Ariste war früh am Morgen zusammen mit Mickel in östliche Richtung aufgebrochen. Harbon hatte noch in der Nacht über das Apaethon mit ihr Kontakt aufgenommen und ihr von den Geschehnissen am Grold berichtet.
Die Seherin und der Junge waren zunächst gut vorangekommen, da sie es so früh am Tag noch wagen konnten, die Hauptstraßen zu benutzen. Inzwischen stand die Sonne hoch am Himmel und Ariste hatte sich schon vor einiger Zeit mit ihrem Schützling in den nahen Wald zurück gezogen. Auch wenn der Marsch hier sehr viel mühsamer war, fühlte sie sich hier, verborgen vor den Blicken allzu neugieriger Reisender, sicherer. Der Nachteil war, dass die beiden jetzt nur noch langsam weiter kamen. Mickel war inzwischen müde und Ariste musste ein ums andere Mal auf den kleinen Jungen warten, der sich tapfer durch Gestrüpp und Unterholz kämpfte.
Als die Seherin erkannte, dass ihr kleiner Schützling nun wirklich nicht mehr weiter konnte, beschloss sie, Mickel eine Pause zu gönnen. Auf einer kleinen Lichtung hielten sie an. Der Junge setzte sich erschöpft auf den Boden, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt. Ariste gab ihm zu trinken und auch einige Kekse aus Haferkleie. Sie selbst tastete nach dem Apaethon, konnte aber keinerlei Präsenz verspüren. Das beruhigte sie nur wenig, denn sie hatte keine Ahnung, ob man die Schattenspürer auf diese Art wahrnehmen konnte. Als sie sich wieder Mickel zu wandte, war der kleine Junge eingeschlafen. Ariste formte aus einer Decke ein Kissen und schob es ihm vorsichtig unter den Kopf. Dann legte sie sich ebenfalls auf den Waldboden.
Unvermittelt schreckte sie auf. Sie hatte nicht vorgehabt, zu schlafen, war aber offenbar trotzdem ein genickt. Wie lange sie schon so gelegen hatte, wusste sie nicht und auch nicht, was sie geweckt hatte.
Sie stand auf und schaute sich um. Dann riskierte sie trotz der Entdeckungsgefahr einen kurzen Griff auf das Apaethon. Da waren sie! Erschrocken über die Nähe ihrer Häscher unterbrach sie den Kontakt sofort und errichtete einen Abwehrblock. Allein, es war zu spät! Zu nah hatte sie die Präsenz gespürt, diese finstere, kalte Gegenwart der uralten Geschöpfe, die auf der Jagd nach ihr und Mickel waren – und da war noch jemand oder etwas, das sie in der kurzen Zeit nicht hatte identifizieren können. Sie rüttelte sanft an der Schulter des Jungen, um ihn zu wecken. Unwillig brummend öffnete er die Augen, orientierungslos zunächst, dann plötzlich erkennend, wo er sich befand.
„Wir müssen weiter, schnell“, forderte die Seherin ihn auf.
Immer noch ein wenig benommen kam Mickel auf die Beine und sah sich von Ariste mit gezerrt. Die Frau blieb so abrupt stehen, dass Mickel gegen ihren Rücken prallte. Als er an ihr vorbei auf den Waldrand schaute, bildete sich in seinem Magen ein eiskalter Klumpen. Vor Grauen riss er die Augen auf und klammerte sich Schutz suchend an seine Begleiterin.
Das Wesen, das dort aus dem Wald getreten war, war menschenähnlich und war es doch wieder nicht. Eine hagere, großgewachsene Gestalt mit blasser, fast weiß wirkender, durchscheinender Haut, völlig unbekleidet und bar jeglicher Geschlechtsmerkmale. Das Schlimmste aber waren die Augen: Weiße Augäpfel ohne Iris, die riesig aus einem kahlen Schädel hervor traten. Darunter schlitzförmige Nasenöffnungen und ein kleiner, fast Lippen loser Mund. Mickel schrie auf, als rechts von ihnen ein weiteres dieser Wesen erschien, gleich darauf links ein drittes. Ariste erinnerte sich an ihre Vision. Diese Wesen sahen völlig anders aus, als die Häscher, die sie in jenem Traum verfolgt hatten, aber Visionen waren nicht immer exakt. Nichtsdestotrotz war allein der Anblick der Schattenspürer dazu angetan, sie mit Grauen zu erfüllen.
Ariste zog sich mit ihrem Schützling in die einzige Richtung zurück, die nicht von einem der Schattenspürer blockiert wurde. Sie zog das kurze Schwert, das sie am Gürtel getragen hatte, entschlossen, ihr Leben und das des Jungen so teuer wie möglich zu verkaufen.
„Gib den Jungen heraus, dann geschieht dir nichts, Waldhexe!“, erklang plötzlich eine schneidende Stimme hinter ihrem Rücken. Sie fuhr herum.
Ein junger Mann, sicher nicht viel älter als zwanzig Jahre, stand dort und betrachtete sie und Mickel mit einem zynischen Lächeln. Er war schlank, nicht sehr groß und sah recht unscheinbar aus. Ein jungenhaftes Gesicht und lockiges blondes Haar vermittelten den Eindruck von Harmlosigkeit. Wären seine kalten Augen und dieses zynische Lächeln nicht gewesen, er hätte fast sympathisch gewirkt. Aber Ariste ließ sich durch sein Aussehen nicht täuschen. Wenn Verline ihn nach ihr ausgeschickt hatte, war er sicherlich nicht zu unterschätzen.
„Richte deiner Herrin aus, dass sie ihn nicht bekommen wird, Lakai!“ Sie legte alle Verachtung, zu der sie fähig war, in diese Worte.
„Du überschätzt dich erheblich, Kräuterhexe.“ Das Lächeln verschwand aus dem jungenhaften Gesicht. Seine Augen wurden starr, als er auf das Apaethon zugriff. Dann hob er die Hände.
Die Seherin und der Junge waren zunächst gut vorangekommen, da sie es so früh am Tag noch wagen konnten, die Hauptstraßen zu benutzen. Inzwischen stand die Sonne hoch am Himmel und Ariste hatte sich schon vor einiger Zeit mit ihrem Schützling in den nahen Wald zurück gezogen. Auch wenn der Marsch hier sehr viel mühsamer war, fühlte sie sich hier, verborgen vor den Blicken allzu neugieriger Reisender, sicherer. Der Nachteil war, dass die beiden jetzt nur noch langsam weiter kamen. Mickel war inzwischen müde und Ariste musste ein ums andere Mal auf den kleinen Jungen warten, der sich tapfer durch Gestrüpp und Unterholz kämpfte.
Als die Seherin erkannte, dass ihr kleiner Schützling nun wirklich nicht mehr weiter konnte, beschloss sie, Mickel eine Pause zu gönnen. Auf einer kleinen Lichtung hielten sie an. Der Junge setzte sich erschöpft auf den Boden, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt. Ariste gab ihm zu trinken und auch einige Kekse aus Haferkleie. Sie selbst tastete nach dem Apaethon, konnte aber keinerlei Präsenz verspüren. Das beruhigte sie nur wenig, denn sie hatte keine Ahnung, ob man die Schattenspürer auf diese Art wahrnehmen konnte. Als sie sich wieder Mickel zu wandte, war der kleine Junge eingeschlafen. Ariste formte aus einer Decke ein Kissen und schob es ihm vorsichtig unter den Kopf. Dann legte sie sich ebenfalls auf den Waldboden.
Unvermittelt schreckte sie auf. Sie hatte nicht vorgehabt, zu schlafen, war aber offenbar trotzdem ein genickt. Wie lange sie schon so gelegen hatte, wusste sie nicht und auch nicht, was sie geweckt hatte.
Sie stand auf und schaute sich um. Dann riskierte sie trotz der Entdeckungsgefahr einen kurzen Griff auf das Apaethon. Da waren sie! Erschrocken über die Nähe ihrer Häscher unterbrach sie den Kontakt sofort und errichtete einen Abwehrblock. Allein, es war zu spät! Zu nah hatte sie die Präsenz gespürt, diese finstere, kalte Gegenwart der uralten Geschöpfe, die auf der Jagd nach ihr und Mickel waren – und da war noch jemand oder etwas, das sie in der kurzen Zeit nicht hatte identifizieren können. Sie rüttelte sanft an der Schulter des Jungen, um ihn zu wecken. Unwillig brummend öffnete er die Augen, orientierungslos zunächst, dann plötzlich erkennend, wo er sich befand.
„Wir müssen weiter, schnell“, forderte die Seherin ihn auf.
Immer noch ein wenig benommen kam Mickel auf die Beine und sah sich von Ariste mit gezerrt. Die Frau blieb so abrupt stehen, dass Mickel gegen ihren Rücken prallte. Als er an ihr vorbei auf den Waldrand schaute, bildete sich in seinem Magen ein eiskalter Klumpen. Vor Grauen riss er die Augen auf und klammerte sich Schutz suchend an seine Begleiterin.
Das Wesen, das dort aus dem Wald getreten war, war menschenähnlich und war es doch wieder nicht. Eine hagere, großgewachsene Gestalt mit blasser, fast weiß wirkender, durchscheinender Haut, völlig unbekleidet und bar jeglicher Geschlechtsmerkmale. Das Schlimmste aber waren die Augen: Weiße Augäpfel ohne Iris, die riesig aus einem kahlen Schädel hervor traten. Darunter schlitzförmige Nasenöffnungen und ein kleiner, fast Lippen loser Mund. Mickel schrie auf, als rechts von ihnen ein weiteres dieser Wesen erschien, gleich darauf links ein drittes. Ariste erinnerte sich an ihre Vision. Diese Wesen sahen völlig anders aus, als die Häscher, die sie in jenem Traum verfolgt hatten, aber Visionen waren nicht immer exakt. Nichtsdestotrotz war allein der Anblick der Schattenspürer dazu angetan, sie mit Grauen zu erfüllen.
Ariste zog sich mit ihrem Schützling in die einzige Richtung zurück, die nicht von einem der Schattenspürer blockiert wurde. Sie zog das kurze Schwert, das sie am Gürtel getragen hatte, entschlossen, ihr Leben und das des Jungen so teuer wie möglich zu verkaufen.
„Gib den Jungen heraus, dann geschieht dir nichts, Waldhexe!“, erklang plötzlich eine schneidende Stimme hinter ihrem Rücken. Sie fuhr herum.
Ein junger Mann, sicher nicht viel älter als zwanzig Jahre, stand dort und betrachtete sie und Mickel mit einem zynischen Lächeln. Er war schlank, nicht sehr groß und sah recht unscheinbar aus. Ein jungenhaftes Gesicht und lockiges blondes Haar vermittelten den Eindruck von Harmlosigkeit. Wären seine kalten Augen und dieses zynische Lächeln nicht gewesen, er hätte fast sympathisch gewirkt. Aber Ariste ließ sich durch sein Aussehen nicht täuschen. Wenn Verline ihn nach ihr ausgeschickt hatte, war er sicherlich nicht zu unterschätzen.
„Richte deiner Herrin aus, dass sie ihn nicht bekommen wird, Lakai!“ Sie legte alle Verachtung, zu der sie fähig war, in diese Worte.
„Du überschätzt dich erheblich, Kräuterhexe.“ Das Lächeln verschwand aus dem jungenhaften Gesicht. Seine Augen wurden starr, als er auf das Apaethon zugriff. Dann hob er die Hände.