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Schlagwort: Flucht

C. S. Forester: African Queen

C. S. Forester: African Queen

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Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges und das Vordringen der plündernden Truppen bis zur Mission im ostafrikanischen Urwald, muss auch diese aufgegeben werden. Nach dem Tod ihres Bruders Reverend Samuel Swayer steht Rose nun allein da. Mit Charlie Allnutt und seinem Dampfboot, der „African Queen“ bietet sich allerdings eine Möglichkeit wegzukommen.

Nie hat Charlie daran gedacht, sich in den Krieg einzumischen. Doch Rose, die nun weiß, dass sich im Boot hochexplosiver Sprengstoff befindet, schmiedet sofort Pläne. In ihrer Unkenntnis der Möglichkeiten und Gefahren, überzeugt sie Charlie, den Fluss hinunter zum Wittelbacher See zu fahren, um ihn von der Vorherrschaft der Deutschen zu befreien. Und das bedeutet nichts anderes, als die „Königin Luise“ zu torpedieren.

Der Plan ist nicht durchführbar, da ist Charlie sich sicher. Es ist unmöglich den Ulanga-Fluss hinunter durch die Stromschnellen zu kommen, auch wenn es nicht völlig unrealistisch ist, die „African Queen“ zu einem Torpedo umzufunktionieren.
Aber Rose, der es in der Vergangenheit völlig fremd war, einem Mann derart ihren Willen aufzuzwingen, tut genau dies bei Charlie. Und der, froh über die Gesellschaft einer Frau, lässt es zu.

1935 erschien die Originalausgabe, die deutsche Erstausgabe folgte 1985. Verfilmt wurde die Geschichte 1951 mit Humphrey Bogart und Katharine Hepburn.

Es ist ein spannendes Buch. Man wird sofort von dem Abenteuer gefangen genommen, das die Missionarin und der Mechaniker hier auf einem heruntergekommenen Dampfboot erleben. Es sind zwei völlig gegensätzliche Charaktere, die hier zusammenkommen und vom Autor etwas überspitzt dargestellt werden. Rose und Charlie könnten unterschiedlicher nicht sein. Der Autor zeigt diese Gegensätzlichkeit sehr wortreich und durchaus auch mit einem gewissem Humor. Man kann sich als Leser nicht vorstellen, dass beide es zusammen aushalten und auch nicht, dass ihr waghalsiger Plan gelingen können.

Aber die beiden kommen nach und nach zusammen. Auch weil Rose, im wahrsten Sinne des Wortes, das Ruder an sich reißt und Charlie das geschehen lässt. Es muss beiden klar sein, dass ihr Plan nicht aufgehen kann. Die Frage ist nur, was zum Scheitern führen wird. Und da kommt vieles in Betracht.

Es ist der Blick des Autors auf seine Charaktere, der fasziniert. Ganz genau werden die Rose und Charlie beobachtet und man hat als Leser entsprechenden Anteil daran. Der Autor lässt Dialoge zu Wortgefechten werden und spart nicht mit ironischen Untertönen in seinen Einschätzungen der Lage.

Rezension von Heike Rau

C. S. Forester
African Queen
Aus dem Englischen von Doris Kornau
200 Seiten, broschiert
Unionsverlag
ISBN-10: 3293205704
ISBN-13: 978-3293205703
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Jussi Adler-Olsen: Das Alphabethaus

Jussi Adler-Olsen: Das Alphabethaus

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In der Nähe von Naundorf stürzt das Flugzeug ab. Er ist eiskalt, der Winter des Jahres 1944. Die beiden britischen Piloten werden entdeckt, können ihren Verfolgern aber entkommen. Sie springen auf einen Lazarettzug auf. Um zu überleben, müssen zwei der Kranken von ihrem Lager verschwinden. Und wenig später liegen James und Bryan in ihren Betten. Die beiden müssen vor allem schweigen. Ihre Sprache würde sie sofort verraten. Aber immerhin versteht James ein wenig Deutsch. James und Bryan wissen nicht, welche Krankheit sie vortäuschen müssen, aber bald stellen sie fest, dass die Patienten im Waggon geistesgestört sind. Und so teilnahmslos wie sie wirken, sind sie wohl ruhiggestellt worden.

Ziel der Reise ist ein Sanatorium bei Freiburg im Breisgau, das Alphabethaus. Weiterhin werden die Patienten, SS-Offiziere, mit stark wirksamen Medikamenten ruhiggestellt, bekommen Elektroschockbehandlungen. Während James sich nicht gegen die Behandlung wehren kann, versucht Bryan um die Tabletteneinnahme zu kommen. Ist er klar genug im Kopf, schmiedet er Fluchtpläne.
Was James schon viel eher bemerkt als Bryan ist, dass sich noch andere Simulanten im Raum befinden. Aber er hat keine Möglichkeit Bryan zu warnen, obwohl von den anderen die meiste Gefahr ausgeht. Sie sind bereit ihre Identität um jeden Preis zu schützen.

Von Anfang an ist die Handlung sehr spannend, auch wenn der Autor etwas langatmig erzählt. Bald tauchen auch erste Zweifel an den Geschehnissen auf. Zu viele Zufälle spielen hier rein. Ungereimtheiten, die sich nicht klären lassen. Es verstärkt sich der Eindruck, dass sich die Geschichte so nicht abgespielt haben kann. Darüber muss man hinweglesen können, sonst wird es nichts mit dem Buch.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Einmal der erste Teil, der vor allem im Sanatorium spielt. Weiter geht es dann fast 30 Jahre später. Bryan intensiviert hier die Suche nach seinem Freund James, dem damals im Gegensatz zu ihm nicht die Flucht gelungen ist. Es ist unglaublich, aber tatsächlich begegnet er in Deutschland seinen alten Feinden wieder, die Angst haben, dass ihre Geheimnisse nun nicht mehr sicher sind. Und so wird Bryan, der eigentlich nur seinen alten Freund sucht, zum Gejagten.

Auch dieser Teil will sich nicht so ganz erschließen. Der Krimi, der sich nun entwickelt, wirkt gezwungen. Das heißt nicht, dass das Buch nicht fesselt oder uninteressant wäre. Aber auch hier hat man Mühe, zu glauben, was der Autor erzählt. So wirkt auch das Ende sehr konstruiert.

Rezension von Heike Rau

Jussi Adler-Olsen
Das Alphabethaus
Aus dem Dänischen von Hannes Thiess und Marieke Heimburger
592 Seiten, Klappenbroschur
Dtv – Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423248947
ISBN-13: 978-3423248945
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Alex Capus: Léon und Louise

Alex Capus: Léon und Louise

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Dieser Roman ist ein sehr sinnlicher und gefühlvoller Roman, der Lust auf Lesen macht. Grund hierfür sind der Erzählstil und die anrührende Geschichte.

Den obersten Rahmen bildet die Beerdigung des Großvaters. Sie wird beobachtet und erzählt von seiner Enkelin. Während sie über Opa und sein Leben nachdenkt, über die Geschichten, die sich in der Familie über ihn erzählt wurden, schmückt sie sich das Leben ihres Großvaters aus und erzählt es aus ihrer ganz persönlichen Sichtweise.

Sie erzählt, wie ihr Großvater (Léon) sich vor der Front im Ersten Weltkrieg drückte, wie er seine erste Liebe (Louise) kennenlernte, wie er mit seiner Frau lebte und mit ihr Kinder bekam. Sie erzählt vom Leben Léons als Beamter in Paris. Die Bilder der Okkupation Frankreichs durch das Deutsche Reich werden lebhaft und detailgenau dem Leser nahe gebracht. Obwohl Léon seine Louise bereits im Ersten Weltkrieg verloren hat und tot glaubt, hört er nie auf, sie zu lieben. Zehn Jahre später begegnen sie sich in Paris, verbringen eine Nacht miteinander. Bis zum nächsten Kontakt werden erneut Jahre vergehen. Die deutsche Besetzung hat die Pariser verändert. Dies wird an der Ehefrau Léons deutlich erkennbar.

Obwohl mir das Buch ausnehmend gut gefallen hat, habe ich mich über kleine Überlängen geärgert. Längen, in denen Passagen und Geschichten erzählt werden, die nicht das Niveau anderer Episoden erreichen. Denn unverkennbar wollte Capus nicht die Geschichte des Liebespaares erzählen, sondern das Leben in Frankreich zu beiden Zeiten der Weltkriege. Es sollte die Geschichte des zurückhaltenden, kleinen Widerstandskämpfers erzählt werden. Um die Episoden aus dem Leben Léons nicht losgelöst erscheinen zu lassen, wurde eine gefühlvolle Liebesgeschichte als roter Faden geschmiedet, der eine spannende, solide Grundlage bildet, auf die sowohl Autor als auch Leser immer wieder Erdung bekommen.

Die ruhige Erzählweise als auch die knappen Dialoge schaffen es, beim Lesen eine Stimmung hervorzurufen, die einen Zuschauer beim Betrachten eines gefühlvollen französischen Spielfilms beschleicht. Obwohl man bedauern kann, dass es in dem Buch nur um Léon und nicht um Louise geht, ist der Roman dennoch von vorne bis hinten spannungsvoll und macht Spaß.

Capus, Alex
Léon und Louise
Hanser Verlag, München
320 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3446236309
ISBN-13: 978-3446236301
© Detlef Knut, Düsseldorf 2012
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Lea Korte: Die Maurin

Lea Korte: Die Maurin

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Exotisch, orientalisch, bezaubernd, temperamentvoll, spannend, zärtlich – das sind nur einige Attribute, mit denen man diesen historischen Roman von Lea Korte und/ oder seine Protagonistinnen beschreiben kann. Im Andalusien des 15. Jahrhunderts herrschen erbitterte Kämpfe zwischen den Muslimen und Christen, die nicht spurlos am Leben der Maurin Zahra vorbei gehen. Sie ist Hofdame und Vertraute der Hauptfrau des mächtigen Emirs, ihre Familie gehört zum engeren Kreis der Herrschersfamilie. Die junge Zahra gerät dabei zwischen die Fronten in ein barbarisches Spiel aus Intrigen und Machtkämpfen. Ihre Liebe zu dem christlichen Kastilier Gonzalo bringt sie schließlich in tödliche Gefahr. Aber nicht nur diese Liebe, sondern auch der Umstand, dass sie selbst zu einem Viertel von einer Christin abstammt, sorgt für Ungemach. Ihre Halbgeschwister werden zu erbitterten Feinden der eigenen Familie.

Der 650 Seiten starke Wälzer zeigt ein etwas anderes Mittelalter, als man ansonsten von vielen historischen Roman gewohnt ist. Die orientalische Note auf der iberischen Halbinsel, die über acht Jahrhunderte von dem maurischen Volk beherrscht wurde, lässt beim Lesen scheinbar sanfte orientalische Klänge im Ohr säuseln und an die Märchen von 1001 Nacht denken.

Lea Korte hat die fiktive Handlung geschickt mit den historischen Fakten verbunden. Ihre bildhafte Beschreibung erinnert an die blumenreiche Erzählweise der Orientalen und lässt Bilder aus 1001 Nacht im Kopf entstehen. Über die Handlung hinaus sind die ergänzenden Anmerkungen am Ende des Romans eine sehr gute Hilfe beim Verständnis der historischen Zusammenhänge. So fehlt ein Glossar ebenso wenig wie ein Literaturverzeichnis mit weiterführenden Quellen. Eine Zeitleiste und die beiden Stammbäume der maurischen und der christlichen Herrscherfamilien der damaligen Zeit hilft der Orientierung des Lesers.

„Die Maurin“ ist ein exotisch, faszinierender Roman, der das europäische Mittelalter der iberischen Halbinsel in den Mittelpunkt stellt. Er ist Abenteuer- und Liebesroman zugleich, bei dem Arglist und Treue ausgewogen miteinander spielen. Man darf auf weitere Romane dieser Art von Lea Korte gespannt sein.

Korte, Lea
Die Maurin
672 Seiten, broschiert
Knauer Tb, München
ISBN-10: 3426502305
ISBN-13: 9783426502303

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011
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Georg Raab: Wasting the Big Apple

Georg Raab: Wasting the Big Apple

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Soll ich das Buch nun als “ungewöhnliches“ Tagebuch titulieren? Welches Attribut soll ich ihm geben? Es ist ein Tagebuch, ja. Es ist auch eine Reisebeschreibung, ja. Aber wie man es auch nennt, es lässt sich angenehm flüssig lesen und ist extrem unterhaltsam. Drei Monate, 87 Tage in New York, die der Autor beschreibt. Oft auf sehr humorvolle und abgehakte Art. Letzteres gehört zu einem Tagebuch, welches quasi stenografiert ist. Doch Raab hat gewisse Noten gesetzt, die es zu einem besonderen Tagebuch werden lassen.

Ungewöhnlich schreibt er in der ersten und zweiten Person abwechselnd. Es kommt klar zum Ausdruck, dass er auf der Reise nicht allein ist, sondern seine Freundin oft, aber nicht immer, dabei hat. So schreibt er vieles in der Ich-Form, stellt sich aber auch immer wieder vor, was sie in der einen oder anderen Situation gemacht oder gedacht hatte. Vieles liest er ihr dabei vom Gesicht ab. So wird aus dem Tagebuch ein Dialog, der immer wieder für Abwechslung sorgt. Das klingt dann in einer Bemerkung über die Nachbarin so: „Heute Morgen hast du dich bei Courtney beschwert, weil sie zum wiederholten Mal bis weit nach Mitternacht laut Musik gehört hat. „Wir konnten alles mithören! Wir haben dir doch gesagt, dass das Haus sehr hellhörig ist! Stupid bitch.“ Um eine Eskalation dieser Art zu vermeiden, hab ich dich gebeten, mit ihr Tacheles zu reden.“
Eine andere Note des Autors sind an nahezu jedem Abend die „Lessons learned“, die Lektionen bzw. Vokabeln, die er an diesem Tag hinzugelernt hatte. Teilweise sind es Abkürzungen und Vokabeln der amerikanischen Sprache, die so nicht im Schulenglisch vorkommen.
Immer wieder bringt der Autor kopfschüttelnd (Man sieht ihm dies wahrlich beim Lesen seines Buches an.) sein Unverständnis über die „verrückten“ New Yorker zum Ausdruck. Wie sie seine Wünsche im Restaurant oder beim Friseur ignorieren und ihm dann den vollen Preis dafür berechnen, obwohl er es so gar nicht bestellt hatte.
Die angemietete Wohnung ist von Anbeginn nicht sehr leise, doch dass er sich gelegentlich in dem ohnehin sehr lauten New York der relativen Stille wegen auf das gewisse Örtchen zur Erholung begibt, obwohl seine Freundin draußen an der Tür wartet, war ihm vor der Reise auch nicht klar gewesen.
Der Autor hat diese Stadt als Megacity wahrgenommen und das kommt in seinen Texten auch zum Ausdruck. Beispielsweise sind er oder seine Freundin oder beide ständig in irgendwelchen U-Bahnen oder Bussen oder Zügen unterwegs. Immer auf Achse, weil so gut wie kaum irgendetwas „um die Ecke“ liegt. Selbst, wenn es „einen Block“ weit entfernt ist, lohnt sich der Gang zur Metro.

Die vielen englischen Passagen und Floskeln, der Vergleich der Realität mit Beschreibungen von Max Frisch und Allen Ginsberg runden dieses quirlige Tagebuch ab und machen es zu einem kleinen Erlebnis. Wer New York kennenlernen möchte, macht bei diesem Buch nichts falsch. Wer sich auf eine Reise dorthin vorbereiten möchte, der liegt zu hundert Prozent richtig.

Georg Raab
Wasting the Big Apple
220 Seiten, broschiert
RomanVerlag, Riesa
ISBN-10: 3940373273
ISBN-13: 978-3940373274

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011

Lauren Destefano: Totentöchter – Die dritte Generation

Lauren Destefano: Totentöchter – Die dritte Generation

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Die Welt hat sich verändert. Nach einem missglückten Genexperiment, bei dem die erste Generation praktisch unsterblich wurde, sterben in den folgenden Generationen Männer mit fünfundzwanzig Jahren, Frauen schon mit zwanzig. Noch wurde kein Gegenmittel gefunden. Sammler sind unterwegs, um Bräute zu fangen und weiterzuverkaufen. Doch sind die Kinder, die aus diesen erzwungenen Ehen entstehen nur Forschungsobjekte.

Rhine schlägt sich nach dem tödlichen Unfall ihrer Eltern zusammen mit ihrem Zwillingsbruder durch. Immerhin ist den beiden das Elternhaus geblieben. Hier verbarrikadieren sie sich nachts, während sie tagsüber verschiedene Arbeiten annehmen. Doch dann wird auch Rhine von einem Sammler in die Falle gelockt. Während andere Mädchen ermordet werden, wird sie ausgewählt, eine Braut zu sein. Sie kommt mit zwei weiteren Mädchen in einen fremden Haushalt weit weg von ihrem Zuhause. Auch Jenna und Cecily werden mit Linden Ashby verheiratet. Von Anfang an denkt Rhine an Flucht. Um nicht eingesperrt zu bleiben auf der Etage der Frauen, muss sie Lindens Vertrauen gewinnen. Und auch das von Hausprizipal Vaughn, dem Vater Lindens, der als Arzt weiter forscht, um seinen Sohn, der mit fünfundzwanzig sterben wird, retten zu können.

Als Rhine hinter die furchterregenden Geheimnisse des Hauses kommt, wird ihr Wunsch zu fliehen eindringlicher. Es gibt jemanden, der ihr bei ihren Fluchtplänen helfen könnte. Daniel, der hier Diener ist. Nur weiß auch er nichts von der Welt draußen, ist er doch als Kind von Hausprinzipal Vaughn auf einer Auktion gekauft worden. Aber ohne ihn möchte Rhine nicht mehr sein.

Es ist eine sehr verstörend wirkende Geschichte. Rhine wird in ein Leben gezwungen, dass unglaublich ist. Sie wird zwangsverheiratet und man erwartet mit Selbstverständlichkeit von ihr, dass sie sich ihrem Schicksal fügt und ihrem Ehemann Liebe entgegenbringt und seine Kinder gebärt. Die Fäden zieht der skrupellose Vaughn. Er ist die unsympathischste Figur des Buches. Man kann ihm nur Misstrauen entgegenbringen. Sein Sohn wirkt dagegen sehr naiv und kraftlos. Man kann sich kaum vorstellen, dass Linden tatsächlich glaubt, die Frauen wären freiwillig im Haus. Vielmehr verliert er sich in dieser Traumwelt. Und weil er in seinem Wesen auch etwas Liebenswertes hat, zögert Rhine, ihn zur Rede zu stellen. Es liegt ihr fern, andere zu verletzten.

Das Buch ist in einem sehr eindringlichen Stil geschrieben. Was man liest, geht unter die Haut. Die tiefe Zerrissenheit Rhines wird deutlich. Zwischen Schein und Wirklichkeit liegt eine unüberwindbare Kluft. Die Mädchen werden verwöhnt. Aber sie sind Gefangene und das lässt sich mit nichts wettmachen. Die wenigen Jahre, die Rhine noch hat, möchte sie selbstbestimmt verbringen. Sie ist bereit, dafür jeden Preis zu zahlen.

Die Geschichte ist überaus spannend. Dabei legt die Autorin kaum Tempo in ihre Erzählung. So bleibt viel Raum für Gefühle. Für Gedanken. Das ist ungeheuer wichtig bei dieser Thematik. Aus der Perspektive der Ich-Erzählerin Rhine geschrieben, verfehlt dieser Zukunftsroman damit seine Wirkung nicht.

Rezensionen von Heike Rau

Lauren Destefano
Totentöchter – Die dritte Generation
Aus dem Amerikanischen von Catrin Fischer
400 Seiten, gebunden
cbt, München
ISBN-10: 3570161285
ISBN-13: 978-3570161289
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Tom Lier: Sommerhit

Tom Lier: Sommerhit

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Glück und Freude nach Kummer und Leid!

Dieser wunderbare, anrührende und zutiefst ans Herz gehende Roman schildert das Leben und die Erfahrungen eines Jungen von 14 Jahren. Falk Lutter gerät aus für ihn nicht ersichtlichen Gründen als Ostler in den achtziger Jahren in den Westen. Die Flucht hat die Familie zerrissen, denn Schwester und Vater fielen der Bürokratie und den Schergen des DDR Systems zum Opfer. Besonders Schwester Sonja hat die Flucht der Familie hart getroffen und ihr quälende Lebensumstände aufgezwungen.

Falk aber schlägt sich als dicker Junge mit den bösartigen Cliquenbrüdern seiner Klasse herum. Seine Mutter arbeitet hart und hat kaum Zeit, sich um die Lebensumstände ihres nunmehr einzigen Familienmitglieds zu kümmern. Aus der Sicht eines 14 jährigen sieht das Leben noch einmal ganz anders aus als aus den Augen der Erwachsenen.

Doch nach langen Zeiten der Ernüchterung und des Schattendaseins als verachteter Ostler gelingt Falk ein phänomenaler Aufstieg zu einem bekannten und anerkannten Poppsänger. Die Stunde der Rache naht, als sich die Klasse nach 30 Jahren zu einem Klassentreffen vereint. Hier kann Falk Lutter als nunmehr gewandelter und erfolgreicher Musiker die Zähne zeigen und aufdecken, was aus den Angebern, Quälgeistern und sadistischen Träumern geworden ist.

Als modernes Märchen kommt die Geschichte daher. Das Gute siegt, die zerrissene Familie ist wieder vereint und der gute Sänger Falk Lutter alias Martin Gold erlebt eine zufriedene Zeit.

Heimatgefühle, Liebe und ein wenig Glückseligkeit besiegen die Machos und Kriecher in diesem Roman, und es stimmt froh, dass das Gute letztlich über das Böse siegt.

Kein bisschen kitschig sondern lebensnah und freundlich zeigt uns dieser Autor, wie wenig es zum Glück bedarf; man muss es nur suchen und finden!

Tom Lier
Sommerhit
Kindle Edition
Print-Ausgabe: 400 Seiten
Aufbau Digital, Juli 2011
ISBN-10: 3352008140
ISBN-13: 978-3352008146
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Hisham Matar: Geschichte eines Verschwindens

Hisham Matar: Geschichte eines Verschwindens

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Libyen steht hier im Hintergrund einer mysteriösen politischen Geschichte.

Hisham Matar gehörte schon mit seinem Roman „Im Land der Männer“ zu den ausgezeichneten Schriftstellern. Wieder handelt es sich um eine Geschichte aus dem arabischen Raum, in dem seit dem Ende des osmanischen Reichs Chaos und kriegerische Handlungen die Regel sind.

Nuri, ein zwölfjähriger Junge, lebt mit seinem Vater in Kairo. Dorthin ist Kamal Pascha el-Alfi Ende der sechziger Jahre vor den politischen Unruhen in Libyen mit seiner Frau und seinem Sohn über Paris geflüchtet. Kamal bekleidete einst selbst ein hohes Regierungsamt in Libyen und musste nach dem Sturz der Monarchie das Land verlassen.
Nach dem frühen Tod seiner Frau lebt Kamal ein abgeschiedenes Leben zusammen mit seinem Sohn und dem verbliebenen Hauspersonal.

1971 lernt Nuri am Strand von Alexandria die hübsche und sehr junge Frau Mona kennen. Er ist ganz hingerissen von ihr. Umso größer ist die Enttäuschung, als der Vater die um viele Jahre jüngere Mona heiratet. Der an der Grenze zur Adoleszenz stehende Junge leidet unter Einsamkeit und Eifersucht bis ihn weiteres Ungemach trifft. Mit der vorbereitenden Einleitung beginnt eine Geschichte, die uns in die Wirren komplizierter politischer Verhältnisse entführt.

Aus den Augen des jungen Nuri betrachtet man den Vater, der geheimen Aktivitäten nachgeht. Woher soll ein Junge wissen, wie Politik aussieht und warum sein Vater ein sehr vorsichtiger Mann geworden ist? Nuri verehrt den Vater und weiß nicht, warum dieser ihn nach England ins Internat schickt.
Doch eines Tages ist der Vater verschwunden.

Man ahnt mehr als zu wissen, dass der libysche Geheimdienst seine Hände im Spiel hat.

Hishan Matar findet die richtigen Worte, mit der unheilvolle Ereignisse ihr Mysterium behalten. Orient und Okzident sind gegenwärtig, wenn die Familie ihre Aufenthalte zwischen Kairo, der Schweiz, Frankreich und England wechselt.

Eingebettet in die politische Geschichte erlebt man das Heranwachsen von Nuri, der sich mit Mona in einer schicksalhaften Nacht verbindet. Poetische Beschreibungen bieten die schönsten Geschichten, die orientalische Lebensart und hierarchische Strukturen erkennen lassen. Nuri findet nach dem Verschwinden des Vaters seinen eigenen Weg, der von Einsamkeit gezeichnet ist und immer wieder bei der Suche nach Spuren des Vaters endet. Hinreißende Stimmungsbilder zeigen die leicht melancholisch gefärbte Welt, in der Nuri heranwächst. Mit Spannung erwartet man das Ende der Geschichte.

Schon der fein entworfene Einband offenbart in nebligen Grautönen verwischte Spuren von exotischen Pflanzen und Gebäuden.
Ähnlich verwischt sind die Farben, mit denen man Nuri in seiner familiären Verlassenheit erkennt.

Werner Löscher-Lawrence bietet mit der Übersetzung eine Meisterleistung.

Der vielfach mit Preisen ausgezeichnete Autor Hisham Matar lebt heute in London und hat in den Roman eigene autobiographische Erlebnisse einfließen lassen. Er hat erneut mit diesem Werk einen hoch zu lobenden Roman geschrieben.

Hisham Matar
Geschichte eines Verschwindens
192 Seiten, gebunden
Luchterhand Literaturverlag, Juli 2011
ISBN-10: 363087245X
ISBN-13: 978-3630872452
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Amanda Sthers: Schweinezüchten in Nazareth

Amanda Sthers: Schweinezüchten in Nazareth

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Harry ist Kardiologe und hatte irgendwann genug von seinem stressigen Job. Er ist aus seinem Beruf ausgestiegen und aus Paris nach Israel ausgewandert, um sich dem Schweinezüchten zu widmen. Ausgerechnet! Jeder weiß, dass Schweinefleisch nach dem Talmud nicht zu den koscheren Speisen gehört. In einigen christlichen Regionen in Israel kann man das Fleisch dennoch vermarkten. Harry bekommt zahlreiche Vorwürfe und Belehrungen von einem Rabbi, mit dem er sich harte aber im Kern doch freundschaftliche Auseinandersetzungen per E-Mail liefert. Da geht es nicht nur um das koschere Essen, sondern um alle essenziellen Fragen des Lebens.

Eingerahmt von den Disputen zwischen Moshe und Harry erlebt man daneben eine zerstrittene Familie. Sie besteht aus Harry, seiner Frau Monique, dem Sohn David und Annabelle. Letztere verliebt sich immer in die falschen Männer und bleibt ewig unzufrieden alleine. Monique, die Mutter, lebt weiterhin in Paris, wo sie ihre beiden Kinder David und Annabelle nach der Trennung vom Vater Harry alleine aufgezogen hat.

In diesem Buch passieren skurrile Geschichten. Die Familie Rosenmerck ist überworfen mit einander und teilt sich dennoch in E-Mails und Briefen alles mit, was wissenswert ist. David ist Theaterautor und schwul und sehnt sich stets nach der Liebe und Anerkennung seines Vaters, die dieser ihm jedoch konstant verweigert. Dass er insgeheim ein ganzes Zimmer mit Requisiten des Sohnes besitzt, wird nur durch die versteckte Recherche der Schwester Annabelle publik.

Auch so kann Familienleben sein: verstörend, einander immer wieder insgeheim umwerbend und doch an allem vorbei agierend. Amanda Sthers versteht etwas von der Psyche der Menschen. Nur so konnte sie eine Geschichte erfinden, in der Sehnsüchte, geheime Wünsche an den jeweils anderen, Enttäuschungen und gegenseitige Scheu das Zusammenkommen verhindert. Ein wenig Melancholie und unverhohlene Trauer mischen sich in den regen Mailaustausch aller Beteiligten, so dass nichts erfunden sondern wie aus dem richtigen Leben zu stammen scheint. Amanda Sthers liebt die geistreiche Rede, und Ironie und lakonische Redewendungen tragen ihren Teil zur Unterhaltung bei. Sie geben ihrer Erzählung den farbigen Anstrich, mit der sie zu einem ausnehmenden Lesevergnügen wird.

Amanda Sthers
Schweinezüchten in Nazareth
192 Seiten, broschiert
Luchterhand Literaturverlag, Juni 2011
ISBN-10: 3630873626
ISBN-13: 978-3630873626
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John Irving: Letzte Nacht in Twistet River

John Irving: Letzte Nacht in Twistet River

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Der große alte Mann der amerikanischen Erzählkunst hat mit diesem Roman erneut seine ausufernde Fabulierkunst unter Beweis gestellt.

Er breitet seine Geschichten gerne langsam und mit vielen Vorläufen vor uns aus.

So trifft man den Koch Dominic und seinen Sohn Danny hoch oben am Twistet River zwischen Holzfällern und groben Kerlen an. Woher Dominic stammt, wie es zu einer Verkrüppelung seines Beines kam, und wie er zum Koch wurde, das wird in der Erzählung erst später aufgeschlüsselt, denn zuerst geht es einmal um die Atmosphäre im Holzfällermilieu.

Danny ist zwölf, und er ist neugierig. Er lebt bei seinem Vater, denn seine Mutter ist tot. Ihr Tod bleibt vorläufig ein Geheimnis. Langsam, beschaulich und wenig spektakulär verläuft das Leben von Vater und Sohn, in dem allenfalls der frühe Unfalltod des jungen Kanadiers Angel im Fluss für Aufregung sorgt.

Mit sich steigernder Intensität nähert sich John Irving dem eigentlichen Plot: in dem wilden Milieu der Holzfäller kommt es immer wieder zu Sauf- und Sexexzessen. Zu karg und schwer ist das Leben, als dass das Wochenende nicht zu ausufernder Triebbefriedigung herhalten muss. Anlässlich eines solchen Abends geschieht ein Unglück bei Dominik im Haus: sein Sohn Danny verwechselt Indianer Jane beim Beischlaf mit seinem Vater mit einem Bären und erschlägt sie mit einer Bratpfanne! Zu allem Unglück ist sie die Geliebte des Dorfpolizisten, und seine Rache ist ihnen gewiss!

So beginnt ein Leben auf der Flucht für Vater und Sohn, das sie weit herumkommen lässt von Boston nach Vermont, Iowa und zuletzt nach Kanada. In großen Zeitabständen nehmen wir an der jahrelangen Flucht der beiden teil.

Danny will Schriftsteller werden; ist das als symbolische Annäherung an den Autor zu verstehen?

Die geschilderten Typen im Holzfällerlager sind von markiger Herzlichkeit zugleich grob und rau, feinfühlig und  burschikos: die Palette ist breit, mit denen Irving seine Figuren agieren lässt. Die Abenteuer von Vater und Sohn auf der Flucht füllen Seite um Seite.

Am Ende zeigt John Irving wieder einmal seine großartige Fähigkeit, stimmungsvolle Schilderungen über Land und Leute zu entwerfen, mit denen ihn die Komik des Augenblicks, die Liebe, der Humor und das Leben mit seinem ganzen Facettenreichtum verbindet. Teilweise melancholisch, weise und klug unterhält uns John Irving in alt bekannter Weise. Danny und Sixpack erinnern sich zuletzt an den alten Freund Ketchup mit den Worten: „Wir versuchen, uns unsere Helden am Leben zu erhalten; deshalb erinnern wir uns an sie“. Dieses Motto könnte vielen Werken von John Irving vorangestellt sein.

Etwas breit angelegt und Geduld fordernd ist die ausufernde Schilderung. Irving-Liebhaber werden auf ihre Kosten kommen, wenn der Autor auch schon bessere Romane verfasst hat.

John Irving
Letzte Nacht in Twistet River
736 Seiten, gebunden
Diogenes, Mai 2010
ISBN-10: 325706747X
ISBN-13: 978-3257067477