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Kategorie: Belletristik

Dieter Forte: Als der Himmel noch nicht benannt wurde

Dieter Forte: Als der Himmel noch nicht benannt wurde

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In einem fast traumähnlichen Zustand geht ein Schriftsteller durch eine alte Bibliothek.
Hier verstecken sich Folianten und erste Schriftaufzeichnungen längst vergangener Zeiten.

Im Wechsel zur Bibliothek sieht man sich immer wieder ins Endlose geworfen, wo wir auf die alten Fragen der Menschheit treffen: woher kommen wir, wohin gehen wir und wer sind wir?

Mit kurzen Worten werden Andeutungen gemacht, wie die Welt entstand, wie Himmel, Mond und Sterne, die Nacht und der Tag.

Es ist ein Gemisch aus mythischen Begebenheiten, biblischen Aussagen, Anklängen an erste Aufzeichnungen überhaupt und die Menschheit in ihren allerersten Anfängen. „Aus Erzählungen entsteht Erinnerung, aus Erinnerung Vergangenheit“. Die Sprache aber machte den Menschen erst zum Menschen. Feststellungen dieser Art findet man fast auf jeder Seite dieser kleinen Geschichte.
So auch diese: bei Ovid steht “Bevor es Meer gab und Land und Himmel war nur das Chaos“.

Man könnte die Erkenntnis über das Menschsein auch so definieren, dass aus Chaos die Schöpfung entstand.

Wie Dieter Forte seine Aufzeichnungen angeht, das ist assoziativ und doch aufklärend.
Menschliche Weisheit durchzieht sein Büchlein in Form aneinander gereihter Hinweise auf die Entstehungsgeschichte der Menschheit. Da sieht man hinter Schleiern Galileo Galilei vorbeiziehen, alte Götter und Gelehrte und die zahlreichen Philosophen und Mystiker vieler Jahrhunderte. Das Alles in einer hinreißenden Sprache, zart, wissend und zuweilen verwischend, weil es keine endgültigen Antworten gibt.

Wie ein Schriftsteller auf 91 Seiten die ganze Geschichte der Menschheit in kurzen Momenten durchläuft, das ist meisterhaft! Mehr lässt sich dazu nicht sagen!

Dieter Forte
Als der Himmel noch nicht benannt war
96 Seiten, gebunden
FISCHER, Februar 2019
ISBN-10: 3103972202
ISBN-13: 978-3103972207
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Herman Koch: Einfach leben

Herman Koch: Einfach leben

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In einer sehr munteren und ansprechenden Weise lehrt uns Herman Koch, dass das Leben doch nicht immer so einfach ist, wie der Titel zu versprechen scheint.

In diesem kleinen Roman spielt der Schriftsteller Tom Sanders die Hauptrolle. Er ist ein erfolgreicher Autor von zahlreichen Ratgeberbüchern. Mit Julia ist er glücklich verheiratet. Sein Beruf hat ihn erfolgreich, zufrieden und wohlhabend gemacht. Die beiden erwachsenen Söhne sind längst verheiratet und haben selber Kinder.
Dennis, der ältere Sohn, lebt weit weg in Kanada! Sollte dessen weit entfernter Wohnsitz etwa etwas mit dem Schreiben und Leben seines Vaters zu tun haben? Man wird sehen!

Tom und Julia schauen argwöhnisch auf die Schwiegertochter Hanna, die ihren Sohn Stefan zu dominieren scheint. Die Enkelkinder werden nach den strengen Prinzipien ihrer Mutter gesund und ordentlich erzogen.

Die Überraschung passiert, als Hanna eines Tages mit verschwollenem Gesicht bei Tom erscheint. Alles deutet darauf hin, dass Stefan sie misshandelt hat! Da fährt Tom seine Antennen aus und denkt sich als Ratgeber einen Plan zum Handeln aus.

In leicht ironischem Ton und mit witzigen Zwischenbemerkungen versteht Herman Koch, uns teilhaben zu lassen an der guten Ehe von Tom und Julia. Er lässt Julia als die Überlegene daherkommen, die Tom gelegentlich ein wenig auf den Arm nimmt. Sie hat den genauen Blick auf die Menschen und macht sich so schnell nichts vor. Kleine Geselligkeiten und nette Diskussionen beleben die Geschichte. Alle Gedanken scheinen von Lebensweisheiten durchströmt. Tom hat aber auch für alles eine Lösung parat!
Ist Tom nicht ein wenig zu sehr ein „Besserwisser“?

Man staunt und wundert sich, dass alles wirklich so glattgehen soll. Wäre da nur nicht die unzufrieden wirkende Schwiegertochter!

Hier passiert nun wirklich das große Malheur, das alle bisher ausgesprochenen Weisheiten auf den Kopf stellt.

Herman Koch hat eine herrliche Satire auf die Gesellschaft, ihre Zwänge und Lügen geschrieben. Er stellt all’ die klugen Lebensweisheiten am Ende auf den Prüfstand. Man amüsiert sich köstlich und ist gerührt, wie kleinlaut Tom am Ende dasteht.

Die Lebensregeln, die am Ende noch einmal aufgelistet werden, hören sich sehr praktikabel an. Im wahren Leben gelingt die Umsetzung aber nicht immer so ohne weiteres.

Dieser kleine Roman ist heiter, amüsant und leichtlebig und enthält dennoch einige wirklich gute Einsichten. Man kann die Lektüre guten Mutes und uneingeschränkt empfehlen.

Herman Koch
Einfach leben
Taschenbuch, 112 Seiten
KiWi-Taschenbuch, Juni 2019)
ISBN-10: 3462052101
ISBN-13: 978-3462052107
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Katharine Dion: Die Angehörigen

Katharine Dion: Die Angehörigen

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Es handelt sich in diesem Roman um eine Familiengeschichte der besonderen Art.
Genes Frau ist kürzlich verstorben. Nicht ihr plötzlicher Tod wird von Katharine Dion analysiert, sondern durch die Augen und Worte seiner Freunde und seiner Tochter lernt Gene, der Icherzähler, eine Frau kennen, von der er in dieser Form nichts wusste.

Sie hatten ein gutes, bescheidenes und auskömmliches Leben. Noch aus gemeinsamen Studienzeiten stammt die Freundschaft zu Ed und Gayle. Sie haben zusammen Urlaube verbracht, haben nach und nach ihre Kinder bekommen, zu denen sich inzwischen noch Enkel und Enkelinnen gesellten, und fühlten sich in dieser Gemeinschaft geborgen. Das waren „die Angehörigen“ als Ersatz für die nicht vorhandenen wirklichen Angehörigen.

In der Vorbereitung auf eine Gedenkfeier für die verstorbene Maida, Genes Frau, treffen alle zusammen. Gene ist verwirrt, fühlt ich einsam und ist verunsichert, wie unterschiedlich die Berichte über Maida klingen. Zwischen seiner Tochter Dary und ihm herrscht ein angespanntes Verhältnis.

Inzwischen lässt Gene seine Gedanken zurückschweifen, und man erfährt einiges über sein gemeinsames Leben mit Maida. Sie waren 49 Jahre verheiratet. Die Fragen, die sich für Gene aufwerfen, sind existenziell, weil er sie sich so noch nie gestellt hat. Standen sich Ed und Maida näher, als er dachte? Ist Dary womöglich nicht seine Tochter?
Insgesamt ist er verunsichert, scheu und ratlos. Eine kurze von ihm allzu ernst genommene Beziehung zu seiner Putzfrau zeigt einen einsamen alten Mann, der sich ratlos durchs Leben bewegt.

Katharine Dion hat mit diesem Debütroman ein reifes und ansehnliches Werk geschaffen. Die nachhaltigen Fragen und Gefühle, die sie aufzeigt, bringen auch den Leser zum Nachsinnen. Unwillkürlich fragt man sich: wie war das denn bei Dir? Man fühlt mit Gene mit, der in Trauer erlebt, dass er seine Tochter gar nicht richtig kennt und versteht. Die vielen Szenen und Bilder, seien sie aus der frühen Zeit seiner Ehe oder in den späteren Jahren, werfen ein farbiges Bild auf eine Gesellschaft, in der nach außen hin alles in Ordnung erscheint. Aber gibt es nicht auch die Schattenseiten des Lebens? Die schmerzlichen Erfahrungen, Entbehrungen und das Ungesagte? K. Dion findet die richtigen Worte, mit denen sie den Fragen nachgeht. Sie bringt uns das Geschehen nahe und lässt uns teilnehmen an einem Leben, das durch den Tod einen schmerzlichen Bruch erlebt.

Das Buch ist nicht spannend aber in seinen Ausführungen z.T. sehr tiefsinnig. Wer sich für die Psyche des Menschen, seine Abgründe und die nach außen gezeigte Eintracht fasziniert fühlt, der wird mit diesem Roman belohnt für ein wenig Ausdauer, die durchaus erforderlich ist.

Katharine Dion
Die Angehörigen
288 Seiten, gebunden
DuMont Buchverlag, April 2019
ISBN-10: 3832198946
ISBN-13: 978-3832198947
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Leila Slimani: All das zu verlieren

Leila Slimani: All das zu verlieren

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Ein sehr unglückliches Wesen bildet die Hauptfigur dieses kleinen Romans.

Adèle ist Mitte dreißig. Sie hat alles was sie will: einen netten Mann, den Arzt Richard, ihren kleinen Sohn Lucien und ein auskömmliches Leben. Aber all das genügt ihr nicht!
Sie selbst ist eine lustlos ihrer Arbeit nachgehende Journalistin.

Immer auf der Suche nach dem großen Glück stürzt sie sich von einer Liebschaft in die nächste. Von der Sexualität erwartet sie sich die letzte große Erfüllung. Das lässt sie von einem Mann zu anderen taumeln, denn sie bekommt nicht, was sie sucht.
Sie scheut keine Mühen, sich heimlich auf die Suche nach dem besten Liebhaber zu machen.
Dazu gehören die Heimlichkeiten, die Lügen, die Langeweile einer Ehe, die im täglichen Einerlei versinkt und die brutalen Fantasien, mit denen sie Befriedigung zu erreichen trachtet.

Leila Slimani hat ein Gespür für die abartigen Charaktere und die innerlich kaputten Menschen, die in krankhafter Weise dem Glück hinterherlaufen. Das hat sie schon mit ihrem Roman „Dann schlaf auch Du“ bewiesen. Diese innerlich zerbrochenen Frauen bieten reichlich Anlass, einmal psychologisch den Ursprüngen ihrer verkorksten Vergangenheit nachzugehen.

Doch leider ist hier die Ursachenforschung nur wenig ergiebig.

Die Sexsucht ist eine Krankheit. Sie wird nur selten erkannt und als solche benannt.

Die ausschweifenden Fantasien und immer neuen Versuche, sexuelle Erfüllung zu erlangen, misslingen gründlich. Hier wird eine Frau beschrieben, die sich selbst nicht lieben kann und damit auch niemanden sonst. Ihr Mann und der Sohn bleiben auf der Strecke. Richard ist als Chirurg nicht geschult genug, um die Defizite im Charakter seiner Frau wahrzunehmen und entsprechende Schritte zu unternehmen, sie in eine Heilbehandlung zu vermitteln. Auch er hat Defizite, denn er stellt sich nicht wirklich der Realität. Er ergeht sich in Träumen, die ihn seine Frau zurückgewinnen lassen könnten und richtet den Blick auf eine Zukunft, in der sie als altes Paar noch ein wenig Glück bei einander finden würden. So dümpeln alle Figuren und besonders Adèle in ihrer Sehnsucht nach Erfüllung und vor allem nach Liebe vor sich hin.

Berücksichtigt man die Herkunft von Leila Slimani aus Marokko, so ist dieses Werk eine Provokation gegen die traditionsreichen und hierarchisch geordneten Verhältnisse ihres Ursprungslandes. Dazu aber ist die Geschichte zu westlich orientiert angelegt, so dass man keinen Ansatz für einen Zusammenhang erkennt.

Der LeserIn wird den endlosen sexuellen Gelüsten der Hauptprotagonistin ausgesetzt, und es bietet sich keine Gelegenheit nach Entlastung und Leichtigkeit. All das zu verlieren bleibt die einzige Alternative. Eine traurige, düstere und lüsterne Atmosphäre macht die Lektüre schwer verdaulich. Es gibt nur den Untergang, keine Hoffnung.

Leila Slimani hat schon eindrucksvollere Einblicke in ihr Können geboten!

Leila Slimani
All das zu verlieren
224 Seiten, gebunden
Luchterhand Literaturverlag, 13. Mai 2019
ISBN-10: 363087553X
ISBN-13: 978-3630875538
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Philippe Blondel: Ein Winter in Paris

Philippe Blondel: Ein Winter in Paris

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Der Held der Geschichte heißt Victor und berichtet in der Ichform. Er stammt aus der Provinz und studiert an einem berühmten Lycée in Paris, wo er die Zulassung zum Studium erlangen will. Die Bedingungen des Studiums sind schwer. Man schuftet und schaut nicht rechts noch links, doch der Preis ist die Einsamkeit. Victor ist scheu, zurückhaltend und kommt nur einem Mitschüler näher: Mathieu, der eine Klasse unter ihm ist.

Eines Tages in einer Kurzschlusshandlung bringt Mathieu sich um! Er stürzt sich die Treppe im Lycée hinunter.
Die Schüler und Lehrer und der Rektor der Schule sind aufgewühlt und ratlos! Wie konnte das passieren?

Blondel erzählt einfühlsam und eindrücklich, wie das Klima in diesen Lernbetrieben ist.
Die Lehrer erscheinen entrückt und unnahbar.

Wenn man nicht in Paris zu Hause ist und nicht aus begütertem Elternhaus stammt, tut man sich schwer, Anschluss zu finden. Diese Einsamkeit durchströmt die ganze Erzählung. Atmosphärisch dicht und nachvollziehbar sieht man die Studenten in ihrem Treiben, ihren zaghaften Annäherungsversuchen und in ihrem Scheitern.

Victor erfährt nach dem Suizid von Mathieu eine ungewohnte Aufwertung als Mitglied der Schulgemeinschaft. Man erhofft sich von ihm Aufschluss über die Gründe für den Suizid.

Er erfährt ein ungewohnt hohes Interesse, denn man möchte mehr über ihn und über Mathieu erfahren. Ein schwuler Mitschüler ist besonders an allen Vorgängen interessiert.

Die Geschichte handelt vom Aufbruch aus der Kindheit und Jugend zur Erwachsenenwelt, zur Befreiung von elterlicher Gängelei und ungewohnter Freiheit und von den Erfahrungen mit ersten sexuellen Begegnungen.
Blondel erzählt aber auch von Eltern und Kindern, von den Gefühlswallungen in der Jugend, von Trennungen, Abschieden und von den stillen Stunden des Alleinseins, in denen man die Gedanken ordnet und von den Versuchen, im Leben Fuß zu fassen.

Victor wird zum Dreh- und Angelpunkt einer menschlichen Tragödie. Nachdem er sich gefangen hat, beginnt sein eigenes Leben. Er wird Schriftsteller. Diese vorliegende Erzählung, geschrieben wie eine fiktive Biographie, führt ihn nochmal zurück in seine Jugendjahre und in die Aufbruchszeiten seines eigenen Lebens.

Der Roman ist leicht melancholisch und tief einprägsam: zeigt er doch die Bewegungen, die das Wachsen und Gedeihen mit sich bringt. Sie können sich zum Guten wenden oder durch die Klippen des Lebens traurig enden.

Sehr lesenswert!

Philippe Blondel
Ein Winter in Paris
192 Seiten, gebunden
Deuticke Verlag, September 2018
ISBN-10: 3552063773
ISBN-13: 978-3552063778
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Gérard Salem: Du wirst an dem Tag erwachsen, an dem du deinen Eltern verzeihst

Gérard Salem: Du wirst an dem Tag erwachsen, an dem du deinen Eltern verzeihst

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Gérard Salem beschreibt in seinem hier vorliegenden Roman die Konsultation eines Klienten, der mit seiner Familie seit sieben Jahren keinen Kontakt mehr hatte, nun in einer Ehescheidung steckt und seine zwei Söhne nicht mehr sehen darf.

Mit dem Rat, seinen Eltern einen Brief zu schreiben, beginnt die Lawine einer Familienbeziehungsgeschichte, die selten so präzise beschrieben zu finden ist.

Die bewusst gewählte Form handgeschriebener Briefe ermöglicht eine ganz ungewohnte Möglichkeit der gegenseitigen Wahrnehmung. Nach und nach sind zuerst die Mutter, dann der Vater, Geschwister aller Generationen und weitere entfernte Verwandte einbezogen in die Rückschau eines Familienlebens, in der jeder eine unterschiedliche Sicht des Zusammenlebens präsentiert. Alte Wunden brechen auf, vorsichtige Annäherungen finden statt, und man wird zuletzt ganz in den Bann einer Familienkonstellation hineingezogen, in der so manches irrig wahrgenommen und verschoben betrachtet wird.

Es kommunizieren zuerst einmal Boris, des Therapeuten Klienten Nr.1, mit seinem Therapeuten. Nach dessen Anschub zum Familienaustausch gerät die ganze Familie in den brieflichen Bann gegenseitiger Auseinandersetzungen. Nicht immer sind alle Namen gut zu unterscheiden, denn zuletzt schreiben Onkel, Tanten, Neffen, Cousins und Cousinen mit, so dass ein weit ausholendes und abgerundetes Bild der Familienkonstellation entsteht.

Die Schwester von Boris, Charlotte, ist Ärztin, und schaltet sich gewissermaßen als wissende Moderatorin und doch auch selbst Betroffene in die ganze Geschichte mit ein.

Familiendynamiken sind oft faszinierend, zuweilen erschreckend, fast immer spannend, häufig Unglück widerspiegelnd und selten so gut lösbar, wie das in dieser Geschichte passiert. Man kann eigene Erfahrungen wiedererkennen und die, die man bei anderen beobachtet. Es ist eine lehrreiche Geschichte, die man mit großem Interesse verschlingt.

Gérard Salem war Psychiater und Hypnosetherapeut in Lausanne und hatte sich auf Familientherapie spezialisiert. Er hat Sachbücher verfasst und an internationalen Kongressen teilgenommen Dem Buch merkt man seine Fachkompetenz an. Hier spricht einer aus langer Erfahrung, so dass keinen Moment der Eindruck eines künstlich angelegten Romans entsteht.

Das Leben schreibt die besten Romane, und wenn die Geschichte auch als fiktiv deklariert ist, lässt sich dieses mit Fug und Recht hier sagen.

Gérard Salem
Du wirst an dem Tag erwachsen, an dem du deinen Eltern verzeihst
206 Seiten, gebunden
DuMont Buchverlag, April 2019
ISBN-10: 3832183752
ISBN-13: 978-3832183752
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J. Courtney Sullivan: Aller Anfang

J. Courtney Sullivan: Aller Anfang

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Celia, Bree, Sally und April gehören zu den Neuen am Smith College in Northampton, an dem nur Frauen zugelassen sind. Sie finden in diesem ersten Jahr zusammen und werden Freundinnen, einfach weil ihre Zimmer beieinanderliegen und sie in derselben Situation sind. Sie fühlen sich sofort verbunden. Dabei sind sie sehr unterschiedlich. Celia kämpft gegen Heimweh, Bree ist verlobt, Sally hat den Tod ihrer Mutter zu verkraften und April ist durch und durch Feministin. Es geht munter zu in ihrer Gemeinschaft, die fast schon die Familie ersetzt. Das aufregende Alltagsleben im College wird in all seinen Facetten von der Autorin beschrieben. Es ist eine eigene und etwas abgeschottete Welt. Eine Welt ohne Männer.

Jede der jungen Frauen, muss für sich klären, wohin die Zukunft führen soll. Jede hat die Wahl oder auch nicht. Manchmal spielt das Schicksal die Karten aus, zeigt verschiedene Wege auf oder lässt vermeintlich keine Alternative.

Der Zusammenhalt geht weit, aber nicht so weit, dass keine eigenen Entscheidungen getroffen werden können. Jede der vier jungen Frauen möchte akzeptiert werden, so wie sie ist. Doch es wird natürlich auch bewertet, was die andere tut und ein Urteil gefällt. Das geschieht nicht immer mit Respekt, sondern auch mal verletzend. So wird es nach dem Studium schwierig. Die Freundschaften innerhalb der Gruppe werden auf die Probe gestellt. Andere Meinungen können wichtig sein und Sichtweisen ändern. Doch gerade als es drauf ankommt, sind die Freundinnen aufgrund einer Unstimmigkeit nicht mehr uneingeschränkt füreinander da.

Die Autorin wechselt oft die Perspektive. Sie erzählt über Celia, Bree, Sally und April in eigenen Kapiteln bzw. lässt sie erzählen. So erhält man als Leser einen umfassenden Einblick in diese ungewöhnlich tiefe Freundschaft und kann die Handlungen, Sichtweisen und Entscheidungen der jungen Frauen nachvollziehen und verstehen. Es geht nicht darum, diese zu bewerten, sondern vielmehr darum, sich anzunähern. Die Autorin geht der Frage nach, wie es der Frauengemeinschaft gelingen kann, auch nach dem Studium, ohne das ständige Zusammensein, ihre Freundschaft aufrechtzuerhalten.

Rezension von Heike Rau

J. Courtney Sullivan
Aller Anfang
Aus dem Englischen von Henriette Heise
432 Seiten, gebunden
Deuticke Verlag
ISBN-10: 3552063951
ISBN-13: 978-3552063952
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Ernst Molden: Das Nischenviech – Die wilden Tiere meines Lebens

Ernst Molden: Das Nischenviech – Die wilden Tiere meines Lebens

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Die Wildnis ist überall. Nur wer schaut schon genau hin, wenn es um Tiere geht, die ein Nischendasein führen? Ernst Molden, Schriftsteller und Musiker, tut es! Mit großem Interesse erforscht er die Tierwelt in seiner Umgebung. Er sieht, was andere nicht sehen, recherchiert in Bestimmungsbüchern und hat sich so ein breites Wissen angeeignet. Seine Erlebnisse und Erkenntnisse hat er zu Kurzgeschichten bzw. Kolumnen aufgearbeitet und mit Wissenswertem untermalt. So hat man als Leser Anteil an seinen Erkundungsgängen und den alltäglichen sowie den fast schon spektakulären Entdeckungen.

Das Buch ist in vier Kapitel, die sich nach den Jahreszeiten richten, unterteilt. Jedes wird von einer Zeichnung geschmückt.

Diese erzählenden Porträts sind faszinierend. Der Autor begegnet den Tieren nie mit Abneigung. (Nun gut, der Höckerschwan macht eine Ausnahme, aber dafür kann er nichts.) Vielmehr steht jedem Lebewesen interessiert beobachtend gegenüber. Dabei ist er nicht scheu! Oft wird eine wunderbare Freude offenbart, besonders bei seltenen Begegnungen.

Ich habe eine vergnügliche Zeit mit dem Buch verbracht. Ernst Molden weiß sich auf unterhaltsame Weise auszudrücken und er hat Sinn für Details. Er regt damit zu mehr Achtsamkeit der Natur gegenüber an. Und dazu gehören nun mal nicht nur Amsel und Eichhörnchen, sondern auch Ohrenschliefer und Gemeine Feuerwanze. So manches, was man über diese Tiere hört, gehört ohnehin ins Reich der Mythen.

Die Geschichten haben auch eine persönliche Note. Denn oft ist Molden mit der ganzen Familie unterwegs. Auch der Urlaub wird für Tierstudien genutzt. So wird manche Entdeckung gemeinsam gemacht. Selbst das eigene Heim wird von Nischenviechern heimgesucht. Stubenfliege, Silberfischerl … Auch sie haben eine kleine Geschichte verdient. Der Autor hat hier eine eigene Auswahl getroffen, die natürlich nicht den Anspruch hat, vollständig zu sein.

Rezension von Heike Rau

Ernst Molden
Das Nischenviech – Die wilden Tiere meines Lebens
Illustrationen von Helmut Pokornig
Nachwort von Carl Manzano
176 Seiten, gebunden
Deuticke Verlag
ISBN-10:3552063935
ISBN-13:978-3552063938
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Máxim Huerta: Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta

Máxim Huerta: Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta

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Die Anzeige des Pariser Blumenhändlers Dominique Brulé lockt Violeta in den Blumenladen. Die junge Spanierin ist aus Verzweiflung nach Paris gekommen. Ihr Freund hat eine andere und mit ihren Eltern versteht sie sich nicht. Sie bekommt die Arbeit, weil ihr Name an eine Blume erinnert, so wie Monsieur Dominique das gerne wollte. Aber die junge Frau ruft auch Erinnerungen an seine große Liebe wach. Er hat Julie, die jung verstorben ist, nie vergessen. Violeta ist froh, nun ein Auskommen zu haben, zumal Monsieur Dominique ein sehr freundlicher alter Mann ist.

Jeden Tag kommen zwei alte Damen in den Laden. Mercedes und Tilde, beide stammen ebenfalls aus Spanien, kämpfen gegen ihre Einsamkeit. Auch Dominique kennt dieses Gefühl nur zu gut. Das Leben geht dem Ende entgegen. So ist das leider nun mal. Doch Violeta ist jung! Genau wie die drei alten Menschen hat auch sie ein Geheimnis. So beginnt etwas Neues. Und die ältere Generation mischt sich auf liebenswerte Weise ein und baut Brücken für Violeta.

Ältere haben die Lebenserfahrung, die jungen Leuten fehlt. So ist das Buch voll von gut gemeinten Lebensweisheiten, einfühlsamen Botschaften und liebevollen Gesten. Lebenswege kreuzen sich, gehen auseinander oder ineinander über. Aus einer alten Geschichte entwickelt sich eine neue.

Das Buch ist auf eine bezaubernde Art geschrieben, die vor allem romantisch veranlagten Lesern gefallen wird. Schon wie Monsieur Dominique an seinem Blumenladen gekommen ist, ist schicksalhaft. Die Blumen sind ihm Trost und Hoffnung. Auch Violeta spürt diese magische Anziehungskraft. Damit ist der Blumenladen in Paris die perfekte Kulisse als Dreh- und Angelpunkt.

Der Erzählstil ist elegant, verträumt und märchenhaft. Nur die Zeitsprünge sind etwas schwierig einzuordnen und stören den Lesefluss ein bisschen. Aber das Buch lebt nun mal auch von Erinnerungen, Träumen und Vorstellungen. Immer schwingt eine gewisse Melancholie mit, die wunderbar passend ist.

Rezension von Heike Rau

Máxim Huerta
Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta
Aus dem Spanischen von Anja Rüdiger
360 Seiten, gebunden
Thiele Verlag
ISBN-10: 3851793773
ISBN-13: 978-3851793772
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Mathijs Deen: Unter den Menschen

Mathijs Deen: Unter den Menschen

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Jan wohnt allein auf einem abgelegenen Bauernhof an der Nordsee. Seine Eltern hatten ihm dem Hof übergeben und waren ins Dorf gezogen. Aus ihren Reiseplänen ist nichts geworden. Sie sind bei einem Unfall ums Leben gekommen. Von seiner Mutter ist ihm ein tägliches Mittagessen geblieben. Die Gefriertruhen sind voll davon. Das Essen hilft allerdings nicht gegen die Einsamkeit, schon gar nicht im Winter, wenn es nichts zu tun gibt auf dem Hof. Wie gerne hätte er eine Frau! Tatenlos ist er nicht, der Bauernsohn gibt eine Anzeige auf.

So kommt Wil auf seinen Hof. Jan weiß nicht, dass sie keinen Mann und keine Liebe sucht. Sie will ihre Ruhe und in einem Haus am Meer leben. Sie ist bereit, sich ein Stück weit anzupassen. Sie hat sich eine Identität verpasst, die Jan gefallen muss. Und was ihm gefällt, so glaubt sie, hat sie erkannt. Ohne dass er es weiß, hat sie ihn auf die Probe gestellt.

Von Anfang an besteht eine große Distanz zwischen den Figuren. Das stellt der Autor gut dar. Wil und Jan reden nicht viel. Jeder hat seine eigenen Probleme. Wil hat nicht vor sich auf Jan einzulassen, und Jan merkt, dass er vorsichtig mit ihr umgehen muss. Er ist ein gutmütiger Mensch, der viel verzeihen kann. Dennoch ist es ein seltsames Miteinander. Und man kommt nicht umhin, darüber nachzudenken, was eine gute Beziehung eigentlich ausmacht.

Der Schreibstil wirkt recht nüchtern. Die Handlung ist auf Wesentliches begrenzt. So scheint das Buch wie seltsames Experiment. Und trotzdem geht die Geschichte zu Herzen. Jan und Wil tun sich schwer damit, aber sie nähern sich, aus Mangel an besseren Möglichkeiten, auf eine subtile Weise aneinander an. Es ist faszinierend, das zu beobachten und sich auszumalen, wie es weitergeht. Es ist kaum vorstellbar, dass die beiden zusammenbleiben. Aber die Alternative ist ja, wieder in das alte Leben zurückzukehren und das will auch keiner. Die merkwürdige Beziehung entwickelt sich also fort. Und wie es so ist, keine Entscheidung zu treffen, ist auch eine Entscheidung.

Rezension von Heike Rau

Mathijs Deen
Unter den Menschen
Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke
192 Seiten, gebunden
Mareverlag
ISBN-10: 3866482809
ISBN-13: 978-3866482807
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