre es anders gewesen

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Zwei junge Menschen, Amélie und Vincent, treffen sich an der Sorbonne, als sie sich für das nächste Semester einschreiben wollen. Später geht man als Grüppchen noch in ein Café.

Vincent und Amélie verplaudern die ganze Nacht, in der sie sich über ihre Herkunft, die Zukunftswünsche und ihre Träume unterhalten. Sie erfahren viel über sich aber nicht genug.

Bald ist klar, dass sie sich verliebt haben. Ein nächstes Treffen wird vereinbart. Und dann passiert eine Schicksalswende: sie verpassen sich!

Das Leben geht weiter. Im großen Abständen begegnen sie sich wieder. Sie hat innerlich an ihm festgehalten, während er inzwischen verheiratet ist und zwei Kinder hat. Auch Amélie findet einen Mann, von dem sie glaubt, er könnte der Richtige sein. Nach der Geburt ihrer Kinder aber tut sich eine Leere auf, die am Ende zur Scheidung führt. Bei den Kindern merken beide erst, wie sehr sie lieben können, während ihre Ehen im Alltag und in der Gleichgültigkeit versinken.

Die Jahre gehen ins Land. Nach dreißig Jahren und vielen Zwischenstationen auf ihren Lebenswegen begegnen sich die beiden wieder. Sie empfinden großes Glück miteinander!

Éliette Abécassis hat einen bezaubernden Roman geschrieben. Die Atmosphäre des Studentenlebens ist wunderbar eingefangen. Es ist das Glück des Neubeginns, der jugendlichen Freiheit und die Neugier auf das Leben, die uns die Autorin vermittelt.

Amélie ist die zarte, empfindsame und von Selbstzweifeln geplagte Frau, die sich nach dem großen Glück sehnt. Es hat lange gedauert, bis sie sich zu einer ersten Ehe entschlossen hatte.

Der Leser*in lässt sich vom Leben in der Pariser Gesellschaft beeindrucken und empfindet mit, wie locker und frei Begegnungen und Feiern ablaufen.

Das Entscheidende an dieser Erzählung aber ist die unterschwellige Spannung und der Charme, mit der die Liebe zwischen zwei Menschen bestehen bleibt und erst nach vielen Wirren, Enttäuschungen und zerplatzten Lebensträumen noch einmal neu aufflammt. Oder ist sie nie erloschen?

Ich war hingerissen, weil es den Leser zuerst in die Welt der Jugend mitnimmt und neben der Leichtigkeit die Tragik nie weit ist. Auch alles Folgende ist besonders reizvoll, weil eine immerwährende Sehnsucht nach der einen großen Liebe spürbar bleibt.

Menschwerdung und Menschsein zeigt sich facettenreich und getragen von Sehnsüchten, die dem Menschen eigen sind. Irrtümer können unerwartete Wendungen herbeiführen, und das Schicksal und der Zufall spielen mit. Verletzungen, die Partner sich zufügen können, werden ebenfalls in den Focus genommen.

Wer am Ende zu wem findet, und ob es das vollkommene Glück überhaupt gibt, das bleibt hier die Frage.

Auf jeden Fall ist die Geschichte lesenswert, weil sie mit der lockeren, flotten Erzählweise, die nicht der Tiefe entbehrt und uns keine schöne Welt vorgaukelt, besonders gut getroffen ist.

Das Büchlein liest sich leicht, ist spannend und anregend bis zur letzten Seite und verspricht anhaltendes Lesevergnügen.

Éliette Abécassis
Mit uns wäre es anders gewesen
144 Seiten, gebunden
Arche Literatur Verlag, Juli 2021
ISBN-10: 3716027979
ISBN-13: 978-3716027974
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Mario Frank: Gauck – Eine Biographie

Mario Frank: Gauck – Eine Biographie

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Ein Staatsoberhaupt auf allen seinen Wegen…

Wer ist dieser gefeierte und charismatische Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland?

Zuerst einmal ist da ein kleiner Junge, der, 1940 geboren, die brutalen Folgen des barbarischen Zweiten Weltkriegs aushalten und mittragen musste.
Wustrow an der Ostsee ist der heimatlich geliebte Ort seiner Kindheit. Wer diese Gegend kennt oder gar einige Kindheitsjahre selber dort verbracht hat, wird sich lebhaft vorstellen können, wie glücklich man im Fischland aufwachsen konnte. Hierhin gehen seine Sehnsüchte und Reisen immer wieder zurück.

Doch das Glück hatte Grenzen: Der Vater wurde 1946 nach dem Ende des Krieges von den russischen Besatzungstruppen nach Sibirien verschleppt und kehrte erst 1955 aus dem russischen Arbeitslager zurück.
Die Abneigung gegen das DDR System, von der Mutter vorgelebt, bestimmte fortan das Handeln in der Familie. Zur Theologie kam Gauck gegen innere Widerstände. Anders war mit seiner Geisteshaltung gegenüber dem Regime ein Studium nicht möglich.

Schon früh Vater geworden und nach wiederholten Anläufen zum Examen bis zum endlichen Gelingen hat er sich schließlich intensiv der Betreuung seiner Gemeindemitglieder, Aufgaben für anstehende Kirchentage und vor allem der Jugendlichen angenommen.

Der ausführliche Bericht von Mario Frank erlaubt den Blick auf einen Menschen, der nicht ohne Fehl und Tadel war. Seinen Kindern und der Familie war er ein eher abwesender Vater und Ehemann, so dass auch seine Frau zahlreichen Zumutungen ausgesetzt war. Der Arbeitsalltag, gekoppelt an eine stete Unruhe und unbezähmbarem Tatendrang, halfen ihm, die Jahre in der DDR zu überstehen. Dass die Grenzen einst fallen könnten, war lange Zeit undenkbar. Unter Schmerzen und im Konflikt beantragten seine ältesten Söhne die Ausreise aus der DDR. Deren Wünschen nach einem besseren Leben hatte sich der Vater verschlossen. Da zeigt unser Staatsoberhaupt eine Härte, die nur schwer verständlich bleibt, die aber auch die Ehrlichkeit zeigt, mit der hier berichtet wird.

Breiten Raum nimmt in der Biographie die politische Entwicklung mit den Stasibedrohungen und deren Gefahren ein.

Gauck war und ist ein begnadeter Redner, der das Volk bei der friedlichen Revolution von 1989 zu mobilisieren verstand. Er blieb nach Aussagen des Biographen der unabhängige Geist, der sich keiner Ideologie unterordnen wollte. Er war es, der frühzeitig die Wiedervereinigung im Blick behielt und nicht etwa einer neuen Volksrepublik nach sozialistischem Muster das Wort redete. Auf allen seinen Wegen bestand er den Balanceakt, nicht als Abtrünniger des Regimes verhaftet und ausgeschaltet zu werden.

Für den Leser sind diese Passagen ein Lehrstück in deutscher Geschichte. Hier werden noch einmal die ereignisreichen und spannenden Zusammenhänge des Zusammenbruchs der ehemaligen DDR beileuchtet.

In Gesprächen mit zahlreichen Zeitzeugen gelingt Mario Frank ein lebendiges und lebensnahes Bild dieses Präsidenten. Begeisterungsfähig und mitreißend versteht er seine Zuhörer und Besucher in Bann zu schlagen und die vielfachen Fallstricke, die einem politischen Redner unterlaufen könnten, kann er geschickt umgehen.

Zuletzt wird Gauck Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Eine ehrenvolle und anstrengende Aufgabe.

Mario Frank
Gauck – Eine Biographie
414 Seiten, gebunden
Suhrkamp Verlag, Oktober 2013
ISBN-10: 3518424114
ISBN-13: 978-3518424117
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Petra Kasch: Bye-bye, Berlin

Petra Kasch: Bye-bye, Berlin

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Nadjas Mutter ist weggezogen von Ostberlin nach Hamburg. Im Westen hat sie einen besseren Job gefunden. Sie hofft darauf, dass Nadja und ihr Vater nachkommen. Doch daraus scheint nichts zu werden. Nadjas Papa versinkt in seiner Depression. Immer wieder geht er in die Kneipe gegenüber und betrinkt sich. Dabei kann die Miete schon nicht mehr bezahlt werden. Aus dem versprochenen Urlaub am Schwarzen Meer, zu dem sogar Nadjas Freund Timm mit sollte, scheint nichts zu werden. Nadja ist so wütend, dass sie beginnt, das Lebenswerk ihres Vater zu zerstören. Nadjas Vater war einer bekanntesten Fotografen in der DDR, doch nun ist er schon seit zwei Jahren arbeitslos. Draußen im Container zündet Nadja die Fotos an. Als die Feuerwehr anrückt, haut sie ab.
Am nächsten Tag kommt Frau Möller vom Jugendamt. Sie sieht, in welch schlimmen Zustand die Wohnung ist. Nadja und ihr Vater versichern ihr, dass alles in bester Ordnung ist. Sie will in einer Woche noch mal wiederkommen und sehen, ob die Wohnung, so wie Nadja behauptet hat, tatsächlich renoviert wird.
Timm trommelt die Freunde zusammen. Es muss etwas geschehen. Einer borgt Geld für die Miete und beim Streichen wollen auch alle helfen. Aber Nadja wird alles zu viel. Sie will kein Mitleid. Doch ihre Freunde lassen nicht locker. Etwas ganz Besonderes fällt ihnen ein, um Nadja und ihren Vater zu unterstützen.

Die Geschichte spielt in Ostberlin nach dem Mauerfall. Der Vater ist arbeitslos geworden. Die Wohnung ist voll von seinen Fotos, die DDR-Geschichte erzählen. Die Mutter, auf der Suche nach einem besseren Leben für die ganze Familie, ist in den Westen gegangen. Nadja und ihr Vater halten an ihrem bisherigen Leben fest, das aber von Hoffnungslosigkeit geprägt ist. Mit Spannung verfolgt man wie Nadja kämpft. Die Sorge um ihren Papa scheint sie zu erdrücken. Sie will nicht zu ihrer Mutter nach Hamburg, aber auch nicht ins Heim. Sie will bei ihrem Papa bleiben, doch der scheint sich aufgegeben zu haben. Und das Jugendamt hat schon Wind davon bekommen. Doch Nadja kann auf ihre Freunde zählen. Und was die sich ausdenken, ist eine gelungene Überraschung. Und dennoch wackelt hier die Glaubwürdigkeit der Geschichte. Denn im Grunde verprellt Nadja ihre Freunde einmal zu viel.

Die Autorin erzählt die Geschichte mit sehr viel Feingefühl. Sie geht besonders auf die Gefühle Nadjas ein. Die Folgen der Wiedervereinigung werden deutlich gemacht. Das Schicksal von Nadjas Familie ist eines von vielen. Man kann die Zeit ein wenig nachempfinden. Die Geschichte wäre sicher böse ausgegangen, wenn Nadja nicht so gute Freunde und Nachbarn gehabt hätte. Aber so hat das Buch dann wenigstens ein gutes Ende, auch wenn es fast zu schön ist, um wahr zu sein.

Rezension von Heike Rau

Petra Kasch
Bye-bye, Berlin
252 Seiten, gebunden
ab 11 Jahren
Ravensburger Buchverlag
ISBN-10: 3473347914
ISBN-13: 978-3473347919