16. Schulanfang

molly

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Schulanfang

Zum Geburtstag schenkte Michaeles Patentante Maria ihm einen Schulranzen, der nach feinem Leder roch. Er schnupperte oft daran. Seine Eltern und Nele begleiteten ihn am ersten Schultag. Sie holten David ab. Seine Mutter ging mit, der Vater saß am Fenster und winkte ihnen nach. David brummte zur Begrüßung nur ein unfreundliches "Morgen" und stapfte schweigend neben seiner Mutter her.

Auf dem Schulhof trafen sie viele Kinder, von denen Michael nur Peter und Reinhard kannte. Alle hatten ihre Mütter dabei und Davids finstere Mine verschwand. Fröhlich packte er Michael beim Arm und gemeinsam tauchten sie in der Kinderschar unter.
Ihre Klassenlehrerin hieß Frau Albi. Sie führte die Kinder ins Klassenzimmer. Dort rief sie jeden einzeln auf und der durfte sich einen Platz aussuchen. Als David an die Reihe kam, war der Platz neben Michael von Reinhard besetzt. Zum Glück ärgerte sich David nicht darüber. Er setzte sich zu Peter.
Frau Albi erzählte ihnen, dass an den Tischen schon viele Kinder saßen, die bei ihr rechnen, lesen und schreiben gelernt hatten. Sie bat die Kinder, als Hausaufgabe ein Bild vom ersten Schultag zu malen.
„Der Unterricht beginnt um acht Uhr, seid morgen alle wieder pünktlich da“, sagte sie. Sie wünschte ihnen noch einen schönen Tag und die Kinder durften nach Hause.
Michael freute sich, dass die Schule in seinem Dorf stand. Während die Kinder in den Nachbardörfer in aller Frühe den Bus bestiegen, um zur Schule zu fahren, beendete er gerade sein Frühstück, schlenderte die Gasse entlang und gleich hinter dem Rathaus befand sich die Schule.

Am nächsten Morgen warteten die Erstklässler aus dem Dorf viel zu früh vor dem Schultor. Allmählich trabten die Kinder aus den anderen Klassen an und dabei entdeckte Michael auch Rudi, den David überglücklich begrüßte. Als endlich der Schulbus kam, der die Kinder aus den Nachbarorten brachte, öffnete eine Lehrerin die Schultür und sie stürmten ins Klassenzimmer.
„Michael, du sitzt bei mir!" befahl David und zu Peter sagte er: „Verzieh dich in eine andere Bank!" Doch Michael setzte sich sofort wieder zu Reinhard und Peter dachte nicht daran, den Platz für Michael frei zu geben. David packte ihn am Ärmel und zog ihn vom Stuhl. Da kam die Lehrerin ins Zimmer. Peter blutete aus der Nase und weinte laut. David zeigte mit dem Finger auf ihn und kreischte:
„Der lässt meinen Freund Michael nicht neben mir sitzen!" Frau Albi gab Peter ein Taschentuch und sagte:
„Jeder setzt sich auf den Platz, an dem er gestern saß. Nächste Woche dürft ihr tauschen!" Der Unterricht begann. Frau Albi betrachtete die Bilder. Sie fand alle wunderschön und gemeinsam hängten sie die Gemälde im Klassenzimmer auf. Nun verriet sie den Kindern noch ein Zeichen.
Sie sagte: „Schaut, wenn ich die Hand hoch hebe, bedeutet das, ihr seid zu laut. Ich kann euch dann nichts sagen, bis ihr wieder leise seid. Findet ihr mein Zeichen prima?" Lauthals gaben die Kinder ihre Zustimmung. Frau Albi hob lächelnd die Hand und gleich herrschte Ruhe im Klassenzimmer. Sie las eine Geschichte vor und danach durften die Kinder nach Hause. Mit Reinhard und David machte sich Michael auf den Heimweg. Reinhard wohnte beim Rathaus und war zuerst daheim. Dann gelangten sie zu Davids Haus. Beim Abschied drohte er: „Wenn du nächste Woche nicht neben mich sitzen willst, sage ich Rudi Bescheid."
„Nicht nötig“, murmelte Michael erschrocken. Rudi! Der ging jetzt in die vierte Klasse und sah unheimlich stark aus.

Für Michael begann eine schlimme Zeit. David drohte ihm oft mit Rudi. Manchmal flüsterte er Rudi in der Hofpause etwas zu. Dann wusste Michael nie, ob er auf dem Heimweg Angst haben musste oder gemütlich heim schlendern konnte. Rudi wartete jeden Tag an der Ecke auf David. Meistens bemerkte er Michael nicht, manchmal aber sprang er hinter ihn und schüttelte an Michaels Schulranzen. Zum Abschluss gab er ihm noch einen Stoß und Michael landete auf dem Boden. Das freute Rudi und zum Zeichen seines Sieges stellte er seinen Fuß auf Michaels Rücken. Das fand Michael furchtbar und er schämte sich sehr. Zugleich packte ihn eine schreckliche Wut auf David, der teilnahmslos daneben stand.
„Nie mehr hole ich dich ab, nie mehr gehe ich mit dir den gleichen Weg“, schrie Michael ihn einmal an.
„Wie du willst“, antwortete David, „der Rudi wird sich freuen, er schüttelt gern an deinem Ranzen!" Zähneknirschend holte Michael ihn am nächsten Tag wieder ab.

Einmal hatten die Kinder eine besonders schöne Hausaufgabe. Sie sollten auf der Wiese einen Strauß mit drei verschiedenen Gräsern und Blumen suchen. In rauen Mengen streckten Herbstzeitlose ihre Köpfe aus der Wiese. Doch die durften sie nicht nehmen. Ihre Lehrerin sagte, es sei verboten diese Pflanzen zu pflücken, außerdem wären sie sehr giftig. Michael marschierte in Richtung Siedlerhöfe, die hinter dem Neubaugebiet, weit entfernt vom Dorf, lagen.
Als sich Michael auf den Weg machte, rief David: „Warte, ich komme mit. Du suchst doch bestimmt die Pflanzen!" Er trabte neben Michael her und plauderte ununterbrochen. In der Schule hatte er ihm wieder mit Rudi gedroht. Jetzt tat er so, als wäre zwischen ihnen alles in bester Ordnung. Michael blieb einsilbig, brummte zwischendurch: "Ja, ja“, und so erreichten sie die große Wiese. Viele verschiedene Gräser wuchsen hier. Michaels Strauß war bald fertig. Auch David sammelte eifrig. Dabei erzählte er, dass auf der Wiese seiner Tante noch viel mehr Gräser und vor allem Blumen wuchsen. Davids Tante wohnte im vordersten Siedlerhof. Von ihrem Platz aus sahen sie die Gebäude. Es war wirklich nicht sehr weit und Michael folgte David. Die Wiese lag hinter dem Haus. Sie gingen bis zur Scheune, David schaute hinein, aber niemand war zu sehen.
„Wir laufen da durch, dann sind wir schneller dort!" sagte er. Nur zögernd folgte ihm Michael. Im Nu standen sie auf der Wiese. Er fand kleine, blaue Glockenblümchen und weiße Blumen, die fast wie Gänseblümchen aussahen. Michaels hatte genügend Pflanzen und wollte nach Hause.
„Ja, klar, rief David, komm, wir laufen wieder durch die Scheune!

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Die nächsten Geschichte berichtet von einem Erlebnis in der Scheune
 



 
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