Der Bogen des Cellisten

Der Bogen des Cellisten

Andromeda Romano-Lax Der Bogen des Cellisten

Bloomsbury Berlin ISBN 3827006732

Im Jahr 1892 wird in dem kleinen Ort Campo Seco in Katalonien ein Junge geboren. Seine Geburt verlief nicht ohne Komplikationen. Zwei seiner Geschwister helfen der Mutter, das Kind zur Welt zu bringen, denn die Amme erweist sich als unfähig bei der Geburtshilfe.

Wie sich herausstellt, ist sein Vater im Unabhängigkeitskrieg der spanischen Kolonie Kuba gegen die Spanier ums Leben gekommen, und die Mutter schlägt sich fortan mit Näharbeiten durch. Vom gefallenen Vater kommt ein Paket mit Habseligkeiten, u.a. ein Bogen, den sich Feliu als Andenken erbittet. Feliu heißt er irrtümlich, weil bei der Eintragung seines Namens ein Fehler unterlaufen ist; die Mutter wollte ihn Feliz nennen, der Glückliche.

Früh schon spielte die Musik in Felius’ Leben eine Rolle. Der Vater war Musiklehrer, die Mutter hatte eine schöne Stimme, und unser Held interessiert sich für das Klavier und die Geige. Als er eines Tages ein Konzert hört, in dem ein Cellist auftritt, ist es für ihn ausgemacht: dem Cello gilt seine ganze Liebe.
Jetzt kommt der vom Vater vererbte Bogen zu voller Geltung!

Felius Weg führt zunächst nach Barçelona.

Bei einem originellen aber recht runtergekommenen Cellolehrer findet er mit seiner Mutter Unterkunft.
Alberto ist Anarchist, und Feliu nimmt bei ihm Geigenunterricht.

Eine Erzählung nimmt ihren Lauf, die Feliu auf den seltsamsten Spuren und Wegen folgt. Sie stecken voller Abenteuer und führen ihn zunächst in tiefe Armut und zuletzt zu großem Ruhm.

Feliu verdingt sich als Straßenmusiker, ihm fällt ein Buch über Musikgenies in die Hände, und als Krönung gelangt er an die Partitur der Cellosuiten von Johann Sebastian Bach, damals noch ein unentdecktes Werk. Ihm gelingt der Eintritt ins Liceo, das Opernhaus der Stadt, und an der Decke des Saals entdeckt er den Satz: .

Die Vorzeichen für seine Karriere als großer Musiker sind gesetzt!

Er lernt den berühmten Pianisten El-Cerraz kennen.
Sie konzertieren zusammen, lieben die gleiche Frau und leben in steter Konkurrenz zueinander. Auf diese Weise wird der Liebe gehuldigt, die in keinem Leben fehlen darf.

Der Held durchläuft ein Leben, das ihn weit entfernt aus dem Dorf seiner Geburt. Es führt zu Weltsicht, Ruhm und politischem Engagement. Sein virtuoses Spiel macht das Cello als Soloinstrument einer breiten Öffentlichkeit bekannt.

Diese Passagen kann man als Hommage an den Cellisten Pablo Casals ansehen. Andere Teile gestalten mit Phantasie eine Handlung aus, deren Faden nie reißt.

Andromeda Ramono-Lax, selber Cellistin, hat ihren Roman in Anlehnung an das Leben von Pablo Casals entworfen.

In ihrem opulenten Werk wird die spanische Geschichte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts lebendig.
Das reicht von der ersten zur zweiten Republik bis hin zur Diktatur des Franco Regimes.

Die Autorin fängt die düsteren Zeiten der spanischen Kolonialkriege originalgetreu ein. Dazu schildert sie Charaktere von außergewöhnlicher Natur.
Das spanische Königshaus ist mit allen höfischen Finessen vertreten.
In psychologisch ausgefeilten Passagen findet man eine Parallelität zwischen Machtgehabe in der Liebe und in der Politik.

Man konnte über A. Romano-Lax lesen, dass sie sich auf Reisen zu den geschichtlichen Orten ein Bild gemacht hat von Spanien und den wechselnden Zeiten, die das Land durchlebt hat. Sie hat die kürzlich erst erfolgten Terroranschläge in Spanien mit den Anschlägen von Terror und Tod in ihrer Erzählung nachempfunden.
Atmosphärisch kompetent erzählt sie ihre Geschichte.
Die beschriebene Künstlerkarriere ist untrennbar mit der politischen Entwicklung des Jahrhunderts verbunden und spart auch die vielen Namen von Künstlern nicht aus, die sich auf der Flucht vor den Nazis in Südfrankreich wiederfanden.

Andromeda Romano – Lax hat sich viel vorgenommen, indem sie fast ein ganzes Jahrhundert um das Porträt des Künstlers politisch mit erstehen ließ. Es ist ihr gelungen!

Rezension von Claudine Borries

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Christian Berg und Manuel J. Hartung: Welt retten für Einsteiger

Christian Berg und Manuel J. Hartung: Welt retten für Einsteiger

Der Klimawandel hat längst Einzug gehalten. Mit unserer Umwelt steht es nicht zum Besten. Man müsste wirklich umschwenken. Statt dessen wird resigniert. Doch nichts zu tun, macht ein schlechtes Gewissen.
Inzwischen sind die Menschen gut versorgt mit Tipps und Ratschlägen für eine bessere Umwelt. Man soll Sparlampen einsetzten, das Wasser nicht unnötig laufen lassen, den Müll trennen, das Auto stehen lassen und Biogemüse kaufen.
Doch die Art, wie das bisher vermittelt wird, scheint nicht von Erfolg gekrönt zu sein. Vielleicht fehlt eine genaue Handlungsanleitung, wo zusammenfassend erklärt wird, was jeder Einzelne tun kann, ohne zu viel Aufwand, ohne Stress und ohne gleich als fanatischer Umweltschützer dazustehen.

Genau das ist das Ziel des vorliegendes Buches. Schritt für Schritt werden die verschiedenen Bereiche des alltäglichen Lebens durchgegangen. Und tatsächlich kann man eine Menge für die Umwelt tun. Die Autoren erklären was sinnvolle Maßnahmen sind. Diese werden aber nicht einfach in den Raum gestellt, sondern ausführlich erklärt. Natürlich wird der Leser auch darüber informiert, wie oft man es tun muss, was man berücksichtigen muss, wie aufwändig es ist und was es überhaupt bringt. Sehr interessant sind auch die Nebeneffekte. Mit manchen Aktivitäten schont man nämlich nicht nur die Umwelt, man spart auch bares Geld.

Sicher sind viele der Tipps im Buch bekannt, aber es werden auch Vorschläge gemacht, die überraschen. Der Leser erfährt, wie man Altkleider richtig entsorgt, warum man beim Kauf von Fisch wählerisch sein sollte, warum man bestimmten Weinsorten den Vorzug geben sollte und vieles mehr.
Damit auch die nachfolgende Generation sich nicht so schwer tut, gibt es außerdem Erziehungstipps. In diesem Zusammenhang erfahren Eltern, wie sie ihre Kinder für die Natur begeistern können. Schließlich soll für mehr Nachhaltigkeit fortgeführt werden, was die Eltern nun beginnen.

Die Autoren überzeugen mit ihrem Buch. Sie kommen nicht mit erhobenen Zeigefinger daher, sie regen vielmehr zum Nachdenken und damit zum Handeln an. Die meisten ihrer Tipps und Ratschläge kann man gut annehmen. Es sind die kleinen Schritte, die wirken, wenn sie viele Menschen tun. Interessante Rechenbeispiele beweisen das. Damit ist das Buch sehr empfehlenswert.

Rezension von Heike Rau

Christian Berg / Manuel J. Hartung
Welt retten für Einsteiger
30 Gründe für ein gutes Gewissen
180 Seiten, Klappenbroschur
dtv – Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN: 978-3423246491
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Die Frau meines Lebens

Die Frau meines Lebens

Nicolas Barreau Die Frau meines Lebens
Thiele Verlag ISBN 3851790014

Da glaubt einer, endlich die Frau seines Lebens gefunden zu haben, und dann entgeht sie ihm doch!
Grund für 24 Stunden Aufregung und vielfache Bemühungen, ihr auf die Spur zu kommen.

Der Buchhändler Antoine, 32 Jahre alt, Besitzer einer halben Buchhandlung in Paris, ist für einen Kaffee in das Café de Flore gegangen. Auf einem Platz weit hinten an der Wand entdeckt er eine attraktive, honigblonde Frau mit braunen Augen. Elektrisiert und aufgeweckt möchte er sie unbedingt kennen lernen. Sie flirten mit einander, doch leider ist sie nicht alleine!
Seine Hoffnung auf eine Begegnung wächst, als sie ihm einen Zettel mit ihrem Vornamen und ihrer Telefonnummer im Vorbeigehen auf den Tisch flattern lässt.
Die Botschaft lautet, dass er sich in einer Stunde telefonisch bei ihr melden soll und < ich würde Sie gerne wiedersehen >. Sie trägt einen roten Regenschirm, als sie das Café mit einem gut aussehenden Mann verlässt. Welchen Part spielt der Fremde in ihrem Leben?

Antoine ist aufgeregt und kann die Zeit bis zur abgelaufenen Stunde kaum erwarten.
In einem Park vertreibt er sich die Zeit. Nachdem ein Vogel den Zettel, der neben ihm auf einer Bank lag, voll geschissen hat, kann er die letzte der Telefonziffern nicht mehr erkennen. Fluchend und verzweifelt versucht er, die Nummern nach und nach durchzutelefonieren und dabei die letzte Zahl immer wieder zu verändern. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, den er zu verlieren droht.
Die Telefonate mit den unbekannten Teilnehmern bringen ihn nicht weiter. Sie verzögern nur die Zeit. Allerdings ergeben sich aus den Anrufen Anhaltspunkte für die weitere Suche, die einem Puzzle gleicht. Gespräche mit seinem guten Freund Nathan, einem Psychotherapeuten, und mit Julie, Mitinhaberin der Buchhandlung, bieten keinen Trost und zeigen Antoine zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Obwohl man ihn für verrückt halten könnte in seiner Beharrlichkeit, hält er unbeirrt an seinem Ziel fest. Die Spannung wächst und die Suche nimmt leicht groteske Züge an.
Nach einer verwirrenden, viel versprechenden und immer wieder auf Irrwegen landenden Hetzjagd, bleibt Antoine auf Kurs!

Das in dem kleinen Thiele Verlag erschienene Büchlein verspricht schon nach den ersten Sätzen einen vergnüglichen Lesespaß.
Die Geschichte beginnt in einem munteren, frischen Tonfall.
Der Charme der französischen Metropole und der in ihr herrschenden Lebensart macht sich sofort bemerkbar.
Antoine plaudert drauf los und hat den Leser fest im Blick. Dabei unterlaufen ihm lustige und nonchalante Redewendungen, die uns sofort in den Bann der Geschichte ziehen. Die Wortwahl ist differenziert, direkt und unverblümt. Das Alltägliche wird mit Witz und Selbstironie vorgetragen. Mit Phantasie und Einfallsreichtum werden die Abenteuer auf der Jagd nach der Liebsten vorangetrieben. Langeweile kann bei den kurzweiligen Erlebnissen nicht aufkommen.

Selten hat man von einer außerhalb der gängigen Normen liegenden Liebeswerbung in dieser Form gelesen. Kein falscher Ton schleicht sich ein. Die Begegnungen, Erlebnisse und Anstrengungen bei der Suche sind phantasievoll konzipiert und entbehren nicht der Komik. Atemlos folgt man Antoine auf seinen Wegen und bangt mit ihm um den Erfolg der Unternehmung. Man hofft mit ihm auf ein Happy End und wünscht, das Buch möge niemals enden.

Locker und charmant wird das Thema abgehandelt, leicht und unbeschwert.

Sophie Scherrer hat den Text hervorragend übersetzt.

Der Autor ist 1980 geboren, hat Romanistik und Geschichte studiert, lebt als Buchhändler in Paris, und man darf vermuten, dass ihm das Genre des Romans nicht unbekannt ist

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Die Vampirschwestern – Eine Freundin zum Anbeißen

Die Vampirschwestern – Eine Freundin zum Anbeißen

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Familie Tepes ist gerade umgezogen – von Transsilvanien nach Deutschland. Mihai Tepes ist ein Vampir, während seine Frau Elvira ein Mensch ist. Die Kinder Silvania und Daka sind demzufolge Halbvampire. Es ist nicht leicht, sich anzupassen. Mihai wird als Gerichtsmediziner in Nachtschicht arbeiten und Elvira will einen Laden mieten und ganz besondere Klobrillen verkaufen. Es ist nicht einfach sich als normaler Familie zu geben und nicht aufzufallen. Zum Glück gibt es die sieben radikalen Regeln. So darf man nicht bei Tageslicht fliegen, keine Snacks wie Fliegen oder Würmer essen, man muss immer an den Sonnenschutz denken, Haustiere wie Blutegel geheim halten, Spiegel und Knoblauch meiden und man muss aufpassen, dass die Eckzähne immer schön kurz gefeilt sind.

Der erste Schultag wird trotzdem zur Katastrophe. Schon auf dem Weg schaffen es die Mädchen nicht, sich normal zu verhalten. Silvania hat einen heftigen Zusammenstoß mit einem Mann, der wie sich später herausstellt, auch noch ihr Lehrer ist. Aber die beiden lernen auch ein nettes Mädchen kennen, das scheinbar ebenfalls ein Geheimnis mit sich herumträgt.
Nach der Schule stellt Silvania fest, dass ihre Kette mit dem Anhänger verschwunden ist. In dem Anhänger ist nicht nur ein Bild von Oma Zezci, sondern auch etwas Heimaterde. Ohne diese Erde wird ein Vampir immer schwächer und schwächer. Er kann ins Koma fallen und nie wieder daraus erwachen. Daka und Silvania müssen die Kette unbedingt finden. Die Zeit läuft davon.

Die Hauptrollen in diesem Buch spielen zwei ganz unterschiedliche Schwestern. Obwohl die beiden Zwillinge sind, möchte die eine lieber Mensch, die andere lieber Vampir sein. Aber beide geben sich Mühe bei ihrer Integration. Doch die beiden fallen auf, wie bunte Hunde. Auch in der Nachbarschaft sorgen sie für Aufregung. Das sie schon bald beobachtet werden, ahnen sie nicht. Besonders der Vater kann nicht an sich halten. Tagsüber schläft er zwar in seinem Sarg im Keller, aber nachts geht er auf die Pirsch. Hunger ist bekanntlich schlimmer als Heimweh.

Die Autorin beschreibt die urkomischen Situationen, in die die Familie gerät. Es gibt also viel zu lachen. Besonders spannen ist es, zu verfolgen, wie die Familie sich immer wieder herausredet, wenn etwas für andere Menschen merkwürdig Scheinendes passiert ist. Damit wird auch schon die Neugier auf den nächsten Band geweckt.
Der Schreibstil der Autorin gefällt gut. Das Buch ist leicht zu lesen. Man wird großartig unterhalten. Die Charaktere im Buch sind gut beschrieben. Man folgt den Mädchen gerne in ihr neues Leben, das so spannend ist, weil so viel Unvorhersehbares geschieht.
„Eine Freundin zum Anbeißen“ ist ein guter Einstieg in die neue Reihe um die beiden Halbvampirschwestern Silvania und Daka.

Rezension von Heike Rau

Franziska Gehm
Die Vampirschwestern
Eine Freundin zum Anbeißen
Loewe Verlag
176 Seiten, gebunden
ab 10 Jahren
ISBN-10: 3785561083
ISBN-13: 978-3785561089
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Neue Freunde

Neue Freunde

Tomi Ungerer Neue Freunde Diogenes
ISBN 3257011237

Tomi Ungerer ist ein Menschenfreund, und als Menschenfreund ist er zugleich ein Kinderfreund.
Er ist zutiefst durchdrungen von der Idee der Gleichheit, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit.
Sein neues Buch bestätigt einmal mehr seine ausufernde Phantasie, mit der er seiner inneren Haltung Ausdruck verleiht.

Der farbige kleine Junge Rafi Bamoko zieht mit seinen Eltern in ein neues Stadtviertel. Als er Geburtstag hat, ist er alleine, denn er ist ja fremd in der Gegend. Weit davon entfernt, darüber in Trübsinn zu verfallen, fängt er an zu basteln, denn darin ist er gut!
Aus Metall bastelt er sich einen Hund und zwei Katzen.
Bald schaut Ki Sing, ein kleines chinesisches Mädchen aus der Nachbarschaft, über den Zaun, neugierig, was er denn da macht. Als sie sieht, dass er sich lauter Freunde bastelt, ist sie Feuer und Flamme, ihm zu helfen. Aus alten Stofffetzen, Strümpfen, Pullovern und Blechbüchsen machen sie die schönsten Figuren. Die beiden werden unzertrennlich, und auch ihre Eltern freunden sich an.

Die Geschichte nimmt ihren Lauf: als der Hof voll ist, und die Obrigkeit in Gestalt der Polizei erscheint, weil sie das Gerümpel entfernen will, bekommt die Presse Wind davon. Durch den Rummel aufmerksam geworden kommt der Museumsdirektor vorbei und ist so begeistert, dass er die ganze Sammlung der wunderschönen, bunten und phantasievollen Gebilde für sein Museum aufgekauft. Nun können alle Menschen die Figuren und kunstvoll gestalteten Plastiken betrachten. Da gibt es viel zu sehen: das Gedränge der Menschen im Museum ist beachtlich. Tomi Ungerer mit seinem Humor lässt uns Dinge sehen, die uns lachen machen. Wir sehen Menschen mit allen ihren Schrulligkeiten und Eitelkeiten. Ein alter Herr trägt seinen Spazierstock durch die Ohren gesteckt. Auf einem Ende des Stockes sitzt ein bunter Papagei. Augenklappen, verrückte Ohrgehänge, lachende und schiebende Menschen komplettieren das Bild. Die Hersteller der Installationen, das Künstlerduo Rafiki, werden als berühmtes Künstlerpaar gefeiert!

Die Bilder zeigen zwei Kinder, die aus verschiedenen Ethnien kommen, so wie wir heute die kulturelle Vielfalt in unserem Land häufig sehen. Über die Kinder finden die Erwachsenen zusammen. Die Phantasie und das gemeinsame Basteln verbindet Rafi und Ki.
In schönerer Manier lässt sich Völkerverständigung kaum denken.

Ungerer malt mit klaren Strichen kraftvolle Figuren, die auf den ersten Blick an Plakate denken lassen.
Sie wirken leicht hölzern und deutlich abgezirkelt.
Das Handwerk, dem Ungerer gerne frönt, findet in diesem Buch plastischen Ausdruck. Der Reichtum an Ideen, mit denen aus Blech und Stoff und allen nur erdenklichen Schrottüberbleibseln die schönsten Gestalten entstehen, ist überwältigend. Gießkannen, Filter, Schläuche, Nägel,—es gibt nichts, wofür man keine Verwendung fände. Er gibt den Figuren Formen, Farben und Charakteristiken und zeigt sich als unermüdlicher Schöpfer. Die erzählte Geschichte bildet mit ihren Illustrationen eine Einheit, fröhlich, unbeschwert und lustig.
Das letzte Bild zeigt nach den unruhigen Vorgängen um die Kunst ein zufriedenes Paar auf einem Boot im Mondenschein, unschwer als Rafi und Ki zu erkennen.
Wer genau hinschaut, meint Künstler des Mittelalters, der Romantik und des Jugendstils in den Bildern wieder zu erkennen.

Mit seinen Büchern ist Ungerer ein überzeugender Pädagoge der Gleichberechtigung und des freundlichen Umgangs der Menschen miteinander, zugleich aufmüpfig und frech, wenn es angebracht erscheint.
Ein ausgezeichnetes, aufklärendes und heiteres Werk ist ihm mit dem Buch gelungen.
Wie man in den Medien verfolgen kann, wird dieses Buch nicht sein letztes sein!

Zu empfehlen ist es für Kinder ab etwa 8 -10 Jahren,–und wie immer auch für Erwachsene!

Rezesnion von Claudine Borries

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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Robert Löhr nennt seinen Roman einen historischen Roman.
Das ist nun sicher übertrieben und soll es wohl auch sein, denn ehemals berühmte Dichter geben die Protagonisten, während eine fabelhaft erfundene abenteuerliche und obskure Geschichte den Plot bildet.
Wie geht das zusammen?

Goethe soll im geheimen Auftrag des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach den vermeintlichen Dauphin von Frankreich, der sich in den Händen Napoleons befindet und z. Zt. in Mainz versteckt wird, befreien.
August von Weimar fürchtet Napoleon und er fürchtet vor allem, dass man den Dauphin umbringen werde, um zu verhindern, dass er als Ludwig der XVII. den französischen Thron besteigt. August von Weimar aber will genau das: Ludwig aus den Händen seiner Häscher befreien, Napoleon die Herrschaft entreißen und mit Ludwig dem XVII. die Monarchie wiedererrichten.

Goethe ist zwar entsetzt über das Ansinnen seines Freundes, nimmt die Aufgabe aber an. Er sucht in Schiller und Alexander von Humboldt Mitstreiter. Sie machen sich flugs auf die Reise, um in Frankfurt noch Bettine von Arnim dazu zu gewinnen. Auch sie willigt freudig in das Abenteuer ein, denn sie verehrte Goethe bekanntlich sehr!
Die Entführung wird tatkräftig angegangen und auf ihren abenteuerlichen Wegen hört man den Gesprächen und Erlebnissen der einflussreichen und berühmten Dichter zu.

Was zunächst wie Klamauk erscheint, entwickelt sich zu einem amüsanten und höchst geistreichen Zusammenspiel der bekanten Größen aus Literatur, Geschichte und Forschung.

Die Zeit der Romantik lebe hoch! Die Jahre um 1800 sind politisch und im gesellschaftlichen Diskurs glänzend beschrieben, detailgenau und faszinierend.
Auch die handelnden Personen werden glaubwürdig in ihrem Denken verkörpert.
Goethes Weisheit ist ersichtlich, Schiller wirkt mutig, Achim von Arnim pedantisch und Bettine von Brentano, Arnims spätere Frau, kapriziös, verspielt und neckisch. Humboldt ist weit gereist und daher mit Weltblick ausgestattet. Zuletzt stößt mutig Heinrich von Kleist noch zur Gruppe dazu.

Die Handlung ist erfunden, die Figuren aber lehnen sich nahe an das an, was von ihnen überliefert ist.
Die Städte Weimar, Frankfurt und Mainz finden mit ihren Strassen und Gassen Erwähnung; Reisen in der Kutsche, Überfälle und abenteuerliche Wege zeigen die Zeit um 1805, wie man sie sich vorstellen möchte.
Abwechselnd ist die Sprache der Zeit um 1800 entlehnt, um dann einer recht burschikosen und saloppen Diktion zu weichen, die dem heutigen Zeitgeist entspricht.
Die Gespräche drehen sich um die französische Revolution, um die Vorteile der Monarchie, um die Jakobiner, Sansculotten und Napoleon und mit seinem zerstörerischen Eroberungswahn.
Auch ohne Kenntnis der Klassiker kann man den Themen folgen, denn humorig und spritzig sind die Unerhaltungen, amüsant und zum Lachen die Kalauer.
So manchen weisen Spruch wird man aus den Werken der großen Dichter und Denker wieder erkennen.
Von , einem Ausspruch von Goethe bis zu < dem Mann kann geholfen werden > aus Schillers Drama Die Räuber reichen die Originaltöne.

Ein reiches Quellenstudium muß der Romanschreiber betrieben haben.

In schelmischer und humorvoller Weise verbindet Löhr seine Recherchen über die Historie mit Erfundenem, so dass ein amüsanter Mix aus wahren Begebenheiten und dazu erdichteter Geschichte entstanden ist. Abenteuerlich, teilweise grotesk, immer aber unterhaltsam, geistreich und witzig ist die Geschichte konstruiert.
Zwischen Schelmenroman und Gaunerkomödie möchte man den Plot ansiedeln.
Einige Längen sind zu ertragen, wenn man denn die Muße hat, sich auf das ausführliche Phantasiegebilde der Geschichte einzulassen.

Gelungen präsentiert sich hier ein Roman zwischen Dichtung und Wahrheit!

Robert Löhr
Das Erlkönig-Manöver
Schein und Wirklichkeit im historischen Kleid
ISBN:349204929X
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Der geheime Zirkel – Circes Rückkehr

Der geheime Zirkel – Circes Rückkehr

Es ist Weihnachten. Gemma, Felicity und Ann, die Schülerinnen der Spence-Akademie für junge Damen in London sind, haben kein großes Interesse an den Weihnachtsvorbereitungen teilzunehmen. Sie gehen zur alten Eiche, die in der Nähe der zugemauerten Höhle liegt, um ihrer Freundin Pippa zu gedenken.
Gemma gibt vor, im Moment das Magische Reich nicht betreten zu können. Sie befürchtet, damit nicht richtig umgehen zu können. Ohnehin müssen zunächst die anderen Mitglieder des Ordens gefunden werden.
In einem Versteck im Baum findet Gemma eine Botschaft. Kartik ist zurück. Doch Gemma kann ihn nur schwer einschätzen. Sie weiß nicht aus welchen Interessen heraus er handelt.

Kartik nutzt eine Gelegenheit, um Gemma zu sehen. Er berichtet ihr von Problemen im Magischen Reich, weil die Zauberkraft nun frei ist. Die Magie muss unbedingt wieder gebunden werden, damit nicht die Falschen Macht über sie erlangen können, wie die geheimnisvolle, mächtige Circe. Dazu muss der Tempel mit der Quelle der Magie gefunden werden.
Gemma weiß, sie kann nicht länger warten, so geht sie doch wieder in Begleitung ihrer Freundinnen in das Magische Reich zurück, um nach dem Tempel zu suchen. Zu ihrer Überraschung treffen die Mädchen hier auf Pippa, die eigentlich nicht mehr am Leben ist. Noch ist sie in einer Zwischenwelt gefangen. Doch vielleicht kann die Freundin bei der Suche nach dem Tempel helfen. Gemma kann sonst niemandem trauen.

Auch der zweite Teil der Trilogie ist wieder äußerst spannend. Die Geschichte ist noch mysteriöser. Gemma muss mit der Hilfe ihrer Freundinnen eine Aufgabe lösen, die eigentlich unlösbar scheint. Dabei muss sie Charakterstärke beweisen und Weitblick. Ihr Leben gerät dabei immer wieder in Gefahr.
Die Autorin beschreibt, in welcher schwierigen Lage sich Gemma befindet. Außer ihren Freundinnen Felicity und Ann kann sie eigentlich niemandem vertrauen, tut es dennoch immer wieder und wird enttäuscht.
Als Leser wird man in dieses Verwirrspiel mit ungewissem Ausgang hineingezogen. Man kann sich ganz wunderbar in die Geschichte hineinvertiefen.

Dem Schreibstil der Autorin mutet etwas Geheimnisvolles, ja Geisterhaftes an, dem man sich nicht entziehen kann.
Der Schauplatz ist diesmal ein anderer, denn Gemma und Felicity verbringen die Weihnachtsferien nicht in der Spence-Akademie, sondern bei ihren Familien, mit Ann, die keine nahen Verwandten hat und eigentlich in Spence hätte bleiben müssen. Das wertet die Geschichte noch einmal auf und sorgt für Abwechslung, denn die gesellschaftlichen Verpflichtungen halten die Mädchen auf Trab.
Das Buch ist damit rundherum gut gelungen und sehr empfehlenswert. Die Neugier auf den dritten Band ist geweckt.

Rezension von Heike Rau

Libba Bray
Der geheime Zirkel
Circes Rückkehr
Aus dem Amerikanischen von Ingrid Weixelbaumer
656 Seiten, Klappenbroschur
Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN: 978-3423712729
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Die Affäre Calas

Die Affäre Calas

Die verstorbene Charlotte hat Sandrine zu ihrer Alleinerbin bestimmt. Sandrine wusste, dass ihre Tante sehr vermögend war. Sie muss nun ihren Beruf als Anwältin nicht mehr unbedingt ausüben. So bleibt sie nach der Beerdingung erst einmal in Südfrankreich, um alle Angelegenheiten in Ruhe zu regeln. Henri, einem Freund aus Kindertagen, dem es im Moment nicht allzu gut geht, erlaubt sie, ins Dachgeschoss des Hauses der Tante einzuziehen.
Zum Erbe gehört auch ein Brief Charlottes. Die alte Dame vertraut Sandrine hier nachträglich ein Familiengeheimnis an. Sie weist den Weg zu einer eisernen Kassette, die eingemauert in einer Kellerwand des Landhauses versteckt liegt. So erfährt Sandrine von der Affäre Calas und dass sie selbst ein Abkömmling dieser Familie ist – ihre Urgroßmutter stammte aus der berühmten Toulouser Familie. Die Tante wünscht, dass die Dokumente, die Sandrine vorfinden wird von ihr als Anwälin begutachtet und veröffentlicht werden.

Henri hilft den Schatz zu heben und Sandrine erfährt, was hinter der Affäre Calas steckt. Sie liest vom mysteriösen Tod des ältesten Sohnes der Familie, der 1761 geschah. Der Vater wurde ohne Beweise zum Mörder erklärt und hingerichtet. Die Briefe, Abschriften Voltaires, also keine Originale der Zeugen, erzählen von dem undurchsichtigen Fall, der immer noch Rätsel aufgibt.
Sandrine will ihn zusammen mit ihrem Jugendfreund Henri, in den sie sich verliebt, aufklären. Sie will wissen, ob der Vater den Sohn tatsächlich ermordet hat, ob es eventuell Selbstmord war, wie Voltaire vermutet, oder ob die Weißen Büßer, eine ominöse Bruderschaft, etwas mit dem Tod des jungen Mannes zu tun haben, vor denen die Tante bis zu ihrem Tod Angst hatte. Dass der Versuch der Aufklärung des Falles einige Menschen und auch Sandrine selbst geradewegs ins Verderben führen wird, ahnt die junge Anwältin nicht.

Die Autorin hat sich in ihrem Buch einem historischen Kriminalfall angenommen und lässt ihn noch einmal aufleben. Ihre Version der Geschichte (was Fiktion ist und was geschichtlichen Tatsachen entspricht, kann man dem Nachwort entnehmen) ist äußert spannend. Man liest das Buch mit wachsender Begeisterung.

Sandrine, eine junge Anwältin nimmt den Auftrag ihrer Tante an und beginnt, zusammen mit ihrem Jugendfreund Henri, nachzuforschen. Was sie zunächst als interessanten Zeitvertreib sieht, wird bald zu einem gefährlichen Spiel mit unbekannten Drahtziehern, die vor nichts zurückschrecken, um die Wahrheit zu vertuschen. Sandrine tatstet sich trotzdem immer weiter vor, versucht die Geschehnisse um den Mord zu rekonstruieren. Als Henri spurlos verschwindet, arbeitet sie mit einer Freundin weiter und später noch mit einem Vertrauten Henris.

Man braucht ein gutes Vorstellungsvermögen, um ihren Theorien folgen zu können. Wie nahe die drei der Wahrheit kommen, erfährt man aber erst zum Schluss. Bis dahin kann man kaum erahnen, in welche Richtung die Geschichte laufen wird.
Die Autorin kündigt das nahende Unheil immer wieder an, hält den Leser dadurch neugierig und hilft damit auch durch schwierige Stellen des Buches.

Sandrine ist eine interessante Persönlichkeit. Sie bleibt dran an dem Fall, auch als sie gesundheitliche Probleme bekommt und ihre Nerven nicht mehr mitspielen wollen. Sie wird dennoch nicht zur Heldin stilisiert und bleibt dadurch stets glaubwürdig.
Nicht zuletzt lebt das Buch von der Stimmung, die die Autorin geschaffen hat. Die Geschichte ist mysteriös und bleibt es bis zum Schluss.

Rezension von Heike Rau

Helene Luise Köppel
Die Affäre Calas
Aufbau Taschenbuch Verlag
400 Seiten, broschiert
ISBN: 978-3746623702
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Der letzte Weynfeldt

Der letzte Weynfeldt

Der letzte Weynfeldt: das ist Adrian, Sohn einer wohlbetuchten Familie, einziger und spät geborener Sohn seiner Eltern.

Er ist Kunstmäzen, Experte und Auktionator.
Schon Mitte fünfzig, bewegt er sich in zwei Freundeskreisen. Der eine setzt sich aus den älteren Freunden seiner Eltern zusammen, der andere aus jüngeren Künstlern, Architekten, Dichtern und solchen, die sich mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen.
Er führt ein Leben im Wohlstand und hilft gerne und diskret seinen Freunden mit finanziellen Mitteln aus, wenn diese sich einmal in einem Engpass befinden.
Klaus Baier befindet sich in einer Notlage, als er Weynfeldt ein Bild anbietet. Schon auf dem Cover des Buches findet man die Abbildung von: „La femme nue devant une salamandre“ des Schweizer Malers Felix Vallotton. Das Bild wird hoch gehandelt, und Baier verspricht sich viel von dem Verkauf.

Mit diesem Bild hat es eine besondere Bewandtnis, die im Verlauf der Geschichte zu aufregenden Verwicklungen führt.

In einer seiner nicht üblichen Handlungen hat Weynfeldt Lorena, die er in einer Bar traf, mit zu sich nach Hause genommen. Zu seiner Überraschung will sie sich am Morgen danach das Leben nehmen. Mit einigem Glück gelingt es ihm, sie davon abzubringen.

Neben dem geheimnisvollen Verkauf des Bildes ist es Lorena, die das Geschehen mit ihren ungewöhnlichen Auftritten bestimmt. Sie treibt ein Versteckspiel mit ihm, lässt ihn zappeln und fängt ihn mit ihren Spielchen ein, ihn, der nach einer betrauerten ersten Liebe sich mit dem Alleinsein schon eingerichtet hatte!

Suter baut seine Geschichte gemächlich auf. Mit der Beschreibung der Atmosphäre im Umfeld von Weynfeldt, seiner herrschaftlichen Wohnung, in der er residiert, seinem Tagesablauf, den Begegnungen mit Freunden und Mitarbeitern entsteht das freundliche Bild einer Stadt in er Schweiz mit ihren Bewohnern. Hinter der Fassade der guten Bürgerlichkeit und Weynfeldts argloser Wohlanständigkeit umgeben ihn subtile Machenschaften, von denen er nichts ahnt.

Sehr lange wissen wir nicht: handelt es sich hier um einen Liebesroman oder erwartet uns ein spannender Krimi?
Unermüdlich spinnt Suter die Geschichte fort. Mit der Ruhe des geübten Erzählers, der durch ausgefeilte Sätze und wortreiche Charakteristiken ein Bild der Menschen mit ihren Gewohnheiten zeichnet, steckt er den Rahmen für die Handlung ab. Das Thema Kunst, Kunstauktion und Handel bietet Gewähr für kultivierte und anspruchsvolle Unterhaltung.

Suter ist der Meister der subtilen Geschichten, die er langsam aufbaut, um sie zuletzt zu unerwarteten Höhen der Spannung und zu ebenso unerwarteten Lösungen hin zu treiben.

Mit diesem Roman ist ihm wieder ein Glanzstück gelungen!

Rezension von Claudine Borries

Martin Suter
Der letzte Weynfeldt
Spannende und kultivierte Unterhaltung
ISBN:3257066309
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Lerche

Lerche

Deszö Kosztolányi Lerche Manesse Bibliothek
ISBN 3717521446

In diesem kleinen Büchlein des 1936 bereits verstorbenen Autors Kosztolányi erwacht eine längst versunkene Welt in Ungarn z.Zt. der k.u.k – Monarchie für uns zu neuem Leben.

Fernab von den großen Städten mit ihrer Pracht erleben wir eine kleine Provinzstadt, in dem das Ehepaar Vajkay ihrem Alltag nachgeht.
In einer unspektakulären Handlung wird ihr Haus, die Inneneinrichtung, ihre Wohnung und ihr Leben mit ihrer ältlichen Tochter Lerche beschrieben.
Schon lange waren sie auf das Gut eines Vetters nur unweit ihres Städtchens eingeladen. Sie wollten die Einladung nie annehmen. Nun fährt statt ihrer die Tochter Lerche für eine Woche aufs Land.

Der Aufbruch der Tochter ist in allen Details aufgezeichnet.
Der Tisch im Wohnzimmer, auf dem sich die Sonnenstrahlen abzeichnen, die Couch, auf der noch Bänder zum Verschnüren liegen, der prall gefüllte Koffer und ein Korb mit allerhand Habseligkeiten stehen zur Abfahrt bereit.
Mit großem Aufwand begleiten die beiden alten Leutchen ihre Tochter zum Zug, der schon dampfend auf dem Gleis wartet.
Sie haben Tränen in den Augen beim Abschied und sind zum ersten Male seit langer Zeit alleine.
Zunächst etwas ratlos nehmen sie ihr Leben mit alten Bekannten in dem kleinen Städtchen wieder auf.

In feiner Manier und detailgenau werden die Gefühle der Alten zu Protokoll genommen. Man liest mit Entzücken über die Ruhe, die über der Stadt liegt. Das eintönige Leben läuft immer nach dem gleichen Maß ab. Zwischen den Zeilen spürt man die Ambivalenz gegenüber einer Tochter, die recht hässlich ist, und deren ältliche Gewohnheiten zum täglichen Allerlei gehören, und die man sogleich nach ihrer Abreise vermisst. Ein wenig aber darf man auch spüren, dass der Vater zwischen Zuneigung und stark verleugneter Abneigung schwankt. In einem Augenblick der Schwäche, er hatte ein wenig zu viel getrunken, rutscht ihm seine Abneigung, ja fast Hass, auch verbal heraus,–zum Entsetzen von Mutter!

In einer höchst einduckvollen und den damaligen Geflogenheiten gemäßen Sprache wird die Geschichte fort gesponnen.
Da steht ein Gasthausbesuch an, wo sich die Honoratioren treffen, und eine Theateraufführung steht ins Haus.

Die altmodische und differenzierte Sprachweise löst unweigerlich Bewunderung aus. Die k.u.k Monarchie ersteht mit ihrem Glanz und ihren konventionellen und höflichen Formen, ja so liebenswürdig und zuvorkommend charmanten Tönen des Umgangs miteinander. Man ist hingerissen von der filigranen Ausstattung der Beschreibungen. An jedem Wort und jedem Satz hat man seine Freude. Wie fast toten Gegenständen Leben eingehaucht wird, und ein langweiliges Provinzleben vor unseren Augen belebt wird; wie das Leben so ganz abseits vom Glanz der großen Welt auch im Kleinen seine Lebhaftigkeit und Reize enthüllt, das zeigt Meisterschaft.

Viele berühmte Dichter und Denker wurden Mitte des 19. Jahrhunderts geboren. Zu ihnen gehörten Musil, Broch, Th. Mann, Kafka, Einstein u.a. Aus Ungarn stammten Dichter, die uns heute fremd sind. So manches Kleinod mag darunter noch zu finden sein. Kosztolányi wird in einem Nachwort von Péter Esterházy als einer der besten Dichter jener ungarischen Zeit um die Jahrhundertwende benannt.

Das kleine, wunderschön aufgemachte Büchlein ist eine Kostbarkeit für Menschen mit bibliophilen Neigungen! Ich möchte es sehr empfehlen!

Rezension von Claudine BorriesBestellen