Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Lexington, Kentucky, im Jahre 1964. Der viele Schnee ist Schuld daran, dass Dr. Henry seine Frau in seiner Praxis selbst entbinden muss. Aber die Geburt verläuft normal, bis sich herausstellt, dass nicht nur ein Kind auf die Welt kommt, sondern zwei. Der Junge ist gesund, aber das zweitgeborene Kind ist mongoloid. Dr. Henry bittet die Schwester, das Baby wegzubringen. Er möchte seiner Frau, die noch betäubt vom Lachgas ist, das Leid ersparen. Später erzählt er Norah, dass das Mädchen gestorben ist.

Schwester Caroline Gill schätzt den Zustand des Babys als gar nicht so schlecht ein. Als sie sieht, welche Zustande im Heim herrschen, beschließt sie, das Baby dort nicht abzugeben, sondern es bei sich zu behalten. Sie geht weg aus der Stadt und beginnt ein neues Leben.

Norah fügt sich dem Schicksal, träumt aber in jeder Nacht von Verlorenem. David, ihr Mann, beginnt wieder zu arbeiten, während sie sich um ihren Sohn Paul kümmert, so wie es alle von ihr erwarten. Sie soll vergessen und kann es nicht. Sie organisiert einen Trauergottesdienst und die die wissen müssen, was wirklich passiert ist, spielen das traurige Schauspiel mit. Caroline Gill weiß nun Bescheid. Offenbar hat Dr. Henry seiner Frau erzählt, das Baby sei tot.

Erzählt wird die Lebensgeschichte der Familien Henry und Gill parallel. Während Norah sich in eine Identitätskrise stürzt und David eine Mauer um sich errichtet, versucht Caroline sich ein neues Leben aufzubauen. Sie kämpft für die Anerkennung ihrer Ziehtochter, sorgt zum Beispiel dafür, dass sie trotz verzögerter Entwicklung eine Schule besuchen darf. Außerdem heiratet sie den Fernfahrer Al, den sie kurz nach der Geburt von Phoebe kennen gelernt hat.
In beiden Geschichten kommen tiefe Gefühle zum Tragen. Im Prinzip geht es im Buch um nichts anderes, als die Empfindungen der einzelnen Protagonisten auszuloten und ihrer Art mit der Schuld, die sie in guter Absicht auf sich geladen haben, fertig zu werden. Das macht die Autorin auf eine sehr akribische, dadurch aber sehr glaubwürdig wirkende Art und Weise.

Man kann sich mit dem Buch perfekt zurückziehen. Und auch wenn die Geschichte sehr tragisch ist, so herrschen doch die leisen Töne vor. Der unaufdringliche Schreibstil der Autorin gefällt ausgesprochen gut.

Rezension von Heike Rau

Kim Edwards
Die Tochter des Fotografen
Aus dem Amerikanischen von Silke Haupt und Eric Pütz
523 Seiten, gebunden
Gustav Kiepenheuer Verlag, Berlin
ISBN: 978-3-378-00680-5
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