23. Neue Pläne

Amadis

Mitglied
Wedekind spürte seine Beine kaum, als er inmitten seiner Befreier über die Brücke schlurfte. Jules hatte nach dem kleinen Disput mit Elden kein Wort mehr gesprochen. Der junge Franzose ging mit verbissenem Gesichtsausdruck neben Wedekind her.
Sie überquerten die Brücke, folgten der Straße noch eine Weile und bogen dann nach rechts in den Wald ab. Nach einigen Minuten erreichten Sie ein Lager, in dem vier oder fünf von Eldens Männern sie erwarteten.
„Ihr seid also erfolgreich gewesen!“
Wedekind war erstaunt, die Stimme einer Frau zu hören. Noch mehr staunte er, als er sich der Sprecherin zu wandte. Eine dunkelhäutige Frau war ihm in Trimandar noch nicht begegnet – wenn er auch zugegebenermaßen noch nicht sehr viel von dem Land gesehen hatte, in das es ihn so unvermittelt verschlagen hatte. Außerdem war diese Frau eine Schönheit! Groß und schlank, mit langen Beinen, die in weichen Wildlederhosen steckten. Das exotische Gesicht wurde dominiert von schräg stehenden Augen, die in einem überraschenden Grün strahlten. Ihr Lächeln entblößte makellos weiße Zähne. Wedekind schluckte trocken.
„Wie du siehst“, antwortete Elden und deutete auf die beiden Ex-Gefangenen.
„Hallo, ich bin Jolene“, stellte sich die Frau vor und streckte Wedekind ihre Hand entgegen.
„Ich bin Wedekind“, antwortete dieser und räusperte sich. Er nahm vorsichtig die Hand, als handele es sich um etwas Zerbrechliches. Jules drängte sich an ihm vorbei.
„Ich bin entzückt, Mademoiselle. Mein Name ist Jules!“
Der Franzose verbeugte sich, grabschte dann nach der Hand der jungen Frau und deutete einen Handkuss an. Jolene entzog sie ihm mit befremdetem Gesichtsausdruck , rang sich aber trotzdem ein Lächeln ab. Der Gesichtsausdruck, mit dem Jules sie anschaute, sagte sogar Wedekind alles. Peinlich berührt schaute er sich im Lager um.
Eldens Männer schoben die gefesselten Gardisten in eine Ecke der Lichtung hinüber. Drei Mann wurden mit ihrer Bewachung betraut. Es gab drei Feuerstellen, die von lose aufgeschütteten Steinen abgeschirmt wurden.
„Dort hinten gibt es einen Bach, dort könnt ihr euch etwas frisch machen.“ Jolene deutete über die Lichtung hinweg. „Eldens Männer haben schon Kleider für euch bereit gelegt. Ich fürchte, eure Jeans sind hinüber.“ Sie lächelte. Wedekind schaute sie erstaunt an, verstand aber dann.
„Du bist ... wie soll ich es sagen? ... eine von uns?“
„Stimmt. Ich komme aus New York City und bin hier bei Elden gelandet.“
„Da hattest du ja Glück!“ Wedekind lächelte. „Ich musste mich mit diesem Zauberer herumschlagen!“ Er deutete auf Harbon.
Dieser fuhr herum und funkelte Wedekind zornig an.
„Jetzt fang du auch noch an, dich über mich lustig zu machen!“, keifte er und schwang seinen Stock. Als er ob dieser unvorsichtigen Bewegung schmerzerfüllt aufstöhnte und beinahe den Stock verlor, hub befreites Gelächter an, das der Zauberer mit einem resignierten Kopfschütteln quittierte.
Während Wedekind und die anderen sich Elden anschlossen, ging Jolene zu dem kleinen Bach, der, verborgen von dichtem Gestrüpp, nicht weit entfernt dahin plätscherte. Sie hockte sich hin und wusch sich mit dem kühlen, klaren Wasser Gesicht und Hals. Dann saß sie gedankenverloren am Ufer und schaute auf das Wasser, das vor ihren Füßen seinen Weg suchte.
Sie schrak auf, als sie hinter sich ein Geräusch hörte, und sprang auf die Füße. Hinter ihr stand Jules, der mit einem breiten Grinsen abwehrend die Hände hob.
„Ho ho … ich bin es nur!“
Er grinste wieder und Jolene erschauerte bei diesem Anblick. Zu oft hatte sie diesen Gesichtsausdruck bei Männern gesehen. Trotzdem zwang sie sich, freundlich zu lächeln.
„Man wird schreckhaft in diesem Land“; meinte sie entschuldigend. „Kann ich etwas für dich tun?“
Etwas Lauerndes erschien im Blick des jungen Franzosen. Er trat näher und legte Jolene eine Hand auf den Arm.
„Das könnte ich mir sehr gut vorstellen, Baby.“ Erneut grinste er und machte Anstalten, auch mit der anderen Hand nach ihr zu greifen. Jolene riss sich los und stieß ihn weg. Sie wirbelte herum und ihr rechter Fuß traf das Gesicht des Mannes an der empfindlichsten Stelle. Jules heulte auf und ging zu Boden. Zwischen den Fingern, mit denen er sich das Gesicht hielt, quoll Blut hervor. Er versuchte, sich aufzurappeln.
„Bleib liegen, BABY, sonst muss ich dir richtig weh tun. Typen wie dich erkenne ich auf Anhieb.“ Sie spuckte verächtlich aus. „Diese Masche funktioniert vielleicht bei irgendwelchen naiven jungen Dingern, bei mir nicht. Ich habe schon zu viele Kerle wie dich erlebt. Halt dich in Zukunft von mir fern, sonst halte ich mich nicht mehr zurück.“
Sie wandte sich ab und ging in Richtung des Lagers. Überrascht sah sie, dass Elden dort stand, der die Szene offenbar beobachtet hatte. Sein Blick war starr auf Jules gerichtet, der jetzt langsam aufstand und sich die Blut verschmierten Hände an der Kleidung abwischte. Dann schaute er Jolene an und lächelte.
„Offenbar weißt du dich zur Wehr zu setzen“, meinte er anerkennend.
Sie grinste.
„Brauner Gürtel in Tae-Kwon-Do.“
„Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet, aber erinnere mich daran, dass ich dir niemals zu nahe trete.“ Sein Grinsen wurde breiter unterschied sich aber fast in jeder Hinsicht von demjenigen, das kurze Zeit zuvor noch auf dem Gesicht des jungen Franzosen zu sehen gewesen war.
Jolene wandte sich lächelnd zum Gehen, schaut dann noch einmal über die Schulter zurück.
„Wie schade ...“
Eine Stunde nach der Ankunft der Befreiten saßen sie erfrischt und neu eingekleidet an einem großen Feuer beisammen. Harbon erzählte, was er in Erfahrung gebracht hatte und anschließend berichtete Elden über seine Erlebnisse und die von Jolene. Als der geendet hatte, herrschte eine Weile nachdenkliche Stille. Dann schaute Elden den Zauberer an.
„Wie gehen wir jetzt weiter vor?“
Harbon, der auf einem Baumstamm saß, kratzte sich am Kinn.
„Wir können auf keinen Fall hier bleiben und zurück nach Torfing kann ich auch nicht. Außerdem müssen wir den vierten Ankömmling treffen bevor die Schattenspürer ihn und Ariste aufgreifen.“
Harbon schaute nachdenklich ins Feuer.
„Ich habe über das Apaethon mit meinem alten Lehrer Rovan in Renkar gesprochen“, meinte er dann. „Wir müssen die Vier zu ihm bringen. Nur dort sind sie zumindest vorübergehend in Sicherheit und dort können wir uns mit dem Rat der Zauberer besprechen, wie es weiter geht.“
„Hast du mit Ariste bereits einen Treffpunkt vereinbart?“
„Ariste kommt mit dem Jungen von Silmara herüber. Wir treffen uns im Haus von Farnon, einem Zauberer, den ich aus Renkar kenne.“ Harbon kratzte sich am Kopf. „Er lebt in der Nähe von Mor'Klatt, wo die südliche Handelsstraße den Grold kreuzt.“
„Wir müssen also in die Tieflande!“ Elden klang wenig begeistert.
Harbon nickte.
„Wenn wir nach Renkar wollen, ist das so. Wir müssen über den Landbruch und zwar so schnell wie möglich!“
„Bis zur Rampe von Dron'Shir sind es drei Tagesritte. Von dort noch einmal zwei oder drei Tage bis Mor'Klatt. Oder denkst du etwa …?“ Elden ließ das Ende der Frage offen.
Harbon schwieg einen Moment. Dann nickte er erneut.
„Die Lange Treppe“, bestätigte er Eldens Befürchtung. „Das ist die einzige Möglichkeit.“
Elden schwieg, aber man sah ihm an, dass er erschrocken war. Der Zauberer lächelte dünn.
„Du musst uns nicht begleiten, Elden. Das kann niemand von dir verlangen.“
Elden fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Sein Blick fiel auf Jolene, die ihn über das Feuer hinweg anschaute, und die dem Gespräch der beiden bisher wortlos gefolgt war.
„Was hat es mit dieser Treppe auf sich?“, meldete sich jetzt Wedekind.
„Die Lange Treppe.“ Harbon starrte eine Weile in die Flammen. „Sie führt durch den Fels des Landbruchs hinab in die Tieflande. Sie ist sehr alt und wurde soweit ich weiß seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt. Aber wir würden drei oder vier Tage sparen und das kann entscheidend sein.“
„Dann sollten wir diesen Weg nehmen“, meinte Jolene mit einem unsicheren Lächeln.
Elden lachte auf.
„Ihr wisst noch nicht alles über die Treppe von Groldfall. Erzähl es ihnen, Zauberer!“ Mit einer heftigen Bewegung warf er einen kleinen Ast, mit dem er gespielt hatte, ins Feuer.
Harbon räusperte sich und sah den Räuberhauptmann warnend an.
„Man erzählt sich so einige Geschichten über finstere Wesen, die in der Dunkelheit der Treppe hausen und Reisenden auflauern“, erklärte er dann. „Aber das sind Legenden und Sagen und niemand weiß, wie viel Wahrheit in ihnen steckt.“
Schweigen folgte.
„Und wenn ich keine Lust habe, mit euch über eine Treppe durch die Dunkelheit zu stolpern, und mich von irgendwelchen Monstern umbringen zu lassen?“, stieß Jules plötzlich hervor. Seine Nase war geschwollen und unter den Augen hatten sich dunkelblaue Ringe gebildet.
Elden musterte ihn mit zornig funkelnden Augen. Trotzdem war seine Stimme von einer fast eisigen Ruhe.
„Nun, mein Freund, die Alternative ist, dass wir dich hier bei den Gardisten zurück lassen und du dich stattdessen mit Genton und Verline arrangierst.“ Er schnaubte verächtlich. „Und glaub mir, das willst du wirklich nicht.“
Der junge Franzose presste die Lippen zusammen und starrte schweigend in die Flammen.
Elden schüttelte kurz den Kopf und wandte sich dann wieder an Harbon.
„Ich werde euch zusammen mit einigen meiner Männer begleiten“, entschied er. „Isork bewacht hier mit den restlichen Männern noch zwei Tage die Gardisten.“ Er wandte sich dem kleinen Mann zu, der gerade aufbegehren wollte. Elden beschwichtigte ihn. „Es ehrt dich, dass du uns begleiten willst, alter Freund, aber ich brauche dich hier! Du musst dafür sorgen, dass die Gardisten nicht zu früh Alarm schlagen können.“
Isork zuckte resigniert mit den Schultern, nickte aber dann.
„Wie stellst du dir das vor?“, erkundigte er sich brummig.
„Bleibe hier für zwei Tage. Nimm dann die übrigen Pferde und einen der Gardisten mit und reitet Richtung Süden. Die Männer, für die keine Pferde da sind, wenden sich gleich nach Norden und suchen unser Versteck im Alten Wald auf. Schlagt das Lager ab und wartet auf Isork und die anderen. Isork, sobald ihr einen halben Tagesritt entfernt seid, lasst ihr den Gardisten laufen und schlagt einen Bogen nach Norden um die anderen in unserem Lager zu treffen. Dann begebt euch alle zusammen nach Disternes. Das dortige Versteck kennst du. Seid vorsichtig! Die Gardisten dürfen nicht erkennen, in welche Richtung ihr euch letztendlich wendet!“
Er schaute Isork an und dieser nickte nach einem Moment des Nachdenkens.
„Ein guter Plan!“ Harbon richtete sich mühsam auf. „Auf diese Weise werden die Gardisten nach frühestens drei Tagen befreit. Sie haben keine Pferde und es dürfte ihnen schwer fallen, allzu schnell Kontakt mit Reas Fei oder Verline aufzunehmen.“ Er kicherte. „Genton wird toben!“
Jules stand plötzlich auf und verließ wortlos den Kreis des Feuerscheins. Elden schaute Harbon fragend an, aber der Zauberer winkte ab.
„Er wird sich wieder beruhigen.“
Elden schüttelte den Kopf.
„Ich habe kein gutes Gefühl bei ihm!“ Von dem Zwischenfall am Bach hatten er und Jolene den anderen nicht berichtet, obwohl man sich über das ramponierte Gesicht des Franzosen wunderte. Sie hatten genügend andere Probleme.
„Er ist aufgebracht“, versuchte Harbon zu erklären. „Warte einige Tage. Dann legt sich das wieder.“
Elden zuckte die Schultern.
„Ich hoffe, du hast Recht.“ Er schien nicht überzeugt.
Harbon zuckte die Schultern.
„Wir werden sehen“, meinte er. „Wenn sich deine Leute nach Disternes zurück gezogen haben, sind sie für den Moment außer Gefahr.“
Elden nickte.
„Wir sollten jetzt schlafen“, beendete der Zauberer die Diskussion. „Ich zumindest bin müde und ich muss auch noch versuchen, Kontakt zu Ariste zu bekommen.“
 

flammarion

Foren-Redakteur
es

liest sich weg wie nüscht.
klrines gemecker: "Ich werde euch zusammen mit einigen meiner Männer begleiten - in der übernächsten zeile hast du noch mal Männer. ich würde daher das 1. durch Leute ersetzen.
Elden zuckte die Schulter - in der übernächsten zeile zuckt auch Harbon die Schulter. der könnte sie vielleicht lediglich heben, was meinst du?
lg
 
hehe, schlagfertige Frauen mag ich :D Wenn ich noch am Bewertungsbalken teilnehmen würde, würde ich dir allein dafür eine 12 geben :D
Trotzdem hab ich mich darüber gewundert, dass Jules Jolene mit "Baby" anredet, weil Franzosen üblicherweise "ma chérie" sagen.

Jolene wandte sich lächelnd zum Gehen, schaut dann noch einmal über die Schulter zurück.
„Wie schade ...“
Eine Stunde nach der Ankunft der Befreiten saßen sie erfrischt und neu eingekleidet an einem großen Feuer beisammen.
Hier würde ich eine Leerzeile zwischen "Wie schade ..." und "Eine Stunde nach..." einfügen.
 



 
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