Quest

Quest

Nach eigener Aussage hat Andreas Eschbach zu „Quest“ unfreundliche, zum Teil bösartige eMails bekomen. Andererseits liegt das von ihm als Stückchen für SF-Liebhaber gedachte Werk inzwischen in der siebenten Auflage vor, hat also die SF-Leser-Szene offfenbar längst verlassen.
Nun mögen diese beiden Dinge die äußersten Extreme der Reaktionsskala sein – wundern kann ich mich über darüber nicht.

Ich habe das Buch mit Vergnügen gelesen und blieb am Ende unbefriedigt. Ich habe mich an den ausufernden Beschreibungen bizarrer Welten ergötzt und das Gefühl gehabt, die Handlung leide darunter. Ich habe die Lebendigkeit der Dialoge bewundert und gelegentlich den Überblick verloren, wer da gerade was sagt. Ich habe die Kraft der „Da ist ein extrem charismatischer alleinherrschender Captain“-Konstruktion genossen und mich gefragt, ob dieser Captain Eftalan Quest tatsächlich so präsent ist, wie Eschbach behauptet. Ich habe die (meisten) Figuren spüren können und war doch (bis auf wenige Ausnahmen) keiner von ihnen je nah. Ich wusste, dass es so enden musste, und war enttäuscht, dass die Handlung einfach so – ohne einen „Knall“ – in dieses Ende hineinplätscherte.

Worum geht es? Es geht um Eftalan Quest, der – schwer erkrankt – Gott sucht. Auf dem Planeten des Ursprung soll dieser zu finden sein und Quest bricht jede denkbare Regel, jedes Gesetz, nur um dorthin zu gelangen.

Aber das ist nicht das, was ich gelesen habe. Ich sah Schlaglichter auf eine jedem Fantasy-Epos Ehre machende Welt. Manches hob sich deutlich ab – der Tempel, in dem alles Wissen lagert zum Beispiel. Manches gab sich undurchsichtig – die politischen Verhältnisse jenes Universums blieben mir verschlossen, waren vage angedeutet und erfüllten offenbar nur den Zweck, Quests Entschlossenheit zu illustrieren, der die – angeblich – machtvollen Strukturen unterläuft, um zu seinem Ziel zu gelangen.

Vor allem aber sah ich Menschen. Und das in Eschbach‘scher Plastizität und Glaubwürdigkeit. Zum Teil und streckenweise zumindest. Quest beispielsweise bleibt bis zum und bis auf den Schluss uninteressant, obwohl er der Auslöser des Geschehens ist. Seine Geliebte ist wunderbar zart und stark, vernünftig und ihrem Gefühl ausgeliefert gezeichnet – unglaublich nah an dem, was ich für einen hochinteressanten Charakter halte. Dass sie im Interesse des – irgendwann hoffentlich folgenden – literarischen Fortgangs sterben musste, war (mir) klar. Aber ich hätte ihr ein doch etwas spektakuläreres Ende als einen simplen Leiter-Absturz „gegönnt“. Andererseits: Die allermeisten Leben enden unspektakulär…

Smeeth, der ominöse schwarze Mann, der immer mehr weiß, als irgendwer sonst, entwickelt sich schon bald nach seinem Auftauchen zum eigentlichen „Helden“ – doch er tritt dem Leser mit der selben Unberührbarkeit entgegen wie den Roman-Figuren. Seine in Jahrhunderten erworbenen Erfahrungen heben ihn über die anderen, geben ihm die – begründete (? – interessantes Thema!) – Egozentrik eines Gottes. Er weiß alles und kann alles, denn es gibt nichts, was er nicht schon mal gesehen oder erlebt hätte. Irgendwann wird es – so hoffe ich – eine Geschichte geben, die auch Smeeth menschlich zeigt…

Und dann ist da noch Bailan, der Junge, der erstmals in die Welt hinausstolptert und doch schon weiser ist, als viele andere an Bord. Und die Tiganerin, in die er sich verliebt und der – wenigistens ihr! – ein Happy End hätte gegönnt werden können.

Am Ende findet Quest seinen Gott. Ob er „echt“ ist, lässt Eschbach ohne jeden Hinweis offen. Die Menschen, deren Weg sich bei dieser Queste berührten, durchdrangen und verwoben, gehen weiter. Selbst die Toten bleiben als Erinnerung Teil des Lebens in jenem Universum…

„Quest“ ist eine klassische Space-Opera. „Quest“ ist ein Buch über Menschen. „Quest“ ist ein Schlaglicht darauf, wie das Leben eben so ist. „Quest“ ist phantastisch, ist grundsatz-philosopisch und individuell-lebensanschauend, ist bizarr und ganz und gar normal. Und vor allem ist es – egal, ob man Erwartungen gern oder ungern unerfüllt bleiben sieht – in erwartungsgemäß brillanter Sprache geschrieben.

Am 21. 9. 2002 konnte Andreas Eschbach in Leipzig den Kurd Lasswitz Preis der Kategorie „Bester deutschsprachiger Science-Fiction-Roman mit Erstausgabe von 2001“ entgegennehmen.

Andreas Eschbach
Quest
SF für Fantasy-Freunde und Leser, die Menschen treffen möchten. Ein Buch, das erwartungesgemäß Erwartungen nicht erfüllt. Ein Blick auf Leben.
ISBN:ISBN:3453187733
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