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Autor: Claudine Borries

Ursula Voß: Ein Leben für die Liebe

Ursula Voß: Ein Leben für die Liebe

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Louise de Vilmorin war eine berühmte Salonière zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Frankreich. Sie entstammte einem begüterten Landadelsgeschlecht und lebte von 1902-1969. Als einzige Tochter neben zahlreichen Brüdern der Familie wurde sie zärtlich verwöhnt.
Sie war schön, reizvoll und besaß Esprit.

In ihren Pubertätsjahren erkrankte sie an Tuberkulose und musste Jahre lang das Bett hüten. Doch sie war verführerisch, so dass sich schon bald die ersten Bewerber um ihre Liebe einstellten. Der Schriftsteller und berühmte Flieger Saint-Exupéry war einer der ersten Bewerber um ihre Gunst. Er sollte nicht der einzige bleiben! Der Briefwechsel mit der von ihm Geliebten brach allerdings erst nach seinem Tod ab.

Louise heiratet mit 23 Jahren einen amerikanischen Unternehmer und geht mit ihm nach Las Vegas in Amerika. Nach der schnellen Geburt dreier Töchter langweilt sie sich, so daß es sie nach New York treibt. Dort begannen entscheidende Jahre, in denen sie sich zu einer Stilikone, Dichterin und Geliebten zahlreicher reicher und berühmter Männer wandelte.

Etwa 1933 zog sie zurück nach Paris. Exupéry führte sie in Paris in den Salon von Madame Lestrange ein. Dort fand sie sich im Kreis anerkannter Intellektueller wieder, und dort fand sie ihre Bestimmung: eine begehrte Dichterin und Liebhaberin zahlreicher Männer und alles Mondänen und Außergewöhnlichem zu werden.

Unter den Liebhabern traten Namen hervor wie Man Ray, Friedrich Sieburg, Jean, Cocteau und Orson Wells. Der aus dem ungarischen Adelsgeschlecht stammende Fürst Esterhazy und am längsten und intensivsten André Malraux und viele andere mehr gehörten ebenfalls zu ihren Liebhabern.

Ursula Voß gebührt Anerkennung dafür, wie sie das Leben dieser außergewöhnlich exzentrischen und verführerischen Dame charakterisiert und nachgezeichnet hat.
Wunderbar beschreibt sie Louise de Vilmorin mit ihrer Ausstrahlung, die sie auf fast jeden hatte, dem sie begegnete. Ihr Esprit, Charme und das glamouröse Ambiente ihrer Kleidung und ihres Auftretens war legendär.
Die Details der Stationen ihres Lebens lassen das Leben der Moderne in Paris und anderswo hervortreten, so dass man sich ein lebhaftes Bild von den Salons und dem kulturellen Leben zu Beginn des 20.Jahrhunderts machen kann.

Die Namen der Personen, denen sie in ihrem Leben begegnete und die Orte und Städte, in denen sie sich aufhielt, sind so zahlreich, dass man fast ein wenig Mühe hat, sich alle zu merken.
Louise fühlte sich selbst zur Schriftstellerin berufen und hat einige namhafte Roman, unter ihnen „Die Frau im Taxi“, verfasst. Mit dem Verleger Gallimard, auch er einer ihrer Verehrer und eine bekannte Größe im damaligen Geistesleben Frankreichs, hatte sie die nötigen Verbindungen, um als Schriftstellerin Erfolg zu haben.

Ein unterhaltsames, informatives und malerisches Bild ist der Autorin Ursula Voß mit ihrem vorliegenden Buch gelungen.

Ursula Voß
Ein Leben für die Liebe
144 Seiten, gebunden
Verlag:Ebersbach & Simon, September 2019
ISBN-10: 3869151870
ISBN-13: 978-3869151878
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Ursula Ott: Das Haus meiner Eltern hat viele Räume

Ursula Ott: Das Haus meiner Eltern hat viele Räume

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In diesem Buch des Abschieds und der Erinnerungen kann sich sicher jeder in irgendeiner Weise wiederfinden, der seine alten Eltern ins betreute Wohnen oder in ein Altersheim verabschieden muss.

Die Eltern der Autorin gehörten zur Nachkriegsgeneration, in der noch sehr andere gesellschaftliche Vorstellungen über die Regeln des Zusammenlebens herrschten als in der Welt ihrer Kinder, die zu Beginn der sechziger Jahre geboren wurden. 

Als die Mutter der Autorin nach dem frühen Tod des Vaters zusehends älter wird und zu vereinsamen droht, fassen ihre Töchter und sie selber den Entschluss, in ein betreutes Wohnen umzuziehen. Da die Töchter beruflich und familiär in weit entfernte Städte gezogen sind, ist der Besuch und die Betreuung der Mutter schwierig geworden.

Sie wird vom Bodensee nach Stuttgart ziehen. Der Entschluss ist gefasst, doch bis der Umzug erfolgen kann, müssen alle das Haus ausräumen. Mit diesem Vorgang befasst sich die Autorin in ihrem vorliegenden Büchlein.
Jedes Blatt, jedes Bild und jedes Möbelstück, wird auf seine Verwertbarkeit begutachtet. Was will man behalten, was soll entsorgt werden, was kann man verschenken oder verkaufen?

Und natürlich sind alle Gegenstände mit Erinnerungen verbunden.
Ursula Ott versteht es vorzüglich, das Design der Dinge, seien es Wohn- oder Küchenmöbel, Teppiche oder praktische Geräte, mit dem Geschmack der sechziger und siebziger Jahre in Verbindung zu bringen, so dass fast eine kleine Geschichte familiären Lebens entstanden ist.
Melancholie und gelegentlich sogar Tränen lassen den Abschiedsgedanken aufkommen, der das Haus und sein Inneres mit der Aufgabe des Schutzes früherer Jahre in Verbindung bringt. 

Hoch reflektiert und talentiert zeigt die Autorin, dass es sich so leicht anhört: „ins Heim gehen“, doch in Wahrheit ist das ein langer Prozess. Die Familie löst diesen Konflikt blendend, in dem sie der Mutter ein Jahr für den endgültigen Abschied gewährt. So lange dauert die Auflösung des elterlichen Haushalts, und so lange bleibt Mutter noch die Besitzerin des Hauses.

Ursula Ott hat ein anrührendes und zu Herzen gehendes Stück eigener und allgemeiner Zeitgeschichte verfasst.
Es ist ein sehr lesenswertes Erinnerungsbuch für Menschen, die Abschied von den Wurzeln des Zuhauses in irgendeiner Weise ja alle erleben werden. Zu Kriegszeiten gab es keine Muße des Abschieds, alles geschah schnell und überrannte die Menschen. Heute in unserer langen Friedenzeit darf man sich diesem Geschehen mit der notwenigen Zeit und Besinnung überlassen. Ursula Ott hat alles gekonnt in ihren Gedanken und mit ihren Worten zusammengefasst. 

Sehr lesenswert!

Ursula Ott
Das Haus meiner Eltern hat viele Räume
192 Seiten, gebunden
btb Verlag, März 2019
ISBN-10: 3442758246
ISBN-13: 978-3442758241
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Isabel Bogdan: Laufen

Isabel Bogdan: Laufen

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Man kennt den Ausdruck “um sein Leben laufen“. Hier ist es Wirklichkeit geworden und in eine Sprache gefasst, die unvergleichlich intensiv, sensibel und Schritt für Schritt dieses Laufen beschreibt.
Eine ungenannte Erzählerin beginnt zu Laufen, weil sie sich nicht mehr anders zu helfen weiß in einem tiefen Kummer um ihren verlorenen Lebensgefährten.

Während des Laufens wird zunächst der Körper beobachtet: wie er schnauft, wie es scheint, er kann nicht mehr, jeder Schritt und jede Ecke muss erkämpft werden. Mit der Zeit wird es dann leichter.
Dabei lässt die Autorin ihre Romanfigur das Leben reflektieren; man erfährt nach und nach, wie ihre Beziehung war, die Eltern des Gefährten, und wie sie unter der Einsamkeit leidet. Die gemeinsame Wohnung musste sie schon aufgeben, weil sie diese alleine nicht mehr bezahlten konnte. Da sie mit ihrem Partner nicht verheiratet war, konnten dessen Eltern alles mitnehmen, was ihrem Sohn gehörte.

Bilder aus dem vorbeifliegenden Park werden so poetisch geschildert, dass man fast in ein Gemälde zu schauen meint. Die Läuferin sieht das Glück der anderen, will es nicht sehen, will sich am liebsten verkriechen und läuft doch tapfer weiter. Diese Form der Trauerbewältigung ist einmalig, intensiv und hoch einfühlsam beschrieben. Wie kann und wie soll man einen Verlust dessen beschreiben, der zu Hause, Geborgenheit und Liebe in einem bedeutete?
Das ganze Leben dieses Paares scheint auf in seinen glücklichen, trauten und fernen Momenten.

Und immer wieder wird das Ausatmen und Einatmen beschworen. So als könne der Körper sein Gleichgewicht nur wiederlangen, in dem er sich zum Laufen zwingt, um die Leere und das Alleinsein erträglich zu machen.
Gehalten wird die Frau von sehr wenigen guten Freunden; Rike, ihr Mann und die Kinder sind die wirklich vertrauten Menschen. Ihre eigene vertane Zeit mit einem Mann, der an schweren Depressionen litt, so dass in der Beziehung nichts mehr lief, auch der lange ersehnte Kinderwunsch nicht in Erfüllung gehen konnte: das alles wird in atemloser Weise während des Laufens erinnert.

Es ist ein Buch der Gefühle, der Trauer und der Bewältigungsversuche. Intensiv, drängend und laufend versucht die Protagonistin, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Entstanden ist eine Geschichte, die von der inneren Unruhe und der Suche nach dem Sinn dieses Todes und dieses gemeinsamen Lebens handelt. Anrührend, aufrichtig, unverfälscht und wahrhaftig begegnen wir einem Menschen, der wie sicher viele andere eine Trauerbewältigung auf die ihr eigene Weise versucht. Ob es gelingt, bleibt offen. Wahre Liebe ist unvergänglich, und ein letzter Ausruf offenbart das!

Isabel Bogdan besitzt umfassendes psychologisches Einfühlungsvermögen. Sie findet die richtigen Worte, um aus dem Roman eine sensible und beeindruckende Studie zu machen, die dem wahren Leben abgeschaut zu sein scheint.
Sie lebt in Hamburg und ist eine ausgewiesene Übersetzerin aus dem Englischen.

Isabel Bogdan
Laufen
208 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, September 2019
ISBN-10: 3462053493
ISBN-13: 978-3462053494
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Norman Wolf: Die Fische schlafen noch

Norman Wolf: Die Fische schlafen noch

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In einer anrührenden Erzählung beschreibt Norman Wolf, wie er seinen Vater an den Alkohol und zuletzt an die Obdachlosigkeit verlor.

Fing doch das Leben von Norman so wohlbehütet und beschützt im Kreise seiner Familie an! Die liebevolle Mutter, ein grundgütiger Opa und ein kumpelhafter Vater bereiteten ihm einen guten Start ins Leben. Warum er dennoch in der Schule angefeindet wurde, bleibt nicht ganz verstehbar. Zeigte sich hier schon eine besondere Sensibilität, die für die Mitschüler unheimlich war?

Als der Vater seine Stelle verliert und so bald auch keine neue findet, beginnt ein scheußlicher Abstieg in der ansonsten bisher so ruhig verlaufenen Familiengeschichte.
Die Streitereien zwischen den Eltern nehmen an Schärfe zu, als der Vater immer häufiger dem Alkohol zuspricht, die Mutter viel weint, und Norman sich zunehmend ängstigt. Schließlich muss der Vater seine Familie verlassen; die Mutter will es so.

Über zehn Jahre hört niemand etwas von ihm. Den Unterhalt für die Kinder bleibt er schuldig, und gelegentlich denkt man, dass der Vater eben tot ist. In die Familie zieht endlich wieder Ruhe ein.

Zehn Jahre später hat Norman sein Psychologiestudium beendet und ist auf dem Weg nach Amerika, wo er eine Arbeit annehmen wird. Als ihn eine Nachricht vom Vater erreicht, dass dieser inzwischen in Hamburg auf der Straße lebt, beginnt die eigentliche Geschichte. Mit Hilfe der neuen Medien, insbesondere über Twitter, wird von Norman eine aufwendige Suche nach dem Vater gestartet. Zahlreiche Menschen beteiligen sich, helfen, sprechen Mut zu und Norman ist immer weiter auf der Suche nach Kontakten zum Vater, der immer mal wieder unauffindbar ist.

Auffällig ist die außerordentliche Anhänglichkeit und Empathie von Norman. Dass ein Mensch so viel tut, um die verloren gegangene Welt wiederzufinden, dabei stete Liebe und Zuneigung zu Mutter, Vater und Opa zeigt, ist bemerkenswert.
Der Autor war sich unsicher, ob er sein Schicksal in einem öffentlichen Medium wie Twitter preisgeben soll. Viele gute aber auch negative Erfahrungen haben ihn nicht von seinem Vorhaben abbringen können, die Suche nach dem Vater aufzugeben.
Das Buch zeigt sein ungewöhnliches Talent, Empfindungen in Sprache zu fassen. Seine Offenheit und Wahrhaftigkeit sind beeindruckend.
Damit sind seine Aufzeichnungen hilfreich für alle, die Ähnliches mit Angehörigen oder geliebten Menschen erlebt haben oder noch erleben. Man liest das Buch mit Spannung und angehaltenem Atem.

Norman Wolf
Die Fische schlafen noch
224 Seiten, broschiert
mvg Verlag, August 2019
ISBN-10: 3747400779
ISBN-13: 978-3747400777
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Udo Jürgens: Spiel des Lebens

Udo Jürgens: Spiel des Lebens

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Ja, dass das Leben ein Spiel sei, wie im Titel angedeutet, mag wohl angehen, zumal wenn einer mit jugendlichen Elan seiner inneren Stimme folgt. Aber in den nun folgenden Geschichten von Udo Jürgens, die er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Michaela Moritz verfasst hat, merkt man sehr schnell, dass es auch Mühsal und Plage sein kann.

Es geht ganz einfach um Beobachtungen von Menschen, die im Alter unerwartet großen Ruhm erlangten; es geht um Betrachtungen über Vergänglichkeit und wesentliche Lebensveränderungen, und es zeigt einmal mehr die nachdenkliche und melancholische Mentalität des Sängers, Entertainers und Chansoniers Udo Jürgens. Eigene Lebenserinnerungen mischen sich mit solchen, die nichts mit seinem Leben zu tun haben.

Im Gegensatz zu den möglichen Erwartungen des Lesers sind die Betrachtungen und Erfahrungsberichte nicht oberflächlich oder nichtig. Die zwei ersten Erzählungen tragen autobiographische Züge und wirken daher echt.
Sei es plötzlicher Ruhm und Erfolg mit den materiellen Möglichkeiten, die diesen Erfolg begleiten, oder sei es eine Wiederbegegnung wie die zwischen dem erfolgreichen Maler und den vor Jahren schon in Berlin in der Paris Bar erlebten Kellner: hier wird Atmosphäre vermittelt, die man unmittelbar nachempfinden kann.
Die Erzählungen erheben allerdings sicher nicht den Anspruch hochwertiger Literatur.

Die folgenden Geschichten aber wirken weit hergeholt und können dem angestrebten Anspruch nicht gerecht werden. Sie sind schlichtweg langweilig.

Der hoch gepriesene Sänger hatte es nicht nötig, sich auch noch ein literarisches Denkmal zu setzen. Insofern nur als leichte Lektüre zu empfehlen.

Udo Jürgens
Spiel des Lebens
224 Seiten, gebunden
S. FISCHER, August 2019
ISBN-10: 3100024354
ISBN-13: 978-3100024350
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Erik Fosnes Hansen: Ein Hummerleben

Erik Fosnes Hansen: Ein Hummerleben

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Eine Geschichte aus Norwegen:

Hoch oben in den norwegischen Bergen gibt es ein Hotel, das einst florierte. Um es kurz zu machen: zu Beginn der Geschichte floriert das Hotel noch. Doch dann weitet sich der Tourismus in wärmere und südlichere Gefilde aus, so dass dem angestammten Holte finanzielle Ausfälle drohen.
Vor diesem Hintergrund spielt die Geschichte von Sedd, dem Enkel des Hotelbesitzerpaars Zacchariassen.

Über lange Seiten hinweg wird uns das Leben dieses 13jährigen Jungen erzählt. Er ist ein lieber und wohlerzogener Junge. Es bleibt lange unklar, wer seine Eltern sind.

Jim, der Küchengehilfe und Hausfaktotum in einem ist, zeigt sich als treuer Freund des kleinen Jungen, da er ihm Bruder, Vater und Mutter ersetzt, wenn die Großeltern häufig mit ihren eigenen Sorgen und Nöten beschäftigt sind.
Man bekommt lebhaft vor Augen geführt, wie das Leben im Hotel zwischen diesen vier Personen seinen Lauf nimmt.

Sedd ist ein kleiner Rettungssanitäter, der vergeblich bei einem Abendessen im Hotel den zusammengebrochenen Bankdirektor Berge wiederzubeleben versucht. Dieser verstirbt, und als Folge wird ein neuer Bankdirektor in das kleine Städtchen berufen. Damit zieht auch das Unglück ins Hotel ein, weil der Ruf von Herrn Zacchariassen dem Neuen nicht bekannt, und Kreditvergabe daher schwieriger geworden ist.

Allerlei Erlebnisse und zahlreiche Gespräche und Alltagsgeschichten nehmen breiten Raum ein. Da geht es um den freundlichen Umgang miteinander, um Zuwendung, und erste Lebenserfahrungen des kleinen Jungen. Meeresfrüchte zu den Mahlzeiten geben Hinweise auf den seltsamen Titel des Romans. Zuweilen ist man als LeserIn irritiert, weil man nicht so recht weiß, worauf es mit diesen Erlebnissen und mit alle den Alltagssorgen und Nöten, auch freundlichen Begebenheiten, hinauslaufen soll. Dass es eine herzliche Gemeinschaft zwischen den vier Hauptprotagonisten gibt, kann sehr fein aus den Schilderungen herausgehört werden. Hier kommt die sprachliche Eleganz des Autors Hansen zum Ausdruck. Man liest den sprachlich schönen ersten Teil mit Neugierde, denn er ist kurzweilig.

Erst im allerletzten Teil aber wird die Geschichte richtig aufregend und spannend.Steuern alle Beteiligten doch auf ein Ende zu, das skurril und aberwitzig ist. Nun versteht man, dass die lange Vorbereitungszeit mit den Landschafts-und Stimmungsbildern wichtig war, um den Eklat zum Ende hin zu verstehen.

Ein schönes, ruhiges Leseerlebnis für Mußestunden liegt mit diesem Roman vor.

Norwegen wird dieses Jahr Gastland auf der Frankfurter Buchmesse sein. Erik Fosnes Hansen wird als Vertreter dieses Landes mit seinen Romanen breite Aufmerksamkeit finden.

Erik Fosnes Hansen
Ein Hummerleben
384 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, August 2019
ISBN-10: 3462050079
ISBN-13: 978-3462050073
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Matthias Brandt: Blackbird

Matthias Brandt: Blackbird

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Matthias Brandt zeigt uns in seinem neuen Roman, wie es aussieht, wenn Jugend langsam ins Erwachsenenalter wechselt.

Morton ist 15 Jahr alt. Man hat in diesem Alter in der Schule häufig Spitznamen. Er heißt Motte und bekommt eines Tages einen Anruf vom Vater seines guten Freundes Bogi, eigentlich Manfred Schnellstieg. Er hört, dass Bogi krank ist, sehr krank sogar. Bogi liegt im Krankenhaus und hat eine Angst erregende Therapie vor sich. Motte ist noch gar nicht bereit, sich auf dieses Neue in seinem Leben einzulassen. Er will weiterleben wie bisher, aber so geht das nicht, denn auch seine Eltern planen Veränderungen; Trennung, Wohnungssuche und so vieles mehr.

Matthias Brandt erzählt so, als wäre er dieser Junge. Er wählt die Ichform beim Erzählen. Die Gedanken und Sätze seines Denkens, seine Beobachtungen und die Sprache sind echt dem nachempfunden, was einen Fünfzehnjährigen so umtreibt. Da gibt es Mitschüler und Mitschülerinnen, über die er sich auslässt. Und er sieht Jaqueline an sich vorbeirauschen. Die erste Liebe scheint sich anzubahnen!
Seine Aussagen sind ganz dem Sprachgebrauch und etwas schnodderigen Aussprüchen eines Jungen von 15 Jahren abgeschaut.

Gelungen folgt man den verschlungenen Wegen eines Jungen, der auf der Suche ist nach dem, was für ihn in seinem Leben wichtig ist. Nicht der Welt der Eltern und Lehrer gilt sein Augenmerk. Sie sollen ihr eigenes Ding drehen und ihn damit in Ruhe lassen.
Erste Berührung mit Alkohol und den entsprechenden Folgen als Ausdruck der Initiation zur Erwachsenenwelt findet statt.
Die Sprache bleibt die ganze Zeit rau, “cool“ würde die heutige Jugend sagen. Man zeigt keine Gefühle und will auch keine entgegennehmen. Doch sie schauen in bestimmten Situationen um die Ecke und sind gerade in ihrer unterdrückten Form sehr ausdrucksstark.

Motte wechselt mit wachen Augen seine Standorte, feiert Erfolge und erlebt die Unsicherheit der ersten Liebe. Im Hintergrund lauert immer der nahende Tod in Gestalt seines Freundes Bogi. Wie er sich windet, dessen Leben auszuweichen und doch ergriffen wird von der Unausweichlichkeit der fortschreitenden Krankheit des Freundes, das wird sehr real in den Fokus genommen.

Ein wenig gemahnt die Diktion dieses Romans an den ersten Geschichtsband von Matthias Brandt,„Raumpatrouille“, mit dem er Furore machte. Waren es doch die Erinnerungen eines Jungen, der sich neben den Aufregungen und öffentlichen Auftritten seiner Eltern, dem ehemaligen Kanzler Willy Brandt und seiner Frau Ruth, einen eigenen Weg im Abseits suchte, wo er aufwachsen und gedeihen konnte.

Auch dieser Roman ist ansprechend, wenn sich auch gewisse Längen zeigen. Man kann ihn dennoch guten Herzens empfehlen.

Matthias Brandt
Blackbird
288 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, August 2019
ISBN-10: 3462053132
ISBN-13: 978-3462053135
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Dana Suffrin: Otto

Dana Suffrin: Otto

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Dana von Suffrin hat uns die Geschichte einer skurrilen Familie aufgezeichnet.

Die Familie stammte ursprünglich aus Siebenbürgen, ist aber zuletzt in München ansässig.

In einer witzigen und hoch motivierten Form erzählt die Autorin von einem Vater, eben jenem Otto, der inzwischen pensioniert und alt ist, auch pflegebedürftig, und seine Töchter schön zu tyrannisieren versteht.

Er kommandiert sie gerne herum und verlangt von seiner Tochter Timna, dass sie die Familiengeschichte aufschreibt. Er kann ganz schön bohrend und hartnäckig sein!

Dana von Suffrin besitzt die Begabung und versteht den Witz der einzelnen Personen so gekonnt einzufangen, dass man ihr gerne folgt.

Vater erzählt von Omama und Otata, seinen Eltern, die nach strengen Regeln lebten. Nach ihnen hatte man sich zu richten. Ob Otto daher so rigide und herrisch zu seinen Töchtern ist?

Otto, der pensionierte Ingenieur, hat genau Vorstellungen für seine Erwartungen und Forderungen.
In rührender Weise erinnert sich die ältere Tochter Timna an die Geschichten ihrer Kindheit, in der ihr Vater eine bedeutsame Rolle spielte. Er konnte seine Töchter trösten und erheitern. Und jetzt? Auch jetzt überstrahlt seine Persönlichkeit den Alltag der Töchter, die sich seinen dringenden Wünschen nicht widersetzen können.

Neben dem täglichen Einerlei gibt es immer wieder die Einsprengsel mit Geschichten aus der familiären Vergangenheit. Übersprühend, komisch und bekannt aus zahlreichen jüdischen Familiengeschichten, wenn auch zeitweise etwas ausschweifend, erzählt die Autorin ihre Geschichte. Der Mutterwitz und die Selbstironie aus dem jüdischen Milieu sind bekannt. Man nahm nicht immer alles so ganz ernst. Herz und Verstand sind dabei, und man spürt die Wärme und das Vertrauen, das man ineinander setzte.

Ob der Roman autobiographische Züge trägt? Man möchte es bei der Intimität und Genauigkeit der Erlebnisse fast glauben.

Dana von Suffrin hat mit ihrem Debütroman eine schöne und anrührende Familiengeschichte erzählt! Lesenswert und unterhaltsam!

Dana von Suffrin
Otto
240 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, August 2019
ISBN-10: 3462052578
ISBN-13: 978-3462052572
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Anna Enquist: Denn es will Abend werden

Anna Enquist: Denn es will Abend werden

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In geheimnisvoller Weise führt uns Anna Enquist auf die Spuren eines Streichquartetts, dessen Mitglieder durch einen dramatischen Überfall und Unfall auseinandergerissen wurden. Holland ist der Ort des Geschehens.
Carolien ist die Hauptprotagonistin, aus deren Blickwinkel die Geschichte aufgerollt wird.

Sie hat durch den besagten Überfall einen kleinen Finger verloren und will keinesfalls mehr ihr Instrument, das Cello, anrühren. Auch ihrem Beruf als Ärztin glaubt sie nicht mehr nachgehen zu können. Ihr Mann Jochem, ein Instrumentenbauer, hat sich in ein Atelier verkrochen, in dem er sich mit vielerlei Sicherheitsvorkehrungen eingeigelt hat. Diese beiden scheint der Unfall ganz aus dem Gleise geworfen zu haben. Am wenigsten hört man von Heleen. Hugo, der Bootsbesitzer, dessen Boot bei dem Überfall in die Luft gesprengt wurde, hat sich als Konzertmanager nach China abgesetzt.
Dorthin führt dann auch eine Reise von Carolien, die damit ihrer Trauer zu entfliehen hofft. Die Chinaeindrücke beherrschen denn auch lange die ganze Geschichte.

Die Autorin umkreist ihr Sujet, und nur aus Andeutungen lässt sich die Geschichte nach und nach rekonstruieren. Alle sind sich fremd geworden und können keinen Gedankenaustausch finden. Gab es da nicht sogar Kinder von Carolien und Jochem? Darüber wissen wir gar nichts.

Wir tappen lange im Dunkeln, bis wir allmählich verstehen, dass besonders Carolien und Jochem doppelte Traumata zu verarbeiten haben.

Die Unfälle sind m.E. ein wenig zu zahlreich und drastisch aufgetragen. Wie die Fische im Wasser ziehen alle ihre eigenen Bahnen, um dem Unheil der Erinnerung zu entkommen. Man folgt gebannt den einzelnen Begegnungen, Handlungen und Gesprächen, um die Zusammenhänge zu verstehen. Charaktere sind unterschiedlich, und genauso unterschiedlich sind ihre Verarbeitungsstrategien. Missverständnisse, Naivität, mangelndes Selbstwertgefühl nach dem vorübergehenden Verlust der Selbstbestimmung und tiefe Ohnmachstgefühle bei einigen zeigen, was Schicksalsschläge aus Menschen machen können.

Die Atmosphäre, die in dem Roman beschrieben wird, ist melancholisch bis ängstlich-depressiv.
Wie werden die Beteiligten nur aus diesem Drama herauskommen?
Die Autorin zeigt uns mit ihrem Erzählstil, wie es um die Seelen ihrer Protagonisten bestellt ist.

Die Sprache ist subtil und differenziert, so dass man lange gefesselt bleibt.
Das Ende ist überraschend und sehr unerwartet aber gekonnt aus dem Wissen einer Therapeutin entwickelt.
Ein solches Ende erwartete man nicht. Es könnte leicht kitschig wirken, entgeht diesem Klischee aber knapp.

Anna Enquist ist neben ihrer Schriftstellerarbeit Psychoanalytikerin. Man merkt ihrem Roman an, dass sie sich aus langen Jahren der Erfahrungen mit den Ängsten, Sorgen und Nöten von traumatisierten Patienten gut auskennt.
Sie lebt in Amsterdam.

Anna Enquist
Denn es will Abend werden
288 Seiten, gebunden
Verlag: Luchterhand Literaturverlag, Juni 2019
ISBN-10: 3630876048
ISBN-13: 978-3630876047
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Maria Duenas: Eine eigene Zukunft

Maria Duenas: Eine eigene Zukunft

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Drei heranwachsende junge Mädchen folgen Mitte der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts mit ihrer schüchternen Mutter aus Spanien/Andalusien dem herumvagabundierenden Vater nach Manhatten/ New York in
Amerika. Es war die Zeit, in der zahlreiche Einwanderer aus Europa ihr Glück in dem freien Land erhofften. Besonders New York war ein Tiegel der Vielvölkerei. Die Entwicklung in dem fremden Land, mittellos und
einsam, ist der alles beherrschende Tenor des ersten Teils dieses lebendigen Romans von Maria Duenas.

Als der Vater schon kurz nach der Ankunft seiner Familie am Hafen, wo er Arbeit fand, tödlich verunglückt, steht die Familie vor einem Scherbenhaufen. Nun stellt sich die Frage: zurück ins Heimatland oder hier
ihr Schicksal selber in die Hand nehmen?

Fesselnd und beredt schildert die Autorin den Lebensweg dieser vier Frauen. Sie bleiben in NY und versuchen auf allerlei Wegen, zu Geld zu kommen. Mal ist es ein Restaurant, dann wieder eine Schauspieltruppe, auch Haushaltshilfe und Wäscherei kommen als Verdienstquelle infrage.

Vorsichtig und suchend tasten sich die drei Schwestern vor. Mit ihrer Mutter können sie gar nicht rechnen, den diese ist sehr unselbständig, hilflos und nörgelig.

Die drei Schwestern werden im Laufe der Erzählung in immer neue, schwierige und gefährliche Abenteuer verstrickt. Über allem schwebt der Wiedergutmachungsanspruch gegenüber den Hafenbehörden für den tödlichen verunglückten Vater. Ein ruchloser Anwalt versucht sich als Mittler, und wie nicht anders zu erwarten, geraten die drei Mädchen in schreckliche Verstrickungen, da sich ihnen auch immer wieder Verehrer mit mehr oder weniger unlauteren Absichten nähern.

Insgesamt kann man sagen, dass die Geschichte wild, vielseitig und an Abenteuern reich ist. Zuletzt wähnt man sich in einem Krimi, denn Mord und Totschlag spielen keine unwesentliche Rolle.

Maria Duenas schreibt einen flotten Stil. Sie berichtet zügig und lebensnah vom Milieu in den verschiedenen Vierteln, die sich in NY je nach Sprache und Herkunft gebildet haben. Nicht jeder versteht das Sprachengemisch, so dass man sich schon deshalb zusammenschließt und unter sich zu bleiben versucht. In den untersten Schichten herrscht vielfach Betrug und Kriminalität, oft ungeahndet, weil es keinen funktionierenden Überwachungsapparat gibt.

Man bekommt ein eindrucksvolles Bild vom Leben und Treiben der Bewohner. Zuweilen sind der Personen, die auftauchen und z.T. verwandt oder verschwägert sind, zu viele. Da heißt es immer schön dabeibleiben, damit einem auch nichts entgeht.

Insgesamt ein lesenswerter, turbulenter, spannender und zuletzt auch einem Krimi nachempfundener Roman.

Die Autorin lebt und lehrt in Spanien.

Maria Duenas
Eine eigene Zukunft
587 Seiten, gebunden
Insel Verlag, März 2019
ISBN-10: 3458177833
ISBN-13: 978-3458177838
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