„Das alles trug sich vor undenklicher Zeit zu, viele Jahrhunderte in der Vergangenheit. Damals existierten vier große Reiche in Trimandar. Zwei hier, auf dem Nordkontinent und die anderen beiden im Süden, jenseits der Meeresstraße von Ramarkan.“ Harbon machte eine unbestimmte Geste und zog an seiner Pfeife, die bereits zu verlöschen drohte. Dann fuhr er fort.
„Es herrschte Frieden in der Welt. Über jedes der Reiche herrschte ein Haus von edlen und gütigen Herrschern, die beliebt waren beim Volk und in gutem Einvernehmen mit ihren Nachbarreichen lebten. Man nannte sie das Alte Geschlecht, denn sie hatten gemeinsame Wurzeln in den Tiefen der Vergangenheit. Die Menschen lebten gut und in Wohlstand, denn diese friedlichen Zeiten dauerten schon seit Jahrhunderten an. Aber es zogen dunkle Schatten auf, die von neuen Zeiten kündeten. Von Westen über das große Wasser kamen Schiffe in die Gefilde Trimandars. Tausende von Schiffen. Sie landeten an den westlichen Gestaden und ihnen entströmte undenkliches Grauen. Wesen, wie sie nie zuvor erblickt wurden, grauenvolle Wesen in so großer Zahl, dass sie über die Reiche Trimandars kamen, wie eine finstere, furchtbare Flut. Schattenhafte Gestalten, nicht dieser Welt zugehörig, aber auch nicht der anderen. Zwischenwesen. Ihnen folgten menschliche und weniger menschliche Krieger, riesige Armeen. Der Strom schien kein Ende nehmen zu wollen. Die Menschen Trimandars wurden völlig überrascht. Bevor sie ihren Widerstand organisieren konnten, hatten die fremden Horden schon große Teile der Reiche überrannt. Wesen mit magischen Fähigkeiten befehligten und unterstützten die Armeen. Hinzu kamen die schrecklichen fahlen Reiter, untote Krieger, die mit normalen Waffen nicht besiegt werden können. Die trimandischen Zauberer und Krieger leisteten so gut sie konnten Widerstand. Das Magische Kolleg von Renkar entsandte seine mächtigsten Zauberer und Magier, die sich den Invasoren entgegen stellten. Eine Weile sah es so aus, als könnten sie erfolgreich sein. Dann aber griffen auf Seiten der Fremden mächtige Zauberwesen in den Kampf ein. Viele der trimandischen Zauberer wurden vernichtet, nur wenige entkamen. Die südlichen Reiche fielen zuerst, mit ihnen fast alle Angehörigen der dortigen Herrscherhäuser. Die Überlebenden flohen auf den Nordkontinent, wo sie sich in einer letzten großen Schlacht bei den Zinnen von Dolbardar den Fremden entgegen stellten. Dort gewahrten sie dann zum ersten Mal den Großen Schatten, die finstere Macht, die hinter allem stand und die sich in unserer Welt nur als Schatten zeigt. Der Himmel über Dolbardar verfinsterte sich, so erzählen es die alten Bücher, als die beiden riesigen Heere auf der Ebene zu Füßen der Zinnen aufeinander prallten. Allein, die Trimander waren ohne Chance. Als die Niederlage unausweichlich schien, zogen sich die verbliebenen Mitglieder der Herrscherhäuser mit wenigen Getreuen, einigen Zauberern und Magiern in die Feste der Reichshauptstadt Nermangor zurück. Dort beratschlagten sie und der Gildenmeister des Magischen Kollegs, ein Magier mit Namen Artrandil, sah nur eine Chance, das Überleben der Häuser des Alten Geschlechts zu ermöglichen: Er setzte seine magischen Fähigkeiten ein, um ein Mitglied jedes Hauses in eine andere Welt zu versetzen, wo sie dem Zugriff der finsteren Mächte entzogen wären. So geschah es, dass aus jedem der vier Häuser Bären, Wölfe, Adler und Drachen einer in die andere Welt gelangte.“
Harbon unterbrach sich und benutzte einen Span, um seine Pfeife, die inzwischen erloschen war, wieder zu entzünden. Wedekind und die anderen hatten beinahe andächtig der Erzählung des Zauberers gelauscht, einer Erzählung, die auch ihre eigene Geschichte war.
„Wir sind die Nachfahren dieser vier.“ Wedekinds Stimme klang rau.
Harbon nickte.
„Schau dir deinen Ring an, Wedekind. Dort wirst du das Symbol deines Hauses sehen.“
Wedekind zog den Ring, den er an einer Lederschnur um den Hals trug, hervor und betrachtete ihn im Schein der Flammen.
„Ein Adler. Es ist ein Adler.“ Dann stutzte er. „Warum habe ich den Adler vorher nicht gesehen? Ich trage den Ring schon seit beinahe zwanzig Jahren.“
Harbon lachte.
„In eurer Welt war es nur irgendein Symbol, ein Siegel, um den Ring zu tarnen. Den Adler kannst du nur hier in Trimandar sehen.“
Jolene hatte ihren Ring ebenfalls hervor geholt.
„Mein Ring zeigt einen Wolfskopf.“
Harbon nickte.
„Und der von Jules trägt das Zeichen des Bären.“
Den jungen Franzosen schien all das nicht sonderlich zu interessieren.
„Hat die Zugehörigkeit zu den Häusern eine bestimmte Bedeutung?“, erkundigte sich Wedekind, der seinen Ring inzwischen wieder unter seinem Hemd trug.
„Ein wenig schon.“ Harbon kratzte sich am Kopf. „Die Häuser des Bären und des Wolfes sind auf dem Südkontinent beheimatet, während die Adler und Drachen vom Nordkontinent stammen, also hier zuhause sind. Auf dem Nordkontinent lag auch die alte Hauptstadt Nermangor, die der Sitz des Hochkönigs war. Der Hochkönig wurde vom Haus des Drachen gestellt und seine Stimme hatte im Rat der Könige besonderes Gewicht. Die mächtigsten Magier und Gelehrten hingegen gingen meist aus dem Haus des Adlers hervor, die stärksten Krieger gab es bei den Wölfen und die Bären waren für Handwerk und Schmiedekunst bekannt. Aus ihren Schmieden stammten die mächtigsten Waffen ihrer Zeit.“
„Hat ihnen aber nicht viel geholfen“, brummte Jules.
Harbon ging nicht darauf ein.
„Seit jener Zeit, von der ich gerade berichtet habe, herrscht der Große Schatten mit Hilfe seiner Schergen über die vier Reiche von Trimandar. Die Menschen schöpfen Ihre Hoffnung nur noch aus dem Buch der Prophezeiung, das die Wiederkehr des Alten Geschlechts ankündigt, wodurch der Untergang der finsteren Herrschaft eingeläutet wird.“
„Was war mit den Zauberern?“ Wedekind schaute Harbon fragend an.
„Nach der Niederlage bei den Zinnen von Dolbardar fielen die Horden der Invasoren über die alte Hauptstadt her und verwüsteten sie. Beinahe alle dort wurden getötet, die Fest geschliffen. Einige Zauberer und Magier, unter ihnen Artrandil entkamen nach Renkar und verbargen das Kolleg hinter einem Schutzzauber. Seither wissen nur wenige Eingeweihte, wie man die alte Schule der Zauberer finden kann und deswegen existiert sie noch heute. Über die Jahrhunderte wurden dort Zauberer ausgebildet und ich kann dir sagen, wir sind überall in den vier Reichen. Wenn wir uns eines Tages erheben, werden sich Verline und ihresgleichen wundern.“ Er lachte und in seinen Augen war ein stolzer Glanz zu sehen.
„Dann ist Verline nur eine von vielen?“, erkundigte sich Jolene.
„Sie ist eine sehr mächtige Zauberin, aber es gibt andere, die ihr an Macht gleich kommen, wenige, die mächtiger sind. Und dann ist da natürlich noch der Große Schatten. Aber davon erzähle ich euch ein anderes Mal. Es ist spät. Wir sollten jetzt schlafen. Der morgige Tag wird anstrengend werden.“
Kurze Zeit später hatten sich alle nahe des Feuers unter ihren Decken ausgestreckt.
Trotz der Schmerzen an seiner Kehrseite fiel Wedekind schnell in einen tiefen Schlaf.
„Es herrschte Frieden in der Welt. Über jedes der Reiche herrschte ein Haus von edlen und gütigen Herrschern, die beliebt waren beim Volk und in gutem Einvernehmen mit ihren Nachbarreichen lebten. Man nannte sie das Alte Geschlecht, denn sie hatten gemeinsame Wurzeln in den Tiefen der Vergangenheit. Die Menschen lebten gut und in Wohlstand, denn diese friedlichen Zeiten dauerten schon seit Jahrhunderten an. Aber es zogen dunkle Schatten auf, die von neuen Zeiten kündeten. Von Westen über das große Wasser kamen Schiffe in die Gefilde Trimandars. Tausende von Schiffen. Sie landeten an den westlichen Gestaden und ihnen entströmte undenkliches Grauen. Wesen, wie sie nie zuvor erblickt wurden, grauenvolle Wesen in so großer Zahl, dass sie über die Reiche Trimandars kamen, wie eine finstere, furchtbare Flut. Schattenhafte Gestalten, nicht dieser Welt zugehörig, aber auch nicht der anderen. Zwischenwesen. Ihnen folgten menschliche und weniger menschliche Krieger, riesige Armeen. Der Strom schien kein Ende nehmen zu wollen. Die Menschen Trimandars wurden völlig überrascht. Bevor sie ihren Widerstand organisieren konnten, hatten die fremden Horden schon große Teile der Reiche überrannt. Wesen mit magischen Fähigkeiten befehligten und unterstützten die Armeen. Hinzu kamen die schrecklichen fahlen Reiter, untote Krieger, die mit normalen Waffen nicht besiegt werden können. Die trimandischen Zauberer und Krieger leisteten so gut sie konnten Widerstand. Das Magische Kolleg von Renkar entsandte seine mächtigsten Zauberer und Magier, die sich den Invasoren entgegen stellten. Eine Weile sah es so aus, als könnten sie erfolgreich sein. Dann aber griffen auf Seiten der Fremden mächtige Zauberwesen in den Kampf ein. Viele der trimandischen Zauberer wurden vernichtet, nur wenige entkamen. Die südlichen Reiche fielen zuerst, mit ihnen fast alle Angehörigen der dortigen Herrscherhäuser. Die Überlebenden flohen auf den Nordkontinent, wo sie sich in einer letzten großen Schlacht bei den Zinnen von Dolbardar den Fremden entgegen stellten. Dort gewahrten sie dann zum ersten Mal den Großen Schatten, die finstere Macht, die hinter allem stand und die sich in unserer Welt nur als Schatten zeigt. Der Himmel über Dolbardar verfinsterte sich, so erzählen es die alten Bücher, als die beiden riesigen Heere auf der Ebene zu Füßen der Zinnen aufeinander prallten. Allein, die Trimander waren ohne Chance. Als die Niederlage unausweichlich schien, zogen sich die verbliebenen Mitglieder der Herrscherhäuser mit wenigen Getreuen, einigen Zauberern und Magiern in die Feste der Reichshauptstadt Nermangor zurück. Dort beratschlagten sie und der Gildenmeister des Magischen Kollegs, ein Magier mit Namen Artrandil, sah nur eine Chance, das Überleben der Häuser des Alten Geschlechts zu ermöglichen: Er setzte seine magischen Fähigkeiten ein, um ein Mitglied jedes Hauses in eine andere Welt zu versetzen, wo sie dem Zugriff der finsteren Mächte entzogen wären. So geschah es, dass aus jedem der vier Häuser Bären, Wölfe, Adler und Drachen einer in die andere Welt gelangte.“
Harbon unterbrach sich und benutzte einen Span, um seine Pfeife, die inzwischen erloschen war, wieder zu entzünden. Wedekind und die anderen hatten beinahe andächtig der Erzählung des Zauberers gelauscht, einer Erzählung, die auch ihre eigene Geschichte war.
„Wir sind die Nachfahren dieser vier.“ Wedekinds Stimme klang rau.
Harbon nickte.
„Schau dir deinen Ring an, Wedekind. Dort wirst du das Symbol deines Hauses sehen.“
Wedekind zog den Ring, den er an einer Lederschnur um den Hals trug, hervor und betrachtete ihn im Schein der Flammen.
„Ein Adler. Es ist ein Adler.“ Dann stutzte er. „Warum habe ich den Adler vorher nicht gesehen? Ich trage den Ring schon seit beinahe zwanzig Jahren.“
Harbon lachte.
„In eurer Welt war es nur irgendein Symbol, ein Siegel, um den Ring zu tarnen. Den Adler kannst du nur hier in Trimandar sehen.“
Jolene hatte ihren Ring ebenfalls hervor geholt.
„Mein Ring zeigt einen Wolfskopf.“
Harbon nickte.
„Und der von Jules trägt das Zeichen des Bären.“
Den jungen Franzosen schien all das nicht sonderlich zu interessieren.
„Hat die Zugehörigkeit zu den Häusern eine bestimmte Bedeutung?“, erkundigte sich Wedekind, der seinen Ring inzwischen wieder unter seinem Hemd trug.
„Ein wenig schon.“ Harbon kratzte sich am Kopf. „Die Häuser des Bären und des Wolfes sind auf dem Südkontinent beheimatet, während die Adler und Drachen vom Nordkontinent stammen, also hier zuhause sind. Auf dem Nordkontinent lag auch die alte Hauptstadt Nermangor, die der Sitz des Hochkönigs war. Der Hochkönig wurde vom Haus des Drachen gestellt und seine Stimme hatte im Rat der Könige besonderes Gewicht. Die mächtigsten Magier und Gelehrten hingegen gingen meist aus dem Haus des Adlers hervor, die stärksten Krieger gab es bei den Wölfen und die Bären waren für Handwerk und Schmiedekunst bekannt. Aus ihren Schmieden stammten die mächtigsten Waffen ihrer Zeit.“
„Hat ihnen aber nicht viel geholfen“, brummte Jules.
Harbon ging nicht darauf ein.
„Seit jener Zeit, von der ich gerade berichtet habe, herrscht der Große Schatten mit Hilfe seiner Schergen über die vier Reiche von Trimandar. Die Menschen schöpfen Ihre Hoffnung nur noch aus dem Buch der Prophezeiung, das die Wiederkehr des Alten Geschlechts ankündigt, wodurch der Untergang der finsteren Herrschaft eingeläutet wird.“
„Was war mit den Zauberern?“ Wedekind schaute Harbon fragend an.
„Nach der Niederlage bei den Zinnen von Dolbardar fielen die Horden der Invasoren über die alte Hauptstadt her und verwüsteten sie. Beinahe alle dort wurden getötet, die Fest geschliffen. Einige Zauberer und Magier, unter ihnen Artrandil entkamen nach Renkar und verbargen das Kolleg hinter einem Schutzzauber. Seither wissen nur wenige Eingeweihte, wie man die alte Schule der Zauberer finden kann und deswegen existiert sie noch heute. Über die Jahrhunderte wurden dort Zauberer ausgebildet und ich kann dir sagen, wir sind überall in den vier Reichen. Wenn wir uns eines Tages erheben, werden sich Verline und ihresgleichen wundern.“ Er lachte und in seinen Augen war ein stolzer Glanz zu sehen.
„Dann ist Verline nur eine von vielen?“, erkundigte sich Jolene.
„Sie ist eine sehr mächtige Zauberin, aber es gibt andere, die ihr an Macht gleich kommen, wenige, die mächtiger sind. Und dann ist da natürlich noch der Große Schatten. Aber davon erzähle ich euch ein anderes Mal. Es ist spät. Wir sollten jetzt schlafen. Der morgige Tag wird anstrengend werden.“
Kurze Zeit später hatten sich alle nahe des Feuers unter ihren Decken ausgestreckt.
Trotz der Schmerzen an seiner Kehrseite fiel Wedekind schnell in einen tiefen Schlaf.