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Schlagwort: Jochen Till

Der letzte Romantiker

Der letzte Romantiker

Koller sitzt so richtig in der Klemme. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als nach seinem kleinen Bruder Rocket zu rufen. Soll der ihn aus der verfahrenen Situation retten! Was genau passiert ist, will Koller aber nicht am Telefon verraten. Rocket hat es dann auch nicht leicht, bis zu seinem Bruder durchzudringen. Er muss eine Tür eintreten, bevor er das ganze Ausmaß der Katastrophe zu Gesicht bekommt. Koller liegt nackt im Bett. Und auch eine Frau ist anwesend. Die nackte Blondine ist tot und zwar richtig. Koller glaubt, dass es ein Herzkasper war, der sie beim Sex hinweggerafft hat. Das ist ziemlich unglaubwürdig, ist die Frau doch erst zwanzig. Leider besteht die Verbindung zwischen Koller und der Blondine noch. Er steckt gewissermaßen fest. Um die verkrampfte Situation zu entspannen, ist harte, unromantische Arbeit erforderlich. Zwar ist die Aktion erfolgreich, doch ein Sturz der jungen Dame konnte nicht vermieden werden. Nun hat die Tote auch noch ein schlimmes Loch im Kopf. Als hätte sie eine Begegnung mit einer Spitzhacke gehabt.

Die Polizei hinzuzuziehen, scheint abwegig. Flucht, so glaubt Koller, ist hier die bessere Option. Schließlich hat niemand etwas gesehen. Rocket dagegen glaubt, dass es schon besser wäre, die Polizei zu rufen. Schließlich ist hier kein Mord geschehen, sondern ein Unfall. Gerade als der Streit zu eskalieren droht, kommt Besuch. Koller holt die Knarre raus und verdonnert Cassidy zum Stillschweigen. Die junge Frau nimmt den Männern die Version vom Herzinfarkt nicht ab. Aber eins weiß sie genau, die Sache wird für Koller und Rocket tödlich enden. Die Tote ist die Tochter des Büffels. Er ist der Boss der lokalen Russen-Mafia. Ein rabiater Typ. Jetzt kann nur noch eine helfen. Koller und Rocket flüchten sich mit ihrer Geisel nach Hause – zu Mama.

Man kann nur vor diesem Hörbuch warnen. Man kann nicht nebenbei Auto fahren oder Hausarbeiten machen. Das Hörbuch hat ein sehr einnehmendes Wesen. Die 350 Minuten Laufzeit lassen sich schlecht unterbrechen. Das Buch ist viel zu spannend. Der Autor erzählt eine Geschichte die sich weit jenseits von Gut und Böse abspielt. Sie ist so urkomisch und fesselnd, dass es kaum zu übertreffen ist. Mal lacht man sich schlapp, man stöhnt man ungläubig auf, mal zieht man staunend die Augenbrauen hoch oder verzerrt schmerzhaft den Mund. Eine absurde Situation folgt der nächsten. Für Abwechslung beim Hören ist also gesorgt.
Die Charaktere sind perfekt ausgearbeitet. Dazu kommt, dass die Vorleser wirklich alles geben. Sie bringen die einzelnen Persönlichkeiten perfekt heraus und haben sichtlich Spaß daran. Ihre Begeisterung überträgt sich auch auf den Zuhörer.
Klar, das Hörbuch ist nichts für zartbesaitete Romantiker. Es geht ordentlich zur Sache. Da darf man nicht empfindlich sein. Allen anderen ist diese rabenschwarze Gaunerkomödie allerdings sehr zu empfehlen.

PS: Und alle, denen es gefallen hat, dürfen sich auf eine Verfilmung freuen. Till Schweiger hat beim Autor das Drehbuch in Auftrag gegeben.

Über den Autor:
Jochen Till wurde 1966 in Frankfurt am Main geboren. Er schrieb etlichen
Jugendbücher, z.B. „Ohrensausen“, für das er 2003 von der Jugendjury
für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde. „Der letzte
Romantiker“ ist sein erster Roman für Erwachsene.

Rezension von Heike Rau

Jochen Till
Der letzte Romantiker
Sprecher: Michael Haase, Linus König, Dirk Pettenkofer, Nannette Waidmann
Live-Lesung
5 CDs, ca. 350 Minuten
Multibox mit Schuber
Produktion: Bild- und Tonwerkstatt Frankfurt und Eichborn Lido
ISBN: 3-8218-5411-1
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Zugeinander

Zugeinander

Cartman, sein richtiger Name ist Max, will seine Wuchtbrumme, im wahren Leben Valerie genannt, endlich kennen lernen. Gespräche im Internet und per Telefon reichen ihm längst nicht mehr. Also setzt er sich in München in den Zug, um nach Berlin zu Valerie zu fahren. Valerie weiß davon nichts. Schließlich soll es eine Überraschung werden. Doch Valerie hat die gleiche Idee. Auch sie will Max überraschen und nimmt am selben Tag den Zug von Berlin nach München.

Max, der keine Reservierung hat, muss sich zunächst einen Platz suchen. Das ist gar nicht so leicht, da der Zug voll besetzt ist. Die Reise wird alles andere als ruhig. Besonders als drei Männer mit einem riesigen Vorrat an Bier sich seiner annehmen, kann er die Lage nicht mehr „nüchtern“ beurteilen. Er fragt sich, ob Valerie wirklich so ist, wie er sie sich bisher vorgestellt hat. Er klappt seinen Laptop auf und liest noch mal die alten Emails, erinnert sich zurück, wie alles begann.

Valeries Reise ist ebenfalls stressig. Sie lernt die unterschiedlichsten Menschen kennen, darunter eine Mutter mit zwei nervigen Kindern und eine Schwarzfahrerin. Auch Valerie hängt ihren Gedanken nach und blickt zurück. Ob das Foto, das Max geschickt hat wirklich echt ist? Ob er gemeint hat, was er gesagt hat? Wird er sich freuen, sie zu sehen?

Die Züge rollen aufeinander zu. Max und Valerie werden immer aufgeregter. Sie kommen ins Grübeln, müssen ihre widersprüchlichen Gefühle sortieren, ihre Freude aufeinander und das Bauchkribbeln aushalten. Werden sie aneinander vorbeifahren, ohne etwas zu ahnen? Oder werden sie sich begegnen?

Das Buch ist spannend gemacht. Der Autor wechselt zwischen Valerie und Max hin und her, unterscheidet die zwei Erzählstränge sogar optisch durch unterschiedliche Schriftbilder. In Rückblicken beschreibt vor allem Max, wie sich die beiden im Internet kennen lernten und wie sie dann feststellten, dass sie sich mögen und dass es sogar Liebe sein könnte. Für den Leser wird sehr gut nachvollziehbar, wie sich die Beziehung immer weiter entwickelte, bis beide die räumliche Trennung schließlich nicht mehr aushielten und die Idee hatten, sich mit einem Besuch zu überraschen. Dargestellt werden aber auch die Zweifel, die beide hegen und die ja nicht von der Hand zu weisen sind. Die Angst enttäuscht zu werden oder sich geirrt zu haben, lässt sich nicht so einfach wegwischen. Bei beiden nicht. Hier zeigt der Autor sehr viel Einfühlungsvermögen, was Gefühlsdinge angeht.
Interessant sind auch die vielen Dialoge mit den Mitreisenden und dem, was Valerie und Max diesen Gesprächen für sich entnehmen, oder wie sie sich gar davon beeinflussen lassen. Dabei geht es keineswegs immer Ernst zu. Der Autor schreibt mit viel Ironie und gibt auch ein ums andere Mal dem Leser viel Stoff zum Nachdenken.

Über den Autor:
Jochen Till, geboren 1966 in Frankfurt am Main, wollte eigentlich Rockstar werden, schreibt aber nun Romane für Jugendliche und Erwachsene. Mit seinem Roman „Ohrensausen“ war er 2003 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.

Rezension von Heike Rau

Jochen Till
Zugeinander
256 Seiten, gebunden
für junge Erwachsene
Ravensburger Buchverlag
ISBN: 3-473-35255-1
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Bauchlandung

Bauchlandung

Paul wird aus erziehungstechnischen Gründen zu Hause rausgeschmissen. Was liegt näher, als in eine WG zu ziehen? Ein Leben in einer Bude zusammen mit einem Hippie, „der seine Klamotten aus einem Mülleimer in Woodstock gefischt zu haben scheint“ und einer Frau, die an Hässlichkeit nicht zu überbieten ist, ist genau richtig. Da kann auch Bea, seine Freundin, nicht meckern. Außerdem gibt es gratis Käsegestank vom Laden nebenan. Doch die Versuchung lauert schon. Die hässliche Mitbewohnerin, sieht nämlich nur unausgeschlafen so furchtbar aus. Paul fallen fast die Augen heraus, als er sie so richtig aufgestylt zu sehen bekommt. Das ist vielleicht eine Verwandlung! Das wird Freundin Bea gar nicht gefallen. Es kriselt so schon in der Beziehung. Bea weiß sofort, was Paul nie und nimmer zugeben will. Hollys Reize sind unwiderstehlich.

Das Erwachsenwerden bringt schon so einige Probleme mit sich. Einmal aus dem elterlichen Nest geworfen, muss Paul nun sehen, wie er zurecht kommt, ohne das ihm jemand das Essen kocht, die Wäsche wäscht und sein Bett frisch bezieht. Mit den Mitbewohnern wird er schon auskommen, denkt er sich. Doch da hat er seine Triebe unterschätzt. Holly, die er in Gedanken bald nur noch Heißhochhundert nennt, beflügelt seine Phantasie. Nachts darf er an ihren Liebesspielen teilnehmen, wenn auch vorerst nur akustisch. Kein Wunder, dass sein Gehirn zu Brei wird. Seiner Beziehung zu Bea fehlt in letzter Zeit auch irgendwie der Schwung. Und immer nur träumen ist nicht sein Ding. So lässt er sich von Heißhochhundert verführen und gibt Bea den Laufpass.

Das Buch hat jede Menge Witz und Ironie. Es liest sich einfach super. Klasse, wie Paul den Leser an seinem geheimsten Gedanken teilnehmen lässt, äußerst lebensnah und sehr gut nachvollziehbar. Da treibt es einen schon hin und wieder vor Lachen die Tränen in die Augen. Die Charaktere sind gut beschrieben, angefangen von Hippie Klaus, der zickigen, von Eifersucht geplagten Bea und auch Holly, die so überaus sexy und unwiderstehlich daherkommt. Man hat keine Mühe sich die einzelnen Personen vorzustellen. Paul selbst ist wohl der Durchschnittstyp, mit ihm könnte sich jeder der auch so um die 19 Jahre alt ist identifizieren. Er hat keine Lust erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Doch es bleibt ihm keine Wahl. Er ganz allein muss die Konsequenzen ziehen und ausbaden, was er verbockt hat.

Rezension von Heike Rau

Jochen Till
Bauchlandung
264 Seiten, gebunden
für junge Erwachsene
Ravensburger Buchverlag
ISBN: 3-473-35247-0
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