Das Haus in den Orangengärten

Das Haus in den Orangengärten

Charif Majdalani
Das Haus in den Orangengärten
Knaus
ISBN 3813502856

Herrlich leuchten die Orangen, blühend und wunderbar ist das gesellschaftliche Leben vor dem 1. Weltkrieg im Libanon!

Weit zurück in das ausgehende 19. Jahrhunderts reichen die Wurzeln der Familie Nassar in der Region.

Als der Vater von Wakim und Selim Nassar aus unerklärlichen Gründen ums Leben kommt, muß die junge Witwe ihr Schicksal und ihr Vermögen dem Schwager anvertrauen. Dieser versteht geschickt, sie und die Söhne um ihr Erbe zu bringen. Lebenslanger Hass wird die beiden Zweige der Familie verbinden!
Als erwachsene Männer ziehen Wakim und Selim weg aus Marsad, um der Familie den Weg zu Reichtum und Wohlstand in der Gegend um Ayn Chir zu ebnen. Sie machen Land urbar und bauen Orangenbäume an, deren Ertrag den Grundstock für das Vermögen der Familie bilden soll. Herrlich ist der Duft der Orangenblüten! Doch drei Jahre muß Wakim um den Erfolg bangen, ehe die Bäume Früchte tragen.

C. Majdalani entwirft das Bild einer prosperierenden Gesellschaft, in der einzelne ihren Reichtum aufbauen und mehren konnten. Wer es geschafft hatte, zur Oberschicht zu gehören, der brauchte Gespür, Autorität und einflussreiche Freunde, um seinen Status zu halten. Rivalisierende Klans machten sich das Leben schwer.

Der Icherzähler berichtet über den Aufstieg seines Großvaters Wakim, der sowohl zu Reichtum als auch zu Einfluss und Ansehen gelangte. Weit ausholend wird der Aufstieg und Niedergang der Familie Nassar vom Ende des 19. bis ins 20. Jahrhundert beschrieben.
Der Enkel kann mit hinreichender Phantasie die Familiengeschichte rekonstruieren, denn wie in jeder Familie gibt es Geheimnisse und Familienmythen, deren Wahrheitsgehalt kaum überprüfbar ist. Er verlässt sich auf seine Fabulierkunst, mit der er uns Bilder seiner aufstrebenden Familie ausmalt.

Wakim findet nach dem Aufstieg zum reichen Grundbesitzer die Frau seines Herzens und bekommt viele Söhne und Töchter mit ihr.
Malerisch und geheimnisvoll sind die Treffen der Notabeln und die Besuche der Verwandten und Bekannten im Hause von Wakim. Mit Spannung und Neugierig liest man über seine Kontakte zu Nachbarn und treuen Anhängern und über die dort herrschenden Lebensformen. Westliche Importe lassen die Familienmitglieder im Glanz schöner Kleider, Hüte und in westlich orientiertem Hausinventar mit Dienerschaft und Umgangsformen lebendig werden. Man taucht in die ferne Welt ein und ist verzaubert.
Die Bilder des Orients, die der Erzähler entwirft, sind erfüllt von Düften und Pflanzen, von herrlichen Früchten, fremdartigen Gebräuchen und prächtigen Bauten.

Mit dem Eintritt der Türkei in den zweiten Weltkrieg 1914 kommt es zum Einbruch für das florierende Unternehmen der Familie. Wurde doch das osmanische Reich bis 1923 von den Türken beherrscht. Weite Teile von Anatolien über Kleinasien, den Nahen Osten, Nordafrika, den Balkan und die Krim standen unter türkischer Herrschaft. In Beirut gab es innerhalb des Reichs ein autonomes Gebiet, auch Gouvernorat Mont – Libanon genannt. Hier hatten reiche Bürger Einfluss und konnten an der Gestaltung des Gemeinwesens mit arbeiten. Wakim hat Autorität, Geld und die notwendigen Beziehungen, um sich für lange Zeit als führender Wirtschaftsunternehmer zu behaupten.
Mit der Kriegserklärung der Türkei gegen Russland und Frankreich 1914 wurde der gesamte vorderasiatische Raum zum Kriegsschauplatz. Die Söhne und Männer der bäuerlichen Familien wurden nach der Aufhebung des Autonomiegebiets vom türkischen Heer zum Kriegseinsatz gezwungen. Wakims Reichtum schmolz dahin, als er verarmte Mitbürger mit Geld unterstützte und anderen zur Flucht vor den Militärs half. Für seine Orangenernten fand er bald keinen Absatz mehr.
Majdalani führt den Roman konsequent weiter, und man darf gespannt sein, wie alles endet.

Das Romandebüt von Majdalani hinterläßt einen nachhaltigen Eindruck. Der nahe Osten mit seinen wechselnden Regierungsformen bekommt ein Gesicht und ermöglicht Einblicke in politische Zusammenhänge, die uns die Geschichte der Region verständlicher macht.
Die poetische Fabulierkunst des Erzählers lässt uns an Stimmungen im geheimnisvollen Orient und an märchenhaften Vorstellungen vom Reichtum und Glanz einer Epoche teilnehmen, die längst Vergangenheit ist.

Charif Majdalani ist im Libanon geboren und lebt heute als Literaturwissenschaftler in Frankreich. Sein Buch wurde für die wichtigsten Literaturpreise in Frankreich nominiert.

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A. M. Homes: Die Tochter der Geliebten

A. M. Homes: Die Tochter der Geliebten


„Ihr Päckchen ist angekommen, und es hat eine rosa Schleife „. Mit diesen Worten wird den Adoptiveltern von A. M. Homes die Geburt ihrer Adoptivtochter angekündigt.
A. M. Homes selber ist das Päckchen, von dem hier die Rede ist, und wie ein Päckchen fühlt sie sich, als sie im Alter von 31 Jahren ihrer Herkunft auf die Spur kommt.
Sie fährt zu Weihnachten 1992 nach Hause, und geheimnisvoll vertraut ihr die Mutter an, dass ihre leibliche Mutter sich gemeldet hat und sie treffen möchte! Für Homes beginnt eine unruhige Zeit. Sie lässt sich nur zögerlich auf den neuen Kontakt zu ihrer leiblichen Mutter ein, denn bald danach meldet sich auch der leibliche Vater.
A. M. Homes ist im Buch wie im wirklichen Leben bereits eine erfolgreiche Schriftstellerin, als sie sich mit ihren biologischen Eltern konfrontiert sieht. Ihre Kontaktaufnahme wird zu einem für sie höchst kritischen emotionalen Erlebnis.
Nun erfährt sie, wer und wie ihre Eltern wirklich sind. Sie macht Erfahrungen, von denen sie sich nichts träumen ließ!
Im Hintergrund bleiben die stabilen Adoptiveltern, die ihr eine gute Kindheit beschert haben und sie herzlich lieben.
Ihre Erlebnisse mit den neuen Eltern sind eher sehr ernüchternd.
A.M. Homes schreibt mit einem klaren, emotional eher unterkühlten Ton über ihr Leben. Hinter der nüchternen Bestandaufnahme spürt man eine hoch sensible, tief berührte Frau, die nicht glauben kann, wie ihr Leben durch äußere Umstände in Bahnen gelenkt wurde, auf die sie keinen Einfluss hatte.
Umso mehr bemüht sie sich jetzt im Erwachsenenalter darum, ihr Geschick nicht von anderen bestimmen zu lassen. Das fällt schwer angesichts einer Mutter, die sich ihr drängend an den Hals hängt und eines Vaters, der in seiner robusten und unsensiblen Art jovial herablassend bei seinen Treffen mit ihr eine Schmuddelatmosphäre aufkommen lässt, in der sie sich wie ihre Mutter als junges Mädchen von ihm benutzt fühlt.

Die Suche nach ihren Wurzeln führt Homes tiefer und tiefer in die Vergangenheit. Es tun sich Abgründe auf, die sie auf ihrem Weg der Wahrheitssuche findet. Dabei offenbart sie tiefste Gefühle der Verlassenheit, gerät in Wut, Auflehnung und einen Nachforschungszwang, der an Besessenheit grenzt. Immer drängender werden für sie die Fragen, wer sie wirklich ist, von wem sie welche Eigenschaften hat und welche Krankheiten oder Abartigkeiten es in den Familien gab. Sie fühlt sich hin und her gerissen zwischen dem Wunsch nach noch mehr Wahrheit und der Sehnsucht nach Ruhe.
In einer fast fanatischen Überaktivität erforscht sie ganze Familienzweige über Generationen zurück und sieht sich selbst als Erzählerin, die aus ihren vielen Suchergebnissen ihre Romane zusammensetzt.
Selten liest man eine so spannende und aufrichtige Vergangenheitsaufklärung wie bei A.M. Homes. Atemlos schlägt einen die Lebensgeschichte in Bann und man kann nicht von ihr lassen. Einmal mehr zeigt sich, dass das Leben die spannendsten Romane schreibt!

A. M. Homes
Die Tochter der Geliebten
Kiepenheuer&Witsch
ISBN 3462040340
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Bittersüße Heimat

Bittersüße Heimat

Necla Kelek
Bittersüße Heimat
Kiepenheuer & Witsch
ISBN 3462040421

Heutiges Leben in der Türkei.
Bittersüß sind die Erfahrungen, die Necla Kelek auf einer Reise in ihre Heimat macht, in eine von gesellschaftlichen Gegensätzen beherrschte Türkei. Es gibt dort eine alte Kultur, liebenswerte Menschen, gutes Essen, aufgeklärte und gebildete Bürger und herrliche Landstriche, und es gibt daneben barbarische archaische Gesellschaftsstrukturen.
Die politische Vergangenheit zeigt äußerst komplizierte Entwicklungen hin zum heutigen Staat Türkei!

In einem Eingangskapitel philosophiert Necla Kelek über den Begriff von Heimat, den sie dahingehend definiert, dass Heimat da sei, wo man sich verantwortlich fühle. Ein Satz für ihren Neubeginn in Deutschland gipfelt in der Einsicht, dass
„Respekt kein Gehorsam, sondern Achtung vor dem anderen ist, dass Zurückhaltung keine Kälte, sondern Höflichkeit ist.“ Um in Deutschland nicht fremd zu bleiben, hat sie sich mit diesen Begriffen auseinander gesetzt. Sie bilden eine der Grundlagen ihres Demokratieverständnisses.

Ihr Bericht beginnt mit dem Tod ihres sehr geliebten Onkels, der in Ankara beerdigt wird. Der Rahmen seiner Bestattung bietet Einblicke in eine von Traditionen und starkem Familienzusammenhalt geprägte Gesellschaft.

Kelek steigt in ihrem Buch tief in die jüngste türkische Geschichte ein, in der Atatürk als Nationalheld gefeiert wird. Sie kritisiert den heute waltenden türkischen Nationalismus, den unterschiedliche politische Richtungen auf ihre Fahnen geschrieben haben. Diesen Nationalismus mit seinem chauvinistischen Anspruch bezeichnet sie als sinnentleert und überholt. Er passt “ besser zu den noch existierenden Diktaturen in der Welt als in ein demokratisches Europa.“ Argwöhnisch betrachtet sie die Trennung von Staat und Religion, da in der Realität der Islam in der Türkei stark in den Staat hineinwirkt.
Bei ihrer Suche nach einer nach Anatolien entführten Deutsch-Türkin geht Kelek auf den Begriff der Ehre in diesen abgelegenen Landstrichen ein. Die harten Auslegungen des Ehrbegriffs in den östlichen Landesteilen erfahren harsche Kritik. Positives weiß sie über die Arbeit einer Frauenhilfsorganisation Kamer zu berichten, die Frauen bei der Suche nach Recht und Befreiung zur Seite steht.

Necla Kelek gibt mit ihrem fundierten Wissen über den Staat und seine Geschichte und den aus eigenen Erfahrungen bei Reisen ins Landesinnere gewonnenen Eindrücken beredt Auskunft über ihr Land. Es ist von diversen ethnischen Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten geprägt. Das Übergewicht der muslimischen Bevölkerung bestimmt den Alltag, und Familienclans herrschen auch heute noch über ganze Regionen.
Ausführlich sind ihre Studien, genau ihre Beobachtungen und wissenswert ihre Schlussfolgerungen.
Sie ist eine streitbare Frau, der das Land ihrer Herkunft am Herzen liegt. Mit ihrem Buch leistet sie einen gelungenen, nachdenklich stimmenden und kritischen Beitrag zur Aufklärung über die Lage in der heutigen türkischen Gesellschaft.
Necla Kelek ist Türkin von Geburt lebt jedoch seit vierzig Jahren in Deutschland. Hier gehört sie einer emanzipatorischen Bewegung an, die sich der Unterdrückung türkischer Frauen annimmt. Sie ist eine mit vielen Ehrungen ausgezeichnet Sozialwissenschaftlerin und lebt als freie Publizistin in Berlin.

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Gontran Cherrier: Baguette & Bagel

Gontran Cherrier: Baguette & Bagel

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Selbst Brot zu backen, stellt man sich recht schwierig vor. Mit dem richtigen Wissen im Hintergrund ist es allerdings kein Problem, sieht man vom Zeitaufwand ab. Im Buch geht es deshalb auch erst mal um das Vermitteln des Grundwissens. Der Leser erfährt wie die verschiedenen Teigarten hergestellt werden. Das kann man von Hand, mit Hilfe einer Küchenmaschine oder einem Brotbackautomaten erledigen.

Im ersten Kapitel präsentiert Contran Cherrier zunächst traditionelle Brotrezepte, die von Hand gemacht werden. Nach dem Backen wird man mit herrlich knusprigen Baguette, kräftigem Sauerteigbrot oder herzhaftem Landbrot belohnt.
Experimentierfreudiger geworden, kann man sich dann an die Brot-Rezepte aus aller Welt heranwagen. Eine Küchenmaschine erleichtert die Arbeit. Auf den Tisch kommen gefülltes Pita-Brot, pikant gefülltes Marokkanisches Salbeibrot, Grießbrot, Bagels, Schwarzbrot mit Koriandersamen und Haferflocken und auch glutenfreies Brot.
Wer sich möglichst wenig Arbeit machen möchte, kann den Brotbackautomaten nehmen. Kreuzkümmelbrot, Müslibrot oder Wallnussbrot gelingen besonders gut. Auch hier gibt es wieder ein Rezept für glutenfreies Brot, gebacken mit Buchweizenmehl.
Im Buch gibt es auch Rezepte für Süßes, das hierzulande sicher eher als Kuchen und nicht als Brot bezeichnet werden würde. Dazu gehören die Nussnugatrolle, der Stollen und auch der Gugelhupf.
Mit im Buch sind auch Rezepte für Party-Gebäck wie Kräuter-Knusperblätter mit Kichererbsenmehl oder Flammkuchen.
Manchmal ist etwas übrig vom Brot, aber auch altbackenes lässt sich noch weiter verarbeiten. Probieren kann man Gebratenen Semmelbrösel auf Nudeln oder Arme Ritter.

„Baguette & Bagel“ ist ein Buch, das sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittenen im Brotbacken geeignet ist. Die Auswahl an Rezepten gefällt ausgesprochen gut. Im Buch findet man Traditionelles, aber auch Rezepte aus aller Welt, die man vielleicht noch nicht kennt. Es ist für jeden Geschmack etwas dabei von herzhaft bis süß. Gebacken wird mit verschiedenen Mehlsorten von Weißmehl bis Vollkornmehl. Neben Weizen- und Roggenmehl finden auch glutenfreie Mehlsorten Verwendung.
Die Arbeitsanleitungen sind perfekt strukturiert und gut nachzuvollziehen. Es macht Freude danach zu arbeiten.
Sehr einladend und appetitanregend sind auch die Fotos, die es zu fast jedem Rezept gibt.

Rezension von Heike Rau

Gontran Cherrier
Baguette & Bagel
Die besten Brotrezepte aus aller Welt
160 Seiten, gebunden, 90 Farbfotografien
Dorling Kindersley Verlag
ISBN: 978-3831013166
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Die Lichter der Koboldstadt

Die Lichter der Koboldstadt

Simon Clark, geboren am 20.4.58 in England ist Autor einer Vielzahl an Romanen (»Nail By The Hear«, »Blood Crazy«, »Vamphyrrhic«) und Kurzgeschichten. In Deutschland sind bisher einzig Kurzgeschichten in diversen Anthologien erschienen. Der vorliegende Band ist somit die erste deutsche Einzelveröffentlichung und enthält drei Geschichten, von denen die Titelgeschichte mit dem Britisch Fantasy Award ausgezeichnet wurde.
Der Band wird mit zahlreichen bunten Illustrationen von Coverzeichner David Magitis geschmückt und macht das Buch zu einem regelrechten Kleinod.
»Auf Schwingen die so dunkel schlagen« erzählt die Geschichte vom Bösen, das aus der Erde kriecht. Inhaltlich alles andere als innovativ schaffte es Clark, eine absolut bedrohliche Atmosphäre zu schaffen, dass man unwillkürlich glaubt, die Geschichte real zu erleben. Sie ist so intensiv erzählt, dass einem Schauer den Rücken herunter rinnen.
»Die Hand es Ruhmes« ist eine Geschichte über zwei Einbrecher, die bei einem Fischzug eine Reliquie entdecken die es in sich hat. Sie soll dem Dieb freies Geleit geben und so ist es.
»Oh, Hand des Ruhmes,
Verströme dein Licht,
Führ uns heut´Nacht zu uns´rer Beute«
Clayton und Nick starten erfolgreich ihren ersten Fischzug. Es kommt wie es kommen muss. Clayton hat den Einfall und schon nimmt die Geschichte eine Wendung, an die man nie gedacht hat. »Die Hand es Ruhmes« ist in einer schnoddrigen Sprache erzählt und bietet tolles Diebesgarn, das alles andere als vorhehrsehbar ist.
In »Die Lichte der Koboldstadt« soll ein Journalist die Sängerin der Gruppe Cuspidor in London aufspüren, die schlagartig nach ihrem letzten Konzert untergetaucht ist. Gleichzeitig finden sich im Internet wahnwitzige Videos, in denen grausame Szenen dargestellt sind, die scheinbar von Überwachungskameras aufgezeichnet wurden. Liebespärchen, die sich beim Sex den Hals blutig beißen und schlimmeres. Und alle Aufnahmen spielen auf Friedhöfen. Der Verdacht liegt nahe, die Sängerin ist in die Sache verwickelt. Jack macht sich auf die Suche und taucht in ein London auf, das alles in den Schatten stellt, was ihm bisher untergekommen ist.
»Die Lichter der Koboldstadt« ist nicht umsonst für den Britisch Fantasy Award ausgezeichnet worden. Die intensive Darstellung der Stadt und ihre Auswüchse, die New Wave/Gothic Szene und die sehr lebendigen Charaktere bilden eine Mixtur des Grauens, in dem sich der Reporter Jack wiederfindet.
Drei Geschichten, in denen jede noch eine Steigerung zur vorherigen ist. »Die Lichter der Koboldstadt« ist ein sehr lesenswertes, wenn auch etwas kurzes Buch, das Lust auf mehr macht. Ich hoffe, es folgen weitere Geschichten des Autors. Ich freu mich schon drauf.

Simon Clark
Die Lichter der Koboldstadt
Drei Horrorgeschichten, modern, beängstigend und gruselig
ISBN:9783938411179
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Jack Flint und der Bann des Herzsteins

Jack Flint und der Bann des Herzsteins

Jack Flint und Kerry Malone sind zwei neugierige, das Abenteuer liebende Jungen. Deswegen wollen sie sich auch nicht abschrecken lassen, den verbotenen Cromwather Blackwood zu erkunden. Beinahe wird ihr geheimer Plan von Billy Robbins und seinen Freunden vereitelt, die Jack und Kerry nach der Halloween-Feier auflauern. Die Sache geht ganz anders aus, als gedacht. Etwas Merkwürdiges liegt in der Luft und bemächtigt sich Billys, der nicht überlebt. Jack und Kerry fühlen sich in einen Horrorfilm versetzt. Die Freunde wollen den Major, bei dem beide aufwachsen, warnen. Doch dieser weiß scheinbar, was vorgeht. Nachtschatten kommen durch Spalten zwischen den Welten, angeführt von einem Schattenmeister. Sie wollen den Herzstein haben. Der Major hat diesem in seinem Besitz und übergibt ihn an Jack, bevor er den beiden Jungen zur Flucht durch einen Geheimgang verhilft.

Der Gang endet im Blackwood. Und Jack und Kerry werden sofort wieder angegriffen, ohne sagen zu können von wem oder von was. Der blanke Horror spielt sich ab. Als die beiden auf ihrer Flucht einen Steinkreis passieren, landen sie in einer anderen Welt. Der Steinkreis verschwindet und somit ist der Rückweg versperrt. Doch Jack hat noch etwas mit auf die Reise bekommen. Es ist das Buch der Wege. Es weist den Weg nach Hause über ein anderes Tor. Die beiden sind nicht allein unterwegs, auch Corriwen streift durch die Gegend. Sie ist die letzte Redthorn und muss das Redthorn-Schwert finden, um ihr Volk zu befreien. Die drei wollen zusammenhalten, um ihre Ziele zu erreichen.

Der Anfang des Buches ist wirklich gut gelungen. Problemlos zieht der Autor seine Leser in den Bann. Bis die Geschichte in der Welt Temair spielt. Die Reise der drei Freunde ist abenteuerlich. Der Kampf gegen erbarmungslose Gegner ist spannend beschrieben. Leider wirkt die Geschichte nach einer Weile vom Geschehen überfrachtet. Dem Leser wird keine Sekunde Ruhe gegönnt.
Jack hat das Erbe seines Vaters anzutreten, von dem er bis eben absolut nichts wusste. Mit Hilfe des Herzsteins soll er zum Retter einer ganzen Nation werden, die gegen Dämonen kämpft. Jack und Kerry dürften eigentlich keine Chance haben, aber der Übertritt in die andere, magische, an keltische Legenden angelehnte Welt, hat die beiden mit kämpferischen Fähigkeiten ausgestattet. Man ist eher verwundert, als erstaunt. Die stattfindenden brutalen Kämpfe gehen an die Nerven. Für ab 12-jährige ist das Buch eher ungeeignet. Etwas älter zu sein, ist von Vorteil.
Sich den Hauptfiguren im Buch anzunähern, fällt schwer. Sie durchlaufen keine Entwicklung, sind und bleiben, was sie sind. Man bleibt als Leser ein aus der Ferne Beobachtender, hat nicht direkt Anteil am Geschehen, fühlt sich nicht in die Geschichte hineinversetzt. Auch das ist ein wenig enttäuschend.
Das Buch ist der erste Teil einer Trilogie, aber zum größten Teil in sich abgeschlossen.

Rezension von Heike Rau

Joe Donnelly
Jack Flint und der Bann des Herzsteins
Aus dem Englischen von Simone Wiemken
Illustriert von Geoff Taylor
432 Seiten, gebunden
ab 12 Jahren
ISBN: 978-3785563205
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Der Vampir von Ropraz

Der Vampir von Ropraz

Rosa Gilliéron ist an einer Hirnhautentzündung gestorben. Das Begräbnis findet am 19. Februar 1903 statt. Am 21. macht François Rod, der mit seinem Sohn im in der Nähe des Friedhofs gelegenen Wald Holz machen will, eine grausige Entdeckung. Eigentlich wollte er an Rosas Grab ein Gebet sprechen. Doch die Grabstätte wurde zu seinem Schrecken geöffnet, die Leiche geschändet.
Totengräber Cosandey stellt das ganze Ausmaß der abscheulichen Tat fest. Er bricht zusammen, muss wiederbelebt werden. Doktor Delay stellt fest, dass ein Wahnsinniger sich über die Leiche hergemacht haben muss.

Der Vampir von Ropraz wird der Mörder der jungen Rosa genannt. Er versetzt die Bewohner des Dorfes in Angst und Schrecken. Knoblauchgirlanden und Heiligenbilder werden aufgehängt. Der Aberglaube blüht. Die Stimmung schaukelt sich hoch. Der Mörder läuft frei herum. Niemand kann sich mehr sicher fühlen. Ein Schuldiger muss her!

Der Autor macht nicht viele Worte um diese Geschichte. Und doch drückt er sich so überaus treffend aus, dass einem das Blut in den Adern gefriert. Der Schreibstil des Autors wirkt unterkühlt. Er überlässt es vollständig dem Leser, Schlüsse aus dem Geschehen zu ziehen. Die Fantasie des Lesers treibt Blüten. Manchmal aber, gerade da, wo man sich wünscht, der Autor würde schweigen, wird er überaus direkt und löst damit zwiespältige Gefühle aus.

Genau, wie die Dorfbewohner im Buch, möchte man beruhigt werden. Der Mörder gehört hinter Schloss und Riegel. Da aber niemand auf die Schnelle gefunden wird, dem man die Tat nachweisen kann, wird ein Sündenbock präsentiert. Tatsächlich könnte er die Tat begangen haben. Aber die Zweifel lassen sich nicht vom Tisch wischen. Auch als Leser beginnt man zu spekulieren, fühlt die Zerrissenheit der Dorfbewohner und Behörden nach. Gruseliger und berührender kann Krimi nicht sein!

Rezensionen von Heike Rau

Jacques Chessex
Der Vampir von Ropraz
Aus dem Französischen von Elisabeth Edl
96 Seiten, gebunden
Nagel & Kimche
ISBN: 978-3312004164
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Mein Hund ist ein Genie!

Mein Hund ist ein Genie!

Hunde begeistern uns auch durch ihre Lernbereitschaft. So manches Tier verblüfft mit seinem Können. Intelligenz ist unseren Haustieren also nicht abzusprechen. Der Autor geht im Buch der Frage nach, welche Fähigkeiten Hunde besitzen und was ihre Intelligenz fördert und fordert. Es kommt nämlich darauf an, wie der Mensch mit seinem Hund umgeht, wie er mit ihm spricht, spielt, trainiert und welche Aufgaben er dem Hund zuweist. Dargestellt wird, wie was Nachahmungstrieb und Denkvermögen für eine Rolle spielen.

Erklärt wird im Buch, was Intelligenz ausmacht und wie man diese beim Hund einschätzen lernen kann. Dabei spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle. So zum Beispiel die Hunderasse, der Charakter des Hundes, die Fähigkeit zur Nutzung der Sinne oder auch seine Gedächtnisleistung.

Das Buch ermöglicht dem Leser, seinen Hund kennen zu lernen. Der Autor zeigt, zu was ein Hund überhaupt fähig ist. Man lernt seine Körpersprache kennen und seine Lautäußerungen zu deuten.
Die Hundeerziehung ist ein ganz wichtiger Punkt, für die Intelligenzentwicklung des Hundes. Hier werden die neuesten Forschungsergebnisse zu Grunde gelegt, um Rat zu geben.

Durchführen lässt sich mit dem Hund auch ein im Buch vorgestellter Intelligenztest. Diese dazu notwendigen Fähigkeiten kann man auch später immer wieder mit dem Hund trainieren und so seine Intelligenz verbessern. Man findet im Buch auch noch mal die Trainingsgrundlagen und erfährt, falls noch nicht geschehen, wie man dem Hund die Grundkommandos vermitteln kann.

Das Buch sollte jeder Hundebesitzer lesen. Es enthält eine Fülle von Informationen zur Intelligenz von Hunden. Dabei ist es ein praktischer Ratgeber, der das Zusammenleben mit einem Hund einfacher, interessanter und spannender macht. Es ist anders als die Ratgeber, die allgemein zur Hundeerziehung auf dem Markt sind. Der Autor geht ins Detail und beachtet dabei das Wesen und die Fähigkeiten des Hundes auf eine ganz individuelle begeisternde Art. Man lernt seinen Hund, auch den älteren, geistig fit zu halten. Und das erhöht die Lebensqualität beachtlich.

Rezension von Heike Rau

David Taylor
Mein Hund ist ein Genie!
144 Seiten, 136 Farbfotos
Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart
ISBN 978-3-8001-5747-1
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Die Königsmalerin

Die Königsmalerin

Sofonisba ist die älteste Tochter der Familie Anguisola und auch die begabteste. Weil bisher noch kein Sohn geboren worden ist, genießt sie zusammen mit ihrer etwas jüngeren Schwester Elena einige Privilegien. Die beiden Mädchen werden im Malen ausgebildet.
Sofonisbas Leben gerät etwas ins Wanken, als sie einer Fremden begegnet, die sie fasziniert. Die Frau, der die Verzweiflung anzusehen ist, stürzt sich wenig später vom Glockenturm des Doms. Sofonisba wird krank, so nimmt sie das Schicksal der Fremden mit. Ihre Fragen werden nicht beantwortet, aber Elena verrät schließlich, wer sie war: Maria Fogliami. Das Schicksal hatte es nicht gut mit ihr gemeint. Gezwungenermaßen gibt Sofonisba Ruhe, so wie sie es ihrer Mutter versprochen hat.

Die Zeit geht ins Land, die Albträume bleiben. Sofonisba erhält Malunterricht bei Meister Campi und macht große Fortschritte. Ihre Schwester Elena verliebt sich. Allerdings bekommt sie nicht die Erlaubnis ihren Geliebten zu heiraten und geht deshalb ins Kloster. Inzwischen wurde auch ein Sohn in die Familie geboren, so dass ihm die ganze Aufmerksamkeit der Eltern zukommt. Elena entwickelt ihre Kunst immer weiter. Sie wird zur Hochzeit des Königs am Hofe sein und Hofdame und Zeichenlehrerin der Königin werden. Lien van Leyster möchte Sofonisba dienen und ebenfalls Malerin werden. Um zu zeigen, was sie bereits kann, schickt sie mit ihrem Brief eine Skizze mit. Sofonisba erkennt in der gemalten Frau Maria Fogliami. Vielleicht kommt sie nun doch noch dem Geheimnis der Fremden auf die Spur.

„Die Königsmalerin“ ist ein überaus spannender historischer Roman. Die Geschichte Sofonisba Anguisolas fasziniert. Die fremde Frau, die Sofonisba nicht vergessen kann, wird ihr Schicksal in einem Maße bestimmen, das man so niemals erwartet hätte. Die junge Malerin gerät in einen Konflikt mit der Inquisition.
Der Lebensweg Sofonisbas wird sehr spannend und glaubhaft erzählt. Was belegt ist und was Fiktion kann man im Nachwort des Buches oder auf der Homepage der Autorin nachlesen.
Die Geschichte wirkt äußerst lebendig. Nicht nur Sifonisba ist eine interessante Figur des Buches. Auch viele Nebenfiguren werden sehr spannend im historischen Kontext dargestellt.
Die Malerei verfolgt Sofonisba mit Leidenschaft. Der Leser wird hier aktiv mit einbezogen und erfährt viel Wissenswertes über die Farben, die Sofonisba selbst herstellte und ihre Art zu malen.
So farbenfroh wie ein Gemälde wirkt auch das Buch. Vom Lesefluss her ist es perfekt. Man wird gut unterhalten und hat nach der Lektüre den Eindruck, Neues erfahren zu haben. Und das begeistert!

Rezension von Heike Rau

Nina Blazon
Die Königsmalerin
352 Seiten, gebunden
ab 12 Jahren
Ravensburger Buchverlag
ISBN: 978-3473352784
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Der Hexenspiegel

Der Hexenspiegel

Die 16-jährige Elly geht noch zur Schule. Nebenbei arbeitet sie zweimal in der Woche am Nachmittag in einem Antikschmuckladen. Eines Tages kommt eine alte Dame in den Laden. Sie möchte ein ganz besonders Schmuckstück nachmachen lassen. Es ist ein Ankh, der möglicherweise magische Kräfte besitzt. Die alte Dame bezeichnet ihn als Schlüssel des Lebens.
Der Ankh hat etwas an sich, das spürt Elly sofort. Sie geht der alten Dame nach, als diese den Laden verlässt, doch sie verschwindet plötzlich. Ohnehin ist Elly irritiert. Eine Vision wird Wirklichkeit. Von ihrer Freundin Mareike wird sie aber nicht ernst genommen. Auch ein Spiegel im Laden gibt ihr Rätsel auf. Was Elly erlebt, kommt ihr vor wie eine Wahnvorstellung. Dann kommt auch noch eine Diebin in den Laden. Der Besitzer Herr Bendahl und Elly werden von ihr außer Gefecht gesetzt. Mit Hilfe des Ankhs lässt sie eine Gestalt aus dem Spiegel kommen, die sich Herrn Bendahls Körper bemächtigt. Ein Fluch der Hüterin des Ankh verhindert, dass die beiden den Laden mit eben diesem verlassen können. Mit Hilfe Ellys soll dieses Problem gegen ihren Willen gelöst werden. Für Elly könnte es den Tod bedeuten, doch sie hat keine Wahl.

Die schwarzen Hexen sind drauf und dran, aus ihrer Verbannung wieder zurück in die Welt zu kommen. Antike Spiegel sind die Pforten. Die weißen Hexen versuchen die schwarzen aufzuhalten. Elly, die bisher davon noch gar nichts wusste, ist eine schwarzweiße Hexe. Sie muss entscheiden, auf welcher Seite sie stehen will. Natürlich wird sie von beiden Seiten beeinflusst. Sogar ein Morg, versucht sie zu manipulieren. Sein Wissen könnte ihr jedoch auch weiterhelfen. Und natürlich wird auch gleich ein Hexenjäger auf den Plan gerufen. Dieser wusste bisher allerdings nicht, dass es auch gute Hexen gibt. So entbrennt ein spannender Kampf zwischen den Hexen in deren Mittelpunkt Elly steht.

Die Autorin bereichert das Hexenthema mit vielen neuen, frischen Ideen. Was man liest, gefällt ausgesprochen gut. Die Geschichte ist unheimlich. Viele Szenen sind ungeheuer spannend. Die Autorin beweist aber auch ihren Sinn für Humor. Frech und spritzig sind die Dialoge. So schüchtern Elly auch anfangs wirkt, sie ist es nicht. Das zeigt sich schnell im Umgang mit der Junghexe Runa, die Elly beibringen soll, ihre Kräfte sinnvoll zu nutzen. Die beiden liefern sich so manchen Schlagabtausch. Das ist eine gute Übung im Kampf gegen die schwarzen Hexen, die nicht zu unterschätzen sind.
Und natürlich spielt bei Mädchen diesen Alters auch die Liebe eine Rolle. Das wird nicht außer Acht gelassen.
Gut, das Buch ist nicht unbedingt tiefsinnig. Man wird aber ausgesprochen gut unterhalten. Es ist flott geschrieben und liest sich wunderbar weg.

Rezension von Heike Rau

Susanne Rauchhaus
Der Hexenspiegel
304 Seiten, gebunden
Verlag Carl Ueberreuter, Wien
ISBN: 978-3800054312
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