Gerhard Josten (Hrsg.): Ein All ohne Knall

Gerhard Josten (Hrsg.): Ein All ohne Knall

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Kein Knall(er)

Gerhard Josten gefällt „die moderne These des Urknalls nicht, weil sie das All scheinbar der Unendlichkeit beraubt“, für welche er eine virulente Zuneigung hat. Das teilt der Klappentext des Buches „Ein All ohne Knall“ mit. Das an sich ist schon seltsam, warum Josten aber das Thema nicht nur aus naturwissenschaftlicher Sicht betrachten lässt, sondern es auch noch mit Spiritualität und menschlichem Forscherdrang in ein Buch presst, bleibt bis zum Schluss unklar.

Das Buch besteht aus drei Teilen. Im ersten verspricht Gerhard Josten, der sich, sich hinter anderen versteckend, als Herausgeber betiteln lässt, einen Überblick über den Stand der Forschungen zum Thema Urknall zu geben. Das ist übertrieben. Er doziert über den Durchsetzungskampf des heliozentrischen Weltbildes, erklärt, was die Rotverschiebung mit der Urknall-Theorie zu tun hat und dass es auch mindestens eine andere wissenschaftliche Idee dafür gibt, wie diese Verschiebung zu stande kommt. Das habe mit der Dualität des Lichtes zu tun und würde unser Wissen über das Licht ein besseres, würde wohl die Urknallthese ins Wanken geraten. Warum, verrät er nicht. Ich nehme an, das weiß er selbst nicht.

Ich nehme generell an, dass Josten nur vage Vorstellungen von den Dingen hat, über die er da redet, und sehr vage und verschwommene Vorstellungen davon, wie diese Dinge miteinander und mit anderen Dingen verknüpft sind. Die einzige Alternative: Er weiß das alles genau, hat aber nicht die geringste Ahnung davon, wie man sowas logisch, klar und nachvollziehbar strukturiert darbietet. Der Gipfel dieser verwirrenden Abhandlung ist beispielsweise das Einsprengsel über die mutmaßliche Darstellung des Sonnensystem auf einer alten sumerischen Siegelrolle. Was das mit dem Urknall oder dem Wissen um die Natur des Lichtes zu tun haben soll, bleibt gänzlich offen.

Um nicht missverstanden zu werden: Das mit den Sumerern ist interessant, andere Passagen dieser Ausführungen auch – nur hat sich bei all dem der rote Faden verheddert, manchmal ins Unsichtbare verkrochen oder ist stellenweise sogar gerissen. Wahrscheinlich sind zudem auch noch Sachfehler im Text, die ich mangels Fachausbildung nicht sehe – die Aussage, der Regenbogen zerlege das Licht ähnlich wie ein Prisma, fiel mir massiv auf und lässt mich Schlimmes vermuten. (Lieber Herr Josten, „zerlegen“ tun die Wassertropfen, der Regenbogen ist das Ergebnis).

Worin das Problem besteht, dem Thema Struktur zu geben, weiß ich nicht. Mit „Die gängige Theorie geht so. An diesen Stellen gibt es Kritik und das sind die entsprechend anderen Thesen.“ wäre es ganz simpel gewesen. Bei Bedarf hätte man in einem zweiten Teil darüber reden können, warum die so „offensichtlich“ angreifbare These so hartnäckig vertreten wird. Aber auch das hat nichts mit dem Themenkreis „Warum erforscht der Mensch das All?“ und nur ganz, ganz am Rande mit Spiritualität zu tun. Das alles irgendwie zu einem Brei verrühren zu wollen, kann nur schiefgehen. Wahrscheinlich hat Josten ja auch selbst gespürt, dass ihm die Sache nicht griffig gelingen wird, und deshalb nicht alles selbst geschrieben, sondern Fachleute und „Fachleute“ direkt zu Wort kommen lassen.

Das geschieht nun im zweiten Teil des Buches, wo Gerhard Josten Artikel, Interviews und ähnliche Texte zusammenstellt, in denen sich Menschen mit und ohne wissenschaftliche Titel zu verschiedensten Themen äußern. Irritierenderweise taucht hier auch eine Bibel-Passage auf – dem Eindruck eines seriösen, wissenschaftlich sinnreichen Buches ist das nicht wirklich förderlich. Also wovon wird im zweiten Teil gesprochen? Es gibt Texte über Spiritualität, über Gott und Wissenschaft, über Licht, Urknall- und andere Thesen, Weltraumforschung, Aliens … Manches klingt logisch, anderes eher nicht, manches klingt hochwissenschaftlich, an anderen Stellen wird mit „fühlt sich falsch an“ argumentiert, manches klingt nach Missionierung, manches ist irgendwie nur verquer diskutiert, mancher Vorwurf der Verdrehung beruht auf der Verdrehung des Kritisierten … Da stehen Bibeltext, schlecht gemachte Sience Fiction, ausführliche wissenschaftliche Abhandlung und laienwissenschaftliches Pamphlet kommentarlos nebeneinander. Kurz: Jeder einzelne Text ist in sich mehr oder weniger stimmig (dabei aber von sehr unterschiedlicher inhaltlicher Qualität), insgesamt entsteht jedoch ein ähnliches Wirrwarr wie im ersten Teil. Immerhin kann man einen Teil als Urknall-Thesen-(Gegen)Texte erkennen, anderes hat damit überhaupt nichts zu tun.

Der dritte Teil schließlich ist die Wiedergabe eines angeblichen Dreiergespräches – es klingt eher, als habe einer dem anderen schriftlich in Abhandlungsform „geantwortet“ – des Autors mit einem Psychologen und einem Philosophen zum Thema „Warum befassen sich Menschen mit dem Universum?“ Was das mit dem Urknall zu tun hat? Keine Ahnung. Zumindest kann Josten hier sein Steckenpferd „Unendlichkeit“ reiten und sich in der Folge noch als kunstinteressiert, Schriftsteller, 6fach Opa etc. präsentieren. Die „Gesprächsbeiträge“ selbst sind weitgehend unspannend. Wen das Thema interessiert, der hat sowas schon tausendmal prägnanter oder richtiger lesen können; wen es nicht interessiert, der wird es trotz so mancher launiger Stammtischparole womöglich als reines Geschwafel empfinden. Im besten Fall könnte man die Aussagen der einzelnen Beiträge zur Diskussionsgrundlage nehmen und diverse Behauptungen vom Kopf, aus der Schieflage oder aus dem Verrenkt-Aufgehängt-Sein erstmal auf den Boden der Realität stellen. Da reden Leute – vielleicht nicht immer, aber in weiten Passagen – von Sachen, von denen sie nur eine vage bzw. eindimensional stammtischtaugliche Ahnung haben. Andererseits: Vielleicht haben ja auch diese „Fachleute“ einfach nur ein Problem damit, sinnvoll, strukturiert und verständlich zu schreiben.

Gerhard Josten (Hrsg.)
Ein All ohne Knall
269 Seiten, broschiert
Shaker Media GmbH, Aachen
ISBN-10: 386858787X
ISBN-13: 978-3868587876
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