28. Ein Nachtlager

Amadis

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Es begann bereits zu dämmern und Wedekind wusste so langsam nicht mehr, wie er noch sitzen sollte. Sein verlängerter Rücken fühlte sich an, als bestünde er aus rohem Fleisch, als habe sich sämtliche Haut abgelöst.
„Wie weit ist es noch?“, erkundigte er sich bei Harbon, der in den letzten Stunden ebenfalls immer wieder über Schmerzen im Rücken geklagt hatte. Der Zauberer schaute mühsam in Richtung der Sonne, die in ihrem Rücken dem Horizont entgegen sank.
„Nicht mehr sehr weit, Wunderschritt. Ich hoffe, wir schaffen es noch vor Einbruch der Dunkelheit.“
Er winkte Mirdal heran, den zweiten von Eldens Männern, der sie begleitete. Der fast zierlich wirkende Mann, der immer gebeugt ging, als laste das Schicksal der Welt auf seinen Schultern, und der dadurch noch kleiner wirkte, als er es ohnehin schon war, trieb sein Pferd in Richtung von Harbons Karren.
„Reite bitte voraus, Mirdal, und suche uns einen Lagerplatz für die Nacht. Du weißt ja, worauf du achten musst.“
Mirdal nickte wortlos und gab seinem Reittier die Sporen.
Wedekind schätzte, dass eine weitere Stunde verging, in der er sich mehr oder weniger voran quälte. Hinter einer Wegbiegung stand plötzlich eine Gestalt auf der Straße, die sich beim Näherkommen als Mirdal entpuppte. Es war inzwischen fast dunkel geworden. Harbon hielt seinen Karren neben dem kleinen Mann an, wechselte einige Worte mit ihm und bedeutete dann den anderen, ihm zu folgen.
Sie bogen von der Straße ab, folgten einem in der einbrechenden Dunkelheit kaum zu erkennenden Pfad und gelangten schließlich auf eine Lichtung. Ächzend kletterte Harbon von seinem Karren und Wedekind gestand sich ein, dass er derzeit keine viel bessere Figur machte, als der Zauberer in seiner augenblicklichen Gestalt. In jedem Fall war er froh, wieder auf eigenen Füßen zu stehen.
Mirdal hatte bereits Holz für ein Feuer gesammelt, das jetzt ohne Verzug entzündet wurde. In der Nähe plätscherte ein kleiner Bach, wohin man zunächst die Pferde führte, damit sie trinken konnten.
Wedekind versorgte wie die anderen sein Pferd, rieb es mit einem Heubündel trocken. Dann wusch er sich mit dem eiskalten, klaren Wasser des Baches, was seine Lebensgeister wieder ein wenig weckte. Anschließend gesellte er sich zu den anderen, die sich um das Feuer gruppierten, welches inzwischen hoch aufloderte.
„Müssen wir nicht vorsichtig sein wegen des Feuers?“, erkundigte er sich bei Harbon.
Der Zauberer zuckte mit den Schultern.
„Ich glaube kaum, dass wir im Moment in Gefahr sind, Wanderlust.“ Er schaute sich unwillkürlich um. „Es wird wohl niemand damit rechnen, dass wir diesen Weg wählen.“
Wedekind nickte. Er wandte sich an Jules.
„Wie hast du die Reiterei überstanden?“
Der junge Franzose zuckte mit den Schultern, brummte etwas Unverständliches und setzte sich dann etwas abseits auf einen am Boden liegenden Baumstamm. Wedekind schüttelte leicht den Kopf. Wenn Jules sich in seinen Schmollwinkel zurückziehen wollte, dann konnte er auch nichts daran ändern. Außerdem war er im Moment selbst nicht eben in einer Stimmung, die dazu angetan war, diejenige des jungen Mannes zu verbessern.
Elden und Mirdal hatten in der Zwischenzeit einige Fleischstücke auf Spieße gesteckt, die sie nun an die um das Feuer herum stehenden und sitzenden Gefährten verteilten. Nach kurzer Zeit im Feuer war das Fleisch durchgebraten und es duftete herrlich. Wedekind sprach der Mahlzeit, die durch das bereits bekannte grobe Brot komplettiert wurde, kräftig zu, auch wenn er im Gegensatz zu den anderen im Stehen aß. Letzteres trug ihm einigen gutmütigen Spott ein, aber er war der Meinung, für diesen Tag lange genug gesessen zu haben.
Es war eine müde Gesellschaft, die sich da an diesem lauen Abend um das Lagerfeuer versammelt hatte. Letztendlich setzte sich auch Wedekind zu seinen Gefährten. Er wandte sich zu Harbon, der neben ihm saß.
„Du hast uns immer noch nicht erzählt, was es mit dem Alten Geschlecht und damit mit unserer eigenen Geschichte auf sich hat.“
Die alte Frau kratzte sich am verlängerten Rücken. Dann nickte sie.
„Du hast Recht, Wendelmann. Das ist eine gute Geschichte für einen Abend am Lagerfeuer.“
Harbon zündete die Pfeife an, die er gerade zu ende gestopft hatte. Als er die ersten Rauchwolken ausblies und sich der würzige Duft des Pfeifenkrautes um ihn ausbreitete, lehnte er sich zurück und begann mit seiner Erzählung …
 

flammarion

Foren-Redakteur
und

nächstes gemecker: im 2. absatz hast du 2x Rücken, einer lässt sich gewiss durch "hinter ihnen" ersetzen.
im letzte absatz . . . Pfeife zu ende gestopft - zu Ende, bitte.
spannend!
lg
 



 
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