Nicht so schlimm

Nicht so schlimm

Er ist fremdgegangen, jedenfalls fast, will seine Frau verlassen. Doch ganz schnell ändert er seine Meinung wieder. Dennoch ist die Ehekrise perfekt. Sie schlägt ihn fast tot, er erträgt es aus dem Schuldgefühl heraus, glaubt, es verdient zu haben. Sie verprügelt ihn, bis sie denkt, mit ihm quitt zu sein. Dann verarztet sie ihn.

Aber es wird nicht wieder gut. Jetzt betrügt sie ihn, nicht nur fast. Es ist ihre Rache. Er schafft es nicht, sie zu verlassen. Will seine Ruhe haben, ein trautes Familienleben mit Frau und Kindern.

Und doch lässt er sich wieder auf eine andere Frau ein. Nicht er selbst beginnt den Flirt, sondern sie, die andere, die ihm ihre Telefonnummer durch einen Kellner hat geben lassen. Sie könnte seine nächste große Liebe werden. Doch seine Ehefrau wird zur Furie.

Der Autor schafft eine ungeahnte Nähe, lässt seinen Icherzähler den Leser direkt ansprechen, als wäre er sein bester Freund. Er vertraut ihm seine intimsten Gedanken an. Sein ganzes Herz schüttet der Protagonist aus, erzählt vom Ende seiner Ehe. Schonungslos und ohne einmal zwischendurch Luft zu holen. Das Buch hat Tiefgang, fast kommt es einer Beichte gleich.

Die Geschichte erschüttert. Erzählt sie doch vom Ende der Beziehung zweier Menschen, die eigentlich für immer zusammenbleiben wollten. Wenn die Liebe geht, kommt der Schmerz. Der Prozess des Auseinandergehens ist geprägt von Eifersucht. So nah zum Zeuge dieser Entwicklung zu werden, ist nicht leicht zu verkraften. Aber der Autor nimmt dem Leser nicht jede Hoffnung, sonder nur seine Illusionen.

Rezension von Heike Rau

Nicolas Fargues
Nicht so schlimm
Deutsch von Frank Wegner
187 Seiten, gebunden
Rowohlt Verlag
ISBN: 978-3498021177
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Mark Beaman: Handbuch der Vogelbestimmung – Europa und Westpaläarktis

Mark Beaman: Handbuch der Vogelbestimmung – Europa und Westpaläarktis

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Vögel zu beobachten ist ein sehr beliebtes Hobby. Die Vögel, die ans Futterhäuschen kommen, lernt man sicher sehr schnell kennen. So wird das Interesse geweckt, auch die weniger bekannten Vogelarten kennen zu lernen. Aber um umfangreiche Feldforschungen betreiben zu können, ist ein sehr breitgefächertes Wissen erforderlich. Ein gutes Nachlagewerk ist unerlässlich.
„Handbuch der Vogelbestimmung“ ist solch ein Werk. Beschrieben werden alle Vogelarten (über 850), die in Europa, bzw. in den Grenzen der westlichen Paläarktis beobachtet worden sind. Auch seltene Ausnahmegäste und eingebürgerte Arten werden beschrieben.

Es gibt einen ausführlichen, etwa 25 Seiten langen Einführungstext. Hier wird die Kunst der Vogelbestimmung erklärt. Es wird erörtert, was bei der Vogelbestimmung beachtet werden muss und was von besonderer Bedeutung ist. Damit ist das Buch für Anfänger, erfahrene Beobachter und Ornithologen gleichermaßen geeignet.

Zur Verfügung gestellt wird ausgesprochen viel Bildmaterial. Die Zeichnungen sind äußerst detailliert. Präsentiert werden diese in Bildtafeln, so dass man gut Vergleiche ziehen kann. Andererseits kann man so nicht den Text mit dem Bild direkt vergleichen, sondern muss hin und her blättern. Die Verbreitung der Arten kann man dem Kartenmaterial entnehmen. Die Porträts der Vögel erfolgen in Texten, die stichpunktartig gehalten und dennoch sehr umfangreich sind. Die Formulierungen sind gut gewählt und äußerst treffend. Die Autoren helfen dem Vorstellungsvermögen sehr gut auf die Sprünge. Wer sich mit den verwendeten Fachbegriffen nicht gut auskennt, findet Erklärungen im Buch. Es gibt auch ein Glossar. Selbstverständlich verfügt das Buch über ein Register der lateinischen und der deutschen Vogelnamen.

Fazit: Das Buch ist ein sehr umfangreiches Nachschlagewerk, dass durch seine Einzigartigkeit fasziniert.

Rezension von Heike Rau

Mark Beaman / Steve Madge
Handbuch der Vogelbestimmung – Europa und Westpaläarktis
Aus dem Englischen von Detlef Singer
2. korrigierte Auflage
869 Seiten, 8000 Farbzeichnungen, 641 Verbreitungskarten
Verlag Eugen Ulmer Stuttgart
ISBN 978-3-8001-5494-4
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Die kommende Welt

Die kommende Welt

Im Jahr 2001 kam auf einer Singleparty zu Ehren von Marc Chagalls Bildern im Jüdischen Museum in New York ein kleines Bild < Über Witebsk > abhanden.

Marc Chagall hatte 1919 in der jüdischen Kinderkolonie Malachowka gearbeitet. Die Kinder waren während der russischen Revolution bei Pogromen an Juden zu Waisen geworden. Viele seiner Bilder sind dort entstanden, so auch das entwendete Gemälde in New York. Chagall lebte in seinen späteren Jahren in New York und überlebte viele seiner Künstlerkollegen, mit denen er in Malachowka zusammen gearbeitet hatte.

Angeregt durch den Diebstahl hat Dara Horn eine Familiensaga erfunden, die uns zurück nach Russland und in die Jetztzeit nach New York führt.

Die Familie Ziskind bildet den Plot.
Sie wird ähnlich wie die Bilder von Chagall, die Träumen gleichen, in verschiedenen Schattierungen und an unterschiedlichen Orten beschrieben.

Boris Kulback war 1920 mit 11 Jahren in dem Kinderheim Malachowka für jüdische Waisenkinder gelandet und bekam von seinem Zeichenlehrer Chagall ein Bild geschenkt. Seine Tochter Raisa wird es behalten und in ihre Familie mitnehmen.
Als Ben das Bild 2001 in New York in der Ausstellung wieder entdeckte, nahm er es ohne Skrupel an sich. Es gehörte seiner Familie. Was er nicht wusste: seine Mutter hatte es nach dem Tod des Vaters aus Geldnot verkauft.
Unschwer lässt sich erraten, dass seine Mutter die Tochter von Boris Kulback ist.

Die Kuratorin des Museums, Erica Frank, kommt bald dahinter, dass Ben hinter den Diebstahl steckt.

Ben lebt in New York, ist geschieden, war ursprünglich ein Wunderkind und schlägt sich nun tapfer als Erfinder von Quizfragen durch. Seine Zwillingsschwester Sara wird ein Kind bekommen von Leonid, ihrem geschäftstüchtigen Ehemann. Die Mutter von Sara und Ben war Illustratorin und hat bekannte Geschichten jüdischer Autoren für ihre Kinderbücher nacherzählt. Sie ist kürzlich verstorben.
Eines ihrer Bücher heißt < Die kommende Welt >. Ben versteht eines Tages, dass die Geschichten nicht auf das Jenseits gerichtet sind, sondern dass die kommende Welt die Zukunft ist, die man mit den eigenen Entscheidungen in diesem Leben schafft.

Die Autorin wechselt die Zeitebenen, so dass ein wechselvolles Familiengemälde entsteht.
Durch das jüdische Leben in Russland und das jüdische Leben in New York entstehen Parallelwelten. Verbunden bleiben sie durch die Familiengeschichte der Ziskinds.

Atmosphärisch eindringlich und mit Humor werden die Eigenheiten der Einwanderer russisch-jüdischer Abstammung vorgestellt. Archaische Familiengebote bestimmen auch in der neuen Welt das Leben jüdischer Familien. Bens Vater musste im Vietnamkrieg kämpfen, um unabhängig vom Vater sein Studium zu beenden, denn die Ehe mit Raisa war dem Vater nicht genehm.

Die phantasievolle Ausschmückung der Familiengeschichte ist bestrickend. Einmal befindet man sich im Russland der Verfolgungen, unter denen schon früh die Bürger jüdischer Herkunft zu leiden hatten. Dann wieder ist man in der apokalyptischen Gegenwart der Welt des Terrorismus in New York.
In einer skurrilen, traumähnlichen Weise wird der zukünftige Erdenbürger Daniel, das Kind, das Sara erwartet, über die kommende Welt aufgeklärt. Die Sprache erinnert in ihrer Ausschmückung an die schwebenden, erdenfernen Bilder von Chagall. Man wird sehr lebhaft in diese Traumwelt hineinversetzt.

Die Geschichten der einzelnen Protagonisten sind in vielfältiger Weise miteinander verwoben.

Ein Gesamteindruck bildet sich erst nach und nach heraus. Lebensgeschichten und Familiengeschichten folgen eigenen Gesetzen, im Leben wie im Roman.
Die Autorin kennt sich gut aus mit dem jüdischen Glauben. Für Juden ist die kommende Welt die Verheißung auf das gelobte Land.

Das jüdische Viertel in New York gewinnt Leben durch die Tradition und die rituellen Feste. Das Yiddische wird vermischt mit dem Russisch der Herkunftsländer gesprochen.
Der Plot wird immer verwickelter und spannender. Ein weit gespannter Bogen führt vom Gestern bis in die Gegenwart.

Träumerisch, teilweise beängstigend, unwirklich und real: die Mischung lässt das Werk zu einem opulent ausgeschmückten und reich verzierten Bild werden, das den Gemälden von Chagall im Wort nacheifert.

Die Vermischung des realistischen Ausgangspunkts der Geschichte hin zu einem spannenden und ausschweifenden Familienbild, witzig, komisch und von jüdischem Humor getragen, bietet ein ungewöhnliches Szenario.

In einem Nachwort berichtet die Autorin von den jüdischen Schriftstellern, die ermordet wurden. Sie hatten sich in der Kolonie Malachowka mit Chagall zusammengefunden. In Anlehnung an ihre Erzählungen hat Dara Horn einige ihrer Geschichten im Roman ausgestaltet.
Dara Horn hat in Harvard hebräische und jiddische Literatur studiert und lebt heute in New York.

Dara Horn
Die kommende Welt
Jüdische Familiensaga zwischen Traum und Wirklichkeit
ISBN:3833305290
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Markus Grill: Kranke Geschäfte

Markus Grill: Kranke Geschäfte

Gesundheit ist ein wertvolles Gut. Unbestritten wird viel Geld dafür ausgegeben. Neben den Krankenkassenbeiträgen und den zusätzlichen Leistungen und Gebühren, stehen auch hohe Kosten für Medikamente an. Das Vertrauen in die Ärzteschaft, die Pharmaindustrie und in das Gesundheitswesen allgemein ist gesunken.

Der Titel des Buches verspricht Aufklärung. Es ist als Informationsquelle für Patienten gedacht und sicherlich auch interessant zu lesen. Der Autor hat für sein Buch viele Quellen genutzt und präsentiert nun die daraus gewonnenen Daten in zusammengefasster Form. Auch wenn das Zahlenmaterial oft etwas angestaubt wirkt und nicht immer durch Aktualität glänzt, die Pharmaindustrie kommt dabei nicht gut weg. Das war zu erwarten. Panikmache kann man dem Autor aber nicht unterstellen, viel mehr geht es darum, die Missstände aufzudecken. Das ist spannend, aber sicher ist auch in anderen Branchen ähnliches Vorgehen üblich. Nicht selten wird Gewinn um jeden Preis gemacht. Wie die Marketingstrategien der Pharmaindustrie aussehen, erfährt der Leser bis ins Detail und auch in welche Rolle er als Patient dabei gedrängt wird.

Was vom Buch bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Aber die Verdienste der Pharmaindustrie werden in diesem Buch nicht erwähnt. Es wirkt darum sehr einseitig geschrieben. So ist der Nutzen, der für den Patienten durch das Lesen entsteht, eher gering. Aber das Buch bietet interessante Einblicke und vermittelt Wissen um die Vorgänge im Gesundheitswesen, sehr genau recherchiert, nachprüfbar durch Quellenangaben und gut lesbar aufbereitet.

Rezension von Heike Rau

Markus Grill
Kranke Geschäfte
Wie die Pharmaindustrie uns manipuliert
224 Seiten, Klappenbroschur
Rowohlt Verlag
ISBN: 978-3498025090
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Golden

Golden

Lissys Familie zieht in einen anderen Bundesstaat, um ein neues Leben zu beginnen. Alles soll von nun an ganz normal werden. Für Lissy bedeutet das, Schluss mit der Farbsicht. Alle weiblichen Mitglieder der Familie verfügen über eine übersinnliche Gabe, auch wenn sich bei Schwester Lexie noch keine gezeigt hat. Aber nicht zuletzt sind diese Fähigkeiten Schuld daran, dass die Familie umziehen muss. Es geht zurück in die Heimat von Lizzys Mutter. Hier leben noch andere Verwandte.

Lissy lernt Violetta, Lilah und Tracy kennen und erfährt, dass es an ihrer zukünftigen Schule, der Emory High eine Rangordnung, bestehend aus den Goldenen und dem traurigen Rest, gibt. Lilah ist die Anführerin der Goldenen und hat dementsprechend großen Einfluss. Lissy will sich dem nicht unterordnen, sie schließt sich Andra an, die nicht zu den Goldenen gehört und handelt sich damit Ärger ein. Sie wird weitgehend geschnitten und als Außenseiterin behandelt. Ihre Gabe, die Aura von Menschen zu sehen, lässt sich natürlich nicht unterdrücken. Als sie der schmutzigen Aura ihres Mathelehrers gewahr wird, haut es Lizzy um. Ihn umgibt die Farbe des Nichts. Lizzy weiß, was das heißt. Der Mathelehrer ist ein sehr gefährlicher Mensch. Er könnte sogar ein Mörder sein.

Lizzy vertraut sich ihrer Familie an. Doch niemand schenkt ihr Glauben. Alle sind der Meinung, dass der Lehrer ein wunderbarer Mensch ist. Lizzy muss etwas tun. Sie schließt sich mit ihrer Schwester, die ihr seltsamerweise glaubt und den wenigen Freunden, die sie gefunden hat, zusammen, um hinter das Geheimnis des Mathelehrers zu kommen.

„Golden“ ist ein spannender Mystery-Thriller für Jugendliche. Die Geschichte beginnt recht harmlos. Lissy muss sich in die neue Umgebung eingewöhnen und kämpft mit den üblichen Problemen. Dank ihrer Gabe, kann sie Menschen aber besser einschätzen und ist damit klar im Vorteil. Diese Übersinnlichkeit nimmt man ihr ab, auch wenn die Autorin übertreibt, als sie Lizzy ihren Körper verlassen lässt.

Das Buch entwickelt sich nach dem ruhigen ersten Drittel schnell zum Thriller. Es fehlt der Geschichte hin und wieder an Tempo, dennoch bleibt die Spannung erhalten. Schließlich findet eine Wende statt, die man so nicht erwartet.
Da die Autorin auf Schockeffekte verzichtet, stellt sich kein Gänsehautgefühl ein. Sicher wäre aus dieser Story mehr herauszuholen gewesen. Andererseits kann man diesen Krimi lesen, ohne Herzrasen befürchten zu müssen. Das Buch ist damit auch für nicht ganz so nervenstarke Leser geeignet.

Rezension von Heike Rau

Jennifer Lynn Barnes
Golden
Deutsch von Ulrike Nolte
256 Seiten, gebunden
Bloomsbury Kinder- und Jugendbücher
ISBN: 978-3827051523
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Karlmann

Karlmann

Ein Tennismatch als Parabel auf das Leben: Sieg oder Niederlage!
So beginnt M. Kleeberg seinen Roman über Karlmann Charly Renn, einen Normalbürger.
Es ist Charlys Hochzeitstag, an dem Boris Becker Wimbledonsieger wurde, und er sieht sich ebenfalls als Sieger: seine Frau schöne Christina, die er am Morgen geheiratet hat, wartet mit dem Fest auf ihn. Er sitzt ein letztes Mal mit seinen Freunden zusammen, bevor sein neues Leben beginnt.

Detailliert wird die Szene um den Hochzeitsabend und das Mahl zu Protokoll gegeben. Die Kleider und die Menschen erfahren ausgiebige Würdigungen. Assoziativ beleben die Gedanken von Karlmann das Bild.
Die Familie von Christina, seiner Braut, wurde von seiner Familie als nicht ganz standesgemäß angesehen. Ihr Vater ist Tischler, während Charly aus einer angesehenen Juweliersfamilie kommt. Die Begegnung der beiden Familien verläuft entsprechend aneinander vorbei.
Die alten Freunde und Freundinnen sind natürlich mit von der Party.
Dem Leser ist nicht ganz geheuer, wie es denn nun um Charlys Zukunftsplanungen bestellt ist. Entgegen aller festlichen Feiern wirkt sein Blick unterkühlt analysierend und gar nicht so froh.

Interessant ist die Sichtweise des Helden dieser Geschichte: alles Pompöse ist ihm peinlich, von der < Beiläufigkeit >, die er bevorzugt, ist die Rede.
Er ist der Prototyp des Bürgers der Wende zum 21. Jahrhundert. Da ist Understatement gefragt. Protzen, Angeben, alles Künstliche und Aufgesetzte wird ironisiert.

Reflektierend durchschreitet er sein Leben.

Geschäftsführer eines Autohauses, das seinem Vater gehört, in der Ehe nicht wirklich zu Hause, bleibt er ein Skeptiker und Zweifler, der alles durchschaut und doch in den Fängen des Alltags hängen bleibt.
In langen Gedankenfetzen, Selbstgesprächen und immer wieder eingeblendeten kritischen Anmerkungen bei entsprechenden Anlässen ziehen die ersten drei Jahre von Charlys Zusammenleben mit Christina vorüber.
Am Ende sieht es trübe aus: in seinem Leben und in seiner Ehe.

Das Buch spiegelt eine Zeit, in der viele Fragen an das Leben unbeantwortet bleiben werden. In der Gesellschaft ist Erfolgsstreben angesagt. Abhängigkeiten in der Familie schränken Charlys eigene Entwicklung bedrohlich ein.
Eine ohnmächtige innere Leere macht sich breit.
Christina aber schwingt sich zu eigenem beruflichem Fortkommen auf.
Kleeberg bietet eine Analyse des Gegenwartsmenschen. Die Bedrückungen des Alltäglichen und der Mangel an Eigeninitiative lassen Charly in die Welt vor seiner Eheschließung zurückfallen.
Sein Weitblick und sein Einsehen sind zu beschränkt, um zu bemerken, dass Perspektiven fehlen, und Christina dieses Leben nicht weiter mittragen will.

Charakteristisch für die Reflexionen bleibt das Nachdenken über den Tag und das, was kommen mag. Kleeberg hat mit seinem Roman den Nerv der Zeit getroffen!
Der ist Übersetzer von Prousts Werken. Seine Prosa ist nicht ganz unbeeinflusst von der reflektierenden Bewusstseinsliteratur des großen französischen Schriftstellers!

Michael Kleeberg
Karlmann
Normalbürger unserer Zeit
ISBN:3421054592
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Lola Löwenherz

Lola Löwenherz

Lola ist seit einer Woche die stolze Besitzerin eines Kätzchens. Leider ist Schneewittchen keine Schmusekatze. Immer versteckt sie sich. Heraus kommt sie nur zum Fressen oder wenn sie sich unbeobachtet fühlt. Lola ist sehr traurig darüber, dass das Kätzchen sich nicht streicheln lässt.
In der Schule sieht es auch nicht so gut aus. In Mathe schreibt Lola wieder eine sechs. Außerdem steht der Schulwechsel kurz bevor. Wenigstens wird sie die neue Schule gemeinsam mit ihrer Freundin Flo besuchen können.
Lina hat ganz andere Sorgen, ihr Opa ist schwer krank. Da braucht sie jetzt Lolas Trost.
Annalisa hat zu ihrem Geburtstag, zu dem Lola nicht eingeladen war, ein Katzenbaby geschenkt bekommen. Nun muss Lola sich anhören, wie lieb das Kätzchen ist. Ihres lässt sich dagegen nicht mal mit „Katzenknusperspaß“ locken. Omas Buch „Geheimtipps für Kätzchenbesitzer“ hilft auch nicht weiter.
Als ein Zirkus im Viertel Halt macht, lernt Lola eine kleine Ziege kennen. Sie erfährt, das diese sich nicht dressieren lässt und deswegen immer angebunden auf der Wiese steht.
Aber nun muss erst einmal die neue Schule kennen gelernt werden. Es ist Tag der offenen Tür. Die Schule gefällt Lola. Überhaupt wendet sich alles zum Besseren. Alex ruft endlich an. Lola hat schon ewig auf seinen Anruf gewartet.
Dann läuft das scheue Kätzchen weg und sucht sich einfach ein neues Zuhause. Was soll Lola da nur machen?

Lola ist ein ganz normales Mädchen. Jedes Kind kann sich sicher gut mit ihr identifizieren. Sie hat ihre Sorgen und Nöte wie jeder andere. Die Geschichte ist dem Leben entnommen und sehr realistisch. Beschrieben wird also Lolas Alltag zu Hause und in der Schule. Dabei geht es manchmal sehr turbulent zu, manches stimmt aber auch nachdenklich. Man lacht mit Lola, wenn ihr Lustiges passiert und man fühlt mit ihr, wenn sie traurig ist.
Lola ist ein liebenswertes Mädchen mit sehr viel Fantasie, man kann nur staunen, was sie sich in ihren Träumen so alles ausdenkt. Dennoch steht sie mit beiden Beinen fest im Leben, setzt sich ein für die Dinge, an die sie glaubt. Auch dass sie ein großes Herz für Tiere hat, beweist sie in diesem Band.

Der Schreibstil der Autorin gefällt gut. Die Geschichte lässt sich gut verfolgen. Die große Schrift erleichtert das Lesen. Es gibt sogar einige schwarz-weiße Illustrationen. Gut ist es, wenn man die vorangegangenen Bände kennt. Die Autorin bezieht sich immer wieder darauf. Das Buch ist weitgehend in sich abgeschlossen und doch ist das Ende offen, so dass man sich sicher auf ein weiteres Buch mit Lola freuen darf.

Rezension von Heike Rau

Isabel Abedi
Lola Löwenherz
Band 5
Illustrationen von Dagmar Henze
283 Seiten, gebunden
ab 8 Jahren
Loewe Verlag
ISBN: 978-3785556740
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Remember Celia Jones

Remember Celia Jones

Tamara Hayle, eine farbige Detektivin und ehemalige Kommissarin, gibt die Hauptprotagonistin in diesem wohltuend ruhigen und menschlichen Kriminalroman.

Eines Tages ist Celia Jones ermordet aufgefunden worden. Tamara und Celia waren einst beste Freundinnen, hatten aber schon lange den Kontakt zu einander verloren.
Mit ihr fühlte sich Tamara in der Schule eng verbunden, weil diese sich alleine durchs Leben schlagen musste. Dann aber geriet Celia in herunter gekommene Kreise und die Wege der beiden Frauen trennten sich.
Tamara lebt und arbeitet in Newark. Ihr Sohn Jamal, ca 14 Jahre alt, ist ihr ganzes Glück.
Als sie von dem Sohn von Celia aufgesucht wird, um bei der Suche nach dem Mörder seiner Mutter behilflich zu sein, kann sie sich seinem Ansinnen nicht entziehen. Kurz darauf wird auch Cecil, Celias Sohn, ermordet aufgefunden.

Nun fängt Tamaras Suche erst richtig an!

Ihr begegnen Männer, die sie von früher kennt. Sympathische und weniger sympathische sind darunter. Entfernt oder nah haben sie alle mit Celia zu tun gehabt.

Tamara ist im besten Alter, geschieden und der eine oder andere Freund aus ihrer Schulzeit bedeutet für sie reizvolle Versuchung. Entsagungsvoll denkt sie an ihren Sohn, der ihr alles bedeutet, und lässt die Finger von allen Flirts. Die Angst um das Leben des eigenen Sohnes spielt im Leben Tamaras eine wichtige Rolle. Auf ihn setzt sie alle Zukunftshoffnungen, nachdem ihre Ehe schon gescheitert ist.

Wunderbar einfühlsam und mit viel Herz berichtet V. Wesley über ihre Protagonisten.

Wir haben es mit einer farbigen Mittelschicht zu tun: Richter, Autohändler, Kaufleute und weitere angesehene farbige Bürger sind unter den handelnden Figuren zu finden.
Die Unterwelt und die Drogendealer bilden die dunkle Seite dieser bunten amerikanischen Bürgerwelt in Newark.

Wesley ist eine geschickte und menschlich teilnehmend taktierende Erzählerin, so dass der Reiz der Geschichte bei den Charakterisierungen der Menschen liegt. Der Kriminalfall bietet den Rahmen, um über die Gesellschaft zu berichten.
Man fühlt sich in das Milieu der Leute hineingezogen und möchte die Städte und Menschen gerne kennen lernen, von denen wir hier hören.
Rassenhass und Sexismus stecken hinter so mancher Intrige, die Tamara erleben musste.

Die Güte dieses Kriminalromans liegt im Geschick, Spuren zu legen, den Leser in die Irre zu führen und ihn in das Leben der Protagonisten einzuweihen. Dass die Lösung eine ganz und gar unerwartete ist, macht diesen Roman zu einem spannenden Leseerlebnis!

Valerie Wilson Wesley
Remember Celia Jones
Krimi mit menschlichem Gesicht
ISBN:3257236689
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Der Tag ist mein Freund

Der Tag ist mein Freund

Elisabeth Ruth Der Tag ist mein Freund btb
ISBN 3442736749

Wer als Junge sein Gesicht buchstäblich durch einen selbst verschuldeten Brand verliert, dem wird ein schweres Los zuteil.
Buster McFiddie hat nach einem versoffenen Abend mit seinen Freunden eine Zigarette im Bett angezündet und ist darüber eingeschlafen.
Seine Eltern haben ihn aus dem brennenden Bett gerettet. Er sieht sich im Spiegel an und kann nicht fassen, was er da sieht. Sein hübsches Jungengesicht, er ist erst 15 Jahre alt, ist zu einer Fratze geworden: vernarbt, verquollen und durch verbrannte Haut verunstaltet.
Doc John betreut ihn rührend und verständnisvoll. Er ist ein gütiger Arzt, der ihn während seiner Leidenszeit im Krankenhaus und zu Hause mit Gangstergeschichten ablenkt, während er seine Wunden behandelt.

Buster ist der Sohn von Tom McFiddie und seiner Frau Isabel.
Der ältere Bruder Hank ist nun derjenige, der das Rennen bei der Tabakanbaufirma seines Vaters mit bestimmt. Buster ist out, ein Außenseiter ohne Zukunft und von Gedanken an ein Leben außerhalb der Norm gequält. Wer wird ihn noch mögen? Welches Mädchen wird sich noch zu ihm hingezogen fühlen?
Wie Ironie des Schicksal klingt der Name des Ortes, in dem sie leben: Smoke! Es ist ein Ort in Kanada.

Tom McFiddie ist ein hart arbeitender, zielbewusster Mann. Für ihn gibt es kein Pardon bei der Erziehung seiner Söhne. Auch Buster wird gezwungen, sein altes Leben wieder aufzunehmen: Schule oder Arbeit.

Doc John wird Busters guter Geist, der selber ein Unglück in seinem Leben zu verbergen hat. Es betrifft seine Ehe. Selten findet man so einfühlsam und tiefenscharf die Beziehung zwischen Mann und Frau analysiert, wie in der Entwicklungsgeschichte der Ehe von John und Alice.
So muß wahre Liebe aussehen! Doch der Schein trügt.
Die ehrliche Geschichte birgt ein Geheimnis, das erst ganz zuletzt gelüftet wird!

E. Ruth hat eine kleine Stadt und ihre Bürger zum Thema genommen. Im Mikrokosmos dieser Welt gibt es Freunde und Feinde, Argwohn, Misstrauen, Hass und erste Liebschaften zwischen den Jugendlichen, Konkurrenz, Neid und Abenteuer. Die anrührende Freundschaft zwischen dem alten Doc und dem Jungen, der innerlich und äußerlich tiefe Verletzungen erlitten hat, zeugt von Herz und Verstand.

Die Welt der Tabakanbauer und ihrer Ernten mit dem Erfolg oder Mißerfolg ihrer Arbeit wird dem Leser sehr nahe gebracht. Dazu erleben wir die enge Welt der kleinen Leute, in deren Leben schon die kleinste Aufregung zu Abwechslung, Tratsch und Klatsch führt.
Das Buch ist kein Krimi und trägt doch ähnlich Züge. Spannend, menschlich anrührend und von vielen unterschiedlichen Charakteren bevölkert ist die Lektüre anregend und reizvoll zu lesen.

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Besser leben aus eigener Kraft

Besser leben aus eigener Kraft

Das 8-Wochen-Programm setzt sich aus vielen kleinen Schritten zusammen. Woche für Woche kommt Neues hinzu, lernt man Wissenswertes über gesunde Ernährung und Lebensführung. Wie man den Leserbriefen entnehmen kann, hat das Programm schon sehr vielen Menschen geholfen, gesünder zu leben und Krankheiten beherrschbar zu machen. Gar nicht mal so selten führt das Programm sogar zu Spontanheilungen, so der Eindruck.

Die Veränderungen, die man im Laufe der Zeit umsetzen muss, sind sicher für viele Menschen gravierend, da diese aber schrittweise eingeführt werden, durchaus machbar. Vor allem für Menschen, die etwas ändern möchten, denen aber die Kraft dafür fehlte, ist das Buch eine gute Hilfe.

Dr. Weil stellt dem Leser sein gesamtes medizinisches Wissen in den Bereichen der Schulmedizin und der alternativen Heilmethoden zur Verfügung, untermauert mit ausführlichen Quellenangaben zu seinen Ausführungen. Er spricht den Leser direkt an und baut eine Beziehung zu ihm auf. Dieses Vertrauensverhältnis erleichtert den Glaube an den Erfolg seines Programms. Die Leserbriefe liest man dennoch mit großer Skepsis. Was da geschrieben steht, ist schon fast zu schön, um wahr zu sein. Selbst bei schweren chronischen Krankheiten wird Hilfe versprochen. Das ruft eher Unglaube hervor, statt Hoffnung zu machen.

Das man mit Hilfe des Buches zu einer gesunderen Lebensführung und damit zu mehr Gesundheit kommt, steht außer Frage. Ungesunde Lebensmittel werden zugunsten gesunder Lebensmittel verbannt. Frisches Obst und Gemüse wird favorisiert und auf Lebensmittel mit hohem Gesundheitswert geachtet. Der Autor erklärt, wie wichtig Bewegung ist oder auch der gesunde Schlaf. Er geht auf Zwischenmenschliches ein und beschreibt wie gut eine positive Lebenseinstellung tut.
Nicht ganz nachvollziehen kann man den generellen Rat zur Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln bei gesunder, ausgewogener Ernährung, bei bestimmten Krankheitsbildern natürlich schon.

„Besser leben aus eigener Kraft“ ist ein sehr umfassender Ratgeber. Der Autor sieht den Menschen in seiner Gesamtheit. Die Texte im Buch sind sehr gut zu verstehen. Die Gestaltung des Buches wirkt leider etwas farblos.

Rezension von Heike Rau

Dr. Andrew Weil
Besser leben aus eigener Kraft
Aus dem Amerikanischen von Diane von Weltzien
392 Seiten, gebunden
Bloomsbury, Berlin
ISBN: 978-3827007261
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