Der Bastard von Istanbul

Der Bastard von Istanbul

Nicht zu wissen, wo man hingehört und wo die eigenen Wurzeln liegen, das kann bedrückend und niederschmetternd sein!

Zwei junge Frauen, weitläufig mit einander verwandt, in ganz verschiedenen Welten zu Hause, die eine in Istanbul, die andere in Amerika, leiden beide an diesem Identitätssyndrom.

Asya ist das uneheliche Kind ihrer Mutter. Sie lebt in Istanbul unter verschwisterten Tanten, Mutter, einer Großmutter und einer Urgrußmutter in einem reinen Frauenhaushalt.
Die Familie gehört zur oberen Mittelschicht, ist akademisch gebildet und teilweise berufstätig.
Den Männern der Familie haftet das Gerücht an, dass sie nie lange leben, weil fast alle Ehemänner, Brüder und der Vater früh verstorben sind.
Um das einzige männliche Familienmitglied vor diesem Schicksal zu bewahren, wurde Mustafa nach Amerika geschickt.

Hier knüpft die amerikanische Geschichte an:
Rose, gebürtig aus Arizona, hatte einen Amerikaner armenischer Herkunft geheiratet, von dem sie geschieden ist. Die gemeinsame Tochter Armanoush aus dieser kurzen Ehe lebt bei ihr. Aus Rache an der großen armenischen Sippe und aus Liebe heiratet Rose in zweiter Ehe den Türken Mustafa, eben jenen Bruder der Sippe der Kazanci aus Istanbul.

Warum die Rache?
Es ist eine bekannte Geschichte, dass Armenier und Türken in Jahre langer Fehde zu einander standen, seit nach dem Ende des Osmanischen Reichs Mitglieder einer jungtürkischen Bewegung die armenischen Intellektuellen rücksichtslos verfolgten, aus Istanbul deportierten und damit den Völkermord an den Armeniern eingeleitet haben.

Neben der Identitätssuche der beiden Mädchen ist dieser Konflikt das ganz große Thema dieses Romans.

Während Mustafa sich aus allen Familienbanden entfernt hat und Amerikaner geworden ist, hat die in San Francisco ansässige armenische Familie ihren starken Zusammenhalt beibehalten und ist von erdrückender Fürsorge für fast alle ihre Familienangehörigen.

Asya und Armanoush sind jede in eine Welt und in Familien hineingeboren worden, in denen es unmöglich ist, Klarheit über ihre Zugehörigkeit sowohl zu einer Nation als auch zu einer Familie zu gewinnen. Auf der Suche nach ihrer wahren Identität begegnen sich die beiden Mädchen in der Familie von Armanoushs Stiefvater in Istanbul.
Hier beginnt die eigentliche Geschichte. Die beiden Mädchen kommen sich näher, teilen abenteuerliche Erlebnisse und Begegnungen und führen viele wunderbare literarische und philosophische Gespräche.
Der ganze Roman ist von einem ungewöhnlichen Zauber verschiedener Welten, Kulturen und dem Zusammenprall unterschiedlicher Völker und Charaktere.

Elif Shafak gelingt es, in einem groß angelegten Zeitgemälde zwei verschiedene Familienszenarien zu zeichnen.

Alle Figuren werden mit ihren Eigenheiten, Sonderbarkeiten, teilweise Verrücktheiten und Aufsässigkeiten und in ihrem ganz gewöhnlich Alltagsverhalten sehr persönlich charakterisiert.
Man bekommt Einblick in innerfamiliäre Familienstrukturen und Lebensgewohnheiten in der Türkei, von denen man hier nur wenig weiß.

Kaum ist je so klar geworden, dass es auch in der Türkei feizügige und liberal eingestellte Stadtbewohner und ein hinterwäldlerisches Völkergemisch gibt, das zu explosiven Spannungen innerhalb des Landes führen kann.

Geschichte und kulturelles Anderssein wird leichter begreiflich, wenn man Eindrücke durch personifizierte Handlungen vermittelt.
Elif Shafak ist das mit diesem Roman gut gelungen.
Sie ist eine angesehene Autorin, vielfach ausgezeichnet und gleichzeitig in der Türkei für diesen Roman verfolgt, angeklagt und frei gesprochen worden, da sie das Tabu des armenischen Völkermordes hier thematisiert hat.
Dieses Buch ist lesenswert und hoch aktuell.

Elif Shafak
Der Bastard von Istanbul
Auf Spurensuche nach Istanbul
ISBN:3821857994
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Das große Ravensburger Natur-Spielebuch

Das große Ravensburger Natur-Spielebuch

Man liest es immer wieder in der Presse. Unsere Kinder bewegen sich zu wenig, sitzen stattdessen vor dem Fernseher oder dem Computer. Vielleicht ist aber auch kein Spielplatz in der Nähe oder die Kinder haben einfach keine Idee, was sie draußen machen könnten. Diese Ausreden zählen nun nicht mehr. Der Autor erklärt Wiesen, Bäche, Wälder, Parks und sogar die Innenstädte zu Spielplätzen. Es gibt eine Menge Spiele, die man ohne großen Aufwand und mit den einfachsten Materialien spielen kann, aber auch solche, die gewisse Anforderungen an ein Team stellen.

Eltern und Erzieher finden in diesem Buch über 200 Spiele für ein bis zwei Kinder, aber auch für kleine und große Gruppen. Das Wetter spielt dabei fast keine Rolle und auch die örtlichen Gegebenheiten werden perfekt genutzt. Das Buch ist in die unterschiedlichen Spielorte gegliedert: „Spiele auf der Wiese und im Park“, „Spiele im Wald und im Gelände“, „Spiele in der Stadt und im Dorf“, „Spiele am und im Wasser“, Spiele mit Sand und Steinen“, „Spiele bei Regen oder Schnee“, „Spiele bei Dämmerung und in der Nacht“, „Spiele mit den vier Elementen“, „Spiele für alle Sinne“, „Spiele zum kreativen Gestalten“, „Spiele für größere Aktionen und Gruppen“, „Kooperative Spiele“.

Spiele auf der Wiese und im Park:
Hier werden Blatttabletts balanciert, Bäume bestimmt, auf selbst gebastelten Wippen balanciert, verstecken gespielt und Naturmaterialien erkundet. Es gibt ruhige Spiele und Spiele bei denen sich die Kinder austoben können. Die Natur spielt eine große Rolle.

Spiele bei Regen oder Schnee:
Hier werden auch die Stubenhocker vor die Tür gelockt. Die Ausrede, das schlechtes Wetter ist, zählt nicht. Je nach dem ob Regenwetter ist oder Schnee liegt, stehen beispielsweise folgende Spiel zur Auswahl: Pfützenweitsprung, Pfützenbüchsengolf, Tiefschneeball, Spurensuche oder Schneeballballern. Aus Schnee kann aber auch etwas gebaut werden, zum Beispiel eine Schnee-Bobbahn für Murmeln.

Auch in den anderen Kapiteln geht es darum, die Natur kennen zu lernen und dem Bewegungsdrang nachzugeben. Ganz nebenbei werden die Kinder gefördert, beispielsweise in der Teamfähigkeit. Gefördert werden die Sinne, und damit auch Konzentration, Merkfähigkeit, Geschicklichkeit, Gleichgewichtssinn, Körpergefühl und vieles mehr. Eltern und Erzieher können die Spiele gezielt auswählen, denn es gibt ein Register mit Angabe der Förderbereiche. Hier kann man auch sehr gut ablesen, wie lange ein Spiel dauert, für welche Altersgruppe es geeignet ist, wie viele Kinder mitspielen können und ob ein Spielleiter gebraucht wird.
Der Autor beschreibt ein Spiel nicht nur, er gibt auch hilfreiche Tipps zum Gelingen. Auf einen Blick sieht man auch sofort, ob Materialen und wenn ja, welche, gebraucht werden. Hier liegt der Schwerpunkt auf Naturmaterialien, wie man sie überall finden kann.
Die witzigen Illustrationen sind eine zusätzliche Anregung, sich an den Spielen zu versuchen. Man kann mit Hilfe des Buches auch Kinderfeste, Aktionstage und Spielenachmittage für die ganze Familie vorbereiten. Viele Spiele lassen sich perfekt zwischendurch bei einem Spaziergang spielen. Sie wecken die Abenteuerlust und vertreiben die Langeweile.

Rezension von Heike Rau

Uli Geißler
Das große Ravensburger Natur-Spielebuch
Über 200 Spiele für Kinder
Mit Illustrationen von Birgit Rieger
140 Seiten, gebunden
Ravensburger Buchverlag
ISBN: 978-3473556236
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Hochzeit in Jerusalem

Hochzeit in Jerusalem

Niemand will ständig von der Familie behelligt werden, um familiäre Angelegenheiten für andere, insbesondere Verheiratungen, mit zu regeln. Die junge Anja gerät in eine bedauerliche Lage, da ihre Mutter sie drängelt, für den Bruder eine Braut aufzutreiben.
Sie ist nicht erbaut und verweigert sich diesem Anliegen!

Als Kontingentjüdin ist sie mit ihrer Familie Anfang der neunziger Jahre aus Russland nach Deutschland gekommen und lebt inzwischen nach westlichem Muster ihr eigenes Leben.

Im Internet stößt Anja zufällig auf Julian.
Er sucht Hilfe, um seinen jüdischen Wurzeln auf die Spur zu kommen. Sein Vater hatte ihn recht unvermittelt darüber in Kenntnis gesetzt, dass er durch ihn, seinen Erzeuger, jüdischer Herkunft sei. Viel mehr kann er von diesem schweigsamen und von der Mutter geschiedenen Mann leider nicht erfahren.
Anja bietet dem neuen Freund unvoreingenommen und ohne tiefere Absichten ihre Hilfe an.
So beginnt eine Reise durch das Dasein als Jude im heutigen Deutschland und in die Vergangenheit gekoppelt an eine nicht ganz einfache Beziehung zu Julian.

Da ist von den Gutmenschen die Rede, die sich heute gerne und fast aufdringlich mit jüdischen Freunden umgeben; da gibt es eine Vielzahl von Verwandten hier und in aller Welt verstreut, die auf eine chaotische Weise alle miteinander verbunden sind. Und wie hat man sich überhaupt jüdisches Aussehen vorzustellen? Keine anzügliche Frage bleibt ausgespart.
Anjas Erinnerungen an Russland und ihr Leben heute zeigen anschaulich, wie sehr das Leben und die Identitätssuche gerade der jüngeren Generation jüdischer Herkunft mit den Jahren und abhängig von den Ortswechseln einem Wandel ausgesetzt ist.

Julian will mehr über den jüdischen Glauben und die religiösen Riten herausfinden. So planen die beiden jungen Leute eine Reise nach Jerusalem. Unvermutet und nicht gerade erwünscht schließt sich die Familie von Anja den Reisenden an, um bei der Hochzeit einer Cousine dabei zu sein.
Die Hochzeit in Jerusalem bietet Anlass, sich all derer zu erinnern, die überall und nirgendwo zu Hause sind!

Es handelt sich bei diesem Buch um eine Mischung aus Identitätssuche und Entwicklungsroman.

Die spritzige Lebendigkeit, mit der Erfahrungen und Begegnungen beschrieben werden, ist von hintergründigem Humor und feiner Selbstironie.
In einem unkonventionellen Stil und mit einfallsreichen Gedanken wird die Mischpoche unter die Lupe genommen.

Das Buch ist voller Ideen, feinem Zynismus und freimütiger Beobachtung. Mit lakonischen und unbefangenen Bemerkungen amüsiert sich die Protagonistin über Jugendliche mit linken Ideologien und reichen Eltern im Hintergrund. Andere modische Ideologien werden auf feinsinnige Art auseinander genommen.
Die leise Melancholie zum Ende der Erzählung hin bietet eine Ahnung davon, dass das Leben in der Fremde nicht immer leicht zu ertragen ist.

Die Autorin hat ein ähnliches Schicksal wie ihre Heldin.

Sie ist jung, kommt aus Russland und bezeichnet sich als jüdische Deutsche. Mit ihrem ersten Roman Meine weißen Nächte (2004) war sie sehr erfolgreich. Sie wurde 2005 mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet.
Man wünscht sich noch viele gleichwertige Romane aus ihrer Feder!

Lena Gorelik
Hochzeit in Jerusalem
Auf Identitätssuche
ISBN:3865550371
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Stefan Markus: Erste-Hilfe-Handbuch

Stefan Markus: Erste-Hilfe-Handbuch

Der Gedanke irgendwann einmal Erste Hilfe leisten zu müssen, macht vielen Menschen Angst. Meist liegt es daran, dass der Erste-Hilfe-Kurs schon länger zurückliegt und man glaubt, zu viel vergessen zu haben, um noch angemessen Handeln zu können. Man hat Angst, dem Verletzen mit falscher Hilfe zu schaden.

Mit dem vorliegenden Buch kann man noch einmal alle Aspekte der Ersten Hilfe durchgehen. Der Leser erhält Hilfestellung für alle möglichen vorkommenden Unfälle in den Bereichen Straßenverkehr, Freizeit, Haushalt und Arbeitsplatz.

Zunächst werden die Grundlagen der Ersten Hilfe besprochen. Der Leser erfährt, welche Aufgaben dem Ersthelfer zukommen und welche Sofortmaßnahmen beim Warten auf den Rettungsdienst eingeleitet werden müssen. Danach geht es ins Detail. Hier werden mögliche Verletzungen durch Unfälle gezeigt und die entsprechende Behandlung vorgeschlagen, ob es sich um Herz-Kreislauf-Störungen, Wunden, Verletzungen des Bewegungsapparates, Verbrennungen, Vergiftungen oder psychiatrische Notfälle handelt. Gezeigt wird aber auch die Behandlung von häufiger auftretenden Erkrankungen oder Befindlichkeitsstörungen wie Fieber, Erbrechen und Durchfall, Halsschmerzen oder Schwindel.

Das Buch ist für jeden geeignet, der Erste Hilfe leisten möchte oder muss. Die Erklärungen, immer in Wort und Bild, sind sehr gut nachvollziehbar. Die Erläuterungen erfolgen zudem in Schritten. Wichtige Aspekte werden oft wiederholt, so dass man diese schon beim Lesen des Buches automatisch verinnerlicht. Sehr hilfreich sind auch die Zusammenfassungen. Hier muss man sozusagen entscheiden, welchem roten Faden man folgt und sieht so auf einen Blick, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Diese Zusammenfassungen kann man leicht auswendig lernen.
Gut gefallen hat, dass dem Helfer Mut gemacht wird zu handeln, dass dabei aber auch auf seine Ängste und Zweifel eingegangen wird.

Damit man überhaupt einschätzen kann, wie es dem Patienten geht, muss man natürlich wissen, wie der menschliche Körper aufgebaut ist und funktioniert. Deshalb gibt es auch eine Einführung in Anatomie und Physiologie. Damit ist man gut gerüstet für alle Eventualitäten.

Fazit: Diese Buch sollte in jedem Haushalt vorhanden sein. Ein Notfall tritt schneller ein, als gedacht und dann ist richtiges und umsichtiges Handeln gefragt.

Rezension von Heike Rau

Stefan Markus / Dr. Sybille Tönjes
Erste-Hilfe-Handbuch
Wissen – Ratschläge – Selbsthilfe
In Zusammenarbeit mit dem Malteser Hilfsdienst
Aus dem Englischen von Tobias Immenroth
288 Seiten, broschiert, über 400 Fotografien und 70 Illustrationen
Dorling Kindersley Verlag
ISBN: 978-3831010080
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Der weiße und der schwarze Bär

Der weiße und der schwarze Bär

Die Nacht ist schon ein wenig unheimlich, findet das kleine Mädchen. Wenn es mit offenen Augen im Bett liegt und ihr Zimmer betrachtet, fühlt es sich wie in einem Wald, man könnte sich verlaufen. Allein ist das Mädchen zum Glück nicht, denn im Wald, da gibt es Bären. Nachts sitzt ein weißer Bär am Bett des Mädchens, so ist es nicht ganz so stockdunkel. Der weiße Bär schimmert nämlich ein wenig im Dunklen. Wenn der weiße Bär nicht da ist, dann ist auch der Mond verschwunden. Dann sitzt der schwarze Bär am Bett. Sehen kann man ihn nicht, so unglaublich dunkel ist es, aber atmen kann man ihn hören.

Der Autor taucht ganz tief in die Fantasiewelt kleiner Kinder ein. Er bietet ihnen eine Sichtweise an, die es ermöglicht, die oft vorkommende nächtliche Angst in ihre Schranken zu weisen oder zu überspielen. Die Lichtverhältnisse sind nachts nicht immer gleich, so finden auch die Mondphasen Beachtung.
Das Buch ist sehr fantasievoll illustriert. Die Bären sehen schon ein wenig unheimlich aus, so groß, wie sie dargestellt sind. Aber wie man den Bildern entnehmen kann, fühlen sich Kinder wohl in ihrer Nähe. Die Bären nehmen der Nacht ihre Unheimlichkeit, auch wenn sie nur erfunden sind, wie jedes Kind weiß. Das Buch regt an, sich mit der nächtlichen Angst bewusst auseinander zu setzen, die Vorstellungskraft zu aktivieren und der Nacht ihre schönen Seiten abzugewinnen.

Über den Autor:
Jürg Schubiger wurde 1936 in Zürich geboren. Er arbeitete als Gärtner, Winzer, Holzfäller, Kartonagen-Zuschneider, Werbetexter und Verleger und hat dann Germanistik, Psychologie und Philosophie studiert und über Franz Kafka promoviert. Seit 1980 arbeitet er als Psychotherapeut. Als Autor schreibt für Kinder und Erwachsene und wurde vielfach ausgezeichnet, beispielsweise 1996 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis und 1997 mit dem Silbernen Griffel für sein Kinderbuch „Als die Welt noch jung war“. Auch die Luchs-Jury hat seine Bücher zweimal prämiert. Für „Seltsame Abenteuer des Don Quijote“ und „Aller Anfang“ bekam der den Luchs.

Über die Illustratorin:
Eva Muggenthaler wurde 1971 in Fürth geboren. Sie studierte an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg Illustration und Grafik. Ihr erstes eigenes Bilderbuch „Der Schäfer Raul“ erschien 1997 im Peter Hammer Verlag und wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Eva Muggenthaler lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Nordfriesland.

Rezension von Heike Rau

Jürg Schubiger / Eva Muggenthaler
Der weiße und der schwarze Bär
32 Seiten, gebunden, durchgehend illustriert
Peter Hammer Verlag
ISBN: 978-3-7795-0078-0
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Margarettown

Margarettown

Ist dieser Roman ein Märchen, eine verzaubernde Geschichte oder eine Hommage an die Frauen in ihren verschiedenen Lebenszeiten?

Alles fängt ganz realistisch an, als der Icherzähler eine Studentin aufsucht, der er ein Examen in Philosophie abnehmen soll. Da sie nie in seinem Seminar erschienen ist, wird er sie durchfallen lassen müssen, will aber zuvor wenigstens wissen, wer das ist, den er da durchfallen lassen wird. Es ist Margaret aus Margarettown!

Ganz unvermittelt finden wir die beiden in einer Beziehung wieder, die in New York spielt.

Sie fahren in ihren Heimatort, Margarettown, wo es nur das Haus mit dem Namen Margaron gibt.

Zuerst dreht sich alles um die Namen Margaret, die es in vielen Versionen gibt, und die uns anhand einer langen Epistel erläutert werden. Auch in dem Haus gibt es alte und junge Margarets mit abgewandelten Namensbildungen. Sind sie alle echt oder nur Verkörperungen der einen und einzigen Margaret?
In die reale Handlung werden magische und träumerische Begebenheiten hineinphantasiert.
Wir wissen nicht, wo die Wirklichkeit aufhört und wo die Vision beginnt!
Was zuerst eher an ein Märchen denken lässt, wandelt sich zu einer wahren Geschichte.

Der Protagonist erzählt sie seiner Tochter. Er berichtet von seinen Eltern, seinem Leben mit ihrer Mutter, von Tanten und von seinem Onkel, der ihm ein reiches Erbe vermacht hat.

Die Geschichte handelt von der Liebe, von Treue, von Trennungen und vom Abschied. Sie handelt von den Veränderungen im Menschen und von dem, was wir zu sehen glauben und für wahr halten, oder was wir nur als Wahrheit interpretieren. Sie ist ernst und heiter, und traurig und voller Komik; und sie enthält viele wahre Einsichten über das Leben und den Tod!
Leicht und verzaubernd kommt die Geschichte daher, und genauso leicht liest sie sich auch.
Die Autorin ist begabt, Lebenswirklichkeiten beschwingt und
heiter zu erzählen, ohne den Ernst dahinter zu verbergen.
Alles ist so fern jeder Lebensdramatik und Düsternis, dass der Leser sich aller Erdenschwere entrückt glaubt. Und doch ist man angerührt von diesem überaus klugen Buch einer noch so jungen Autorin.
Es handelt sich um eine entspannt erzählte Lebens – und Liebesgeschichte, die voll tiefer Weisheiten steckt. Man findet dergleichen nicht so schnell auf dem Büchermarkt.

Zauberhaft und sehr lesenswert ist dieser wunderbare Roman!

Gabrielle Zevin
Margarettown
Humorige und weise Geschichte über das Leben und die Liebe
ISBN:3827005973
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Roula Rouge

Roula Rouge

Weil Frau und Job weg sind und es mit der Gesundheit auch nicht zum Besten steht, geht Jonathan Schotter nach Berlin. Hier bezieht er nach einiger Zeit in einer Pension eine schicke Wohnung. Seine Zeit verbringt er wie ein Stadtstreicher, nur mit dem Unterschied, dass er Geld wie Heu hat. Während einer Zugfahrt in den Osten der Stadt nimmt er einen Rucksack an sich, den eine junge Frau liegen gelassen hat. Zunächst beabsichtigt er, den Rucksack im Fundbüro abzugeben, entscheidet sich dann aber dagegen.

Der Inhalt des Rucksacks lässt keine Rückschlüsse auf die Identität seiner Besitzerin zu. Aber es befindet sich ein Laptop darin, der wohl Auskunft geben wird, so Jonathans Hoffnung. Die Eigentümerin nennt sich Roula Rouge. Das ist wohl ein Pseudonym. Das iBook selbst ist passwortgeschützt. Doch Jonathan findet im Rücksack einen Hinweis und so kommt er an die gespeicherten Daten. Alles will er über Roula Rouge wissen, er beginnt sie systematisch auszuspionieren. Als er ins Internet geht, erhält er eine Nachricht von Roula Rouge. Sie beschimpft den Dieb ihres Laptops und droht ihm. Das bremst Jonathan keineswegs. Er macht weiter, liest Briefe, Emails, Tagebucheinträge und sieht Fotos und Filme an. Er findet kein Ende und arrangiert sogar ein zufällig aussehendes Treffen mit der jungen Frau, in die er sich verliebt hat.

Das Buch ist eine echte Überraschung. Der Ich-Erzähler ist zwar von Anfang an eine interessante Persönlichkeit, doch was er im Verlauf der Geschichte erzählt, hätte man ihm einfach nicht zugetraut. Der Rücksack mit dem Laptop ist der Anlass, dass Jonathan sein eben in Berlin neu begonnenes Leben wieder völlig umkrempelt. Der eben noch durch und durch seriöse Mann raucht plötzlich wieder, achtet nicht mehr so sehr auf seine Ernährung, trägt Jeans statt Anzug und lässt sich als Krönung des Ganzen tätowieren. Er, der eigentlich Arbeit suchen sollte, verwandelt sich in einen Privatdetektiv und schnüffelt ungeniert einer anderen Person hinterher. Schuld daran ist die Liebe zu einer zunächst fremden Person.
Der Autor schildert diese sagenhafte Wandlung glaubwürdig. Mit Staunen folgt man dem Fortgang der Geschichte. Was immer Jonathan auch über Roula Rouge herausfindet, die einseitige Liebe hält.

Eine interessante Wendung nimmt das Buch, als Jonathan beschließt, Kontakt zu Roula Rouge aufzunehmen, die sich ja rächen will an dem Dieb ihres Laptops. Blauäugig vertraut Jonathan darauf, dass er sie nicht erkennt. Selbst als er Fehler macht, hofft er auf einen guten Ausgang der Geschichte.
Das Hinterherschnüffeln lässt Jonathan nicht sein. Die Geschichte nimmt noch einmal an Dramatik zu, als er etwas in Roula Rouges Vergangenheit ausgräbt. Seine Einmischung kennt keine Grenzen. Kein Wunder, dass die Lage sich ungemein zuspitzt. Man hört den Knall schon förmlich. Der Autor spielt mit den Erwartungen des Lesers und überrascht ihn am Ende dann doch noch einmal.
Nicht nur inhaltlich begeistert das Buch. Auch der Schreibstil des Autors gefällt ausgesprochen gut.

Über den Autor:
Mathias Nolte wurde 1952 in Reinbek bei Hamburg geboren. Er absolvierte eine Lehre als Buchhändler, arbeitete dann als Journalist. Heute lebt er als freier Autor in Berlin und München.

Rezension von Heike Rau

Mathias Nolte
Roula Rouge
365 Seiten, gebunden
Deuticke im Paul Zsolnay Verlag Wien
ISBN: 978-3552060531
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Teich kompakt. Bauen – Pflanzen – Pflegen

Teich kompakt. Bauen – Pflanzen – Pflegen

Einen Teich im Garten zu haben, ist für viele ein Traum. In Gartencentern und Baumärkten wird alles dafür Nötige angeboten. Dennoch gibt es einiges zu bedenken und genau hier setzten die Autoren mit ihrem Buch an.
Eine gute Planung ist wichtig. Schon der Standort für den Teich muss gut ausgesucht sein, ob er an der Terrasse liegen soll, mitten im Garten oder eher an der Gartenmauer. Nicht nur Lichtfaktoren und Bewuchs in der Nähe des zukünftigen Teiches spielen eine Rolle. Welche Punkte man bedenken sollte, wird genau erklärt.

Teiche kann man auf verschiedene Arten bauen, zum Beispiel mit Folie, einem Fertigbecken oder auch mit Naturbaustoffen. Im Buch werden die verschiedenen Teichbauarten vorgestellt und das Für und Wider abgewogen. Um abzusehen, welche Kosten auf den Gartenbesitzer zukommen, gibt es auch eine Beispielrechnung.
Sind die Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen, kann es ans Bauen des Teiches gehen. Die Autoren zeigen wie die Teichsohle vorbereitet werden muss, wie man die Folie verlegt und abdichtet und wie ein Überlauf anzubringen ist. Beachtung finden bei den Bauanleitungen alle Bauarten.

Seine entgültige Gestalt nimmt der Teich aber erst nach dem Bepflanzen ein. Auch hierfür gibt es zahlreiche Vorschläge, auch zur Dekoration mit Steinen. Auch schöne Randeinfassungen werden vorgestellt oder auch andere gestalterische Elemente, wie Brücken oder Sitzplätze. Manche Gartenbesitzer wünschen sich aber auch einen kleinen Bachlauf oder einen Sprudelstein. Auch darauf gehen die Autoren ein.

Ein Teich braucht viel Pflege. Um zu verstehen, wie das Biotop funktioniert, werden von den Autoren die chemischen und physikalischen Vorgänge im Teich ausführlich erklärt und wichtige Wasserwerte zum Vergleich aufgelistet. Auch leidigen Problemen wie dem ausufernden Algenbewuchs wird auf den Grund gegangen. Nicht selten ist es nötig, das Teichwasser zu reinigen. Hier kommen beispielsweise Filter oder auch verschiedene chemische oder biologische Mittel zur Regulierung des Teichwassers zum Einsatz.

Guten Rat gibt es auch bei anderen Problemen mit dem Teich, zum Beispiel wenn dieser undicht geworden ist. Sehr hilfreich ist auch der Arbeitskalender, dem man alle anfallenden Arbeiten am Teich Monat für Monat entnehmen kann. Im letzten Kapitel findet der Leser ein kleines Lexikon der Sumpf- und Wasserpflanzen.

Sieht man sich das Buch näher an, wird sehr schnell klar, dass man leider sehr viele Fehler beim Bau eines Gartenteiches machen kann. Es ist nicht so einfach, dafür zu sorgen, dass der Teich immer im biologischen Gleichgewicht bleibt. Mit Hilfe des Buches kann es aber gelingen, einen Teich zu bauen, der Freude macht. Besonders gut gefallen hat, dass die Autoren sehr ausführlich auf alle möglicherweise auftretenden Probleme eingehen und genau zeigen, was zu beachten ist. So kann man einen Gartenteich sehr gut planen, vom den Vorbereitungsarbeiten, über den Bau und die Bepflanzung bis hin zur Pflege.
Zu allen Kapiteln findet man hilfreiche Zeichnungen und anschauliche Fotos, so dass man sich ein umfassendes Bild von allen Arbeiten rund um den Gartenteich machen kann. Die Autoren bringen auf den Punkt, was wichtig ist und bleiben dabei immer verständlich. Wer dennoch weiteren Informationsbedarf hat, kann auf die Verlagsseite im Internet gehen und über im Buch angegebene Webcodes entsprechende Seiten aufrufen. Hier findet man die Texte aus dem Buch, einige weitere Informationen und Buchtipps.

Rezension von Heike Rau

Peter Hagen / Martin Haberer
Teich kompakt. Bauen – Pflanzen – Pflegen
381 Seiten, 364 Farbfotos, 46 Zeichnungen
Verlag Eugen Ulmer Stuttgart
ISBN: 978-3-8001-5189-9
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Irgendwo

Irgendwo

Es sind ganz normale Menschen in ganz verrückten Geschichten, die uns in den Erzählungen von Agota Kristof über den Weg laufen.
Man meint, das Leben sei auf den Kopf gestellt.

Da findet eine Frau ihren Mann am Morgen mit einem Beil im Kopf. Er liegt blutüberströmt auf dem Boden neben dem Bett. Sie macht ganz naiv Mitteilung davon. Sie erzählt so, als sei es ganz normal und überhaupt nicht verwunderlich. Die Geschichte ist kurz und zuletzt verflüchtigt sie sich wie ein offen gelassener Satz…

Da will ein Kind ein Gewehr und bekommt es nicht, weil es kein schönes Spielzeug sei, woraufhin es beschließt, die verlogenen Erwachsenen, die selber mit richtigen Gewehren spielen, später einmal umzubringen.

Ein Mann flüchtet aus der lauten Stadt in die Stille eines Bauernhofs. Doch bald ist sein Grundstück von einer neu gebauten Autobahn eingeschnürt, eine Müllverbrennungsanlage entsteht und in seiner Nähe werden zwei Gastanks aufgestellt. Als er die Stadt besucht, findet er Blumenbeete, verkehrsberuhigte Strassen und eine idyllische Ruhe vor.
Eine andere Geschichte, der Kanal, erscheint wie ein Traum. Ein Mann sieht sein Auto verbrennen, dann sucht er seinen Sohn und das Haus, in dem er aufgewachsen ist. Am Ende begegnet ihm ein Puma. Er unterhält sich mit ihm. Es endet vollkommen ungereimt und verrückt.

So reiht sich eine Geschichte an die andere.

In kurzen Sätzen und einem ruhigen und lakonischen Ton werden die absurdesten Ereignisse vorgetragen.
Die Naivität und die Selbstverständlichkeit, mit der diese ungewöhnlichen Geschichten erzählt werden, sind teilweise urkomisch und gleichzeitig faszinierend. Neben der Verrücktheit lauert die ganz gewöhnliche Wahrheit: dass man vielleicht froh ist, wenn der Mann mit seinem nächtlichen Schnarchen endlich Ruhe gibt; dass ein Kind wütend ist auf Erwachsene, die mit ihren Widersprüchen für ein Kind nicht zu verstehen sind. Und die ganze Wahrheit ist, dass die Natur auf dem Bauernhof durch zivilisatorische Einflüsse verloren geht, und dass man in die Stadt Dank bürokratisch eingreifender Maßnahmen, bereinigter Luft und in ruhige Straßen wieder zurückkehren kann.

Agota Kristof bedient sich eines schwarzen und trockenen Humors, um die Welt mit ihren traurigen, schönen, grausamen und wahren Gesichtern zu zeigen. Was makaber anmutet, das wird so erzählt, als sei es ganz normal.

Diese kleinen Nouvelles lesen sich leicht und wie zwischendurch. Sie wirken unbeschwert und sind dabei kein bisschen oberflächlich.
Es geht um kleine Lebensskizzen, die, herausgeschnitten aus einem Ganzen, wichtige Details wiedergeben, um ganze Gesellschaftszustände zu beschreiben.
Hervorragend und sehr zu empfehlen!

Agota Kristof
Irgendwo
Verrückte Welt mit Wahrheitsgehalt
ISBN:3492048714
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Über Nacht

Über Nacht

Wenn es möglich wäre, würde ich diesem Roman sechs Sterne zubilligen!
Es geht um zwei Frauen, zwei Menschenleben, zwei Schicksale: ihre Wege kreuzen sich in Rom.
Was aber haben sie gemeinsam, was führt sie zusammen?
Es sind zuerst die Männer und dann das Leben, das sie mit Alter, Krankheit und Tod konfrontiert.

Beide Frauen sind jung und im besten Alter.

Mira in Rom geht unverdrossen ihrer Arbeit in der Altenpflege nach, die sie eher nüchtern und sehr menschlich verrichtet. Im Altenpflegeheim erlebt sie die Bewohner mit ihren misanthropischen Einstellungen und sieht Abhängigkeiten und Autonomieverluste, die nachdenklich stimmen. Wunderbar werden einzelne Alte mit ihren skurrilen Sonderlichkeiten beschrieben.

Privat steigert sich Mira in eine schleichende und von Ahnungen beflügelte Eifersucht hinein, weil sie ihren Mann einer Affäre verdächtigt.

Irma ist in Wien ansässig, hat einen Sohn von einem davon gelaufenen Liebhaber und bekommt gerade eine neue Niere transplantiert. Sie geht nach der Transplantation ihrem Alltag nach, versorgt ihren kleinen Sohn und verdient sich mit Interviews von Menschen mit aussterbenden Berufen ihren Unterhalt. Auf diese Weise entstehen sehr phantasiereiche und poetische Erzählungen.

Neben der Frage über die Zulässigkeit von Transplantationen quälen Irma Schuldgefühle, weil der Tod eines anderen Menschen ihr erst das Fortleben ermöglicht hat.

Sehnsucht nach der wahren Liebe treibt beide Protagonistinnen in gleicher Weise um. Abgründe aber tun sich ihren Liebesbeziehungen auf! In Rom befindet sich der Mann, dessen Existenz für beide Frauen schicksalhaft ist..
Die Konfrontation mit dem Tod, mit Alter und Siechtum und die Unvereinbarkeiten, die zwischen Männern und Frauen bestehen, bilden eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Frauen.

Die eine kann mit ihrem Mann nicht weiterleben, die andere wagt nicht, sich auf neue Beziehungen einzulassen.
So schwanken beide zwischen Hoffen und Zweifeln.

Der Leser fiebert mit, wie die beiden ihr Leben in den Griff bekommen werden.

Liebe, Krankheit und nie versiegende Hoffnung sind die großen Themen in diesem Roman. Das Thema ist weit umspannend, dessen sich die Autorin angenommen hat.

Gruber befleißigt sich einer Sprachfertigkeit, die keinen Moment Überdruss oder Langeweile aufkommen lässt.
Die Straßen, Plätze, Märkte und Cafes in Wien und Rom werden vielfarbig und bunt beschrieben. Alle handelnden Personen und die Alten im Heim sind lebendig und charakterlich so unterschiedlich gezeichnet, dass man sich eine lebhafte Vorstellung von ihnen machen kann. Verzweiflung und Zuversicht, je wen sie betreffen, entsprechen dem wahren Leben.
Jeder Satz ist ein Genuss und es werden Allegorien ins Spiel gebracht, die manche Zusammenhänge gut versinnbildlichen.

Die Geschichte bewegt sich auf hohem Niveau und regt zu Reflexionen an. Profane Abgründe werden dabei nicht ausgespart.
Dieser talentierten und sprachgewandten Erzählerin ist weiterhin viel Erfolg zu wünschen!

Sabine Gruber
Über Nacht
Von Liebe und Freude, von Hoffnung und Vergangenheit
ISBN:3406556124
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