12. Der Forsthausgarten

molly

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Der Forsthausgarten

Es dauerte sehr lange, bis Herr Wagner das Krankenhaus verlassen durfte. Kurz bevor die Krokusse blühten, holte ihn David mit der Mutter ab. Herr Wagners Arm schien wieder in Ordnung zu sein. Aber er hatte oft Kopfschmerzen und konnte nur langsam und mit Krücken gehen. Es störte David keineswegs, dass der Vater nicht mehr mit ihm Fußball spielen und Motorrad fahren konnte. Hauptsache, er war endlich wieder daheim.
Der Frühling kam. Michaeles Mutter und Frau Wegmann richteten Gemüsebeete. Gewöhnlich arbeitete die Frau des Försters als erste im Garten. In diesem Jahr pflanzte sie nichts an. Unkraut wucherte und überzog die sonst so sorgfältig gepflegten Beete. Michael fragte die Mutter, ob die Nachbarin krank sei.
„Nein“, antwortete sie, „unsere Nachbarn ziehen fort!"
„Gefällt es ihnen hier nicht mehr?" erkundigte sich Nele.
„Natürlich gefällt es ihnen. Sie leben schon seit vielen Jahren in dem großen Haus. Nun sind sie alt geworden und der Förster wird pensioniert. Ein junger Förster übernimmt die Arbeit hier und zieht mit seiner Familie im Forsthaus ein!" sagte Mutter.
„Wo wohnen dann unsere Nachbarn?" fragte Michael.
„Nicht weit weg, in der Nähe vom Bahnhof besitzen sie eine kleine Wohnung!" erklärte die Mutter.
Die Nachricht stimmte die Kinder traurig. Ihre Nachbarn zogen fort und sie hatte noch keine Gelegenheit, diese richtig kennen zu lernen. Michael erkundigte sich noch, ob die Mutter den neuen Förster schon kannte. Sie wusste nur, dass er drei Kinder hatte. Das tröstete die beiden wieder.
Vielleicht wurde das Leben hier im Neubaugebiet noch spannender, wenn gleich drei neue Kinder dazu kamen.
Michael und Nele nahmen sich vor, die alten Nachbarn später einmal zu besuchen. Vielleicht hatten sie dann mehr Zeit für die Kinder.

Das Nachbarhaus veränderte sich. Zuerst verschwand der Holzschuppen. Die Vorhänge wurden abgenommen und eines Morgens stand der Möbelwagen vor der Tür. Die Kinder saßen auf Treppe vor Michael und Neles Haus und beobachteten, wie ein Möbelstück nach dem anderen aus dem Forsthaus getragen wurde. Früher waren sie da oft auf der Treppe gesessen. Das hatten die Nachbarn stillschweigend erlaubt. Ob die Kinder jemals wieder dort sitzen durften? Als der Möbelwagen los fuhr, gingen der Förster und seine Frau zu der Mutter. Sie verabschiedeten sich, wie immer, sehr eilig. Die Nachbarn stiegen in ihr Auto und brausten davon. Die Kinder winkten ihnen nach, bis sie in die Kurve einbogen.

David meinte, dass sie sich nun in aller Ruhe einmal in Nachbars Garten umschauen konnten. Vorsichtshalber ging Michael erst in den Hof. Seine Mutter arbeitete nicht im Garten und auch Frau Wegmann konnte er nicht entdecken. Im Gartentürchen steckte innen der Schlüssel. Geschickt langte David mit der Hand durch den Zaun und schloss auf. Ein neues Abenteuer begann.

Die Kinder durchforschten den Garten und stellten fest, dass sogar zwei Türchen zum Bach führten. Sie betrachteten die Sträucher und kletterten auf alle niedrigen Bäume. Noch trugen diese keine Blätter. Dann gestand David, dass er das Haus gerne einmal von innen gesehen hätte.
Michael schüttelte den Kopf:“ Nein, das geht nicht, die Fenster sind doch verschlossen.“
David deutete auf ein Fenster und sagte: „Mir scheint, das ist nicht ganz zu, da steigen wir ein!" Florian und Michael machten die Leiter, das hieß, sie gaben sich überkreuz die Hände. David stieg hinauf und mit Neles Hilfe gelang es, ihn auf das Fenstersims zu schieben. Das Fenster war zu. David drehte sich um und setzte sich auf die breite Fensterbank. „Komm runter!" rief Nele. Er aber blickte seine Freunde fassungslos an. „Ich kann nicht, ich habe Angst!" sagte er.
Das Fenster sah nicht sehr hoch aus, doch er weigerte sich, herunter zu springen. Dreh dich auf den Bauch!" riet Florian, und Nele fragte, ob sie die Mutter holen sollte. David aber schüttelte nur den Kopf und biss sich auf die Lippen.
„Ich hole eine Leiter“, rief Michael und eilte davon. Schnell und ohne Leiter kam er zurück. Er fuchtelte mit seinen Armen und schrie: „Der Förster!" In seiner großen Not sprang David endlich von der Fensterbank. Die Kinder liefen zu einer Gartentür am Bach, schlossen auf und warfen sich auf der anderen Seite ins Gras. Nur Michael nicht. Der schlenderte gemütlich zum Zaun, blickte zu den anderen hinüber und meinte, sie könnten das Versteck verlassen und weiter spielen.
„Und der Förster“? fragte David.
„Ist sicher schon in seiner neuen Wohnung“, antwortete Michael. Er konnte keine weiteren Erklärungen abgeben, David hatte sich auf ihn gestürzt. Sie kämpften mit einander, nicht sehr schlimm, denn auch David freute sich, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Die Kindere spielten nun fast jeden Tag eine Weile im Nachbargarten. Sie ahnten nicht, wie unruhig die nächste Zeit für sie werden würde. Die niedrigen Bäume zum Klettern, die vielen Sträucher, um sich zu verstecken - der Forstgarten schien das reinste Paradies, bis eines Tages die Handwerker kamen und die Kinder daraus vertrieben. Das Haus, die Fenster und die Läden wurden neu gestrichen. Nach einem Monat zogen die Handwerker wieder ab. Nun würden bald die neuen Nachbarn einziehen.

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In der nächsten Geschichte treffen sie zum ersten Mal die Prinzessin.
 



 
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