11. Kapitel

Brandiff

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Rückblick:

Italien 1139 in der Nähe von Verona

Der Gauklermarkt war bereits in tiefe Nacht gehüllt, in kaum einer der Wagen brannte noch Licht, als ein Schatten um diese huschte. Lautlos, stets auf eine Bewegung achtetend schlich eine junge Zigeunerin umher. Sie war ungefähr 20. Sie hatte lange, schwarze Haare und blaue Augen. In der Tat konnte man bei ihr von einer rassigen Schönheit sprechen, der die Männer nur allzugern nachsahen. Bislang war es Selina aber geglückt einer Hochzeit mit einem Mann aus dem Wege zu gehen. Kandidaten gab es genug, doch sie wollte nicht einfach wie ein Stück Vieh an den Meistbietenden verkauft werden. Wenn dann sollte es aus Liebe geschehen. Ihr Vater und ihre Mutter sahen das genauso und so war sie bisher einer abgesprochenen Eheschließung entgangen...noch. Was würden ihre Eltern sagen, wenn sie wüßten das sie einen Nichtzigeuner liebte? Das wäre selbst für ihre sonst so verständnisvollen Eltern ein no-go gewesen. Doch was sollte sie tun? Ihr Herz schlug nunmal für den jungen Adriano de la Luna da Silva. So mußte sie sich jeden Abend, wenn ihre Eltern und der Rest der Sippe schlafen gegangen waren, davon schleichen.

Fast hatte sie es geschafft, nur noch an den letzten Wagen vorbei...der letzte Wagen...Selina erschauderte jedesmal, wenn ihr Weg sie an diesem vorbeiführte. Er gehörte Romano da Vinducho, dem Magier. Eigentlich war er ein gutaussehender Kerl und ebenfalls Zigeuner. Groß, dunkelhaarig, mit grünen Augen. Ihr Vater erwähnte schon das eine oder andere Mal, das Romano doch eine gute Partie sei, zumal er ganz offensichtlich ein Auge auf die schöne Selina geworfen habe. Doch nicht für sie. Der Magier hatte etwas ansich, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ, sobald sie ihn sah. Wars sein stechender Blick oder seine gesamte Erscheinung? Auf andere mochte er damit misteriös und geheimnisvoll wirken, ihr machte es nur Angst.

In seinem Wohnwagen brannte noch Licht. Schnell drückte sich Selina in den Schatten zurück und an den Fenstern vorbei. Sie wagte es nicht auch nur einen winzigen Blick hinein zu werfen. An der ersten Baumgruppe des kleinen Wäldchens angekommen sah sie sich nochmals um. Alles war wiedereinmal gut gegangen. Bald schon würde sie Adriano auf der kleinen Waldlichtung treffen.

Dennoch ließ sie das Gefühl nicht los, das sich ein Unheil anbahnte. Wie recht sie damit haben würde, konnte sie noch nicht ahnen.

Während sie in die Dunkelheit des Waldes verschwand, leuchtete nur wenige Meter hinter ihr ein grünes Augenpaar in der Nacht auf. Kurz darauf erlosch im Wagen das Licht.


Den ganzen Tag kreisten Desdemonas Gedanken um die Klaue auf ihrer Schulter. Sie fand einfach keine Erklärung dafür. Glücklicherweise war das Schimmern nicht all zu intensiv, so das ihre Kleidung das Leuchten verdeckte. Was hätte sie den Leuten auch sagen sollen woher es kam, wenn sie es selbst nicht wußte. Wenn es mit dem Fluch zusammenhing, dann hatte vielleicht Francis eine Erklärung dafür. Sie war sich sicher, das er mehr wußte über ihn als er zugab.

Endlich kam der Abend. Wie gewohnt fand sie ihm vor dem Ratskeller bei einer Kanne Bier und einer kalten Platte vor. “Hallo Liebling, einen guten Tag gehabt?” “Hmh geht so.” Sie setzte sich dazu. Als der Kellner ihren Wein brachte und fragte ob sie auch etwas speisen wollte, lehnte sie dankend ab. “Keinen Hunger?” Francis musterte sie. “Alles ok? Du wirkst als würde dich etwas beschäftigen?” Sie nickte stumm. “Der Fluch wiedermal? Ich sagte dir doch das ist meine Sache.” “Ja...nein...vielleicht...”. Francis zog die Brauen zusammen. “Könntest du dich etwas klarer ausdrücken?” “Ich weiß nicht ob es damit zu tun hat. Hast du das schonmal gesehen?” Sie sah sich kurz um, ob auch niemand in der Nähe war, dann zog sie den Stoff ihres Oberteils an der Schulter nach unten. Sofort wurde die schimmernde Drachenklaue sichtbar. Francis betrachtete sie, fuhr leicht mit dem Finger drüber. “Seit wann hast du das?” “Heute früh habe ich es im Spiegel entdeckt.” Francis lehnte sich zurück und machte ein nachdenkliches Gesicht, während sie ihre Kleidung wieder richtete. Abwartend sah sie ihn an. “Hm, mit dem Fluch scheint es nichts zu tun zu haben. Jedenfalls habe ich ein derartiges Mal bei noch keinem Betroffenen gesehen. Aber was es nun genau ist”, er hob die Schultern. “Du solltest wen fragen, der sich damit auskennnt. Einen Magier. “Einen Magier?” “Ja. Unseren Fürsten, Aron zum Beispiel.” Des mochte ihn und hätte auch keine Probleme damit sich ihm anzuvertrauen. Doch er kam nur selten in die Stadt und sie wollte schnell Antworten. “Oder diesen Magier, der letztens oben in die Hütte in der Nähe der Bibliothek gezogen ist.” “Wir haben einen Magier in der Stadt?” “Ja wie hieß er doch gleich? Anselm...Armin...Answin...genau. Answin von Salix. Komischer Kauz, aber vielleicht kann er dir mehr sagen.” Des nickte still ihren Weinkelch betrachtend. Ja vielleicht könnte ihr der Magier mehr sagen. Nicht nur zu ihrem Mal sondern auch zu ihrem anderen Problem.

Nur wenige Tage später ergab es sich, das Desdemona die Gelegenheit fand, dem Magier Answin von Salix einen Besuch abzustatten. So trat sie den Gang zu dem ansässigen, alten Magister an in der Hoffnung von ihm Klarheit zu bekommen.

“Seit ihr Answin von Salix der Magier?” Der alte Mann sah von seinen Büchern auf. “Der bin ich. Was kann ich für euch tun, mein Kind? Ein Zauber vielleicht? Doch wenn ihr mich bitten wollt, einen Liebeszauber für euch aus zu sprechen, dann muss ich ablehnen. Derartige Künste sind humbug. Man kann keine Liebe erzwingen. Das reden euch Scharlartane ein, die ihr Geld auf den Jahrmärkten verdienen.”

Sie schüttelte den Kopf. “Nein um derartiges geht es nicht. Einen Liebeszauber habe ich nicht nötig.” “Das hätte ich auch nicht anders erwartet.” Sie mußte schon etwas lächeln über diese Äußerung. “Was führt euch dann zu mir?”

Des trat etwas näher heran. Nun ein Mal das ich seit ich denken kann trage, hat sich vor kurzem sehr merkwürdig verändert. Und ich wollte wissen, oder zumindes habe ich die Hoffnung, das ihr mir etwas dazu sagen könnt.” “Nun bevor ich das beurteilen kann, solltet ihr es mir zunächst zeigen. Meint ihr nicht?” “Ohja natürlich.”

Sie trat noch näher heran und entblöste ihre Schulter soweit, das das Mal sichtbar wurde. “Hmm, einen Moment bitte.” Answin ging zu seinem Schreibtisch und nahm ein Vergrößerungsglas hervor. “Damit läßt es sich besser betachten.” Dann begann er das Mal ausgiebig zu begutachten.

Nach einer Weile trat er zurück und setzte sich an sein Schreibpult. Nachdenklich strich er sich durch seinen langen, weißen Bart. “Nun Desdemona, was wisst ihr über eure Eltern?” “Meine Eltern? Meine Mutter war eine Zigeunerin. Sie starb bei meiner Geburt und mein Vater war ein italienischer Adliger”, sie seufzte. “Allerdings ist er vor 5 Jahren verschwunden, als das Schiff mit dem er reiste verschwand.” “Falsch.” “Falsch? Wie falsch? Wollt ihr mir sagen mein Vater lebt?” “Nun möglich wäre es. Aber eher das die Geschichte euer Eltern nicht stimmen kann.” “Was meint ihr damit?” “Das einer von ihnen kein Mensch sondern ein Drache war oder ist.”

Jetzt mußte Des sich setzten. Zum Glück bemerkte Answin gleich das ihr die Knie weich wurden und beförderte mit einer einfachen Handbewegung einen Stuhl unter ihrem Po. “Ein...ein Drache? Ihr meint einen echten, feuerspeienden Drachen?” Sie sah ihn fassungslos an. “Ob er feuerspeit kann ich nicht sagen, aber ja.” Des sank zusammen. Darauf war sie nicht gefasst. Doch wer? Ihre Mutter, ihr Vater? Sie kannte ihn doch. Hatte Nonna sie vielleicht belogen? War das der wirkliche Grund warum sie alle mieden?

Answins Stimme riss sie aus ihren Gedanken. “Geht es euch gut mein Kind?” “Wie...was....? Ohja, ich...ich denke ich muss das erstmal verdauen. Und ein Irtum ist ausgeschlossen?” “Vollkommen, ja. Das Mal das ihr tragt, weißt auf einen Halbdrachen hin, das Kind eines Drachens. Allerdings ist das in den letzten 500 oder waren es 1000 Jahre...nicht mehr vorgekommen. Oh doch ich erinnere mich. Ein einziges Mal wurde jemand gesehen, der nach einer Verletzung durch einen Drachen ein ähnliches Mal trug. Aber ihr wurdet nicht von einem Drachen verwundet, nehm ich an?” Des schüttelte den Kopf. “Was soll ich jetzt tun?”

“Nun zunächstmal euch Gedanken machen wie es weitergeht.” Der Magier stand auf, nahm eines seiner Bücher aus dem Regal und blätterte eine Weile darin herum. “Achja hier steht es. Die Veränderung des Mals ist nur der erste Vorbote. Es werden weitere Veränderungen einsetzen.” “Weitere Veränderungen? Verwandle ich mich jetzt in einen Drachen oder sowas?” Allein bei der Vorstellung daran wurde ihr schlecht.

“So weit wird es nicht kommen, das ihr euer äußeres Erscheinungsbild verändert, obwohl man das nicht ganz ausschließen kann. Es ist das erste Zeichen dafür, das die Kräfte des Drachens in euch erwachen. Eure Drachenmagie zu Tage tritt.” “Meine Drachenmagie?” “Ohja eine sehr mächtige Magie, wenn nicht sogar die mächtigste überhaupt auf Erden. Ihr solltet darauf vorbereitet sein. Verfügt ihr nicht über die Kontrolle über sie kann das entsetzliche Folgen haben. Niemand kann vorhersagen was passiert, aber ihr könntet ganz Maritim vernichten. Oder auch nur einen Regenschauer verursachen. Das ist schwer zu sagen.”
Des mußte schlucken. Das konnte ja heiter werden. “Und wie kann ich das verhindern?” “Indem ihr euch Jemanden sucht, der euch zeigt wie ihr eure Kräfte kontrollieren könnt, euch beibringt mit der Magie um zugehen. Einen Magier am Besten.” Einen Magier...aber wen? Aron vielleicht, er könnte ihr dabei helfen. Doch noch immer war unklar, wann er sich wieder in Port Patriam zeigen würde. Dann fiehl es ihr wie Schuppen von den Augen. Answin!! “Könntet ihr...ich meine wärtihr bereit mir dabei zu helfen?” “Ich meint ihr? “Ja, euch. Mir fiehle niemand besseres dafür ein.” “Nun mein Kind bevor ich euch eine Antwort darauf gebe, will ich die Sache in Ruhe bedenken. Und das solltet ihr auch tun. Denn wenn ich euch in die Lehre nehme, werdet ihr euch den Regeln der grauen Magie unterwerfen müssen. Für uns gibt es kein schwarz oder weiß, gut oder böse. Wir sorgen mit unserer Magie dafür, das die Kräfte stets im Gleichewicht bleiben und keines die Oberhand gewinnt. Das ist nicht immer einfach und könnte euch eines Tages vor die schwerste Entscheidung eures Lebens stellen. Bedenkt das also wohl und kommt morgen Abend wieder zu mir. Dann werde ich euch auch meine mitteilen. Doch nun geht. Ich bin ein alter Mann und bedarf meiner Ruhe.” Damit wendete Answin sich wieder seinen Büchern zu und ließ Des stehen.

Kaum draußen überlegte sie was sie tun sollte. Wie sollte sie sich entscheiden und vorallem was Francis sagen? Wie würde er damit umgehen, wenn er erfuhr das seine Liebste ein Drache ist? Konnte er damit leben oder sie dann als abstoßend empfinden? Woher kannte Answin eigentlich ihren Namen? Sie hatte ihn nicht genannt. Oder doch?
 



 
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