Saskia Noort: Das dunkle Haus

Saskia Noort: Das dunkle Haus

Maria hat schon zwei Kinder, als das dritte sich ankündigt. Ganz allein entscheidet sie sich, abzutreiben. Dann bekommt sie diese merkwürdige anonyme Karte. Mit wütenden Worte wird ihr vorgeworfen, ihr Kind ermordet zu haben. Sie glaubt, die Karte stammt von Geert. Er ist der Vater von Wolf und wäre auch der Vater von diesem Kind gewesen. Doch als sie ihn zur Rede stellt, ergreift ihn Bestürzung. Doch wer sonst könnte es auf Maria abgesehen haben? Ihr Exmann Steve vielleicht, der Maria ein Jahr nach Merels Geburt verlassen hat? Sie hält es für unwahrscheinlich, obwohl er wenig später wieder in ihr Leben tritt.

Der Umschlag mit den Fotos wirft sie völlig aus der Bahn. Wer kann nur so herzlos sein und ihr so etwas antun. Nach einem Auftritt, Maria arbeitet als Sängerin, bekommt sie ein Päckchen mit einem toten Tier. Nur Geert vertraut sie sich an. Der will sie und die Kinder nun nicht mehr allein lassen. Doch Maria will die gescheiterte Beziehung nicht wieder beginnen. Schließlich geht sie zur Polizei. Doch so richtig ernst genommen wird sie dort nicht. Es wird keine Untersuchung eingeleitet werden, so lange nicht wirklich etwas passiert ist.

Die Angst, die Maria verrückt macht, ist kaum noch auszuhalten. Die Bedrohung wird immer krasser. Eines Morgens steht ein Leichenwagen vor der Tür. Jemand hat beim Bestattungsinstitut angerufen. Doch noch lebt Maria. Diese Aktion bringt das Fass aber zum Überlaufen. Maria flüchtet, ohne jemandem Bescheid zu sagen, zu ihrer Schwester. Bei Ans ist auch nicht alles in Ordnung. Zwischen ihr und ihrem Mann scheint es zum Zerwürfnis gekommen zu sein. Martin ist auf und davon. Ans nimmt Maria jedoch gerne auf und kümmert sich aufopferungsvoll um die Kinder. Doch bald entbrennen zwischen den Schwestern wieder die alten Diskussionen und die Spannungen bauen sich wieder auf. Die Vergangenheit wird gegenwärtig und damit auch der schreckliche Tod der Eltern. Trotzdem fühlt Maria sich bei ihrer Schwester gut aufgehoben. Doch diese Sicherheit ist trügerisch.

Die Geschichte lässt an Spannung nichts zu wünschen übrig. Die Bedrohung, welcher Maria ausgesetzt ist, wird für den Leser sehr spürbar geschildert. Und obwohl diese sehr real für Maria ist, glaubt sie, verrückt zu werden. Sie fürchtet, dass es ihr so ergehen wird, wie ihrer Mutter, deren psychiatrische Krankenakte sehr umfangreich ist.
Die Geschichte lässt sich auch vom Schreibstil her sehr gut lesen. Die Autorin versteht es, mit diesem sehr vielschichtigen und sehr unheimlich wirkenden Roman zu fesseln. Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet. Man kann sich besonders in Maria sehr gut hineinversetzten, die sehr einfühlsam beschrieben wird. Die Spannung in diesem Buch reißt nie ab und auch das Ende ist schlüssig.

Über die Autorin:
Saskia Noort wurde 1967 geboren. Sie ist freie Journalistin und schreibt u.a. Kolumnen für die niederländische „Marie Claire“. Saskia Noort lebt lebt mit ihrer Familie am Meer.

Rezension von Heike Rau

Saskia Noort
Das dunkle Haus
Aus dem Niederländischen von Annette Wunschel
301 Seiten, gebunden
Wunderlich im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg
ISBN: 3-8052-07980-0

Bestellen

Himmel und Huhn

Himmel und Huhn

Als Hühnchen Junior unter einer alten Eiche sitzt, fällt ihm etwas auf den Kopf. Für einen Moment ist er ohnmächtig. Als er endlich wieder zu sich kommt, glaubt er, ein Stück vom Himmel muss ihm auf den Kopf gefallen sein. Das versetzt ihn in Panik. Da aber nichts weiter passiert, glaubt ihm niemand. Von da an wird Hühnchen Junior nicht mehr ernst genommen. Die ganze Stadt lacht über ihn. Nur seine Freunde, das hässliche Entlein Susi Schnatter, das Riesenschwein Ed von Speck und der Fisch Luigi Forello halten noch zu ihm, müssen aber auch unter dem Spott leiden.

Damit die Leute die Geschichte mit dem herabfallenden Himmel endlich vergessen, entwickelt Hühnchen Junior eine Idee. So fängt er an, Baseball zu spielen und ist damit zur Überraschung aller tatsächlich erfolgreich. Die Zeit vergeht und so langsam kehrt wieder Normalität ein. Bis Hühnchen Junior wieder ein Stück vom Himmel auf den Kopf fällt. Zunächst vertuscht er die Sache und erzählt nur seinen Freunden davon. Doch bald müssen alle Bewohner der kleinen Stadt, den Tatsachen ins Auge sehen, denn ein Raumschiff mit Außerirdischen landet direkt auf dem Sportplatz.

Die Geschichte um das kleine Hühnchen Junior ist sehr spannend. In der Stadt passiert etwas Unglaubliches und der Kleine ist der Erste, der damit konfrontiert wird. Zunächst glaubt ihm jedoch niemand, bis es wirklich brenzlig wird.
Der Text ist in kurze Abschnitte unterteilt. Zu jedem dieser Abschnitte gibt es ein großes Bild. Es macht viel Spaß, die sehr plastischen Zeichnungen zu betrachten. Besonders die gelungene Gestaltung der Tiere fällt auf. Es gibt viele tolle Details zu entdecken. Mit von der Partie ist sogar ein Fisch. Damit die kleine Forelle an Land leben kann, hat sie einen Taucherhelm auf. Solche witzigen Kleinigkeiten gibt es viele. Das Buch macht Lust auf den Kinofilm. Aber auch, wer ihn schon gesehen hat, wird seine Freude an diesem schönen Buch haben.

Rezension von Heike Rau

Disney
Himmel und Huhn
96 Seiten, gebunden, durchgehend illustriert
Egmont Franz Schneider, München
ISBN: 3-505-12220-3
Bestellen

Luisa

Luisa

Luisa Sanchez wird 1926 auf der kleinen Karibikinsel San Pedro geboren. Ihre Mutter ist Küchenhilfe, ihr Vater der Sohn einer reichen Plantagenbesitzerin. Dennoch heiraten beide und aus Luisa Sanchez wird Luisa la Cueva, die sogar zur Schule gehen darf. Die Familie ihres Vaters bleibt ihr jedoch verschlossen. Als deutlich wird, dass es eine Revolution geben wird, beschließt der Vater mit seiner Frau und der Tochter in die Vereinigten Staaten auswandern. Doch Luisa und ihre Mutter haben große Angst vor dieser Veränderung. Dennoch müssen sie sich dem Willen des Vaters beugen. Ihre Meinung zählt nicht.

Das Leben in New York ist nicht leichter. Der Name des Vaters ist hier nichts wert. Immer wieder muss die Familie umziehen. Es ist schwierig Arbeit zu finden und noch schwieriger, sie zu behalten. Die Mutter nimmt schließlich Kontakt zu ihrem Bruder auf, den sie neunzehn Jahre nicht gesehen hat. Weiterhelfen kann er nur bedingt. Es geht immer weiter bergab. Auch Luisa entkommt diesem Leben nicht. Sie wird Hausmädchen, obwohl sie eine Schulbildung hat, wechselt von Haushalt zu Haushalt. Sie heiratet sie und bekommt einen Sohn und lässt sich wieder scheiden. Eine Wende in ihrem Leben kann sie jedoch nicht herbeiführen. Sie schafft es nicht, das Glück beim Schopfe zu packen und einen Hauch von Beständigkeit in ihr Leben zu bringen.

Die Autorin erzählt die Geschichte aus der Sicht Luisas, die als Figur eine beeindruckende Tiefe erreicht. Doch sie erzählt auch von den Familien, bei denen sie putzt. So sind es die vielen Schicksale fremder Leute, die sich mit dem von Luisa verbinden und die das Buch so lesenswert machen, auch wenn die Geschichten der Familien in Zeiten der Weltwirtschaftskrise fast immer desillusionierend wirken. Oft tun sich wahre Abgründe auf.
Es ist ein sehr vielschichtiger Roman. Alltäglichen Begebenheiten kommt dabei besondere Beachtung zu. Geschrieben ist er mit viel Feingefühl und in einem sehr eindrucksvollen, gut zu lesenden Stil.

Über die Autorin:
Paula Fox, geboren 1923 in New York, veröffentlichte zahlreiche Kinderbücher, für die sie 1978 mit dem Hans-Christian-Andersen-Preis ausgezeichnet wurde, sechs Romane und zuletzt ihre Autobiographie „In fremden Kleidern“ und „The Coldest Winter“. Die Autorin lebt heute in New York.

Rezension von Heike Rau

Paula Fox
Luisa
Aus dem Englischen von Alissa Walser
443 Seiten, gebunden
C.H. Beck, München
ISBN: 3-406-53549-6

Bestellen

Silvesterknaller

Silvesterknaller

Rosi Nieder kombiniert in akribischer und fantasievoller Detailtreue die Porträts dreier Frauen, die seit der Kindheit Freundinnen sind, und den Ausbruch eines Vulkans in der Eifel.

Die Frauen, deren Wege seit der Schulzeit unterschiedlich verliefen, die sich zeitweise auch aus den Augen verloren hatten, werden in gedanklichen Rückblenden und gegenseitigen Eingeständnissen genauestens unter die Lupe genommen. Erst in einer Notsituation erkennen sie, was all die Jahre zwischen ihnen gestanden hatte. Heimlicher Neid war nicht ganz unbeteiligt, der aber selbst in der Schulzeit nie ausgesprochen wurde.

Sehr fantasievoll angelegt ist die Notsituation, hervorgerufen durch einen Vulkanausbruch. Während der Silvesterparty in einer Hütte in der Eifel werden die Explosionen zunächst als Silvesterknallerei abgetan, bis plötzlich die Erkenntnis gewonnen wird, dass es sich um einen Vulkan handelt, der diese Böller absetzt.

Das Geschehen wird geprägt von der Flucht und Rettung der Partygäste, die nicht ohne Dramatik verläuft.

Die Autorin hat ihre Fantasie mit dem Vulkanausbruch dadurch unterstrichen, dass sie die Handlung und das Geschehen in die Zeit 2010/2011 verlegte. Selbst von Experten wurde bereits bestätigt, dass es bei einem tatsächlichen Vulkanausbruch so aussehen könnte. Die Schilderung der Landschaft scheint nicht aus der Luft gegriffen zu sein. Ebenso wenig das Leben und die Gewohnheiten in den Eifeldörfern vor wenigen Jahrzehnten.
Ein rundum schöner Roman mit Liebe, Spannung und Abenteuer, der nicht nur den einen Eifelanern ans Herz zu legen ist. In einer filmischen Fassung könnte er vielen Ansprüchen gerecht werden.

Silvesterknaller
Rosi Nieder
Sprache: Deutsch
Broschiert – 200 Seiten – Rhein-Mosel-Verlag
Erscheinungsdatum: Oktober 2005
Auflage: 1
ISBN: 3898010252
Bestellen

Der Mondhund

Der Mondhund

Der junge Polarhund heißt Monder. Weil es ihm gelang, ein Stück vom Mond abzubeißen, besitzt er nun ganz besondere Gaben. Er ist sehr neugierig, schleicht sich auch mal von seinem Rudel weg. Von den Hündinnen jedoch wendet er sich ab. Er will keine Familie gründen, keine Verantwortung übernehmen.

So beschließt er fortzugehen. Den vielen Gefahren will er sich stellen und auch die Einsamkeit schreckt ihn nicht. Er ist darauf erpicht, seine neuen Fähigkeiten auszuprobieren. Als Mondhund versteht er die Sprache aller Lebewesen und er kann sich verwandeln.

Es ist, als folge er einem unsichtbaren Ruf. Auf seiner Reise verwandelt er sich in eine Robbe und schwimmt in den Tiefen des Meeres. Er lebt als Rabe, als Mücke und als Rentier. Er sucht nach jenem Lebewesen, das sich am glücklichsten fühlt. Auch als Mensch würde er gerne zu leben versuchen. Doch dann gibt es kein zurück mehr in die Welt der Tiere.

Es ist ein wunderbares Buch, das man gar nicht mehr aus den Händen legen mag. Geschrieben mit viel Ausdruckskraft und Intensität, durchsetzt von Legenden um die Erschaffung der Welt. Monder, der Mondhund, erlebt auf seiner Suche nach dem Glück viele Abenteuer und er hört Geschichten, die ihn beeinflussen. Der Autor schreibt mit klarer, zwischen den Zeilen auch kritisch wirkender, und dennoch sehr poetisch klingender Sprache und großer Aufrichtigkeit. So kann man sich der Magie, die dieses Buch ausstrahlt, nicht entziehen.

Über den Autor:
Juri Rytchëu, geboren 1930 als Sohn einen Jägers in der Siedlung Uëlen auf der Tschuktschenhalbinsel im äußersten Nordosten Sibiriens, ist der erste Schriftsteller des zwölftausend Menschen zählenden Volkes. Mit seinen Romanen und Erzählungen wurde er zum Zeugen einer bedrohten Kultur und eines vergessenen Volkes.

Rezension von Heike Rau

Juri Rytchëu
Der Mondhund
Aus dem Russischen von Antje Leetz
121 Seiten, gebunden
Unionsverlag, Zürich
ISBN: 3-293-00351-6
Bestellen

Eastend

Eastend

Eigentlich hat Almund Grau keine große Lust, in eine Therapie zu gehen. Doch seine Frau Kerrie überredet ihn. 20 Sitzungen in einer kleinen Gruppe sind geplant, geleitet von Diplompsychologe Friedjelm Bähr. Zunächst schweigen sich alle an. Doch bald bekommt jeder die Gelegenheit, sich darzustellen oder es zumindest zu versuchen. Almund nimmt die Sache nicht ernst. Bei den anderen stößt er bald auf Ablehnung, auch bei seiner Frau. Immer spielt er sich in den Vordergrund, gibt sich unangepasst. Er amüsiert sich gar, über die Spielchen, die der Therapeut vorgibt.

Auch Partnerschaftsprobleme, die bisher gut unter der Oberfläche versteckt lagen, kommen ans Tageslicht und werden unter die Lupe genommen. Das schafft keine Klarheit, sondern Missmut, der sich immer weiter hoch schaukelt. Es kommt zur Katastrophe, zum Bruch seiner Ehe. Kerrie kommt nicht mehr nach Hause. So reist auch Almund ab, wankt hin und her, versucht einen Selbstmord und lässt sich schließlich mehr recht als schlecht in London nieder. Er muss sich klar darüber werden, wie es weitergehen soll, seinen verlorenen Platz im Leben wiederfinden und ganz von vorn beginnen.

Das Buch fasziniert nicht nur inhaltlich, sondern auch vom Stil her. Dabei ist es die Mischung aus analysierenden, lebhaften Gedankengängen Almunds, seinen amüsierenden Beschreibungen der Gruppentherapie und seinem interessanten Blickwinkel auf das fassettenreiche Eastend Londons der 70er Jahre. Selbst die sonst so gefürchteten langen Schachtelsätze, sind wunderbar zu lesen, verleihen der Geschichte Dramatik. Der Autor versteht es, sich gekonnt auszudrücken. Die Verbitterung Almunds wird deutlich und dennoch fehlt es nicht an Ironie. Diese geht sogar sehr tief, trägt die Geschichte und fängt Almund in seiner Verzweiflung auf. Almund wandelt sich, dabei kommt ihm der Zufall zu Hilfe und plötzlich treibt die Geschichte ins Märchenhafte ab. Für den Leser ist das Buch damit unterhaltsam und wundersam zugleich.

Über den Autor:
Ernst Augustin wurde 1927 geboren. Der Arzt, Neurologe und Psychiater, der jahrelang in Entwicklungsländern arbeitete und später als psychiatrischer Gutachter in München, ist Autor einer Reihe von Romanen. Er erhielt für seine Werke beispielsweise den Kleist-Preis und den Literaturpreis der Stadt München. Ernst Augustin ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Rezension von Heike Rau

Ernst Augustin
Eastend
328 Seiten, gebunden
C.H.Beck, München
ISBN: 3-406-53548-8
Bestellen

Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Heartsdale in Georgia. Chief Jeffrey Tolliver telefoniert gerade von der Skaterbahn aus, wo er sich mit seiner Exfrau Dr. Sara Linton getroffen hat, mit seiner Dienststelle, als er Schreie von draußen hört. Er geht sofort hinaus. Dort spielt sich ein unglaubliches Szenario ab. Die 13-jährige Jenny Weaver scheint außer sich zu sein. Sie zielt auf dem Parkplatz mit einer Pistole auf einen Jungen und droht, ihn zu erschießen. Auch Dr. Linton kommt heraus. Sie hat Blutspuren an ihrer Kleidung. Jeffrey wird klar, dass es auch drinnen einen Verletzen geben muss. Trotz der angespannten Lage, versucht er das Mädchen zu beruhigen und von ihrem Plan abzubringen. Das gelingt ihm jedoch ganz und gar nicht. Die Situation eskaliert schließlich. Jeffrey muss das Mädchen erschießen, um den Jungen zu schützen.

Drinnen auf der Toilette hat sich ebenfalls eine Tragödie abgespielt. Allem Anschein nach hat Jenny Weaver ihr zu früh geborenes Baby getötet. Doch bei der Obduktion des Mädchen stellt Dr. Sarah Linton fest, dass sie nicht schwanger war. Dafür kommen andere Dinge ans Tageslicht. Jenny muss brutal vergewaltigt worden sein. Doch das ist längst nicht alles.

Was sich hinter den Kulissen der kleinen Stadt abspielt, ist unbegreiflich. So werden die Ermittler mit Dingen konfrontiert, die eigentlich nicht zu verkraften sind. Wie ein Fall gelöst wird, hängt natürlich immer auch von der Persönlichkeit der Ermittler ab. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, so dass ihre Art, den Fall anzugehen, sehr überzeugend wirkt. Das geht selbstverständlich auch ins Privatleben hinein. Die Autorin trifft dabei immer den richtigen Ton, so dass man bald den Eindruck gewinnt, die Ermittler sehr gut zu kennen. Zudem beschreibt die sehr genau, wie die Lösung des schwierigen Falles, bei dem sich wahre Abgründe auftun, voranschreitet. Die Spannung kippt dabei keine Sekunde.
Jedes Kapitel umfasst einen Tag. So lässt sich das Buch auch sehr gut Abschnitt für Abschnitt lesen, für alle die nicht viel Zeit haben.

Karin Slaughter wurde 1971 in einer kleinen Stadt in Georgia geboren. Sie lebt heute in Atlanta. Schon ihr erster Roman „Belladonna“ wurde ein internationaler Bestseller.

Rezension von Heike Rau

Karin Slaughter
Vergiss mein nicht
Thriller
Deutsch von Teja Schwaner
508 Seiten, broschiert
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg
ISBN: 3-499-23243-X
Bestellen

Zu weit draußen

Zu weit draußen

Dieses Buch ist als Roman deklariert. Unschwer aber ist zu erkennen, dass hier jemand aus tiefster eigener Erfahrung berichtet.

J. Groschupf ist das Erlebnis in diesem Roman selber widerfahren.

Er machte als Reisejournalist eine wunderbare Reise in die Wüste der Sahara im Süden Algeriens. Nach der Besichtigung uralter Höhlenmalereien soll es im Hubschrauber zurück zum Ausgangspunkt der Oase Djanet gehen.
Der Hubschrauber, in dem Groschupf saß, stürzte kurz nach dem Start ab. Er ist der einzige, der lebend herauskommt mit zu 80% verbrannter Haut.

Von Beginn der Erzählung an ist man in Bann geschlagen.
Erinnerungsfetzen an die eigenen kleinen Kinder sind die ersten Beziehungspersonen, die das ganze Buch hindurch immer wieder erwähnt werden und als ganz wichtiges Band zum Leben bestehen bleiben.
Die gescheiterte Beziehung zur Mutter der Kinder, eine hässliche Arbeitswohnung in Berlin, Erinnerungen an die Kindheit und an die gestrengen und unverständigen Eltern,–abwechselnd mit diesen Erinnerungen erblühen herrliche Bilder über den Mond und die unerbittliche Sonne in der Wüste, über die Sterne und immer wieder die faszinierende Stille an diesem entlegenen Ort.
Ganz besonders anrührend wird die stumme, ein Jahr dauernde schmerzhafte Behandlung der Wunden zu einem einmaligen poetisch – realistischen Erfahrungsbericht in diesem Buch.
Der tiefe soziale Fall zum Sozialhilfeempfänger mit allen damit verbundenen Erniedrigungen, der Kälte und Trostlosigkeit eines aus allen Bezügen des Lebens heraus Gefallenen kommt ebenso zur Sprache, wie das Unvermögen zum Verstehen derer, die die Verwandlung eines so zu einem Neuanfang Verdammten nicht nachvollziehen können.
Insgesamt wird das körperliche und seelische Leiden in einer so reflektierten, hochsensiblen und poetischen Sprache beschrieben, dass es den Leser tief berührt.
J.G. ist ein ungewöhnlicher Mann, der seinen Erfahrungen einen ganz eigenen, teilweise nur beobachtenden und teilweise gefühlsmäßig sehr scharf wahrgenommenem Stil Ausdruck gibt.
Ein höchst anrührenden Buch!
Cl.B.

Johaanes Groschupf
Zu weit draußen
Ein ungewöhnlichs und dramatiches Erlebnis
ISBN:3821857544
Bestellen

Astrid Gravert (Hrsg.): Die Küche Norddeutschlands – Klassische Rezepte aus zwei Jahrhunderten

Astrid Gravert (Hrsg.): Die Küche Norddeutschlands – Klassische Rezepte aus zwei Jahrhunderten

Nach dem im Buch gesammelten norddeutschen Rezepten wurde in einem Zeitraum von etwa Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gekocht. Die historischen Hintergründe dazu erläutert die Herausgeberin Astrid Gravert schon im Vorwort. Eine schöne Einstimmung auf die folgenden Gerichte. Dazu gehören Grützen und Mehlspeisen, Suppen, Gemüse und Eintöpfe, Fleisch, Fisch und Gebäck.

Los geht es mit Buchweizengrütze, welche in der armen Bevölkerung fast täglich auf den Tisch kam, war sie doch sehr nahrhaft und bekömmlich. Verfeinert wurde sie, wenn möglich, mit Zimt, Zucker Milch oder Früchten.
Gar nicht so unbekannt sind die „Armen Ritter“. Altes Weiß- oder Toastbrot wird in eine Mischung aus Milch, Eiern, Salz und Zucker gelegt und dann vollgesogen in der Pfanne goldbraun gebraten. Dazu gibt es beispielsweise Kompott.

Auch die Fliederbeersuppe einmal auszuprobieren, empfiehlt sich. Der schwarze Holunder ist als Heilpflanze bekannt. Der Saft der kleinen schwarzen Beeren ist ein altes Hausmittel bei Fieber und Erkältungskrankheiten. Im vorliegenden Rezept gibt es Griesklöße zur Suppe.
Auch Gemüse findet Beachtung. Empfohlen werden Gerichte mit Erbsen, Bohnen, Möhre und Steckrüben, aber natürlich auch Rezepte mit Kartoffeln oder Kohl.

In der Norddeutschen Küche wurde alles verwertet, was verfügbar war. Und wenn es nicht Frisches gab, wurde auf Trockenfrüchte als Beigabe zurückgegriffen. In der Küche Mecklenburgs war die Verwendung von Backobst und Rosinen typisch. So werden für „Mecklenburger Gefüllter Rippenbraten“ Backpflaumen verwendet.
Große Bedeutung ab dem 15. Jahrhundert gewann der Heringsfang in der Nordsee. Das schlägt sich auch in den Rezepten nieder. „Matjes in Sahnesoße“ ist nur eins davon. Aber auch anderer Fisch findet Beachtung. Es gibt Rezepte mit Aal, Hecht und Scholle. Und für viele die Traditionen pflegen, ist sicher das Rezept „Karpfen blau“ interessant.

Gebacken wird natürlich auch. Es macht sicher Spaß, sich an das Rezept vom „Rosinenstuten“ heranzuwagen oder den „Ostfriesischen Butterkuchen“ auszuprobieren.

Die Rezepte bestehen aus der Zutatenliste und den gut strukturierten und sehr verständlichen Zubereitungsanweisungen. Immer wieder gibt es Vorschläge für eine Abwandlung des Rezeptes. Das sorgt für Abwechslung und regt an, auch mal selbst die Zutaten zu variieren. Interessant sind die vielen informativen Hintergrundinformationen zu den Rezepten. Der Leser erfährt so genau, warum bestimmte Zutaten in der Region verwendet wurden, bzw. was überhaupt verfügbar war. Man erfährt, was täglich auf den Tisch kam und was nur an Feiertagen. Die Auswahl an Rezepten im Kochbuch bezieht sich dabei vor allem auf die Ernährungsstandards der bürgerlichen Mittelschicht. Geeignet ist das Buch für Hobbyköche, die alte Rezepte wiederentdecken und Traditionen aufleben lassen wollen, die mit wenig Fleisch auskommen und die Zutaten wie Obst und Gemüse gern nach Saison auswählen. Auch die Aufmachung des Buches ist sehr passend und gefällt gut.

Über die Herausgeberin:
Astrid Gravert wurde 1956 geboren. Sie studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Anglistik. Die gern kochende freie Lektorin hat unter anderem viele Kochbücher betreut. Sie lebt mit ihren vier Kindern in Schleswig-Holstein.

Rezension von Heike Rau

Astrid Gravert (Herausgeberin)
Die Küche Norddeutschlands
Klassische Rezepte aus zwei Jahrhunderten
127 Seiten, gebunden
Hoffmann und Campe, Hamburg
ISBN: 3-455-09525-9
Bestellen

Flugrausch

Flugrausch

Als Hal Challis sich auf dem Flugplatz in Waterloo aufhält, wo er seine Dragon Rapide restauriert, wird er Zeuge eines Mordversuchs. Janet Casements Flugzeug wird beim Landeanflug von einem Landrover gerammt. Der Schreck sitzt tief. Zwar ist Janet unverletzt, doch der Täter entkommt. Auch sein Motiv liegt zunächst völlig im Dunklen.

Bei einem weiteren Besuch im Hangar entdeckt Hal Challis auf einem an der Pinnwand befestigten Foto etwas Ungewöhnliches. Fast traut er seinen Augen nicht. Es ist die Luftaufnahme einer Cannabisanpflanzung. Janet Casement ist ebenfalls überrascht. Sie gibt vor, davon nicht das Geringste gewusst zu haben. Angeblich weiß sie nicht einmal, wie eine Cannabispflanze aussieht. Sie hat die Luftaufnahmen in der Gegend gemacht, um sie an Interessierte zu verkaufen. Hier handelt sich um eine Farm an der Five Furlong Road, die Ian Munro gehört.

Obwohl es sich nicht um einen Mord handelt, will Detektiv Inspector Hal Challis sich der Sache annehmen. Die Ermittlungen gestalten sich von Anfang an schwierig. Munro ist ein seltsamer, unnahbarer Typ, an den nur schwierig ranzukommen ist.

Der Fall ist sehr undurchsichtig und es dauert lange, bis sich einige Puzzleteile finden, die zusammenpassen. Die Ermittler um den ruhigen, oft abwesend wirkenden Hal Challis, den auch private Probleme beschäftigen, treten lange auf der Stelle. Dann kommt plötzlich eins zum anderen und der durchgeknallte Ian Munro beschäftigt die Polizei über alle Maßen. Immer wieder gibt es überraschende Wendungen oder Zusammenhänge mit anderen Fällen werden klar. Aber es ist ein bisschen viel um die eigentliche Story drumherumgeschrieben. Zwar lernt man auf diese Weise die Polizeiarbeit und die Protagonisten samt ihrem Privatleben sehr gut kennen, aber der so schon sehr komplizierte Krimi wirkt dadurch unnötig in die Länge gezogen.

Über den Autor:
Garry Disher wurde 1949 geboren. Er wuchs im ländlichen Südaustralien auf und lebt an der Südküste in der Nähe von Victoria. Er schreibt Romane, Kurzgeschichten, Kriminalromane und Kinderbücher. „The Sunken Road“ wurde für den Booker-Preis vorgeschlagen und „Drachenmeer“ stand auf der Auswahlliste für den „Ned Kelly Award“. Außerdem gewann er zweimal den Deutschen Krimipreis.

Rezension von Heike Rau

Garry Disher
Flugrausch
Aus dem Englischen von Peter Torberg
285 Seiten, gebunden
Unionsverlag, Zürich
ISBN: 3-293-00352-4
Bestellen