Aussicht auf bleibende Helle

Aussicht auf bleibende Helle

In ihrer unnachahmlichen Leichtigkeit, mit der Renate Feyl sich schon anderen Frauen der Geschichte und der Romantik zugewandt hat, beschreibt sie hier das Leben der Sophie Charlotte ( geb. 1668) , der Frau von Friedrich dem III, später als König Friedrich der Erste von Preußen aus dem Hause Hohenzollern in die Geschichte eingegangen.
Charlotte ist eine junge 16 jährige Prinzessin aus dem Haus des Kurfürsten von Hannover, als der früh verwitwete und nur zehn Jahre ältere Friedrich von Preußen um ihre Hand anhält.
Zwischen den beiden herrscht zu Beginn eine große und aufrichtige Liebe. Aus der Ehe geht ein Sohn hervor, Friedrich Wilhelm von Preußen.
Als sich Friedrich zum König von Preußen krönen lässt, wird er zu einem putz – und ruhmsüchtigen Manne, der streng auf Etikette und Äußerlichkeiten achtet. Seine Frau kann dem nichts abgewinnen.
Charlotte hatte schon im Hause ihres Vaters zu Hannover den berühmten Mathematiker und Philosophen Leibniz kennen und schätzen gelernt.
Sie holt ihn nach Berlin, um mit seiner Hilfe eine Akademie der Wissenschaften zu gründen. Charlotte erweist sich als intelligente, gebildete und aufgeschlossene Frau, die in Leibniz einen ebenbürtigen Gesprächspartner gefunden hat. Sie fördert ihn mit allen Kräften. Zwischen beiden entwickelt sich eine geistig- erotische Beziehung, von Leibniz auch als mariage mystique bezeichnet. Er ist tief entzückt und hingerissen von ihr. Sie ihrerseits schätzt seine Bewunderung und labt sich im Rummel des Hoflebens, das ihr nicht immer zusagt, an den gemeinsamen Gesprächen mit ihm. Oft provozierend, kokett und intelligent reizt sie den Philosophen zum Nachdenken und immer klareren Aussagen.
So gibt es hinreißende Gesprächspassagen, voller Gedankenschärfe und tiefgründigen Aussagen beider Partner.
Renate Feyl ist eine wunderbare Erzählerin, die den richtigen Ton und die richtigen Worte findet, um eine Zeit zu beschreiben, die uns heute weitgehend entrückt ist.

Eine Zeittafel zur Geschichte fehlte zu meinem Bedauern.

Für mich macht Geschichte in dieser romanhaften Nacherzählungsform Sinn, weil mir die längst vergangenen Zeiten, die doch Vorläufer immer auch unserer heutigen Geistesgeschichte sind, auf diese Weise lebendig werden. Es war ein Vergnügen für mich, dieses Buch zu lesen.

Renate Feyl
Aussicht auf bleibende Helle
Zurück in ein anderes Jahrhundert
ISBN:3462037129
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Mindestens tausend Verwandte

Mindestens tausend Verwandte

Eine Zigeunerin hatte Natalka vorhergesagt, dass sie als Konzertpianistin nach Wien, Paris und London gehen würde. Sie weiß also, was sie vom Leben erwarten darf. Was sie von ihrer Ehe mit Zenon Zabobon erwarten kann, davon hat sie allerdings keine Vorstellung. Aber, dass man in der Stadt anders wohnt, als auf dem Land bei den Eltern ist ihr schon klar. In St. Petersburg im Jahre 1917 bringt sie ihr erstes Kind zur Welt. Das Mädchen wird Lastivka genannt. Allerdings steht Natalka allein mit dem Kind da. Ihr Mann ist erschossen worden. Sie glaubt es, bis er nach sechs Monaten wieder auftaucht. Er hat eine unglaubliche Geschichte zu erzählen. Und er hat sich verändert, so dass Natalka ihn kaum wiedererkennt.

Während des zweiten Weltkrieges muss die Familie flüchten. Es geht nach Klagenfurt. Natalka, Lastivka und Zenons Bruder Stefan reisen allein. Zenon bleibt zurück, wegen einer Frau. Das wird ihm zum Verhängnis. Seine Familie reist weiter in ein amerikanisches Flüchtlingslager in Berchtesgaden. Lastivka kann hier sogar ihre Klavierstunden weiter nehmen. Hier lernt sie auch Arkady kennen, den sie 1950 heiratet, bevor die Familie nach Amerika auswandert, um ein neues Leben zu beginnen.

Die Geschichte zeigt den Lebensweg einer ukrainischen Familie über zwei Weltkriege und damit über Generationen hinweg, die sich immer wieder neu konstituieren muss. Es gibt nicht unbedingt einen roten Faden, der Autor springt von Familie zu Familie, so dass der Eindruck entsteht, es gibt tatsächlich mindestens tausend Verwandte. Sie alle haben Schicksalhaftes erlebt. Angehörige sind gestorben und doch wurden auch Kinder geboren. So bleibt die Hoffnung auf die Zukunft. Und doch wird immer wieder in die Vergangenheit geblickt, denn die lässt sich nun mal nicht vergessen. So kann man nicht direkt von einem Neuanfang in Amerika sprechen, denn die Geister der Vergangenheit sind immer mit dabei. Nicht selten bleiben Wüsche einfach nur Wünsche und nur wenige Pläne lassen sich umsetzten.
Ob das Buch gefällt oder nicht, ist Geschmackssache. Vielleicht sind es ein wenig zu viele Verwandte, die eine Rolle im Buch spielen. Tiefsinnig und vielschichtig ist es auf jeden Fall.

Über den Autor:
Askold Melnyczuk wurde 1954 in New Jersey geboren. Die Ukraine ist die Heimat seiner Eltern. Der Autor veröffentlichte Kurzgeschichten, Gedichte und Übersetzungen. „Mindestens tausend Verwandte“ ist sein erster Roman und wurde von der „New York Times“ als „notable book“ ausgezeichnet.

Rezension von Heike Rau

Askold Melnyczuk
Mindestens tausend Verwandte
207 Seiten, gebunden
Deuticke Verlag
ISBN-10: 3-552-06037-5
ISBN-13: 978-3-552-06037-1
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Das gruselige Spukschloss

Das gruselige Spukschloss

Kunibert, das kleine Schlossgespenst, langweilt sich. Ihm fehlen die anderen Gespensterkinder. Zur Gesellschaft hat er nur noch Karl von der Knochenburg, den Vampir Volker und die Gespensteroma. Das liegt daran, dass aus dem alten Schloss ein Schlosshotel geworden ist. Jetzt heißt es, nur nicht auffallen. Nicht auszudenken, wenn einer von ihnen entdeckt werden würde. Zum Glück ist noch niemand in die Turmstube gekommen. Kunibert soll mit den Eulenkindern und den Fledermäusen spielen, aber dazu hat er keine Lust.

Als Kunibert um Mitternacht um den Schlossturm schwebt, erinnert ihn die alte Eule an den Gespensterwunschspruch. Damit wünscht Kunibert sich einen Freund herbei. Und tatsächlich begegnet er kurz darauf einem Gespensterkind. Es heißt Flixi-Flaxi von der Felsenburg und ist ziemlich aufgeweckt. Tolle Streiche hat es auf Lager. Es fliegt mit Kunibert in den großen Speisesaal und erschreckt die Gäste. Das macht Spaß! Die Gäste kreischen und schreien nach dem Direktor und flüchten schließlich. Vielleicht wird im Schloss bald wieder alles so, wie es einmal war.

Die Gespensterkinder sind ganz schön frech. Das wird kleinen Kindern gut gefallen. Dass ihr Schloss, einfach zum Schlosshotel gemacht worden ist, wollen sie sich nicht gefallen lassen. Die erwachsenen Gespenster mögen sich fügen, die Gespensterkinder allerdings setzen sich zur Wehr. Es macht viel Spaß, anzusehen, wie die Gespenster die Hotelgäste mal so richtig erschrecken und auf die Schippe nehmen. Ordentlich turbulent geht es im Hotel zu.
Dabei sehen die Gespensterkinder eigentlich gar nicht so gruselig aus. Sie sind fast wie normale Kinder, nur dass unten aus ihren T-Shirts keine Beine heraussehen, sondern das typische weiße Gespenstergewand. Und natürlich sind sie sehr blass, auch wenn sie beim Herumspuken rosa angehauchte Bäckchen bekommen. Jedes Kind wird sich problemlos mit ihnen identifizieren können.
Eltern, die ihren Kindern dieses Buch schenken, müssen allerdings damit rechnen, dass sie bald von verkleideten Gespensterkindern mal so richtig erschreckt werden, auch wenn nicht Fasching oder Halloween ist, denn die Geschichte weckt die Fantasie.

Rezension von Heike Rau

Barbara Cratzius / Susanne Schwandt
Das gruselige Spukschloss
Mit Bildern von Susanne Schandt
26 Seiten, gebunden, durchgehend illustriert
ab 3 Jahren
Annette Betz Verlag
ISBN-10: 3-219-11262-5
ISBN-13: 978-3-219-11262-7
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Tief im Hirn

Tief im Hirn

Helmut Dubiel ist Professor der Soziologie und lehrt in Deutschland und Amerika.
Helmut Dubiel ist krank.
Zunächst weiß er es nicht. Er rätselt über merkwürdige Muskelunregelmäßigkeiten, die er an sich beobachtet.
Steifigkeit der Gelenke, unkontrollierte Bewegungen und unerklärliche Missempfindungen, sowohl körperlicher als auch psychischer Art, machen ihm zu schaffen.
Langsam tastet er sich an die Symptome heran, indem er in Büchern nachsucht: ist es Parkinson? Er ist doch erst 46 Jahre alt, noch zu jung für diese Krankheit, die als Alterskrankheit gilt.

Am Ende kommt er nicht umhin: er sucht eine Klinik auf.
Seitens der Assistenzärzte findet die Krankheit Parkinson erste Erwähnung. Er glaubt es nicht!
Am Ende steht die Diagnose fest: es ist Parkinson.
Es beginnt eine lange Zeit der Verleugnung und des sich Täuschens,–er will es nicht glauben.

Alles das, was man aus der Beobachtung von Parkinsonkranken kennt, gewinnt hier Wort und Gestalt.

Endlich bedient er sich der anerkannten medikamentösen Behandlungen, die zu einer Milderung der Krankheitssymptome verhelfen können. Heilen kann man die Krankheit nicht.

Helmut Dubiel ist ein scharfer Beobachter seiner selbst und auch seiner Umwelt.
Er erlebt und beschreibt die Tragödie, wie man als kluger, autonomer Mensch langsam merkt, dass die körperliche Autonomie dem eigenen Willen entgleitet.
Freunde, Kollegen, Verwandte und Bekannte reagieren unterschiedlich. Bei aller eigenen Betroffenheit versucht er, die Reaktionen der Menschen um sich herum zu verstehen.

So beargwöhnt er sich selber und die anderen und beginnt, Bilanzen über sein Leben zu treffen. Er lernt immer kritischer mit sich selbst zu werden und am Ende neue Wege zu suchen, wie er den medizinischen Fortschritt für sich nutzen kann. Dabei kommt es zu komplizierten und schwerwiegenden Überlegungen. Er liefert sich Ärzten und ihren schwankenden Entscheidungen bezüglich neuer neurologischer Eingriffe aus, die ihm als einzige Chance erscheinen, sein Leben weiterhin im Griff zu behalten.
Dass es ihm nach einem Eingriff mit einem Hirnschrittmacher eher noch schlechter geht, er sich wie ein an und auszuschaltender Roboter fühlt, das macht die Lektüre bedrückend. Gleichzeitig gibt es einen Schimmer vom Kampf ums Glück, der die Weisheit und den Lebensmut des Autors erahnen lässt.

Es ist ein dramatisches, kluges, anrührendes und zutiefst menschliches Buch, mit dem Helmut Dubiel an die Herzen der Menschen rührt und so ein Beispiel dafür gibt, wie man mit schweren Schicksalsschlägen und insbesondere mit der immer noch nicht heilbaren Krankheit Parkinson umgehen kann.
Da das Buch keinesfalls rührselig oder selbstmitleidig ist, eher einer kritischen Selbstanalyse gleicht, auch philosophische Betrachtungen beinhaltet, ist es spannend und fesselnd zugleich.

Helmut Dubiel gilt meine ganze Hochachtung!

Helmut Dubiel
Tief im Hirn
Krankheit als Unglück und Chance
ISBN:3888974518
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Lilly die Tigerin

Lilly die Tigerin

Amicam hat Lilly kurz vor der Hochzeit verlassen. Für das Hochzeitskleid hat Lilly nämlich einige Pfunde zu viel. Eine Abmagerungskur würde hier nichts helfen. Es ist vorbei. Lilly empfindet sich nicht als zu dick. Sie findet sich ausgesprochen weiblich und lebt diese Weiblichkeit auch in vollen Zügen aus. Dennoch ist es schwer, den Schmerz zu überwinden. Lilly ist froh, ihre Freundin Ninusch an ihrer Seite zu haben, die viel Trost spendet.

Eigentlich wollte Lilly mit Ninusch in den Zirkus. Aber die sagt ab. So macht Lilly sich allein auf den Weg, nimmt sich ein Taxi. Taxifahrein Michaela schafft es nicht, Lilly rechtzeitig beim Zirkus abzuliefern. Als sie ankommt ist alles vorbei. Doch Lilly gibt sich nicht geschlagen und organisiert sich rasch noch eine Verabredung mit dem Zirkusdirektor. Okasaki ist eine alte Jugendliebe, die nur Minuten gedauert hat, aber sehr intensiv war.

Zwölf Jahre sind vergangen. Natürlich hat Okasaki sich verändert, wenn Lilly auch noch nicht weiß, wie sehr. Er schenkt Lilly ein Tigerbaby, bevor er wieder auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Ein Tigerjunges zu versorgen ist keine einfache Sache, auch wenn Lilly Hilfe von Ninusch und der Taxifahrerin, die ihr auch eine Freundin geworden ist, erfährt. So wie der Kleine wächst, geht in Lilly eine Wandlung vor, die man nicht für möglich gehalten hätte.

Die israelische Autorin Alona Kimhi hat drei interessante Frauen skizziert. Da gibt es Ninusch, aus der Sowjetunion nach Israel ausgewandert, eine wahrhaft hübsche Frau, mit Defiziten im Dentalbereich und einem Freund, der sie gern aus Liebe verprügelt und ihr, um ihre Karriere als Prostituierte voranzutreiben, ein neues Gebiss bezahlt hat. Michaela, die Taxifahrerin dagegen, ist eine Geschichtenerzählerin. Sie ist nicht auf den Mund gefallen. Allerdings wurde sie von ihrem Mann verlassen und auch die Kinder haben sich aus dem Staub gemacht. So konzentriert sie ihre Liebe auf Ninusch.

Hauptperson der Geschichte ist und bleibt Lilly mit ihren 112 kg. Sie ist eine Frau, die sich ihrer Weiblichkeit sehr bewusst ist. Ihre Neurosen treiben allerdings absonderliche Blüten. So gerät die ganze Geschichte irgendwann aus der Bahn. Das Lebensbild wird satirisch verzerrt, bis es unerträglich wird. Die Verwandlung der Hauptperson wird unumgänglich, anders kann man so ein Buch gar nicht beenden.
Man kann viel in die Geschichte, die in Tel Aviv spielt, hineininterpretieren. Zunächst recht realistisch erzählt, wechselt die Autorin irgendwann ins Fantastische. Die Grenze verläuft fließend. Die Autorin gräbt in der Psyche der Frauen und holt alles herauf. So ist die Geschichte sehr skurril und dennoch wahrhaftig.

Über die Autorin:
Alona Kimhi, geboren 1966 in der UdSSR, emigrierte 1972 mit ihrer Familie nach Israel. Sie war Schauspielerin. Später veröffentlichte sie Kurzgeschichten und Romane und wurde mit dem Bernstein Award ausgezeichnet.

Rezension von Heike Rau

Alona Kimhi
Lilly die Tigerin
358 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag München Wien
ISBN-10: 3-446-20764-3
ISBN-13: 978-3-446-20764-6
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Kamtschatka

Kamtschatka

Eine Reise mitten in der Schulzeit ist ungewöhnlich, zumal die Fahrt Hals über Kopf und ohne Reisegepäck beginnt. Es war nichts abgesprochen. Harry und sein kleiner Bruder haben viele Fragen, doch die Mutter hält sich bedeckt. Zuerst geht es zu Freunden, um zu warten, bis der Vater da ist. Dann fährt die Familie weiter bis zu einem abgelegenen Landhaus. Hier will die Familie bleiben, bis die Lage sich entspannt.

Harry wittert ein Abenteuer. Seine Fantasie wird durch die Regeln, die die Mutter den Kindern auferlegt noch mehr angeregt. So darf zum Beispiel das Telefon nicht benutzt werden. Der Vater lässt sich einen Schnurrbart wachsen. Alle denken sich neue Namen aus. Die Kinder schlagen die Zeit tot, vermissen ihr Zuhause. Aber der Plan, die beiden in die Obhut der Großmutter zu geben, schlägt fehl.

Eines Tage kommt ein 18-jähriger Junge in die Familie. Zunächst empfinden ihn die Kinder als Eindringling. Aber er fungiert auch als Babysitter, so dass die Eltern das Haus immer mal wieder verlassen können.
Harry und sein Bruder gehen schließlich wieder zur Schule. Es ist eine kirchliche Schule und der Priester ist ein Freund des Vaters. Die Kinder können sich dort sicher fühlen. Doch Harry verweigert das Lernen.

Die Lage ist angespannt. Die Mutter hat ihre Arbeit im Labor verloren, der Papa hat keine Kanzlei mehr. Harry hat Angst, dass seine Eltern eines Tages nicht zurückkommen könnten. Er träumt davon, ein berühmter Entfesselungskünstler zu werden. Unbewusst versucht er damit auch seinen eigenen Fesseln zu entkommen.

Der Autor erzählt die Geschichte aus der Sicht des kleinen Harry, der die entstandene Gefahr gar nicht begreifen kann. Für einen Zehnjährigen spielt die Politik noch keine Rolle und doch wird er damit konfrontiert. Sein Leben wird auf den Kopf gestellt. Zusammen mit seiner Familie muss er untertauchen, ohne die politischen Hintergründe verstehen zu können. Während die Eltern versuchen zu überleben, erlebt Harry ein Abenteuer. Versucht so, die Schrecken und die Bedrohung auf seine Weise zu kompensieren.
Die Geschichte ist sehr sensibel erzählt. Aber gerade die kindliche Sichtweise auf die Dinge, macht sie so schockierend, so unglaublich desillusionierend. Kinder beobachten ihren Alltag genau, so auch Harry, der aber die Bedrohung ganz anders wahrnimmt, als die wissenden Eltern. So sind viele Szenen für den Leser, der ja im Gegensatz zu den Kinder begreift, was wirklich passiert, schwer zu verkraften. So ist es kein Wunder, dass diese Geschichte lange im Gedächtnis bleibt.

Über den Autor:
Marcelo Figueras wurde 1962 in Buenos Aires geboren. Er arbeitete als Journalist und Redakteur für verschiedene Zeitungen, veröffentlichte Kurzgeschichten, Romane und schrieb mehrere Drehbücher, auch für „Kamtschatka“. Der Kinofilm wurde als bester ausländischer Film für den Oscar nominiert.

Rezension von Heike Rau

Marcelo Figueras
Kamtschatka
320 Seiten, gebunden
Nagel & Kimche
ISBN-10: 3-312-00377-6
ISBN-13: 978-3-312-00377-8
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Tief im Hirn

Tief im Hirn

Helmut Dubiel ist 46, als Parkinson bei ihm diagnostiziert wird. Die Ursache dafür ist unbekannt, eine Heilung ist nicht möglich. Mit Medikamenten wird versucht, die Krankheit zu behandeln.
Der Autor beschreibt, wie alles begann. Von den ersten Symptomen an, die körperlicher, aber auch psychischer Natur sind. Er erzählt, wie ihm sein eigener Körper immer fremder wird. Seiner Arbeit kann er nicht mehr wie gewohnt nachgehen.

Helmut Dubiel schildert auch die Reaktionen seines Umfeldes auf die Krankheit. Sein Blick auf die Welt verändert sich. Wut, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Angst und Frustration machen ihm zu schaffen.
Dennoch wagt er eine Operation, die Tiefenhirnstimulation. Dieser Eingriff kann die Krankheit nicht heilen, aber beeinflussen. Leider nicht so, wie Dubiel es sich erhofft hat. Seinen Lebensmut hat er dennoch nicht verloren. Seine Träume hat er sich bewahrt.

Helmut Dubiels Geschichte beeindruckt stark, macht aber auch betroffen und traurig. Bei Parkinson kann es noch kein gutes Ende geben. Doch die Hoffnung auf den medizinischen Fortschritt bleibt. Der Autor schreibt ohne Selbstmitleid und dennoch sehr gefühlvoll und sehr persönlich werdend. Er beschreibt seinen Lebensweg seit dem Ausbruch der Parkinson-Krankheit. Es ist ein Leidensweg, der von Arzt zu Arzt führt. Trotzt Medikamenten ist das Leben nur noch sehr schwer in den Griff zu bekommen. Die Krankheitssymptome überlagern die Persönlichkeit.
Dennoch ist es auch ein Buch, das Hoffnung macht. Der Autor beweist, dass man sich unter noch so schwierigen Umständen seinen Lebensmut bewahren kann. Dass man aus einem seelischen Tief auch wieder herausfinden kann. Man empfindet Hochachtung vor Helmut Dubiel, der diesen schweren Kampf ausfechtet.

Über den Autor:
Helmut Dubiel wurde 1946 in Essen geboren. Er hat Philosophie und Germanistik in Bielefeld und Bochum studiert und lehrt als Professor für Soziologie in Gießen, arbeitete als Gastprofessor an der University of Berkeley, in Florenz und an der New York University. Helmut Dubiel lebt in Frankfurt.

Rezension von Heike Rau

Helmut Dubiel
Tief im Hirn
142 Seiten, gebunden
Verlag Antje Kunstmann, München
ISBN-10: 3-88897-451-8
ISBN-13: 978-3-88897-451-9
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Ein Hund für eine Woche

Ein Hund für eine Woche

Leon und Pia hätten am liebsten einen Hund. Er könnte das Haus bewachen und mit den Kindern spielen. Aber die Eltern lassen sich nicht erweichen. Schließlich macht ein Hund viel Arbeit. Dann geht Leons und Pias Wusch auf einmal doch in Erfüllung. Die Kinder sollen auf den Hund einer Nachbarin, die ins Krankenhaus muss, aufpassen. Das können die Eltern nicht ablehnen.

Der junge Hund heißt Bollo. Er ist noch ganz verspielt. Zur Begrüßung verpasst er Pia gleich mal einen Hundekuss. Turbulent geht es weiter. Bollo springt durch das ganze Haus. Er spielt mit Papas Hausschuh, kippt den Papierkorb um, zerlegt die Zeitung und treibt noch eine Menge Unfug. Papa wird ganz brummig. In der Nacht bleibt Bollo nicht im Flur in seinem Körbchen. Er will bei den Kindern schlafen.

Leon und Pia müssen ununterbrochen auf den Hund aufpassen, damit er keine Dummheiten macht. Doch können sie nicht verhindern, dass Bollo wegläuft, direkt einem wilden Kaninchen hinterher. Zum Glück findet der Hund allein nach Hause. Als er frisch gebadet alles nass macht, ist Papa wenig begeistert. Es ist offensichtlich, dass er Bollo nicht besonders mag. Dafür liebt Bollo den Papa umso mehr. Leon und Pia haben Bollo in ihr Herz geschlossen. Sie wünschen sich jetzt noch viel sehnlicher einen eigenen Hund. Doch scheint es jetzt noch schwieriger, die Eltern zu überzeugen.

Jedes Kind wünscht sich ein Haustier. Aber gerade kleine Jungen und Mädchen können noch nicht einschätzen, was das auf sie zukommt. Im Buch wird das deutlich gemacht. Damit ist die Geschichte besonders gut geeignet für Kinder, die bald ein Haustier bekommen sollen. Es wird gezeigt, wie viel Arbeit ein Tier macht, aber auch wie viel Freude. Da sollte man gut vorbereitet sein, am besten auf eine spielerische Art und Weise. Das Bilderbuch kann dazu der erste Ansatz sein.
Die Illustrationen gefallen gut. Auf jedem Bild können Pia und Leon mit dem Hund beobachtet werden. Das ist sehr spannend und macht viel Spaß. Die Zeichnungen sind großformatig und schön bunt.

Rezension von Heike Rau

Rosemarie Künzler-Behnke
Mathias Weber (Illustrationen)
Ein Hund für eine Woche
25 Seiten, durchgehend illustriert
Annette Betz Verlag
ISBN-10: 3-219-11263-3
ISBN-13: 978-3-219-11263-4
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Papageien der Welt

Papageien der Welt

Papageien findet wohl jeder faszinierend. Viele Arten fallen besonders durch ihre Farbenpracht auf. Interessant ist auch ihre Intelligenz und die Fähigkeit, die Sprache der Menschen nachzuahmen. Deswegen werden einige Arten auch oft als Haustiere gehalten. Karl-Heinz Lambert hat Papageien für das vorliegende Buch in ihrem natürlichen Umfeld fotografiert. Matthias Reinschmidt hat die Texte verfasst. So werden insgesamt mehr als 60 Arten porträtiert. Die Informationen sind spannend. Dazu kommen noch einige Sonderthemen. Hier wird beispielsweise über den Spix-Ara berichtet, der im Jahre 2000 ausgestorben ist.

Die Fotos sind gelungene Naturaufnahmen, die jeden Betrachter faszinieren werden. Vorgestellt werden die Papageien Südamerikas, Afrikas, Neuseelands, Australiens und Asiens. An vielen kann man sich kaum satt sehen. Da sind die Kubasittiche, die, bevor sie ihren Brutbaum anfliegen, zunächst zwischenlanden, um die Umgebung zu kontrollieren. Perfekt fotografiert sind auch die Blaustirnsittiche, die um eine Mango streiten oder die Amazonas-Grünbürzel-Sperlingspapageien, die mit ihrem grünen Federkleid beim Fressen auf einer Wiese perfekt getarnt sind. Auch eine Flugaufnahme einer Blaustirnamazone ist gelungen. Ein weiteres spannendes Foto zeigt Graupapageien, die sich vom Boden erheben und davonfliegen. Wirklich anrührend ist ein Taranta-Bergpapagei beim Füttern des Nachwuchses. Die zwei Keas beim konzentrierten Spiel gefallen ausnehmend gut. Im Kontrast dazu sind die Rosenkakadus beim Streit um den besten Sitzplatz anzusehen. Auch Wellensittiche gibt es im Buch. Auf dem Foto trinken sie eilig einen Schluck an der Wasserstelle und verschwinden schnell wieder. Auch sehr schön anzusehen, sind die Buntloris beim Kuscheln.

Man kann sich gut vorstellen, wie viel Geduld und welches Können es erfordert, ein Buch mit so spektakulären Nahaufnahmen zu machen. Für so manches Bild musste der Fotograf sich im Tarnzelt auf die Lauer legen. Text und Bilder sind perfekt aufeinander abgestimmt. Der Leser erfährt viel Interessantes und auch viel Neues über die faszinierenden Vögel, von denen leider viele Arten vom Aussterben bedroht sind. Auch darauf lenken Autor und Fotograf das Augenmerk und sensibilisieren den Leser dafür.

Matthias Reinschmidt, Biologe, arbeitet seit 2001 als Kurator im Loro Parque auf Teneriffa, der größten Papageiensammlung der Welt. Er setzt sich für die Rettung bedrohter Papageienarten ein.
Karl-Heinz Lambert fotografiert seit Jahrzehnten Vögel, besonders in ihrem natürlichen Lebensraum. Er züchtet Papageien. Unter anderem hat er mit seiner Frau Karin sieben Naturfilme gedreht.

Rezension von Heike Rau

Matthias Reinschmidt / Karl-Heinz Lambert:
Papageien der Welt
160 Seiten, 200 Farbfotos
Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart
ISBN 3-8001-4991-5
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Der Zauberer von Oz

Der Zauberer von Oz

„Der Zauberer von OZ“, geschrieben von Lyman Frank Baum, wurde 1900 zum ersten Mal veröffentlicht. Das vorliegende Buch von David Chauvel und Enrique Fernàndez zeigt die Geschichte um das Mädchen Dorothy auf eine moderne Weise in einer Comic-Adaption.

Dorothy und ihren kleinen, geliebten Hund Toto verschlägt es nach einem Wirbelsturm in das Zauberland von Oz. Gleich bei ihrer Ankunft schaltet sie die böse Hexe des Osten aus und zwar unabsichtlich. Die gute Hexe des Nordens ist dennoch beeindruckt und erzählt Dorothy, dass der Zauberer von Oz die Macht besitzt, sie wieder nach Hause nach Kansas zu Tante Em und Onkel Henri zu bringen. Der Weg ins Zauberland ist allerdings weit und voller Abenteuer. Dorothy wird begleitet von einer Vogelscheuche, die statt Verstand nur Stroh im Kopf hat, von einem Löwen, der ausgesprochen ängstlich ist und nur brüllt, um seine Angst zu verbergen und von einem Blechmann ohne Herz. Die drei Begleiter haben auch ihre Wünsche. Die Vogelscheuche möchte Verstand, der Löwe Mut und der Blechmann ein Herz. Zusammen schaffen sie es bis in die Smaragdstadt. Doch eine Audienz beim Zauberer von Oz in seinem Palast zu bekommen, ist nicht einfach. Ohnehin fordert er, als es endlich geschafft ist, von den vier Freunden eine Gegenleistung. Sie sollen die böse Hexe des Westens aus der Welt schaffen. Das ist keine leichte Aufgabe.

Schon auf den ersten Blick fällt auf, wie eigenwillig die Zeichnungen sind. So wirkt zum Beispiel Dorothy kaum kindlich, nicht mal vom Gesichtausdruck her, was doch sehr verwundert. Sie sieht erwachsen aus und nicht besonders hübsch. Das Zauberreich Oz ist sehr farbenfroh und detailreich dargestellt, die Smaragdstadt in interessanten leuchtenden Grüntönen. Alles in allem sind viele Zeichnungen leider recht klein geraten und auch das Schriftbild ist manchmal nicht leicht zu entziffern. Dennoch bietet die Comic-Adaption viele Überraschungen und verwirklichte Ideen in der Umsetzung der einzelnen Szenenabfolgen, auch wenn eine märchenhaft, verträumte und vor allem kindgerechte Stimmung nicht so recht aufkommen will. Geeignet ist das Buch damit vielleicht nicht so sehr für Kinder. Erwachsene dürften aber ihre Freude daran haben.

Rezension von Heike Rau

L. Frank Baum
Der Zauberer von Oz
Adaption: David Chauvel
Zeichnungen und Farbe: Enrique Fernàndez
96 Seiten, gebunden
Ehapa Comic Collection im Egmont vgs Verlag
ISBN-10: 3-7704-2915-X
ISBN-13: 978-3-7704-2915-8
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