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Schlagwort: Einsamkeit

Jean-Philippe Blondel: Ein Winter in Paris

Jean-Philippe Blondel: Ein Winter in Paris

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Victor studiert am Lycée D. Paris in der Vorbereitungsklasse. Er stammt aus einfachen Verhältnissen und ist froh, nun ein eigenes Leben zu haben. Doch es fällt ihm nicht leicht, dem Druck standzuhalten. Das Studium überfordert in. Dazu kommt, dass er kaum wahrgenommen wird. Freunde findet er nicht, dabei sehnt er sich nach Halt und Austausch. Aber vielleicht lässt sich mit Mathieu etwas aufbauen. Hin und wieder eine Zigarette zusammen zu rauchen, könnte der Anfang einer Freundschaft sein, auch wenn Mathieu einen Kurs unter ihm ist. Victor nimmt sich vor, ihn zu seinem Geburtstag einzuladen.

Doch soweit kommt es nicht. Mathieu stürmt nach einem Vorfall aus dem Klassenraum und springt über das Geländer. Victor sieht ihn am Boden liegen und kann es nicht fassen. Nur langsam realisiert er, was geschehen ist.
Auch wenn beide sich kaum kannten, wird er nun als Freund des Opfers für die anderen sichtbar. Mathieus Vater kommt nach Paris. Er will wissen, was geschehen ist und hofft darauf, dass Victor ihm helfen kann.

Das Buch ist sehr ergreifend. Es geht nicht so sehr um Mathieu und die Gründe für seinen Selbstmord, auch wenn das starre Schulsystem zusammen mit dem tyrannischen Lehrer Clauzet zur Sprache kommt. Vielmehr ist Victor die Hauptperson. Er lernt Mathieu erst nach dessen Tod besser kennen. Er wird erst jetzt zu einem Freund, so seltsam das klingt. Victor ist verstört und angreifbar, wie sollte es auch anders sein? Dadurch gelingt es Mathieus Vater Patrick Lestaing ihn für sich zu instrumentalisieren. Vielleicht geschieht das nicht bewusst. Aber Victor ist der Einzige, der ihn seinem Sohn noch einmal näher bringen kann. Er hat viel versäumt als Vater.

Die Geschichte wird im Rückblick erzählt. 30 Jahre sind vergangen, aber nichts ist vergessen. Das bietet viel Raum für Interpretationsmöglichkeiten. Der Schluss im Buch ist kein Ende. Es lässt den Leser zurück mit seinen Gedanken über das eigene Leben. Die melancholische Atmosphäre bleibt. Die Geister der Vergangenheit bleiben. Das Buch ist sehr traurig und doch auch melancholisch schön und anrührend.

Rezension von Heike Rau

Jean-Philippe Blondel
Ein Winter in Paris
Aus dem Französischen von Anne Braun
192 Seiten, gebunden
Deuticke Verlag
ISBN-13: 978-3552063778
ISBN-10: 3552063773
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Linn Ullmann: Die Unruhigen

Linn Ullmann: Die Unruhigen

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Als Kind eines berühmten schwedischen Regisseurs und einer ebenso bekannten Schauspielerin hat man es nicht leicht im Leben! Davon vermittelt dieses Buch einen Eindruck.

Linn Ullmann ist die Tochter aus der Verbindung von Ingmar Bergmann mit der Schauspielerin Liv Ullmann. Die Tochter der beiden avancierte zu einer anerkannten schwedischen Schriftstellerin. Jetzt hat sie ein Buch geschrieben, das sie eigentlich mit ihrem Vater zusammen schreiben wollte.

Die Liebe zwischen ihren Eltern war groß, sie überdauerte aber nicht lange.

Auf der Insel Hammars hatte Bergmann ein Haus gebaut, in das er mit der viel jüngeren Geliebten und Tochter einzog. Hammars bleibt der Bezugsort, für das man den Begriff „Zuhause“ für Linn Ullmann anwenden darf.

Man meint aus der Erzählung die Bäume, das Meer und die Natur zu riechen und bekommt eine Vorstellung von den heißen Sommern, die zum geselligen Beisammensein animierten.

Der erste Teil des Buches gilt den Erinnerungen an ihre Mutter; im zweiten Teil widmet Linn Ullmann sich dem Vater.

In einer langen Reihe von Erinnerungen, die von Zeit und Orten springend eine Episode an die andere reiht, bekommt man eine Bild von ihrem Leben, von dem der Eltern und von ihren Freunden.

Linn U. spricht von dem „Mädchen“, wenn sie sich ihren Erinnerungen überlässt.

In freien Assoziationen blendet sie die Vergangenheit ein; da ist das Haus, die große Familie mit Kindern aus noch anderen Verbindungen ihres Vaters, und die kurzen Zusammentreffen mit ihm. Er war ein skurriler Mensch mit Ängsten und strengen Gewohnheiten. Auch war er wie ein Getriebener, der nicht zur Ruhe kam.

Beide Eltern waren wahrhaftig unruhig!

Das Mädchen ist in der Kindheit sehr viel sich selber überlassen.

Mit der Mutter zog sie, als sie klein war, von einem Ort zum anderen. Von Amerika wird berichtet, dass das Mädchen auch dort alleine mit mehreren Kindermädchen aufwuchs, weil die Mutter immer wieder an anderen Orten im Theater oder Filmen auftrat. Die starken Gefühle der Einsamkeit und der Sehnsucht nach der Mutter sind nachfühlbar.

Das Mädchen musste sich im Leben ganz den steten Regeln der elterlichen Zeiteinteilung fügen. Wurde sie geliebt?

Auf einem Tonbandgerät hört die Autorin Gesprächsaufzeichnungen ab, die allerdings schwer zu enträtseln sind. In kurzen Sitzungen kommen kleine Gespräche zum Vorschein. Sie sind nur Hinweise und Einsprengsel in das Geschehen, denn alles in Allem sind es Linns Erinnerungen, die den Verlauf der Erzählung bestimmen.

Sie wählt eine assoziative Form der Erinnerung, mit der man mithalten muss.

Ihre Kindheit und Jugend vergehen mit ständiger Unruhe, bis sie selber Mutter und Ehefrau wird. Ob dieses Leben eine gute Basis für das eigene Leben sein konnte?

Man darf es nur erahnen.

Ich fand die Erzählweise etwas schwerfällig.

Linn Ullmann erhielt für ihre Romane zahlreiche Literatur-und Kritikerpreise und stand mehrfach auf internationalen Bestsellerlisten.

Linn Ullmann
Die Unruhigen
416 Seiten, gebunden
Luchterhand Literaturverlag, Juni 2018
ISBN-10: 3630874215
ISBN-13: 978-3630874210
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Angelika Klüssendorf: Jahre später

Angelika Klüssendorf: Jahre später

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In einer fein ziselierten Sprache, hoch sensibel und gleichzeitig distanziert erzählt A. Klüssendorf von einer Ehe, die auf merkwürdige Weise zustande kam.

April, die Hauptprotagonistin, spricht von sich als Suchende und Einsame. Ludwig, ein Chirurg, interessiert sich brennend für sie und lässt nicht nach in seinem Werben. Sie wird schwanger, und sie heiraten.

Während Ludwig als großes Kind erscheint, der allerdings voller Dynamik immer neue Pläne für sie beide schmiedet, lässt sich April treiben. Sie steht den Dingen mit einer gewissen Ambivalenz gegenüber. Aus einer anderen Beziehung hat sie einen 11jährigen Sohn, Julius, der fest in die neue Gemeinschaft eingegliedert wird.

Nachdem sie von Berlin nach Hamburg gezogen sind, wo Ludwig eine neue Stelle in einem Krankenhaus angetreten hat, wird Samuel geboren.

Hier fühlen sich April und Julius nicht zu Hause. Julius ist in der Pubertät und betrachtet seine Mutter und Ludwig kritisch. Als er zu seinem Vater zieht, bleibt die kleine Familie alleine.

Mehr und mehr gerät Ludwig in den Fokus der Erzählung. Durch die Augen von April finden wir einen Getriebenen, der voller Ideen ist und zwischen Ehrgeiz, Eitelkeit und Selbstverherrlichung schwankt. April tut, was sie kann, um seinem bürgerlichen Anspruch zu genügen. Sie kocht, backt und bewirtet seine Kollegen. Doch das ist nicht ihr Leben.

Mit kleinen spitzbübischen Schabernackaktionen versuchen die beiden, ihrer Gemeinschaft etwas Leben einzuflößen.

Mit fortschreitender Erzählung spürt man jedoch, wie aufgesetzt und brüchig die Beziehung zwischen April und Ludwig ist. Man ahnt, dass diese Ehe kein gutes Ende nehmen kann.

Doch noch quält sich das Paar durchs Leben, er unreflektiert und blind für seine eigenen Schwächen, und sie abwartend und bemüht. Doch eine Kälte macht sich breit, die einen erschauern lässt.

Angelika Klüssendorf hat einen empfindsamen Ausdruck für alles, was zwischen Menschen passiert. Ihre kühle, sezierende Sprache, vermittelt uns einen Einblick in das innerpsychische Geschehen, das sich hier zwischen zwei sehr verschiedenen Menschen abspielt. Es kann nicht gehen, wenn eine Frau auf der ständigen Suche nach dem wahren Leben ist, und ihr Mann nur nach Anerkennung, Aufmerksamkeit und Bestätigung sucht.

Geschickt versucht die Autorin uns zu zeigen, wie bemüht beide sind, an ihrer Ehe festzuhalten. Einer aber schafft es nicht: Ludwig kann seine innere Leere im Zusammensein mit seiner Frau nicht überwinden. Er geht, kommt wieder und geht schließlich für immer. April, die literarische Versuche auf dem Weg zur Schriftstellerin unternimmt, bleibt alleine mit einem Sohn, den sie kaum versteht, und zu dem der Zugang immer mehr verloren geht. Reue über den Verlust ihres ersten Sohnes überkommt sie, und sie weiß, alle ihre intensiven Bemühungen um ein ausgewogenes Leben waren umsonst.

Die Sprache und der Ausdruck von A. Klüssendorf zeigen eindrücklich diese einsame, suchende Frau, deren Verlorenheit einen anrührt. Ludwig löst in seiner Selbstsucht eher Abwehr beim Leser aus. Zweitweise bleibt die Empathie auf der Strecke. Zu kalt und sezierend ist die Darstellung der Beziehung.

Der Eindruck einer misslungenen und tragischen Verstrickung zweier Menschen, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft und Wesenszügen nicht zusammenfinden können, bleibt bis zuletzt bestehen. Die lakonischen und kurzen Sätze vermitteln einen Eindruck von dem innerpsychischen Drama, das Mann und Frau einander entfremdet.

Dass Angelika Klüssendorf mit dem verstorbenen Frank Schirrmacher verheiratet war, sei in einem Nebensatz erwähnt. Autobiographische Züge sind in ihre Erfahrungen eingeflossen. Sie betont aber in Interviews, dass ihre Figuren fiktiv sind.

Angelika Klüssendorf
Jahre später
160 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, Januar 2018
ISBN-10: 3462047760
ISBN-13: 978-3462047769
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Margrit Schriber: Glänzende Aussichten

Margrit Schriber: Glänzende Aussichten

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Pia hat einst von ihrem Vater die kleine Tankstelle, die außerhalb des Dorfes liegt, geerbt. Bei ihr gibt es noch echten Service. Doch bricht die Zeit der Großtankstellen an. Selbstbedienung wird selbstverständlich. Ihr aufdringlicher Exfreund Luc fährt hier bei Pia immer noch gerne vor. Er glaubt, das Recht zu haben, bei ihr kostenlos zu tanken. Er fantasiert sich immer wieder irgendwelche Besitzansprüche zusammen, bedient sich an der Kasse und rät Pia, die Tankstelle zu verkaufen, damit sie ihn auszahlen kann. Er scheut sich nicht davor, schon mal handfeste Pläne zu machen.
Auch der Gebrauchtwarenhändler von nebenan schielt herüber. Er braucht mehr Platz. Und natürlich hat auch der Benzinlieferant entsprechende Pläne für das attraktive Gelände und macht ein Angebot.
Aber Pia will nicht. Die Tankstelle ist ihr Leben. Da kaum noch etwas reinkommt, beschließt sie, eine Autowaschstraße bauen zu lassen. Für diese erhoffte Belebung ihres Geschäfts nimmt in Kauf, sich hoch zu verschulden.

Einsamkeit, aufgedrängte Regeln und ein unglaublich frecher Exfreund bestimmen das Leben von Pia. Für Abwechslung sorgen eine Freundin, die kommt, wann es ihr beliebt und Gigi, der auf dem Nachbargrundstück gebrauchte Autos verkauft. Die wenigen Kunden nicht zu vergessen!
Die Ruhe ist also trügerisch, das wird sehr deutlich dargestellt. Aber Pia, die eine Einzelgängerin ist, sträubt sich gegen jede Veränderung.
Die ganze Situation hat bei allem Ernst auch etwas Komisches. Auf diese Art stellt die Autorin dar, wie viel Pia sich gefallen lässt. Obwohl sie eine Frau ist, die jeden Tag beweist, dass sie ordentlich zupacken kann.
Im Grunde weiß sie auch, dass sie verloren hat. Es wird ihr in aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Aber obwohl es schon tüchtig in ihr zu brodeln beginnt, greift sie nach einem Strohhalm, der richtig teuer ist. Die Frage ist, ob sie sich da mit den richtigen Mittel wehrt und die Rechnung aufgeht. Tatsächlich hat das Buch, das einige interessante autobiographische Züge hat, dann auch ein verblüffendes Ende!

Rezension von Heike Rau

Margrit Schriber
Glänzende Aussichten
176 Seiten, gebunden
Nagel & Kimche
ISBN-10: 3312010624
ISBN-13: 978-3312010622
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Richard Laymon: Die Spur

Richard Laymon: Die Spur

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Laymon wird als Meister des Psychothrillers gehandelt. Seine Romane werden gerne mit denen von Stephen King auf eine Ebene gestellt. Kribbelnde Spannung zieht sich durch die streckenweise actionreiche Handlung.

In „Die Spur“ erfährt der Leser in zwei unterschiedlichen parallelen Handlungssträngen zwei Geschichten. Während Rick und seine neue Partnerin Bert in die Berge fahren, um zu campen und zu wandern, geht die junge Gillian ihrem außergewöhnlichen Hobby nach: Sie sucht nach Häusern, deren Bewohner offensichtlich verreist sind. Diese Häuser nimmt sie einige Tage in Beschlag, lebt in ihnen, schnüffelt in den fremden Sache, bevor sie dann zum nächsten Haus weiterzieht.
Bert und Rick begegnen bei ihrer Bergtour verschiedenen Leuten, die ebenfalls wandern. Doch Rick scheint in der Vergangenheit besondere Erfahrungen gemacht zu haben, denn er ist der Angsthase von beiden. Während die energiegeladene Bert mit großen Schritten voranschreitet, versucht Rick sie stets zur Umkehr zu drängen und glaubt, von jedem anderen Wanderer bedroht zu sein. Gillian befreundet sich zur gleichen Zeit mit einem Nachbarn an, was sie eigentlich sonst nie macht. Doch als sie die Videosammlung ihres Hausbesitzers in Augenschein nimmt, muss sie Ungeheuerliches feststellen. Sie wohnt momentan in dem Haus eines Serienmörders.

Wie eingangs bereits erwähnt, geht es bei Laymon sehr subtil zu. Die Spannung scheint sanft über alle Seiten zu flirren. Beim Lesen spürt man ein sonores Summen im Hinterkopf. Man spürt die Gefahr genau so wie die Protagonisten, weiß aber nicht, wann und aus welcher Richtung sie kommen wird. Das ist ein ganz besonderer Stil, der Spaß beim Lesen beschert. Er erinnert an Gruselbücher aus der Kindheit, bei denen man am liebsten unter die Bettdecke gekrochen wäre, um nicht vom schwarzen Mann geholt zu werden.

Diese subtile Spannung bedeutet aber nicht, dass keine rasche Handlung erfolgt. Im Gegenteil. Laymon versteht es, mit einigen Kämpfen, Schlägereien und Messerstechereien das Lesen gefährlich zu machen. Die Figuren müssen viel Action erleben, durch die Wälder fliehen, sich in Baumwipfeln retten, bevor sie der Lösung Ihres Problems näherkommen. Langweilig wird es nicht. Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen. Ich empfehle ihn gerne den Lesern, die actionreiche Psychothriller in amerikanischer Umgebung mögen. Vielleicht mögen auch Sie mit Richard Laymon einen neuen und interessanten Lesestoff eindecken?

Laymon, Richard
Die Spur
Heyne Verlag, München
Aus dem Amerikanischen von Sven-Eric Wehmeyer
ISBN 9783453676466

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Debbie Macomber: Winterglück

Debbie Macomber: Winterglück

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Die an der Ostküste und in Florida lebende Schrifstellerin Debbie Macomber hat mit „Winterglück“ (Originaltitel: „The Inn at Rose Harbour“) einen weiteren schönen Wohlfühlroman vorgestellt. Die Protagonistin Jo Marie Rose hat ihren Mann Paul in Afghanistan verloren. Ein kleines Erbe und der Verkauf, des mit Paul erworbenen Hauses reichen, damit sie einen neuen Anfang wagen kann. Sie zieht in den beschaulichen Küstenort Cedar Cove und wagt sich an die Eröffnung eines Bed & Breakfasts, welches sie Rose Harbour Inn nennt. Bald schon kommen die ersten Gäste, Abby Kincaide und Joshua Weaver. Schnell merkt Jo Marie, dass beide Gäste nicht ganz freiwillig in Cedar Cove sind. Sie tragen schwer an ihrem Gepäck und ihnen steht ein turbulentes Wochenende bevor. Wird alles gut gehen?

Macomber hat diesen Roman als Episodenroman angelegt. Die Gäste der Pension kennen sich nicht und jeder hat eine andere Last zu tragen, mit der sie in den kleinen Ort gekommen sind. Drumherum wird die Geschichte von Jo Marie erzählt. Somit erfährt der Leser drei unterschiedliche Geschichten in diesem Roman. In jeder dieser Geschichten stellt sich die Frage, wie sie wohl ausgehen mag. Damit wird der Leser mit drei sehr unterschiedlichen Protagonisten konfrontiert. Jede Geschichte wird aus einer anderen Perspektive erzählt. Während die von Jo Marie in der ersten Person aus der Sicht von ihr selbst erzählt wird, werden die anderen beiden Geschichten von einer dritten Person erzählt. Nicht von Jo Marie, denn sie ist nicht in allen Momenten anwesend.
Nicht besonders schön fand ich die ständigen Wiederholungen im Text. Die Schriftstellerin scheint ihren Lesern nicht zuzutrauen, dass sie sich an eine Tatsache auch nach 50 oder 200 noch erinnern können. Wenn eine Figur einmal als böswillig beschrieben wird, dann muss dieses nicht alle zwanziug Seiten wiederholt werden.

Ein schöner Roman zum Entspannen, den man einfach so weglesen kann, ohne sich viel Gedanken um das Weltgeschehen machen zu müssen. Liebhaber von Nora Roberts werden auch diesen Roman mögen.

In derselben Reihe:
– Frühlingsnächte
– Sommersterne
– Herbstleuchten

Macomber, Debbie
Winterglück
Aus dem Amerikanischen von Nina Bader
Blanvalet Verlag, München
ISBN 9783734102493

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Jane Gardam: Ein untadeliger Mann

Jane Gardam: Ein untadeliger Mann

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Lebenslinien…

In unnachahmlicher Weise werden wir zu Beginn dieses Romans sogleich hineingezogen in die Welt der englischen oberen Bürgerklasse des vergangenen Jahrhunderts.

„Old Filth“ wird der untadelige Mann von seinen Kollegen aus der höheren Anwaltschaft in Hong Kong genannt. Zusammengezogen ist dieser Name aus dem Akronym „Failed In London Try Hongkong“, denn eigentlich heißt er Edward Feathers. Er lebt jetzt in Dorset in England, wohin er sich mit seiner Frau Betty nach seiner Pensionierung zurückgezogen hat.

Er wurde ebenso wie seine Frau Betty in der englischen Kronkolonie Malaysia geboren und war dort in seiner Kindheit mit der asiatischen Sprache in Berührung gekommen. Später galt er in Honkong als herausragender Anwalt und Richter der englischen Krone.

Mit 80 Jahren untadelig wie eh und je ist er inzwischen verwitwet. Sein Auftreten, sein Haus und die Annehmlichkeiten und Unannehmlichkeiten des Alters, das Wetter und die Landschaft werden minutiös und akkurat beschrieben. So akkurat wie sein Äußeres.

Nach dem Tod seiner Frau beginnt er, sich seiner Kindheit und seines eigenartigen Lebensweges zu erinnern. Dabei entwirren sich so manche Sonderheiten, denen er ausgesetzt war.

Er war ein Raj Kind. So wurden die Kinder genannt, die aus China in frühester Jugend nach England in Pflegefamilien geschickt wurden, wo sie oft durch hartherzige Pflegeltern einen Schock fürs Leben bekamen.

Auch seine Frau Betty war ein Raj Kind.

Sein Vater war District Officer der Provinz Kotakinakulu. Ein kaltherziger und unzugänglicher Mann, der seinen Sohn zu einfachen Malaysiern in Pflege gab, als seine Frau unerwartet im Kindbettfieber verstarb. Mit fünf Jahren gab er ihn dann nach England in eine Familie, von wo er in ein Internat mit Grundschule wechselte.

Hier setzen seine Erinnerungen ein, die sein ganzes Leben umfassen.

Feinsinnig und echt beschreibt Jane Gardam die Beziehungen untereinander und die ganze Atmosphäre der Kolonialbeamten und der verschiedenen Persönlichkeiten, die um die Person des Edward Feathers eine Rolle spielten. Zeitversetzt werden diese oder jene Episoden und Erfahrungsberichte zusammengeknüpft, bis sich ein rundes Bild der Persönlichkeit von Edward Feathers ergibt.

Der Zweite Weltkrieg ist lange präsent. Auf abenteuerlichen Wegen geht Filth seinen Weg, der wahrlich schicksalhaft erscheint.

Jane Gardam rollt hier ein Leben auf, das an Brüchen und Kanten reich war und von den unterschiedlichsten Bedingungen gezeichnet war. Es gab wenige Freunde, vorübergehende Weggefährten, die frühe malaysische Kinderfrau und immer wieder Verluste. Aus wechselnden Perspektiven lässt uns Jane Gardam an dem Schicksal dieses ehrlichen und auch kauzigen Mannes teilnehmen, in dem sich das ganze Jahrhundert des englischen Empire spiegelt. Teilweise ironisch, teilweise witzig, immer aber mit dem besonderen englischen Humor oder auch bissigem Humor ausgestattet liest man diesen Roman der außergewöhnlichen Autorin mit größtem Vergnügen. Gut dass es uns jetzt zugänglich gemacht wurde, denn in Englisch erschien der Roman bereits 2004.

Jane Gardam ist heute 86 Jahre alt. Sie wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet.

Jane Gardam

Ein untadeliger Mann
352 Seiten, gebunden
Hanser Berlin, 2. Auflage, 24. August 2015
ISBN-10: 3446249249
ISBN-13: 978-3446249240
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Guy de Maupassant: Ein Leben

Guy de Maupassant: Ein Leben

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Jeanne ist 17, als sie die Klosterschule verlässt und zu ihren Eltern heimkehrt. Sie ist bereit, sich auf das Abenteuer einer Eheschließung einzulassen und hofft auf die Erfüllung all ihrer Träume. Julien de Lamare bittet um ihre Hand. Sie ist von dem gut aussehenden Mann fasziniert. Doch ihre Naivität wird ihr zum Verhängnis, geht es Julien doch vor allem um Ansehen und Reichtum. Er ist ein Geizhals und schränkt Jeanne in allem ein, was ihr Freude macht. An allen Ecken wird gespart. Das beginnt bereits in den Flitterwochen, einer Zeit in der Jeanne versucht, sich an ihre ehelichen Pflichten zu gewöhnen.
Wieder zu Hause auf dem Landgut an der Küste der Normandie angekommen, erkennt sie, dass sie nichts mehr zu tun hat. Jeder Tag wird nun verlaufen wie der andere und sie wird sich dem tatenlos ergeben müssen. So, wie auch ihre Mutter es getan hat. Aber sie findet Trost mit der Geburt ihres Kindes. Einen Jungen, dem sie ihre ganze Liebe gibt, ihn behütet und verwöhnt. Ihrer inneren Verzweiflung und derer Einsamkeit entkommt sie damit jedoch nicht.

Beschrieben wird von Guy de Maupassant ein Frauenschicksal das zu Herzen geht und das damit eine bestimmte soziale Klasse im 19. Jahrhundert widerspiegelt. Als wohlhabende Frau war man in einer Ehe zum Nichtstun verurteilt. Damit kommt Jeanne nicht zurecht. Die Lieblosigkeit ihres Mannes und sein Fremdgehen verletzten sie zutiefst. Ihn ihrer Unselbstständigkeit ist sie gezwungen alles hinzunehmen. Im krassen Gegensatz dazu steht das Leben des Dienstmädchens Rosalie, die viel weniger mit dem Leben hadert. Die Charaktere, also auch Jeannes Eltern, werden im Buch sehr genau beschrieben. Was sie denken, wie sie lenken, aber auch ihre Ignoranz und Gleichmütigkeit werden dargelegt und auch, wie sie sich gesellschaftlichen Zwängen unterordnen. Der Roman ist nicht historisch, er entspricht vielmehr direkt dieser Epoche. So wird ein extremer Kontrast zur heutigen Zeit sichtbar.

Für den interessierten Leser gibt es einiges an Material. Dazu gehören Anmerkungen zum Text, ein Ausschnitt eines früheren Manuskriptentwurfes, eine Chronik und mehr.

Rezension von Heike Rau

Guy de Maupassant
Ein Leben
Übersetzt von Cornelia Hasting
Mit einem Nachwort von Julian Barnes
384 Seiten, Leineneinband im Schuber
mareverlag
ISBN-10: 3866481942
ISBN-13: 978-3866481947
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Philippe Pozzo di Borgo: Ziemlich beste Freunde

Philippe Pozzo di Borgo: Ziemlich beste Freunde

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Wie viel Leid kann ein Mensch ertragen? Wie viel Lebensmut und Optimismus muss er in sich tragen, um so humorvoll über das Leid seines Lebens schreiben und berichten zu können?

Ohne Dramaturgie schildert der Autor autobiografisch aus seinem Leben, angefangen von der Kindheit bis hin zur Gegenwart in dieser überarbeiteten Auflage nach den Dreharbeiten zur Verfilmung des Buches. Über dieses Buch zu sprechen führt automatisch hin zu einem Gespräch über diesen Menschen Pozzo di Borgo. Einen Menschen, den all sein Lebensmut auch nach schweren Tiefschlägen nicht verlassen hat, dessen Geschichte zwei Filmemacher aufgegriffen haben, weil sie unbedingt verfilmt werden musste.

Der Autor ist hineingeboren und aufgewachsen in eine reiche Familie, der Champagner-Familie Moët. Er verlebte die Kindheit eines reichen Schnösels mit seinen Geschwistern. Doch beim Studium lernte er wie auch andere 68er die Lehren von Marx und Engels kennen, die ihn an seinem schönen Leben zweifeln ließen. Zu dieser Zeit lernte er Beatrice kennen, mit der er jede Minute seines Lebens verbringen wollte. Er bekam hochdotierte Posten in den Konzernen seiner Familie, zu welcher auch die Marke „Louis Vuitton“ gehört. Er arbeitete sehr viel und heiratete irgendwann Beatrice. Es schien alles perfekt. Doch Beatrice bekam eine Fehlgeburt nach der anderen. Der Kinderwunsch beider wurde trotz des Geldes nicht gestillt. Bis sie schließlich Kinder adoptierten. Dann wurde bei Beatrice Krebs diagnostiziert. Auch hier halfen kein Geld der Welt und nicht die besten Kliniken. Philippe war stets an ihrer Seite. Seinen Job stellte er hinten an bzw. absolvierte er in weniger Zeit wesentlich intensiver. Als Ausgleich diente ihm Gleitschirmfliegen. Doch dann passierte 1993 der Unfall. Bis auf seinen Kopf und „etwas Leblosem zwischen seinen Lenden“ bewegte sich gar nichts mehr. Da trat Abdel in sein Leben. Abdel kannte bis zu diesem Zeitpunkt nur das Leben auf der Straße und lebte von Drogenhandel, Diebstahl und anderen Delikten. Pozzo di Borgo lernte nach Beatrice zum zweiten Mal einen Menschen kennen, dem er sich auf Gedeih und Verderb auslieferte, obwohl dieser aus einer ganz anderen Gesellschaftsschicht stammte.

Humorvoll und mit einer gehörigen Prise Sarkasmus und Ironie hat der Autor sein Leben niedergeschrieben. Der Leser spürt jede Depression, die der Autor bei einem Tiefschlag wie dem Tod seiner Frau, erleidet. Aber er will den Lesern nichts vorheulen und über das verpasste Leben klagen. Er will ihnen zeigen, dass es immer weiter geht, egal, was passiert. Dabei vergisst er sein Leid nicht, wie sollte er auch, wo er seinen Rollstuhl doch mit dem Mund bedienen muss. Das ist so geschickt in die humorvollen Szenen eingearbeitet, dass auch der Leser bei lauter Lachen immer wieder in die Realität des Autors zurückgeholt wird. Wenn das Buch auch nicht wie ein fiktiver Roman mit Dramaturgie aufgebaut ist, so ist es doch so interessant geschrieben, dass man unbedingt wissen möchte, wie das Leben dieses optimistischen Menschen weitergeht. Darin liegt ein besonderes Moment der Spannung. Und wer den Film vor dem Buch gesehen hat, darf sich auf ein ebenso schönes, aber anderes Ende freuen.

Pozzo di Borgo, Philippe
Ziemlich beste Freunde
aus dem Französischen von Dorit Gesa Engelhardt, Marion Ruß und Bettina Bach
FISCHER Taschenbuch, Frankfurt
ISBN 9783596513178
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Walter Bauer: Die Stimme

Walter Bauer: Die Stimme

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Die Geschichte „Die Stimme“ ist eine, die von Abschied, Heimatlosigkeit, Neubeginn und vielem mehr handelt.

Die Stimme aus dem off klingt einsam, melancholisch und betrüblich. Sie handelt von Vergänglichkeit und wirkt ein wenig hoffnungslos, so als sei alle Mühe auf Erden vergeblich, das Glück zu finden.

Ein Professor aus Toronto erzählt einem imaginären Gegenüber hier seine eigene Geschichte. Aufgewachsen ist er in Deutschland. Gezeichnet vom Zweiten Weltkrieg und der Gefangenschaft in Russland kehrt er 1952 Deutschland den Rücken und wandert nach Kanada aus. Seine erste Station ist Toronto.

Seine zweite Ehe ist gerade gescheitert. Die Eltern sind tot, so dass es keine tiefen Bindungen mehr zum Land der eigenen Herkunft gibt.

Das Gefühl des „Fremdseins“ ist unüberhörbar. Der Erzähler verdingt sich zunächst als Packer und Lagerarbeiter. Er wohnt in einer kargen Gegend in einem einzelnen Zimmer. Jeder Anflug von Geborgenheit erstickt hier in seinen Anfängen im fremden Land mit fremder Sprache. Und doch ist die Geschichte, wie sie hier erzählt wird, von eigenartigem Reiz und poetischer Schönheit. Wie wohl alles ein wenig trostlos wirken könnte, spürt man doch die Wärme des Erzählers, mit der er das, was fehlt im Leben, als stille Hoffnung in sich trägt.

In einer Kaskade schönster, tiefsinnigster und poetischer Sprachgewandtheit erzählt Walter Bauer in Gestalt des Icherzählers von der Landschaft, von seinen Stimmungen, Erinnerungen und Erfahrungen des Augenblicks. Das Herbstlaub im Indian Summer wirkt so präsent wie die Schilderung der Lebensumstände und die fast resignierend beschworene Suche nach dem Glück. Dieses Glück begegnet dem Icherzähler in Gestalt der Schauspielerin Diana. Durch ihre Stimme, die sie für Lesungen zur Verfügung stellt, findet Richard einen Weg zur neuen, fremden Sprache im freiwillig gewähltem Exil.

Fortan wird in der Erzählung die Begegnung der beiden Menschen in einer Art zarter Annäherung beschrieben. Werden sie das Glück bei einander finden?

Der Lilienfeld Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, kleine literarische Kostbarkeiten aus dem Beginn und Verlauf des 20. Jahrhunderts aufzufinden und neu herauszugeben. Man arbeitet sorgfältig in dem Verlag, in dem man in einem Nachwort von Jürgen Jankofsky sowohl über den Lebensweg von Walter Bauer berichtet als auch in einer Tabelle die wichtigsten Lebensdaten aufführt.

Walter Bauer lebte von 1904 bis 1976. Seine Erzählung trägt durchaus biographische Züge. In der Aufmachung ist das Buch „Die Stimme“ ein kleines bibliophiles Meisterwerk, das sich bestens für Mußestunden oder als kleines Geschenk eignet.

Walter Bauer

Die Stimme
128 Seiten, gebunden
Lilienfeld Verlag, Oktober 2014
ISBN-10: 394035743X
ISBN-13: 978-3940357434
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