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Autor: hera

168 – Verschollen in der Römerzeit

168 – Verschollen in der Römerzeit

Der Hausmeister des Internates für Hochbegabte Schloss Rosenstoltz hat in einem Beet beim Blumenzwiebeln stecken ein Metallstück gefunden. Nelson erkennt sofort, dass es sich um eine Münze handelt. Auch einige Tonscherben werden gefunden.
Nelson zeigt diese Fundstücke Professor Papadopoulos, der sie analysieren lassen will. Der Fund wird ansonsten geheim gehalten. Nelson vertraut sich nur seinen Freunden Levent, Luk und Judith an. Es wäre doch zu schön, wenn ein ganzer Römerschatz gefunden werden würde.
Tatsächlich findet Hausmeister Kunkel noch ein paar kleine Knochenstückchen und ein Bleitäfelchen mit eingeritzten Worten. Mittlerweile ist auch das Alter der Tonscherben bestimmt. Sie stammen aus dem Jahre 168 nach Christus.
Die Botschaft auf der Bleitafel stammt erstaunlicherweise von einem Christen, obwohl man davon ausgeht, dass die christliche Zeitrechnung erst viel später entstanden ist. Die Tafel enthält eine Art Testament.
Auch die Knochenstücke geben Rätsel auf. Darunter befindet sich nämlich ein Zahn mit Keramikverblendung. Für die Freunde ist klar, dass ein Zeitreisender unterwegs gewesen sein muss, offensichtlich mit seiner Schwester Miriam, wie der Tafel zu entnehmen ist.
Auch Nelson, Levent, Luk und Judith sind bereits mit einer, von Levent entworfenen Maschine, in der Zeit gereist, ins Jahr 1227. Für Levent und infolge auch für seine Freunde, war das ein traumatisches Erlebnis. So sollte eine weitere Zeitreise nicht stattfinden.
Doch jetzt wollen sie es wieder tun. Offensichtlich brauchen die Zeitreisenden, die in der Römerzeit verschollen sind, ihre Hilfe.

Das Buch ist spannend, keine Frage. Ganz leicht zu lesen, ist es allerdings nicht. Ein gewisses Interesse an Naturwissenschaften sollte schon vorhanden sein. Denn hin und wieder wird es im Verlaufe der Handlung sehr theoretisch. Allerdings erhält der Leser dadurch auch viel spannendes Hintergrundwissen über Zeitreisetheorien. Es ist die zweite Zeitreise der hochbegabten Schüler nach dem Buch „1227 – Verschollen im Mittelalter“. Auch diese wird wieder sehr gefährlich und dramatisch. Dementsprechend mitreißend ist die Handlung im dritten Teil des Buches. Zum Ende hin knistert die Spannung geradezu. Ganz nebenbei lernt der Leser viel über das römische Köln. Besonders Luk, kennt sich in Geschichte sehr gut aus und überrascht mit interessanten Einzelheiten. So kann man den Roman mehreren Genres zuordnen, wie Abenteuer und Historisches. Auch die Liebe spielt eine Rolle. Nelson und Luk kommen sich näher.
Das Buch ist zudem ausgesprochen gut geschrieben. Der Autor versteht es, seine Leser zu fesseln und ihr Interesse zu wecken.

Rezension von Heike Rau

Über den Autor:
Pete Smith studierte an der Universität Münster Germanistik, Philosophie und Publizistik. Seit 1989 lebt er als Schriftsteller und Kulturredakteur einer Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet. Pete Smith schreibt Romane, Erzählungen und Hörspiele für Kinder und Erwachsene.

Pete Smith
168 – Verschollen in der Römerzeit
272 Seiten, gebunden
für junge Erwachsene
Verlag Carl Ueberreuter, Wien
ISBN-10: 3-8000-5241-5
ISBN-13: 978-3-8000-5241-7
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Lucas

Lucas

Ende Juli kommt Lucas auf die Insel Hale vor der englischen Küste. Niemand weiß, wer er ist und woher er kommt. Auch die 15-jährige Caitlin nicht. Doch schon nachdem sie ihn zum ersten Mal gesehen hat, geht er ihr nicht mehr aus dem Kopf.
Lucas wird vom ersten Tag an angefeindet, besonders von den Jugendlichen. Caitlin versteht ihre Freunde in diesem Zusammenhang nicht. Sie schämt sich sogar, hofft, Lucas würde nicht schlecht von ihr denken.
Sie lernt ihn als feinfühligen, netten Jungen kennen, draußen am Strand, als er in einem Gezeitentümpel Krebse fängt. Selbst ihr Hund, sonst sehr skeptisch Fremden gegenüber, fasst auf Anhieb Vertrauen.

Bei einem Wohltätigkeitsrennen, einer Regatta mit Flößen, beweist er als einziger Charakter. Ein Mädchen fällt bei dem schlechten Wetter ins Wasser, ist offensichtlich am Ertrinken. Doch niemand hilft. Die See tobt, der Wind nimmt zu, die Lage für das Mädchen wird immer dramatischer. Lucas wagt es, das Mädchen aus dem Wasser zu ziehen. Es lebt. Ihr Bikini ist verrutscht. Gerade als er ihn geradeziehen will, kommt die Mutter des Mädchens angestürmt und verkennt die Lage. Sie glaubt, Lucas versuche, sich an ihrem Kind zu vergreifen. Niemand der Anwesenden hält es für nötig, die Situation zu klären. Caitlin ist zu weit weg, sie hat alles nur aus der Ferne beobachten können. Aber ohnehin will niemand die Wahrheit wissen.

Die Geschichte kommt einer Hexenjagd gleich. Fast alle Bewohner der Insel sehen in Lucas eine Bedrohung. So sind sie bereit, alles zu tun, um ihn zu verjagen und gehen dabei zu weit. In ihrem Hass überschreiten sie jede Grenze und fühlen sich dabei auch noch im Recht.
So unglaublich die Geschichte auch ist, als Leser wird man sofort mitgerissen. Aber das Buch geht auch derb unter die Haut und man fühlt sich der Geschichte hilflos ausgeliefert.
Besonders von der Sprache her, gefällt das Buch gut. Sie ist perfekt auf Jugendliche zugeschnitten, auch wenn eine Gruppe dieser im Buch sehr schlecht wegkommt. Hier hätte man sich Gegenspieler, außer Caitlin und ihrem Vater, gewünscht.
Interessant auch die sich entwickelnde Gruppendynamik. Die Geschichte bekommt ja an einem Punkt praktisch Selbstlauf, weil es kein Zurück mehr gibt. Der Autor spielt hier wirklich ein schreckliches Szenario durch, bei dem es kein gutes Ende geben kann. So legt man das Buch, einmal gelesen, mit großer Fassungslosigkeit aus der Hand.

Über den Autor:
Kevin Brooks, der in Birmingham und London studierte, versuchte sich als Musiker und arbeitete u.a. als Tankwart und Postbote. Der Autor lebt heute in Manningtree, Essex.

Rezension von Heike Rau

Kevin Brooks
Lucas
Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn
448 Seiten, gebunden
ab 14 Jahren
dtv extra
Deutscher Taschenbuchverlag
ISBN-10: 3-423-70913-8
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Das weiße Segel

Das weiße Segel

Michael ist Finanzberater einer Firma. Der Job ist hart, lässt ihm keine Freizeit. Seine Träume bleiben Träume. Reisen ist seine Leidenschaft, doch dafür ist keine Zeit. Auch seine Ehe mit Kate leidet darunter. Die beiden leben nur noch nebeneinander her. Als Michael den Hochzeitstag vergisst, ist das Fass am Überlaufen. Zwar hat Kate Verständnis, sie ist ja beruflich ebenso eingespannt, doch es wird klar, dass sich etwas ändern muss.

Die Bücher in Mr. Blakes Buchhandlung inspirieren Michael. Er wünscht sich immer mehr, aus dem Alltagstrott auszuscheren, um sich die Welt anzusehen. In langen Gesprächen werden Kate und Michael sich einig. Sie wollen ihre Liebe wieder wecken und ihre Abenteuerlust endlich zulassen. So kaufen sie gemeinsam ein altes Segelboot, lassen es in Ordnung bringen und brechen zu einer langen Reise auf, lassen alles hinter sich, um ihrem Leben eine neue Richtung zu geben.

Das Buch lebt von Träumen, die meist nicht ausgelebt werden können. Doch Michael und Kate, finanziell gut ausgestattet, können es wagen, ihren Job hinzuschmeißen und sich auf ein Abenteuer einzulassen. Ihre Suche nach dem Glück muss praktisch erfolgreich sein, das erwartet man von Anfang an und wird auch nicht enttäuscht.
Der Autor macht es sich hier sehr einfach. Er setzt auf die üblichen Lebensweisheiten, die im Buch von großer Bedeutung sind. Dabei wird er philosophisch bis rührselig. So wirken die Dialoge auch sehr konstruiert, auf jedermann verständlich zugeschnitten.
Aber man muss nicht unbedingt so kritisch an das Buch herangehen. Man kann einfach zuhören und mitnehmen, was an Lebensweisheiten für einen selbst interessant und hilfreich ist.
Gelesen wird das Buch sehr souverän von Markus Hoffmann, der viel Herzblut hineingelegt zu haben scheint. Man kann ihm gut folgen. Es ist ein Buch ohne laute Töne, das zum Entspannen einlädt.

Über den Autor:
Sergio Bambaren, in Peru geboren, reiste um die ganze Welt. Um sich ganz dem Schreiben widmen zu können und seiner Leidenschaft, dem Meer, gab er seinen Ingenieurberuf auf. Er lebt heute in Lima.

Rezension von Heike Rau

Sergio Bambaren
Das weiße Segel
Wohin der Wind des Glücks dich trägt
Aus dem Englischen von Barbara Röhl
Hörbuch, gelesen von Markus Hoffmann
3 CDs, 245 Minuten Spielzeit
Steinbach sprechende Bücher
ISBN-10: 3-88698-736-1
ISBN-13: 978-3-88698-736-8
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Mindestens tausend Verwandte

Mindestens tausend Verwandte

Eine Zigeunerin hatte Natalka vorhergesagt, dass sie als Konzertpianistin nach Wien, Paris und London gehen würde. Sie weiß also, was sie vom Leben erwarten darf. Was sie von ihrer Ehe mit Zenon Zabobon erwarten kann, davon hat sie allerdings keine Vorstellung. Aber, dass man in der Stadt anders wohnt, als auf dem Land bei den Eltern ist ihr schon klar. In St. Petersburg im Jahre 1917 bringt sie ihr erstes Kind zur Welt. Das Mädchen wird Lastivka genannt. Allerdings steht Natalka allein mit dem Kind da. Ihr Mann ist erschossen worden. Sie glaubt es, bis er nach sechs Monaten wieder auftaucht. Er hat eine unglaubliche Geschichte zu erzählen. Und er hat sich verändert, so dass Natalka ihn kaum wiedererkennt.

Während des zweiten Weltkrieges muss die Familie flüchten. Es geht nach Klagenfurt. Natalka, Lastivka und Zenons Bruder Stefan reisen allein. Zenon bleibt zurück, wegen einer Frau. Das wird ihm zum Verhängnis. Seine Familie reist weiter in ein amerikanisches Flüchtlingslager in Berchtesgaden. Lastivka kann hier sogar ihre Klavierstunden weiter nehmen. Hier lernt sie auch Arkady kennen, den sie 1950 heiratet, bevor die Familie nach Amerika auswandert, um ein neues Leben zu beginnen.

Die Geschichte zeigt den Lebensweg einer ukrainischen Familie über zwei Weltkriege und damit über Generationen hinweg, die sich immer wieder neu konstituieren muss. Es gibt nicht unbedingt einen roten Faden, der Autor springt von Familie zu Familie, so dass der Eindruck entsteht, es gibt tatsächlich mindestens tausend Verwandte. Sie alle haben Schicksalhaftes erlebt. Angehörige sind gestorben und doch wurden auch Kinder geboren. So bleibt die Hoffnung auf die Zukunft. Und doch wird immer wieder in die Vergangenheit geblickt, denn die lässt sich nun mal nicht vergessen. So kann man nicht direkt von einem Neuanfang in Amerika sprechen, denn die Geister der Vergangenheit sind immer mit dabei. Nicht selten bleiben Wüsche einfach nur Wünsche und nur wenige Pläne lassen sich umsetzten.
Ob das Buch gefällt oder nicht, ist Geschmackssache. Vielleicht sind es ein wenig zu viele Verwandte, die eine Rolle im Buch spielen. Tiefsinnig und vielschichtig ist es auf jeden Fall.

Über den Autor:
Askold Melnyczuk wurde 1954 in New Jersey geboren. Die Ukraine ist die Heimat seiner Eltern. Der Autor veröffentlichte Kurzgeschichten, Gedichte und Übersetzungen. „Mindestens tausend Verwandte“ ist sein erster Roman und wurde von der „New York Times“ als „notable book“ ausgezeichnet.

Rezension von Heike Rau

Askold Melnyczuk
Mindestens tausend Verwandte
207 Seiten, gebunden
Deuticke Verlag
ISBN-10: 3-552-06037-5
ISBN-13: 978-3-552-06037-1
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Das gruselige Spukschloss

Das gruselige Spukschloss

Kunibert, das kleine Schlossgespenst, langweilt sich. Ihm fehlen die anderen Gespensterkinder. Zur Gesellschaft hat er nur noch Karl von der Knochenburg, den Vampir Volker und die Gespensteroma. Das liegt daran, dass aus dem alten Schloss ein Schlosshotel geworden ist. Jetzt heißt es, nur nicht auffallen. Nicht auszudenken, wenn einer von ihnen entdeckt werden würde. Zum Glück ist noch niemand in die Turmstube gekommen. Kunibert soll mit den Eulenkindern und den Fledermäusen spielen, aber dazu hat er keine Lust.

Als Kunibert um Mitternacht um den Schlossturm schwebt, erinnert ihn die alte Eule an den Gespensterwunschspruch. Damit wünscht Kunibert sich einen Freund herbei. Und tatsächlich begegnet er kurz darauf einem Gespensterkind. Es heißt Flixi-Flaxi von der Felsenburg und ist ziemlich aufgeweckt. Tolle Streiche hat es auf Lager. Es fliegt mit Kunibert in den großen Speisesaal und erschreckt die Gäste. Das macht Spaß! Die Gäste kreischen und schreien nach dem Direktor und flüchten schließlich. Vielleicht wird im Schloss bald wieder alles so, wie es einmal war.

Die Gespensterkinder sind ganz schön frech. Das wird kleinen Kindern gut gefallen. Dass ihr Schloss, einfach zum Schlosshotel gemacht worden ist, wollen sie sich nicht gefallen lassen. Die erwachsenen Gespenster mögen sich fügen, die Gespensterkinder allerdings setzen sich zur Wehr. Es macht viel Spaß, anzusehen, wie die Gespenster die Hotelgäste mal so richtig erschrecken und auf die Schippe nehmen. Ordentlich turbulent geht es im Hotel zu.
Dabei sehen die Gespensterkinder eigentlich gar nicht so gruselig aus. Sie sind fast wie normale Kinder, nur dass unten aus ihren T-Shirts keine Beine heraussehen, sondern das typische weiße Gespenstergewand. Und natürlich sind sie sehr blass, auch wenn sie beim Herumspuken rosa angehauchte Bäckchen bekommen. Jedes Kind wird sich problemlos mit ihnen identifizieren können.
Eltern, die ihren Kindern dieses Buch schenken, müssen allerdings damit rechnen, dass sie bald von verkleideten Gespensterkindern mal so richtig erschreckt werden, auch wenn nicht Fasching oder Halloween ist, denn die Geschichte weckt die Fantasie.

Rezension von Heike Rau

Barbara Cratzius / Susanne Schwandt
Das gruselige Spukschloss
Mit Bildern von Susanne Schandt
26 Seiten, gebunden, durchgehend illustriert
ab 3 Jahren
Annette Betz Verlag
ISBN-10: 3-219-11262-5
ISBN-13: 978-3-219-11262-7
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Lilly die Tigerin

Lilly die Tigerin

Amicam hat Lilly kurz vor der Hochzeit verlassen. Für das Hochzeitskleid hat Lilly nämlich einige Pfunde zu viel. Eine Abmagerungskur würde hier nichts helfen. Es ist vorbei. Lilly empfindet sich nicht als zu dick. Sie findet sich ausgesprochen weiblich und lebt diese Weiblichkeit auch in vollen Zügen aus. Dennoch ist es schwer, den Schmerz zu überwinden. Lilly ist froh, ihre Freundin Ninusch an ihrer Seite zu haben, die viel Trost spendet.

Eigentlich wollte Lilly mit Ninusch in den Zirkus. Aber die sagt ab. So macht Lilly sich allein auf den Weg, nimmt sich ein Taxi. Taxifahrein Michaela schafft es nicht, Lilly rechtzeitig beim Zirkus abzuliefern. Als sie ankommt ist alles vorbei. Doch Lilly gibt sich nicht geschlagen und organisiert sich rasch noch eine Verabredung mit dem Zirkusdirektor. Okasaki ist eine alte Jugendliebe, die nur Minuten gedauert hat, aber sehr intensiv war.

Zwölf Jahre sind vergangen. Natürlich hat Okasaki sich verändert, wenn Lilly auch noch nicht weiß, wie sehr. Er schenkt Lilly ein Tigerbaby, bevor er wieder auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Ein Tigerjunges zu versorgen ist keine einfache Sache, auch wenn Lilly Hilfe von Ninusch und der Taxifahrerin, die ihr auch eine Freundin geworden ist, erfährt. So wie der Kleine wächst, geht in Lilly eine Wandlung vor, die man nicht für möglich gehalten hätte.

Die israelische Autorin Alona Kimhi hat drei interessante Frauen skizziert. Da gibt es Ninusch, aus der Sowjetunion nach Israel ausgewandert, eine wahrhaft hübsche Frau, mit Defiziten im Dentalbereich und einem Freund, der sie gern aus Liebe verprügelt und ihr, um ihre Karriere als Prostituierte voranzutreiben, ein neues Gebiss bezahlt hat. Michaela, die Taxifahrerin dagegen, ist eine Geschichtenerzählerin. Sie ist nicht auf den Mund gefallen. Allerdings wurde sie von ihrem Mann verlassen und auch die Kinder haben sich aus dem Staub gemacht. So konzentriert sie ihre Liebe auf Ninusch.

Hauptperson der Geschichte ist und bleibt Lilly mit ihren 112 kg. Sie ist eine Frau, die sich ihrer Weiblichkeit sehr bewusst ist. Ihre Neurosen treiben allerdings absonderliche Blüten. So gerät die ganze Geschichte irgendwann aus der Bahn. Das Lebensbild wird satirisch verzerrt, bis es unerträglich wird. Die Verwandlung der Hauptperson wird unumgänglich, anders kann man so ein Buch gar nicht beenden.
Man kann viel in die Geschichte, die in Tel Aviv spielt, hineininterpretieren. Zunächst recht realistisch erzählt, wechselt die Autorin irgendwann ins Fantastische. Die Grenze verläuft fließend. Die Autorin gräbt in der Psyche der Frauen und holt alles herauf. So ist die Geschichte sehr skurril und dennoch wahrhaftig.

Über die Autorin:
Alona Kimhi, geboren 1966 in der UdSSR, emigrierte 1972 mit ihrer Familie nach Israel. Sie war Schauspielerin. Später veröffentlichte sie Kurzgeschichten und Romane und wurde mit dem Bernstein Award ausgezeichnet.

Rezension von Heike Rau

Alona Kimhi
Lilly die Tigerin
358 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag München Wien
ISBN-10: 3-446-20764-3
ISBN-13: 978-3-446-20764-6
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Kamtschatka

Kamtschatka

Eine Reise mitten in der Schulzeit ist ungewöhnlich, zumal die Fahrt Hals über Kopf und ohne Reisegepäck beginnt. Es war nichts abgesprochen. Harry und sein kleiner Bruder haben viele Fragen, doch die Mutter hält sich bedeckt. Zuerst geht es zu Freunden, um zu warten, bis der Vater da ist. Dann fährt die Familie weiter bis zu einem abgelegenen Landhaus. Hier will die Familie bleiben, bis die Lage sich entspannt.

Harry wittert ein Abenteuer. Seine Fantasie wird durch die Regeln, die die Mutter den Kindern auferlegt noch mehr angeregt. So darf zum Beispiel das Telefon nicht benutzt werden. Der Vater lässt sich einen Schnurrbart wachsen. Alle denken sich neue Namen aus. Die Kinder schlagen die Zeit tot, vermissen ihr Zuhause. Aber der Plan, die beiden in die Obhut der Großmutter zu geben, schlägt fehl.

Eines Tage kommt ein 18-jähriger Junge in die Familie. Zunächst empfinden ihn die Kinder als Eindringling. Aber er fungiert auch als Babysitter, so dass die Eltern das Haus immer mal wieder verlassen können.
Harry und sein Bruder gehen schließlich wieder zur Schule. Es ist eine kirchliche Schule und der Priester ist ein Freund des Vaters. Die Kinder können sich dort sicher fühlen. Doch Harry verweigert das Lernen.

Die Lage ist angespannt. Die Mutter hat ihre Arbeit im Labor verloren, der Papa hat keine Kanzlei mehr. Harry hat Angst, dass seine Eltern eines Tages nicht zurückkommen könnten. Er träumt davon, ein berühmter Entfesselungskünstler zu werden. Unbewusst versucht er damit auch seinen eigenen Fesseln zu entkommen.

Der Autor erzählt die Geschichte aus der Sicht des kleinen Harry, der die entstandene Gefahr gar nicht begreifen kann. Für einen Zehnjährigen spielt die Politik noch keine Rolle und doch wird er damit konfrontiert. Sein Leben wird auf den Kopf gestellt. Zusammen mit seiner Familie muss er untertauchen, ohne die politischen Hintergründe verstehen zu können. Während die Eltern versuchen zu überleben, erlebt Harry ein Abenteuer. Versucht so, die Schrecken und die Bedrohung auf seine Weise zu kompensieren.
Die Geschichte ist sehr sensibel erzählt. Aber gerade die kindliche Sichtweise auf die Dinge, macht sie so schockierend, so unglaublich desillusionierend. Kinder beobachten ihren Alltag genau, so auch Harry, der aber die Bedrohung ganz anders wahrnimmt, als die wissenden Eltern. So sind viele Szenen für den Leser, der ja im Gegensatz zu den Kinder begreift, was wirklich passiert, schwer zu verkraften. So ist es kein Wunder, dass diese Geschichte lange im Gedächtnis bleibt.

Über den Autor:
Marcelo Figueras wurde 1962 in Buenos Aires geboren. Er arbeitete als Journalist und Redakteur für verschiedene Zeitungen, veröffentlichte Kurzgeschichten, Romane und schrieb mehrere Drehbücher, auch für „Kamtschatka“. Der Kinofilm wurde als bester ausländischer Film für den Oscar nominiert.

Rezension von Heike Rau

Marcelo Figueras
Kamtschatka
320 Seiten, gebunden
Nagel & Kimche
ISBN-10: 3-312-00377-6
ISBN-13: 978-3-312-00377-8
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Tief im Hirn

Tief im Hirn

Helmut Dubiel ist 46, als Parkinson bei ihm diagnostiziert wird. Die Ursache dafür ist unbekannt, eine Heilung ist nicht möglich. Mit Medikamenten wird versucht, die Krankheit zu behandeln.
Der Autor beschreibt, wie alles begann. Von den ersten Symptomen an, die körperlicher, aber auch psychischer Natur sind. Er erzählt, wie ihm sein eigener Körper immer fremder wird. Seiner Arbeit kann er nicht mehr wie gewohnt nachgehen.

Helmut Dubiel schildert auch die Reaktionen seines Umfeldes auf die Krankheit. Sein Blick auf die Welt verändert sich. Wut, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Angst und Frustration machen ihm zu schaffen.
Dennoch wagt er eine Operation, die Tiefenhirnstimulation. Dieser Eingriff kann die Krankheit nicht heilen, aber beeinflussen. Leider nicht so, wie Dubiel es sich erhofft hat. Seinen Lebensmut hat er dennoch nicht verloren. Seine Träume hat er sich bewahrt.

Helmut Dubiels Geschichte beeindruckt stark, macht aber auch betroffen und traurig. Bei Parkinson kann es noch kein gutes Ende geben. Doch die Hoffnung auf den medizinischen Fortschritt bleibt. Der Autor schreibt ohne Selbstmitleid und dennoch sehr gefühlvoll und sehr persönlich werdend. Er beschreibt seinen Lebensweg seit dem Ausbruch der Parkinson-Krankheit. Es ist ein Leidensweg, der von Arzt zu Arzt führt. Trotzt Medikamenten ist das Leben nur noch sehr schwer in den Griff zu bekommen. Die Krankheitssymptome überlagern die Persönlichkeit.
Dennoch ist es auch ein Buch, das Hoffnung macht. Der Autor beweist, dass man sich unter noch so schwierigen Umständen seinen Lebensmut bewahren kann. Dass man aus einem seelischen Tief auch wieder herausfinden kann. Man empfindet Hochachtung vor Helmut Dubiel, der diesen schweren Kampf ausfechtet.

Über den Autor:
Helmut Dubiel wurde 1946 in Essen geboren. Er hat Philosophie und Germanistik in Bielefeld und Bochum studiert und lehrt als Professor für Soziologie in Gießen, arbeitete als Gastprofessor an der University of Berkeley, in Florenz und an der New York University. Helmut Dubiel lebt in Frankfurt.

Rezension von Heike Rau

Helmut Dubiel
Tief im Hirn
142 Seiten, gebunden
Verlag Antje Kunstmann, München
ISBN-10: 3-88897-451-8
ISBN-13: 978-3-88897-451-9
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Ein Hund für eine Woche

Ein Hund für eine Woche

Leon und Pia hätten am liebsten einen Hund. Er könnte das Haus bewachen und mit den Kindern spielen. Aber die Eltern lassen sich nicht erweichen. Schließlich macht ein Hund viel Arbeit. Dann geht Leons und Pias Wusch auf einmal doch in Erfüllung. Die Kinder sollen auf den Hund einer Nachbarin, die ins Krankenhaus muss, aufpassen. Das können die Eltern nicht ablehnen.

Der junge Hund heißt Bollo. Er ist noch ganz verspielt. Zur Begrüßung verpasst er Pia gleich mal einen Hundekuss. Turbulent geht es weiter. Bollo springt durch das ganze Haus. Er spielt mit Papas Hausschuh, kippt den Papierkorb um, zerlegt die Zeitung und treibt noch eine Menge Unfug. Papa wird ganz brummig. In der Nacht bleibt Bollo nicht im Flur in seinem Körbchen. Er will bei den Kindern schlafen.

Leon und Pia müssen ununterbrochen auf den Hund aufpassen, damit er keine Dummheiten macht. Doch können sie nicht verhindern, dass Bollo wegläuft, direkt einem wilden Kaninchen hinterher. Zum Glück findet der Hund allein nach Hause. Als er frisch gebadet alles nass macht, ist Papa wenig begeistert. Es ist offensichtlich, dass er Bollo nicht besonders mag. Dafür liebt Bollo den Papa umso mehr. Leon und Pia haben Bollo in ihr Herz geschlossen. Sie wünschen sich jetzt noch viel sehnlicher einen eigenen Hund. Doch scheint es jetzt noch schwieriger, die Eltern zu überzeugen.

Jedes Kind wünscht sich ein Haustier. Aber gerade kleine Jungen und Mädchen können noch nicht einschätzen, was das auf sie zukommt. Im Buch wird das deutlich gemacht. Damit ist die Geschichte besonders gut geeignet für Kinder, die bald ein Haustier bekommen sollen. Es wird gezeigt, wie viel Arbeit ein Tier macht, aber auch wie viel Freude. Da sollte man gut vorbereitet sein, am besten auf eine spielerische Art und Weise. Das Bilderbuch kann dazu der erste Ansatz sein.
Die Illustrationen gefallen gut. Auf jedem Bild können Pia und Leon mit dem Hund beobachtet werden. Das ist sehr spannend und macht viel Spaß. Die Zeichnungen sind großformatig und schön bunt.

Rezension von Heike Rau

Rosemarie Künzler-Behnke
Mathias Weber (Illustrationen)
Ein Hund für eine Woche
25 Seiten, durchgehend illustriert
Annette Betz Verlag
ISBN-10: 3-219-11263-3
ISBN-13: 978-3-219-11263-4
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Papageien der Welt

Papageien der Welt

Papageien findet wohl jeder faszinierend. Viele Arten fallen besonders durch ihre Farbenpracht auf. Interessant ist auch ihre Intelligenz und die Fähigkeit, die Sprache der Menschen nachzuahmen. Deswegen werden einige Arten auch oft als Haustiere gehalten. Karl-Heinz Lambert hat Papageien für das vorliegende Buch in ihrem natürlichen Umfeld fotografiert. Matthias Reinschmidt hat die Texte verfasst. So werden insgesamt mehr als 60 Arten porträtiert. Die Informationen sind spannend. Dazu kommen noch einige Sonderthemen. Hier wird beispielsweise über den Spix-Ara berichtet, der im Jahre 2000 ausgestorben ist.

Die Fotos sind gelungene Naturaufnahmen, die jeden Betrachter faszinieren werden. Vorgestellt werden die Papageien Südamerikas, Afrikas, Neuseelands, Australiens und Asiens. An vielen kann man sich kaum satt sehen. Da sind die Kubasittiche, die, bevor sie ihren Brutbaum anfliegen, zunächst zwischenlanden, um die Umgebung zu kontrollieren. Perfekt fotografiert sind auch die Blaustirnsittiche, die um eine Mango streiten oder die Amazonas-Grünbürzel-Sperlingspapageien, die mit ihrem grünen Federkleid beim Fressen auf einer Wiese perfekt getarnt sind. Auch eine Flugaufnahme einer Blaustirnamazone ist gelungen. Ein weiteres spannendes Foto zeigt Graupapageien, die sich vom Boden erheben und davonfliegen. Wirklich anrührend ist ein Taranta-Bergpapagei beim Füttern des Nachwuchses. Die zwei Keas beim konzentrierten Spiel gefallen ausnehmend gut. Im Kontrast dazu sind die Rosenkakadus beim Streit um den besten Sitzplatz anzusehen. Auch Wellensittiche gibt es im Buch. Auf dem Foto trinken sie eilig einen Schluck an der Wasserstelle und verschwinden schnell wieder. Auch sehr schön anzusehen, sind die Buntloris beim Kuscheln.

Man kann sich gut vorstellen, wie viel Geduld und welches Können es erfordert, ein Buch mit so spektakulären Nahaufnahmen zu machen. Für so manches Bild musste der Fotograf sich im Tarnzelt auf die Lauer legen. Text und Bilder sind perfekt aufeinander abgestimmt. Der Leser erfährt viel Interessantes und auch viel Neues über die faszinierenden Vögel, von denen leider viele Arten vom Aussterben bedroht sind. Auch darauf lenken Autor und Fotograf das Augenmerk und sensibilisieren den Leser dafür.

Matthias Reinschmidt, Biologe, arbeitet seit 2001 als Kurator im Loro Parque auf Teneriffa, der größten Papageiensammlung der Welt. Er setzt sich für die Rettung bedrohter Papageienarten ein.
Karl-Heinz Lambert fotografiert seit Jahrzehnten Vögel, besonders in ihrem natürlichen Lebensraum. Er züchtet Papageien. Unter anderem hat er mit seiner Frau Karin sieben Naturfilme gedreht.

Rezension von Heike Rau

Matthias Reinschmidt / Karl-Heinz Lambert:
Papageien der Welt
160 Seiten, 200 Farbfotos
Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart
ISBN 3-8001-4991-5
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