Roula Rouge

Roula Rouge

Weil Frau und Job weg sind und es mit der Gesundheit auch nicht zum Besten steht, geht Jonathan Schotter nach Berlin. Hier bezieht er nach einiger Zeit in einer Pension eine schicke Wohnung. Seine Zeit verbringt er wie ein Stadtstreicher, nur mit dem Unterschied, dass er Geld wie Heu hat. Während einer Zugfahrt in den Osten der Stadt nimmt er einen Rucksack an sich, den eine junge Frau liegen gelassen hat. Zunächst beabsichtigt er, den Rucksack im Fundbüro abzugeben, entscheidet sich dann aber dagegen.

Der Inhalt des Rucksacks lässt keine Rückschlüsse auf die Identität seiner Besitzerin zu. Aber es befindet sich ein Laptop darin, der wohl Auskunft geben wird, so Jonathans Hoffnung. Die Eigentümerin nennt sich Roula Rouge. Das ist wohl ein Pseudonym. Das iBook selbst ist passwortgeschützt. Doch Jonathan findet im Rücksack einen Hinweis und so kommt er an die gespeicherten Daten. Alles will er über Roula Rouge wissen, er beginnt sie systematisch auszuspionieren. Als er ins Internet geht, erhält er eine Nachricht von Roula Rouge. Sie beschimpft den Dieb ihres Laptops und droht ihm. Das bremst Jonathan keineswegs. Er macht weiter, liest Briefe, Emails, Tagebucheinträge und sieht Fotos und Filme an. Er findet kein Ende und arrangiert sogar ein zufällig aussehendes Treffen mit der jungen Frau, in die er sich verliebt hat.

Das Buch ist eine echte Überraschung. Der Ich-Erzähler ist zwar von Anfang an eine interessante Persönlichkeit, doch was er im Verlauf der Geschichte erzählt, hätte man ihm einfach nicht zugetraut. Der Rücksack mit dem Laptop ist der Anlass, dass Jonathan sein eben in Berlin neu begonnenes Leben wieder völlig umkrempelt. Der eben noch durch und durch seriöse Mann raucht plötzlich wieder, achtet nicht mehr so sehr auf seine Ernährung, trägt Jeans statt Anzug und lässt sich als Krönung des Ganzen tätowieren. Er, der eigentlich Arbeit suchen sollte, verwandelt sich in einen Privatdetektiv und schnüffelt ungeniert einer anderen Person hinterher. Schuld daran ist die Liebe zu einer zunächst fremden Person.
Der Autor schildert diese sagenhafte Wandlung glaubwürdig. Mit Staunen folgt man dem Fortgang der Geschichte. Was immer Jonathan auch über Roula Rouge herausfindet, die einseitige Liebe hält.

Eine interessante Wendung nimmt das Buch, als Jonathan beschließt, Kontakt zu Roula Rouge aufzunehmen, die sich ja rächen will an dem Dieb ihres Laptops. Blauäugig vertraut Jonathan darauf, dass er sie nicht erkennt. Selbst als er Fehler macht, hofft er auf einen guten Ausgang der Geschichte.
Das Hinterherschnüffeln lässt Jonathan nicht sein. Die Geschichte nimmt noch einmal an Dramatik zu, als er etwas in Roula Rouges Vergangenheit ausgräbt. Seine Einmischung kennt keine Grenzen. Kein Wunder, dass die Lage sich ungemein zuspitzt. Man hört den Knall schon förmlich. Der Autor spielt mit den Erwartungen des Lesers und überrascht ihn am Ende dann doch noch einmal.
Nicht nur inhaltlich begeistert das Buch. Auch der Schreibstil des Autors gefällt ausgesprochen gut.

Über den Autor:
Mathias Nolte wurde 1952 in Reinbek bei Hamburg geboren. Er absolvierte eine Lehre als Buchhändler, arbeitete dann als Journalist. Heute lebt er als freier Autor in Berlin und München.

Rezension von Heike Rau

Mathias Nolte
Roula Rouge
365 Seiten, gebunden
Deuticke im Paul Zsolnay Verlag Wien
ISBN: 978-3552060531
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