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Schlagwort: Krankheit

Tony Judt: Das Chalet der Erinnerungen

Tony Judt: Das Chalet der Erinnerungen

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Lebendige Erinnerung an gute Zeiten.

Kann man sich einen Ort der Glückseligkeit vorstellen?
Man kann, denn alles hängt von den Umständen ab, in denen man „Glück“ empfindet.

Tony Judt erkrankte zwei Jahre vor den Aufzeichnungen seiner hier vorliegenden Erinnerungen an ALS, amyotropher Lateralsklerose, an deren Folgen er 2010 verstorben ist.

Die Krankheit verdammt den daran Erkrankten zu fortschreitender Bewegungsunfähigkeit und schließlich dem Verlust der Sprache. Sachlich und nüchtern beschreibt Tony Judt die Vorbereitungen für die Nacht, in der er stundenlang wach liegt, sich nicht kratzen oder aus unbequemer Lage selbstständig befreien kann. Niemand wird ermessen können, wie schrecklich es ist, in totaler Anhängigkeit von Pflegern und Hilfskräften zu leben. In sich eingeschlossen bleibt der Kranke ganz allein. Im Gegensatz zu vielen anderen neurologischen Erkrankungen bleibt dem ALS Kranken aber eine wache mentale Erlebnisfähigkeit.

In seinen einsamen Nächten trösten Tony Judt die Erinnerungen an sein Leben, dass er Kapitel für Kapitel an seinem inneren Auge vorbeiziehen lässt.

Er ist das Kind nach England eingewanderter Juden, die jedoch ihr Judentum nicht praktizierten. Zeitweise wuchs er bei seinen Großeltern auf. Während die Eltern noch der unteren Mittelschicht angehörten, wuchs Tony Judt nach dem Studium der Geschichte zu einem aufgeklärten, klugen und kritischen Denker heran. Er befasste sich intensiv mit osteuropäischer Geschichte und lehrte an verschiedenen Universitäten in England und Amerika, zuletzt in New York.

Mit den Eltern war er als Kind zum Skiurlaub in einem Chalet in der Schweiz. Das Chalet wird in seiner Phantasie zu einem „Ort der Glückseligkeit“. Er ordnet seine Erinnerungen verschiedenen Räumlichkeiten zu, so dass er sie am Morgen dort abrufen und seinem Helfer auf seine Weise diktieren kann.

Nach der Schulzeit, die er als freudlos schildert, erwirkt er sich seine eigene Freiheit durch kleine Ausflüge mit Bussen durch die Londoner City. Als kritischen Studenten erlebt man ihn in einem Kibbutz in Israel, von wo er schließlich zum Studium nach England zurückkehrt.

Mit seinen nächtlichen Erinnerungsgeschichten begibt sich Tony Judt noch einmal in die Zeit gesellschaftlicher Umbrüche der Nachkriegszeit und in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie sind gekennzeichnet durch Studentenaufstände, Antikriegsdemonstrationen, die sexuelle Revolution und das zunehmende Bewusstsein einer auf Reflexionen beruhenden Auseinandersetzung mit den jeweils herrschenden Ideologien und parteipolitischen Richtungen, die das Jahrhundert prägten. Die Diktion von Tony Judt ist klar und einnehmend verständlich. In wunderbarer Weise meldet sich der Todkranke zu Wort, um das Fazit seines Lebens zu beschließen, das ihn so ganz lebendig und Anteil nehmend am Weltgeschehen zeigt.

Poetisch und leise verabschiedet er sich von der Welt wieder in Gedanken in einem Zug in der Schweiz: „Wir können uns nicht aussuchen, wo unser Leben beginnt, aber vielleicht, wo es zu Ende geht. Ich weiß, wo ich sein werde: in diesem kleinen Zug, unterwegs ohne bestimmtes Ziel, einfach unterwegs.“

Tony Judt
Das Chalet der Erinnerungen
224 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag, Februar 2012
ISBN-10: 3446238158
ISBN-13: 978-3446238152
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Hans Morschitzky und Thomas Hartl: Die Angst vor Krankheit verstehen und überwinden

Hans Morschitzky und Thomas Hartl: Die Angst vor Krankheit verstehen und überwinden

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Angst vor Krankheiten spukt sicher jedem von uns dann und wann im Kopf herum. Manchmal macht man sich auch Sorgen über den eigenen Gesundheitszustand. Das ist sicher normal. Bei manchen Menschen ist diese Angst jedoch allgegenwärtig und bestimmt über ihr Leben. Es entwickelt sich eine psychische Störung. Dabei liegt keine akute Krankheit vor und ist auch nicht zu erwarten, das hat sich bei Arztbesuchen herausgestellt. Dennoch bleibt die Angst bestehen und Krankheitsthemen dominieren das Denken.

Es wird unterschieden, zwischen der Angst krank zu sein und der Angst krank zu werden. Die Autoren beschreiben, wie sich diese Ängste entwickeln und wo die Ursachen liegen. Das Thema ist sehr umfangreich. Es werden viele Aspekte angesprochen. Dadurch sind die Texte teilweise schwer zu lesen. Für ein besseres Verständnis sorgen dann die vielen Fallbeilspiele. Für Angehörige ist das Buch eine wertvolle Hilfe, weil diese verstehen lernen, was in einem krankheitsängstlichen Menschen vorgeht. Und auch wer beruflich mit Menschen zu tun hat, die unter Krankheitsängsten leiden, kann sich informieren.

Die Angst vor Krankheit kann überwunden werden. Einerseits ist es für den Patienten hilfreich zu wissen, wie die Krankheitsängste entstehen und andererseits wie man gegensteuern kann. Man kann mit dem Buch eine Verhaltenstherapie beginnen und einer entsprechenden Bewältigungsstrategie folgen. Es läuft darauf hinaus, die eingefahren Denkmuster zu ändern und die eigene gesundheitliche Situation realistisch einschätzen zu lernen, damit das Leben nicht mehr von den krankhaften Ängsten bestimmt wird. Das ist sicher nicht einfach, bedeutet Eingeständnisse und Auseinandersetzungen mit der eigenen Person. Aber die Therapie erscheint doch erfolgversprechend.

Rezension von Heike Rau

Hans Morschitzky und Thomas Hartl
Die Angst vor Krankheit verstehen und überwinden
192 Seiten, broschiert
Patmos Verlag
ISBN-10: 3843601534
ISBN-13: 978-3843601535
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Helen FitzGerald: Tod sei Dank

Helen FitzGerald: Tod sei Dank

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Geschichten aus dem Gruselkabinett von Mördern, Drogendealern und anderen Straftätern.

Helen Fitzgerald besitzt die seltene Gabe, eine zunächst alltägliche Geschichte in eine makabere Handlung zu verwandeln.

In ihrem neuen Roman geht es um eine kaputte Familie, in der sich wahre Dramen um die sechzehnjährigen Zwillinge der Familie abspielen.

Will Marion ist von seiner Frau Cynthia mit den Zwillingen Georgie und Kay sitzen gelassen worden, als diese drei Jahre alt waren. Er kümmert sich rührend um die Erziehung der beiden Mädchen. Kay ist die liebe, fröhliche und leicht zu begeisternde Jüngere der beiden. Georgie hingegen ist cholerisch, unzufrieden und anspruchvoll. Der Umgang mit ihr kann gelegentlich zur Tortur werden. Als sie sechzehn Jahre alt sind, wird bei beiden eine schwere Nierenkrankheit diagnostiziert. Will stürzt das in große Nöte. Woher sollen die Nieren für eine erforderliche Transplantation kommen?

Mit diesem Aufhänger beginnt Helen FitzGerald ihren Thriller, der eine Familie im Unterschichtmilieu zeigt. Cynthia ist drogenabhängig und hat sich mit ihrem Pflegebruder aus dem Staub gemacht, der allerdings inzwischen im Knast sitzt.

Will kommt zu dem Ergebnis, dass nur die Transplantation einer Niere von ihm selbst und eine von seiner Frau Cynthia zur Rettung für seine Töchter beitragen könnte.

Mit der Suche nach ihr, die inzwischen ohne Adresse verschollen ist, erfährt man, in welchem Dunstkreis sie sich die Jahre über bewegt hat. Sie treibt sich durch die Welt ohne Sinn und ohne Halt. Will aber wendet seine ganze Energie auf und scheut keine Mühe, die Töchter auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden und bei ihren Krankheiten zu begleiten.

Die Mutter wird schließlich aufgefunden ist aber gesundheitlich und psychisch zerrüttet von ihrem über lange Jahre praktizierten Drogenmissbrauch.

Dem Milieu gemäß beschreibt Helen FitzGerald den Verfall und die Mühen eines Mannes, der seiner Ex-Frau schwach und unmännlich erschienen ist. In der Treue zu seinen Kindern zeigt er sich jedoch beständig und zuverlässig. Selbst der schwierigen Georgie hält er immer die Treue und sorgt sich um sie. Als sich am Ende herausstellt, dass die Nieren der Mutter nach langjährigem Drogenkonsum untauglich für eine Transplantation sind, steht der Vater vor der Kalamität, welchem der beiden Mädchen er nun eine seiner Nieren vermachen soll. Nicht genug damit kommt jetzt, wie bei Helen FitzGerald üblich, erst die richtige Spannung auf. Verwirrende Erkenntnisse, Mord und Totschlag berühren die Sphären der Abartigkeit, wie nur diese Autorin sie erfinden kann. Man kommt zu einem Ende, das unschuldige Seelen zufrieden stellen wird; unausgesprochene Gerechtigkeit waltet überall und bietet den letzten Kick zur Unterhaltung mit diesem spannenden Thriller.

Helen FitzGerald war vor ihrer Schriftstellerinnenkarriere als Sozialabeiterin im Strafvollzug tätig. Ihre Geschichten lassen den Hauch von Realität spüren, der sie zu echten Gruselschockern macht.

Helen FitzGerald
Tod sei Dank
263 Seiten, gebunden
Galiani, Berlin; Februar 2012
ISBN-10: 3869710500
ISBN-13: 978-3869710501
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David Servan Schreiber: Man sagt sich mehr als einmal Lebewohl

David Servan Schreiber: Man sagt sich mehr als einmal Lebewohl

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David Servan Schreiber hat den Kampf gegen den Krebs verloren. Er starb am 24. Juli 2011 im Alter von einundfünfzig Jahren.

Bekannt ist der Autor bei seinen Lesern durch seine Bücher „Das Antikrebs-Buch“ und „Die neue Medizin der Emotionen“ geworden.
Mit seinem Buch „Man sagt sich mehr als einmal Lebewohl“ nimmt er Abschied.

Neunzehn Jahre sind seit der ersten Diagnose vergangen. Jahre, die der Neurowissenschaftler auch der Krebsforschung gewidmet hat. Die zusammengetragenen Erkenntnisse haben sicher vielen Menschen geholfen. Ihm selbst natürlich auch und trotzdem ist der Krebs zurückgekommen. Wieder hat er den Kampf aufgenommen. Diesmal vergeblich.

Es wird Zeit, sich noch einmal an die Leser zu wenden, die auch diesen letzten Weg mit ihm im Rückblick gehen wollen. Es ist ein sehr persönliches Buch geworden, das aber nicht allein von Trauer getragen wird. David Servan Schreiber lässt den Leser an seiner inneren Kraft und Stärke teilhalben. Das ist etwas sehr Wertvolles.

Der Autor geht in seinem Buch noch einmal der Frage nach, inwieweit sein Antikrebs-Buch nun noch Berechtigung hat. Er gesteht ein, Fehler gemacht zu haben, was seine Art zu leben betrifft, auch wenn seine Bilanz insgesamt eine positive ist. Die Ratschläge im Buch erachtet er immer noch als richtig, auch wenn deren Wichtigkeit er nun in eine andere Reihenfolge bringen würde.

David Servan Schreiber wusste, dass er sterben wird. Die Krankheit schritt unerbittlich fort. Seine Gedanken dazu schrieb er auf. Damit hat er Fragen beantwortet, die uns wohl allen im Herzen brennen. Der Text ist sehr ergreifend, aber er tröstet auch, nimmt ein wenig die Angst. Und er zeigt Angehörigen, was sie tun können, wie wichtig Freundschaft, Anteilnahme und vor allem auch der Zusammenhalt der Familie sind, damit es ein Abschied in Würde wird.

Rezension von Heike Rau

David Servan Schreiber
Man sagt sich mehr als einmal Lebewohl
Aus dem Französischen von Ursel Schäfer
152 Seiten, gebunden
Verlag Antje Kunstmann
ISBN-10: 3888977517
ISBN-13: 978-3888977510
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Michael Kumpfmüller: Die Herrlichkeit des Lebens

Michael Kumpfmüller: Die Herrlichkeit des Lebens

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Der schwierige, sensible und empfindsame Franz Kafka lernt im Sommer 1923 Dora Diamant kennen. Sie arbeitete in einem Kinderheim in Graal-Müritz an der Ostsee. Hier erholte sich FK von einer Lungentuberkulose, die ihn zunehmend schwächt und sein Leben überschattet.
Dass nach mehreren Verlobungen und Frauenbeziehungen die schlichte Dora zu seiner treuen Begleiterin wurde, ist ihrem zugleich schüchternen, liebevollen, einfühlsamen und handfesten Charakter geschuldet. Franz Kafka fand in ihr die unkomplizierte und treue Lebensgefährtin, an deren Seite er Ruhe und Fürsorge fand.
Michael Kumpfmüller hat die zarte und schüchterne Beziehung mit poetischen und eindringlichen Bildern nachgezeichnet. Die Annäherung der beiden Liebenden auf langen Spaziergängen am Ostseestrand und die spröde und einnehmend herbe Landschaft bildet den Rahmen, in dem Franz Kafka und Dora zögerlich zu einander finden. Von beiden Seiten sieht man eine ersehnte und angestrebte Gemeinschaft, die zu einem eheähnlichen Zusammenleben führte.

Michael Kumpfmüller ist ein sensibler Beobachter. Er zeigt in klugen und feinfühligen Bildern, wie sich Dora und Franz in einander verlieben. Die scheue und zugleich dringliche Liebe wird von beiden Partnern intensiv herbeigesehnt. Dora liebt den Mann ohne jede Einschränkung, während Kafka, schon von schwerer Krankheit gezeichnet, jeden Tag und Augenblick mit Dora genießt. Durch die Zeilen von Kumpfmüller zieht uneingeschränkt ein Hauch von Melancholie und Abschied. Kafka hängt von den Schwestern und von seinen Eltern ab, denn er ist seiner schweren Krankheit wegen schon mit 40 Jahren pensioniert worden. Er schreibt und quält sich mit seiner Arbeit. Er isst zu wenig, leidet an heftigen Fieberattacken und erscheint blass und ausgezehrt. Doch diese einmalige Liebe zwischen ihm und Dora ist für ihn wie ein Lebenselixier. Der Leser nimmt Teil an einem ergreifenden Schicksal: der vom Tod gezeichnete Mann in der Fürsorge und in den Armen seiner ihn über alles liebenden Dora. Sie kämpft um sein Leben, das doch unaufhörlich dem Ende zugeht.
Diese atemberaubende Liebesgeschichte mit tragischem Ende wird in den wunderbarsten Worten beschrieben, so dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte.
Sehr lesenswert!

Michael Kumpfmüller
Die Herrlichkeit des Lebens
256 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, August 2011
ISBN-10: 3462043269
ISBN-13: 978-3462043266
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Klaus Michael Meyer-Abich: Was es bedeutet, gesund zu sein

Klaus Michael Meyer-Abich: Was es bedeutet, gesund zu sein

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Was man über unser Gesundheitssystem hört, gibt Anlass zur Sorge. Nicht nur, dass Gesundheit so langsam unbezahlbar scheint, die sogenannten Zivilisationskrankheiten haben uns voll im Griff. Die Medizin hat Fortschritte gemacht, über die wir nur staunen können Gerade bei akuten, schweren Krankheiten bekommt man schnell Hilfe. Mit Alltagsbeschwerden plagen wir uns aber nach wie vor herum.

Es ist klar, dass sich etwas ändern muss. Aber so mancher hat Zweifel daran, dass die Reformen in die richtige Richtung gehen.
Der Autor hat sich eingehend mit unserem Gesundheitssystem, das wohl eher als Krankheitssystem zu bezeichnen ist, auseinandergesetzt.
In seinem Buch zeigt er die Ergebnisse seiner Recherchen und lässt den Leser teil haben an seinen sehr tiefgehenden Gedanken und den Rückschlüssen daraus.
Er hat erforscht, wie Krankheiten entstehen, welchen Einfluss der Umgang zwischen Arzt und Patienten hat und welche Rolle die pharmazeutische Industrie spielt.

Interessant sind die Ausführungen darüber, wie Krankheiten entstehen, insbesondere, welche Rolle die Psyche dabei hat. Und natürlich inwieweit unsere Art zu leben, Krankheiten entstehen lässt und welche gesellschaftlichen Aspekte hier hineinspielen. Was ist es, was den einen krank werden lässt und den anderen nicht? Wie geht der Mensch mit seinem Körper um, wie nimmt er ihn wahr?

Der Autor deckt Widersprüche in unseren Ansichten auf, über die es sich nachzudenken lohnt. Der Blick sollte nicht nur auf die Krankheit gerichtet werden, sondern auch immer auf die Lebensumstände. Nicht zuletzt belasten uns ja immer wieder Störungen in der Gesundheit, für die kein medizinischer Befund auszumachen ist. Der Mensch gilt dann als medizinisch gesund, fühlt sich aber dennoch krank. Der Autor beschreibt in diesem Zusammenhang, wo Gesundheit aufhört und Krankheit anfängt.

Besonders spannend sind natürlich die Rückschlüsse, die der Autor aus den gewonnenen Erkenntnissen gezogen hat. Dabei sollte der Blick wieder mehr auf die Gesundheit gerichtet werden. Viel besser ist es doch, einen Menschen gar nicht erst krank werden zu lassen. Und wenn er doch krank wird, ihn ganzheitlich zu behandeln und nicht einfach nur die Symptome der Krankheit.

Im Grunde wären die gemachten Vorschläge zugunsten unserer Gesundheit verblüffend einfach umzusetzen, wenn der Mensch nur bereit dazu wäre, also jeder einzelne persönlich. Ein Umdenken müsste stattfinden, eine umfassende Verhaltensänderung. Aber das ist eben nicht so einfach. Mit dem Nachdenken über unser Gesundheitssystem und unseren Lebensstil ist aber immerhin schon mal ein Anfang gemacht. Zumindest das erreicht der Autor mit seinem Buch.

Rezension von Heike Rau

Klaus Michael Meyer-Abich
Was es bedeutet, gesund zu sein
Philosophie der Medizin
640 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag
ISBN-10: 3446234136
ISBN-13: 978-3446234130
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Manfred Lütz: Irre

Manfred Lütz: Irre

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Geistige Krankheit und Gesundheit: Unterscheidungsmerkmale!

Sich mit der gesunden Reaktion Kranker auf ihre Umgebung und der Krankheit der Gesunden zu befassen, ist schon den englischen Antipsychiatern Ronald D. Laing und David Cooper vor mehr als sechzig Jahren gelungen. Hatten sie doch früh erkannt, dass der Wahnsinn eine gesunde Reaktion auf den ganz normalen Alltag sein kann; der schizoide oder paranoide Patient reagiert vollkommen adäquat auf eine Umgebung, die in ihrem Verhalten die vermeintlich kranken Reaktionen hervorrufen.

Manfred Lütz, der bekannte Psychiater und Theologe, hat den verdienstvollen Versuch gewagt, diese frühe Erkenntnis über den ganz alltäglichen Wahnsinn in humorvoller Weise an den Mann/ die Frau zu bringen, wobei sein Ansatz überwiegend auf der organisch bedingten Krankheit liegt.

Seine Eingangskapitel sind launig und spritzig und beschreiben unseren gewöhnlichen Alltag, in dem nicht jeder, der sich im Verhalten außerhalb der Norm bewegt, schon einer „Diagnose“ oder gar „Behandlung“ bedarf. Für den Laien verständlich und witzig zugleich sind seine Einführungskapitel, wozu auch die heiteren Betrachtungen des Arztes und Komikers Eckart von Hirschhausen im Vorwort beitragen.

Ein Zustand wird nach Lütz erst dann zur behandlungsbedürftigen Krankheit, wenn der Anteil eines so genannter „Leidensdrucks“ als belastendes Kriterium bei der Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung hinzu kommt. Der Autor berichtet in überschaubarer Form über vielfältige Behandlungsmethoden in der Psychiatrie. Von den Gesprächsmethoden, Verhaltenstherapien und Hypnoseverfahren über die Medikamentenbehandlung bis zum Elektroschock reichen seine Hinweise. Eingeflochten sind Beispiele aus seiner Praxis, so dass er einen gründlichen Eindruck vermittelt, wie mit psychischen Störungen umzugehen sei.

Da der Laie häufig zu vorschnellen „ Diagnosen“ neigt, wird in einem anschließenden Kapitel auch darüber berichtet.

Über Schizophrenie, Depression und Demenz, über Alkohol -und Medikamentenabhängigkeit berichtet er so geläufig wie über Obdachlose und ihre oftmals erschütternden Geschichten.

In einem kurzen Kapitel finden noch die sozial verursachten psychischen Schäden Erwähnung und die Behandlungsmöglichkeiten dafür. Insgesamt ist der Ansatz von Manfred Lütz jedoch organmedizinisch. Den Theorien einer Gruppe von Wissenschaftlern um den Anthropologen Gregory Bateson, der den Begriff des „ double bind“ erfunden hat und in seine Theorien über das menschliche Verhalten einführte, misst Lütz bei seinen Ausführungen keinerlei Bedeutung bei. Er legt Wert auf eine humanitäre Einstellung zu allen Abartigkeiten in der Gesellschaft und vermittelt ein liebevolles und durchaus dem Humor zuneigendes Menschenbild. Der Theologe mit Fähigkeiten zur Wahrnehmung der Komik im Verhalten des Menschen führt hier das Wort. Seine Begründungen für zahlreiche psychische Krankheiten betonen immer wieder die organisch bedingten Ursachen. Damit schafft er Erleichterung für alle jene, die sich „ schuldig“ fühlen, sei es für die eigene Sucht oder für die psychischen Krankheiten ihrer Nächsten.

Für den Laien gut verständlich hat Manfred Lütz ein hilfreiches Buch geschrieben, das auf knapp 208 Seiten einen aufschlussreichen Beitrag zum Thema „ psychische Krankheit“ leistet.

Manfred Lütz
Irre
Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
Gütersloher Verlagshaus
ISBN-10: 3579068792
ISBN-13: 978-3579068794

Paul Celan, Klaus und Nani Demus: Briefwechsel

Paul Celan, Klaus und Nani Demus: Briefwechsel

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Briefwechsel zwischen Freunden von ungewöhnlich enger Zugehörigkeit.

Paul Celans Schicksal als Dichter aus der Bukowina, der beide Eltern in Auschwitz verlor, ist den mit seiner Dichtkunst Vertrauten weitgehend bekannt.

Er wird in seinem Wesen und Charakter durch den Briefwechsel mit Freunden und seiner Frau Gisèle Celan – Létrange,  die in verschiedenen Ausgaben vorliegen, erst fassbar. Als eine geheimnisvolle, anziehende und tragische Erscheinung sehen wir ihn, dessen Gedichte von tiefer Ernsthaftigkeit und melodiöser Tiefenschärfe sind, immer ganz dicht bei dem Geschehen, dem er sich innerlich nahe fühlt.

Als er 1948 in Wien durch Vermittlung von Ingeborg Bachmann Klaus und Nani Demus kennen lernte, war er in den dortigen Künstlerkreisen angekommen. Mitglieder dieser Szene schildern ihn als einen sehr scheuen und zurückgenommenen Menschen. Seine Gedichte kamen nach Otto Basil, Herausgeber der Zeitschrift „Plan,“ als „traurige und sehr schöne, der östlichen Landschaft angepasste Lyrik“ an.

Klaus und Nani Demus, Kunsthistoriker, Dichter und Literaturwissenschaftlerin, erkannten neben Ingeborg Bachmann früh schon seine Genialität. Celan hat in besonderer Weise ein enges Vertrauensverhältnis zu ihnen aufgebaut und eine intensive Freundschaft entwickelt, die er Zeit seines Lebens beibehielt. Soweit Nähe zu ihm überhaupt möglich war, hatten diese beiden Zugang zu ihm.

1948 begab sich Paul Celan nach Paris, wo er sein weiteres Wirken  als Dichter des deutschsprachigen Raums  fortsetzte. Von dort datierten fast alle seine Briefe an Klaus und Nani Demus.

P. Celan und Klaus Demus dachten und dichteten sehr ähnlich. Demus bewunderte den älteren Freund, an dessen Werk er künstlerisch mit seinen Versen aber nicht heranreichte. Demus schreibt und zeigt seine Nähe zu Celan in Sätzen wie diesem:“ Weiße Flügel des Wassers über des Herzens schwarzer Wiese.“ Gegenüberstellungen von Helligkeit und Klarheit mit den düsteren Nebeln der Dunkelheit sind Merkmale beider Dichter. Sie schrieben sich zeitweise in Gedichtform, und es vereinte sie eine tiefe Sehnsucht nach Helligkeit und Schönheit, die sich fast immer in der Schwärze der Nacht verlor.

In tragischer Weise  zerbrach diese Freundschaft, die von beiden Seiten als einmalig empfunden wurde, an der Affäre Goll, die Celan in den seelischen Abgrund gestürzt hatte. (s. Paul Celan „Die Gollaffäre“ von Barbara Wiedemann.)

Zu viel erlittenes Leid machte Paul Celan empfindsam gegen jede Art von Kritik. Der von Klaus Demus vorgetragene Verdacht einer Paranoiaerkrankung bei Celan führte zum totalen Kontaktabbruch zwischen den Freunden, wenngleich Celan in der Tat als Folge seiner existenziellen und seelischen Nöte in eine Geisteskrankheit abgeglitten war.

Sehr viel Persönliches erfährt man über beide Briefpartner, denn ihr ganzes Leben, Denken und Fühlen spiegelt sich in den Briefen, in die ihre Frauen einbezogen waren.

Der Herausgeber des vorliegenden Briefwechsels, Joachim Seng, kommentiert in einem Nachtext die „Fremde“ und die „Nähe“ als das Kriterium, unter dem man sich Freundschaft mit Paul Celan vorstellen muss.

Der Briefwechsel beginnt mit einem Gedicht von Klaus Demus und endet vor Celans Tod mit letzten Versen aus seiner Feder im März 1970.

Wie in früher schon veröffentlichten Briefwechseln zwischen Celan und Freunden wird man Zeuge eines Lebensschicksals, das in seiner künstlerischen Größe und persönlichen Lebenstragik tief anrührend ist.

Paul Celan, Klaus und Nani Demus
Briefwechsel
Gebundene Ausgabe: 675 Seiten
Verlag: Suhrkamp
ISBN-10: 3518421220
ISBN-13: 978-3518421222

Olivier Ameisen: Das Ende meiner Sucht

Olivier Ameisen: Das Ende meiner Sucht

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Krankheit und Heilung von der Alkoholsucht: ein Erfahrungsbericht.

1986 erlebt der angesehene Kardiologe Dr. Olivier Ameisen einen Schock, als er sich blutend in ein Krankenhaus begeben muss: er hat so viel getrunken, dass er sich kaum an die Ursache der Verletzung und den vergangenen Abend mit seinem Freund Jeff erinnern kann.
Er leidet schon zeitlebens an Ängsten, die sich in der letzten Zeit zu Panikattacken steigern. Der erste Konsum von Alkohol auf einer Feier bei Freunden hatte ihm vorübergehend Erleichterung verschafft. Die Sucht nahm damit leider ihren tragischen Anfang.

Seine Eltern kamen aus dem polnisch-jüdischen Bürgertum und hatten die Nazizeit knapp überlebt. Sie wohnten bei seiner Geburt 1953 gut situiert in Paris. Man verkehrt in den besten Kreisen. Olivier ist ein begabter Musiker und hoch intelligenter Schüler, der bereits mit 16 Jahren das vorgezogene Abitur macht und mit dem Medizinstudium beginnt. Erfolg und Neugier treiben ihn 1983 nach New York, wo er in einer renommierten Klinik in Forschung, Lehre und in der Praxis arbeitet. Seine Ängste steigern sich 1986 zu unerträglichen Panikattacken, von denen ihn nur der zunehmende Alkoholkonsum befreit.
Atemberaubend liest sich die Schilderung von Olivier Ameisen über seine Versuche, dem Alkohol abzuschwören. Er wird Mitglied der AA ( Anonyme Alkoholiker ) und erliegt doch immer wieder seiner Gier nach der erlösenden Betäubung durch dem Alkohol. Kliniknotaufnahmen im Wechsel mit Entzugskliniken und Therapien aller Art bieten ihm keine Entlastung. Bald kann er die vielen Entzugskliniken nicht mehr bezahlen. Die ärztliche Arbeit hat er aufgegeben, weil er seine Patienten nicht gefährden will. 1999 kehrt er nach Paris zurück.
Es geht ihm immer schlechter. Das exzessive Trinken schadet seiner Gesundheit, denn er zieht sich gefährliche Brüche zu, und die Leber nimmt Schaden. Er vernachlässigt sich. Wenige Freunde bleiben ihm, und die ärztliche Hilfe bei angesehenen Alkoholspezialisten, Psychiatern und Neurologen bewirkt nichts. Es ist ein steiler Niedergang, der auf den Tod zusteuert.
Seine immer wieder vorgetragenen Argumente, dass seine Ängste die Ursache und nicht das Symptom für den Alkoholmissbrauch sind, werden von niemandem ernst genommen.
Selbsthass und Gefühle des Versagens werden unerträglich. Mitfühlend wird man zum Zeugen einer Krankheit, die herkömmlich mit Charakterschwäche und mangelndem Willen verwechselt wird.
Als Olivier Ameisen durch einen Zufall auf ein Medikament aufmerksam wird, das bei Muskelkrämpfen eingesetzt wird, macht er sich auf die Suche nach Forschungsergebnissen. Er nimmt Kontakt zu befreundeten Ärzten auf und beginnt schließlich einen Selbstversuch mit dem Medikament Balcofen. Binnen kürzester Zeit ist seine Sucht verschwunden, ja er wird sogar gleichgültig gegenüber den Verlockungen des Alkohols. Fast ohne Nebenwirkungen kann er entspannt schlafen und beginnt, am Leben wieder aktiv teilzunehmen. Er geht an die Öffentlichkeit mit seinem Selbstversuch, schreibt einen von Sachverständigen bestätigten Bericht über seine Erfolge beim Kampf gegen den vernichtenden Alkoholismus und beginnt ein neues Leben.

Erschütternd, spannend wie ein Krimi und aufklärend ist sein Buch über die eigene Erkrankung, die mit dem Vorurteil aufräumt, es läge nur an der eigenen Schwäche, wenn man dem Alkohol verfällt. Sein Bericht über den Kampf gegen die Sucht ist hoch engagiert geschrieben. Er ist Ausdruck größter Not und Todesangst und weckt Verständnis und Mitgefühl. Neben der sehr persönlichen Berichterstattung gibt er als kompetenter Arzt fachlich Auskunft über die Wirksamkeit seiner Medikamente. Die Ehrlichkeit und bemerkenswerte Eigendiagnose wird zum Motor, mit dem Ameisen sich dem Kampf gegen die Sucht und ihrer Heilung widmet. Er wird zum Forscher für Suchtkrankheiten und lehrt und arbeitet heute wieder in New York und Paris.

Olivier Ameisen
Das Ende meiner Sucht
Gebunden 320 S.
Verlag Antje Kunstmann
ISBN -10 3888975859
ISBN-13 978-3888975851
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Matthew und Ainsley Johnstone: Mit dem schwarzen Hund leben

Matthew und Ainsley Johnstone: Mit dem schwarzen Hund leben

Was tun, wenn ein Angehöriger oder man selbst an einer Depression erkrankt?

Im Jahre 2008 erschien ein erster Band des Artdirektors und Designers Matthew Johnstone, in dem er seine Depression mit kurzen Texten und einprägsamen Bildern beschrieb.
Inzwischen hat er zusammen mit seiner Frau Ainsley ein weiteres Buch zum Thema erstellt, in dem es um die Angehörigen von Menschen geht, die an einer Depression erkrankt sind. Ainsley Johnstone zeigt in ihrer Einleitung, wie überraschend und quälend die ersten Schritte für sie waren, bis sie verstanden hat, was es mit der Depression ihres Mannes auf sich hat.

Nachweislich ist die Depression eine weit verbreitete Volkskrankheit. Doch nach wie vor grassiert auch die Meinung, man müsse sich „ nur zusammenreißen,“ dann gehen die Lethargie und das Unbehagen schon vorüber.
Die Verlegenheit und Bedrückung, ja Peinlichkeit, an einer Depression erkrankt zu sein, macht es Menschen schwer, über ihre Krankheit mit deren Begleiterscheinungen zu sprechen. Angehörige und Freunde sind oft hilflos in ihrem Begehren, dem Kranken, denn um eine Krankheit handelt es sich hier, mit den richtigen Worten und Taten zu helfen.

Das nun erschienene zweite Buch bietet Unterstützung und Hinweise für jene, die den Kranken zur Seite stehen möchten. Wie im ersten Buch wird mit der Bildgestaltung der Sinngehalt der geschriebenen Texte verdeutlicht.
Manches ist Wiederholung, z.B. wie sich die Depression zeigt.
Dieses Mal aber dreht es sich um die Reaktionen, mit denen man auf die äußere Vernachlässigung, die Müdigkeit oder die Wutanfälle reagieren könnte. Der schwarze Hund ist der stumme oder auch überwältigende Begleiter, der unter dem Stuhl, hinter der Tür oder unter dem Tisch lauert, und den Depressiven mit seinen Klauen bremst. Die Reaktionen der Helferinnen und Helfer auf den Kranken bedürfen der intensiven Selbstbeobachtung, damit sie nicht schädigend wirken. Da geht es um Geduld, freundliche Zuwendung, Akzeptanz, eventuelle Abmachungen und um mögliche Abgrenzungen, damit man von der Krankheit im wahrsten Sinne des Wortes nicht angesteckt wird.

Das Buch ist ermunternd und hilfreich. Es wird nicht um die Krankheit herumgeredet, und es wird nichts beschönigt. Die Bilder zeigen anschaulich, wie es im Haus und Heim aussehen kann, wenn jemand mit einer Depression darin wohnt. Tröstliche Worte aber zeigen: auch der schwarze Hund kann verschwinden. Man kann ihn bekämpfen, mit ihm leben lernen und ihn vielleicht sogar besiegen!
Die Wege bis dahin sind vielfältig. Dass man Hilfe finden kann und Angehörige wichtig sind, das beweisen Matthew und Ainsley Johnstone im besten Sinne mit ihrem Gemeinschaftswerk.
Sogar die Arbeit an dem Buch konnte zu einem Gewinn für die Heilung werden. Man sollte es lesen und verschenken, wenn man im eigenen Umkreis von einer Depression erfährt,–wenn! Denn das bleibt das große Fragezeichen: wer bekennt sich und lässt es zu, über sich und diese unheimliche Krankheit zu sprechen?
Dieses Buch dient der Ermutigung dazu!

Matthew und Ainsley Johnstone
Mit dem schwarzen Hund leben
80 S., gebunden
Kunstmann Verlag
ISBN-13: 978-3888975943