3. Kapitel

Brandiff

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Vier Jahre später...

Es war eine lange und rauhe Überfahrt. Die Besatzung war müde und ausgebrannt von einer monatelangen Reise, die man durchaus als erfolgreich ansehen konnte. Die Black Angle war über viele Wochen auf der Flucht vor den streitsüchtigen Wikingern, die ständig versuchten den bescheidenen Besitz von Francis Bryson zu rauben. Bryson war Mitte 30 und hatte sich vor kurzem einen Teil seiner Erbschaft von seiner Familie auszahlen lassen, da es für ihn ersichtlich war, dass er in England als zweiter Sohn eines Earls kaum Chancen hatte das große Glück zu finden.

Wie es der Zufall so wollte, hatten unliebsamer Augen von diesem "Schatz“ Wind bekommen und machten sich auf den Weg, Bryson des Schatzes zu entledigen. Eine wochenlange Verfolgungsjagd durch die Meere war die Folge. Doch der Besatzung gelang es zu entkommen und ihre Mission, die Suche nach einer neuen Heimat, fortzusetzen. Leider hatte die Black Angle nicht ganz so viel Glück und erlitt durch Gefechte und Wetter jede Menge Schäden. Am Ende blieb dem Kommandanten nichts weiter übrig, als einen ruhigen Anlegeplatz zu finden, das Schiff auf Sand zu setzen und nötige Reparaturen einzuleiten.

Bryson hatte keine Ahnung, wo er sich genau befand, denn diese Insel genannt Maritim war auf keiner seiner Karten verzeichnet. Doch hier, wo er mit seinem Schiff strandete, gab es zahlreiche Wälder und die Felder schienen alles zu haben, was man zum Leben benötigt. Das Risiko von seinen Verfolgern gefunden zu werden war so gering, das er es der Besatzung erlaubte sich hier auf diesen friedlichen Strandabschnitt von den Strapazen zu erholen.

Die Männer bauten notdürftige Hütten, die wohl für einige Wochen ihr zu Hause sein sollten. Das Schiff wurde von einem notdürftigen Trockendock umgeben und die Besatzung der Black Angle ließ sich sehr viel Zeit ihre Aufgaben und Reparatur auszuführen. Es war ein guter Zeitpunkt um über die Zukunft der Person Francis Bryson, seinen Plänen und Träumen, nachzudenken.

Francis Bryson hatte sich hierzu eine kleine Hütte am Strand zusammen gezimmert, wo er sich viel Zeit nahm um Bücher zu studieren und mehr über diesen geheimnisvollen Ort zu erfahren.


Der Tag verstrich und Franics konnte suchen so viel er wollte, es gab keine Hinweise oder Aufzeichnungen die zu dieser Insel führten. Wer immer auch der Herr des Eilands war, wusste es perfekt aus den Chroniken der Bibliotheken Englands zu halten. Francis Bryson liess sich aus dem Vorrat der Black Angle eine Flasche Rum bringen und legte die Bücher beiseite.

Es gab noch Dinge, die zu erledigen waren. Einer seiner Träume, an denen er schon seit Jahren arbeitete, war die Konstruktion der, in seinen Augen, perfekten Stadt. Eine Stadt in der man Frieden finden konnte, eine Stadt die Heimat für jederman sein konnte und ein Ort, dessen elementare Aufgabe die Befriedigung der Bedürfnisse aller reiselustigen Abenteurer sein sollte. Eine Hafenstadt mit Kontoren, Lager, Verwaltungsgebäude ebenso wie Handwerkschmeiden.

Bryson war der Überzeugung, man müsse die wichtigsten Dinge wie Handwerk und Handel in einer Hafenstadt zentrieren um den Überseehandel effektiv ausüben zu können. Eine Idee, die bis dahin in Europa eher weniger Beachtung fand. Skizzen, wie ein solcher Ort aussehen würde, hatte Bryson einige entworfen im Lauf der Jahre aber noch nie im Leben einen Ort gefunden, an dem es möglich oder von Bedeutung wäre diese Stadt zu errichten. Er zeichnete seine Pläne trotzdem weiter, denn es gab an diesen Ort keinerlei alternative Beschäftigung.

Patria war das italienische Wort für Heimat oder Vaterland und so war es wohl kein Wunder, dass Francis Bryson seine hochtrabenden Baupläne dem verheissungsvollen Titel "Port Patriam" gab. An manchen Abenden zweifelte Francis jedoch ob dieser Ort jemals Wirklichkeit werden konnte.

Kurz nach Sonnenaufgang. “Captain!“, ein wildes Klopfen an der Tür weckte den Kapitän aus seinem Schlaf. “CAPTAIN!“, der Ruf wurde etwas lauter, bis Francis antwortete. “Was gibt es, Mister Swallow?“ “Jemand hat heute Nacht Vorräte gestohlen! Schnell, ihr müsst aufwachen!“ “Was… was sagt ihr da?“

Nichts brachte den Kreislauf schneller in Schwung als eine schlechte Nachricht am Morgen. Innerhalb weniger Sekunden war Capitän Bryson wider klar im Kopf. Die kleine notdürftige Hütte war von den Aktivitäten der letzten Nacht etwas in Unordnung geraten und so musste sich Francis erstmal einen Weg durch seine Bücher, Pläne und Arbeitsmaterialien bahnen bis er endlich vor die Hütte trat.

“Was ist passiert?“ Die Gedanken und die Sorge waren urplötzlich wieder Realität. Das Leben eines Reisenden und Entdeckers zwang einen Menschen ständig sich mit den realen Problemen zu befassen, wohingegen das schöne Leben als Sohn eines Adeligen einen leichter zu verleiten ließ sein Leben Träumerei zu verbringen. Nun, Francis hatte eindeutig beide Fähigkeiten in sich vereint.

“Wir haben heute Morgen die Lager kontrolliert und festgestellt, dass sie geplündert wurden!“, erläuterte Mister Swallow die Situation. “Wir haben den Wachposten befragt, doch er hat niemanden bemerkt. Von der Mannschaft kann es auch keiner gewesen sein, dazu fehlt viel zu viel und man kann es ja nicht vor uns hier am Strand einfach verstecken.“

Der Capitän nickte verstehend und dachte über die Situation nach. Er beschloss sich ein klares Bild über die Lage zu verschaffen, bevor er eine endgültige Entscheidung treffen würde.
“Was fehlt uns im Wesentlichen?“ “Tja, Captain, das ist das große Rätsel an der Sache. Im Wesentlichen wurden uns nur Lebensmittel geklaut. Getrocknetes Fleisch, Brot und Saatgut und vor allem frisches Wasser.. Frischmilch von Wildziegen, die wir gefunden haben, wurde ebenfalls entwendet. Erstaunlich an der Sache ist, dass von unserem Werkzeug oder Warenbestand überhaupt ist geklaut wurde. Nicht mal das Gold wurde angerührt.“

“Habt ihr Kundschafter ausgesandt?“ “Noch nicht, Captain. Fergus war heute Morgen im Wald nach Beeren und Wild zu suchen. Dabei hat er am anderen Ende des Waldes eine Straße gefunden, die weiter in den Süden auf die Berge zuführt. Er hat auch Spuren gefunden, von denen er denkt sie könnte von einer Gruppe Menschen stammen.“

“Räuber?“ “Das wissen wir nicht genau. Es können auch Einheimische gewesen sein. Wir wissen nicht viel über diese Insel, Captain.“
Francis verschränkte seine Hände auf dem Rücken. Er hatte die Angewohnheit stets auf seinen Rücken mit den Finger zu klopfen, wenn er angestrengt nachdachte. Er kam zu dem Schluss wu eine Straße war, musste es auch Menschen geben die eine Straße gebaut hatten und dem zur Folge eine Straße benötigten. Es mussten Menschen in der Nähe sein oder noch schlimmer es könnte genauso gut die geheimnisvolle Insel der Dämon sein, wie sie in Kardinal George in seinem Werk „Die Welt jenseits der Scheibe“ beschrieben hatte. Nur war sich Francis relativ sicher nicht mit seinem Schiff den Rand der bekannten Welt überschritten zu haben. Doch die abergläubische Besatzung des Schiffes würde in dieser Situation an alles glauben und vielleicht sogar meutern obwohl sie womöglich längst am Ziel ihrer Reise angekommen waren ohne es zu wissen.

“Wir stellen Erkundungstrupps auf, 5 Mann pro Trupp. Sendet 3 Gruppen aus, nach Süden, Westen und Osten. Die 4. Gruppe leite ich persönlich.“ “Captain? Was habt ihr vor?“, fragte Mr. Swallow neugierig, nicht ohne eine gewisse Furcht zu zeigen. “Ich sehe mich etwas um und verfolge die Spuren. Ihr bleibt beim Schiff und versucht unsere Leute zusammen zu halten. Ich will keine Geschichten an Bord haben. Klar soweit?“
“Aber Captain, ihr könnt doch nicht allein die wilde Insel durchstreifen. Wenn euch etwas zustößt sitzen wir hier auf ewig fest!“ “Die Entscheidung ist getroffen! Ruft die Männer zusammen, in einer Stunde brechen wir auf!“
Francis Bryson verschwand kurz in seine Hütte um seine persönliche Sachen für die Erkundung der Insel zusammen zu suchen.

Gegen Mittag hatten sich die Männer der Black Angle am Strand versammelt und ließen sich über die Lage informieren. Dabei wurden der Crew insbesondere die Ereignisse der letzten Nacht zugetragen, als im Verlauf des Abends Besuch aus dem Norden und Osten am Strand eintrafen. Fürst Aron Kingsley von Nord-Martim, Fürst Rudolf von Konstantin aus dem Osten, Captain Sanches von der Handelsmarine, sowie Eggi ein waschechter Mecker-Drache, wie Aron ihn beschrieb, waren nur einige der Namen die hier fiehlen. Captain Bryson informierte seine Männer vom Vertrag mit Fürst Aron, welcher es den Leuten erlaubte zukünftig in Nord-Maritim als Bürger leben zu dürfen.

Um die hohen Herren zukünftig besser bewirten zu können, befahl Captain Bryson den Bau einer Taverne, da in Kürze zahlreiche Gäste aus den südlichen Landstrichen erwartet wurden und die provisorischen Unterkünfte für den Ansturm wohl kaum geeignet waren. Ebenso wurde der Bau eines Anlegestegs befohlen, um die Bedürfnisse Captain Sanches zu entsprechen, der eine Handelsverpflichtung mit Aron Kingsley einging.

Es werden turbulente Sommermonate denn in der vergangenen Nacht wurden große Pläne geschmiedet und es lag nun in Aron und Francis Hände den Worten Taten folgen zu lassen. Was getan werden konnte hatte Bryson verrichtet, nun wartete er auf Kunde aus dem Fürstenhof.

Wie der Fürst es gesagt hatte, sollten sich nach einigen Tagen erste Bau- und Zunftmeister aus Lurix bei Francis einfinden, um sich einen ersten Überblick über die anstehenden Arbeiten und benötigten Arbeitskräfte, so wie das zu beschaffende Material zu verschaffen.

Nicht immer waren sich die Herren dabei natürlich einig und die Diskussionen konnten auch schon einmal, lautstark geführt, bis spät in die Nacht weiter gehen. Doch letztendlich kam immer das bestmögliche Ergebnis dabei heraus. Nicht umsonst hatte man sich in der Landeshauptstadt schon von jeher das Handwerk groß auf das Stadtwappen geschrieben und war zu Recht stolz auf seine Meisterwerke.

Erst nachdem die Planungen soweit unter Dach und Fach waren und die Prioritäten festgelegt,würde man damit beginnen die Arbeitskräfte zu rekrutieren und die ersten Materialien zu bestellen.

Mittlerweile erreichen Bryson und seine Leute Nachrichten aus dem ganzen Norden und auch dem Osten Maritims. Fürst Aron Kingley hatte nicht zu viel verspochen und sich ins Zeug gelegt die benötigeten Waren, Rohstoffe und Baumaterialien heran zu schaffen.

Die Taverne "Zum schwarzen Elch" fertig gestellt, eine Anlegestelle und auch erste Lagerhäuser konnten dank der neuen Arbeitskräfte in Auftrag gegeben werden. Noch mochten all diese Bauten aus Holz gemacht sein, doch sobald der nahegelegene Steinbruch des Fürsten die ersten Lieferungen brachte, würden die Gebäude mit steinernden Ausbauten erweitert werden.

Francis Bryson, der inzwischen vom Fürsten hochoffiziell zum Stadthalter der neu entstehenden Hafenstadt Port Patriam ernannt worden war, hatte den Bau des Rathaus mit einem Ratskeller und für die Arbeit benötigten Sitzungs und Geschäftsräume veranlasst. Ein Blick in seine persönlichen Geschäftsbücher zeigt jedoch auf, das sein persönliches Vermögen, das er zur Zeit in Ermangelung von Steuereinahmen, aufbringen musste die Stadtaksse bestenfalls nur noch bis zum Ende des folgenden Monats füllen konnte.

Ab diesem Zeitpunkt wurde die Zukunft ungewiss. Er dachte nach. Es wurde an der Zeit einen geeigneten Mann, einen Sheriff, zu suchen der im Stande war von der hier arbeitenden Bevölkerung und den Händlern die üblichen Steuern einzutreiben. Aufgrund der Engpässe überlegte er, Neu-Bürgern der Stadt Steuererleicherungen im Gegenwert für ehrliche Aufbauarbeit zu erlassen. Doch mußte er diese politische Entscheidung erst mit dem Fürsten abstimmen.

Inzwischen traf auch das Schiff von Captain Sanches, die Virgin am Anlegesteg ein. Gegen nachmittag wurde ein Mann namens John Rackham , der Virgin eine kleine Truhe zu übergeben. Rackham stellte sich den Leuten als provisorsicher Hafenmeister vor, der erst heute Morgen von Bryson ernannt wurde und kurzfristig die Planung und den Bau der Hafenanlagen überwachen solle, da er zuletzt auf der Black Angle als Zimmermann-Meister dienlich war.

Auch eine Karawane aus dem östlichen Fürstentum setzte sich gen Port Patriam in Bewegung. Man hoffte darauf mit der neu erblühenden Stadt gutgehende Handelsverträge abschließen zu können.

Währenddessen irgendwo in Italien....

Gelangweilt streifte die Contessa in Zigeunergewand durch die Strassen der kleinen Stadt. Sie war schon vor einiger Zeit hier gestrandet und hatte wie so oft für Aufsehen gesorgt. Doch inzwischen hatte sich das gelegt. Niemand störte sich mehr an ihrem Erscheinungsbild. Kaum jemand interessierte sich noch für seine Zukunft, und auch das Tanzen brachte ihr nur noch halb so viel Spass und Einnahmen. Kurz um, es war nichts los. Die Leute waren einfach zu bodenständig. Zwar war sie noch nicht wirklich auf die Einnahmen durch ihre Talente angewiesen, doch ewig würde die monatliche Unterhaltszahlung nicht ausreichen und bis die Nächste ihr Ziel erreichte, zog es sich noch hin.

Während sie weiterging, lauschte sie den neusten Neuigkeiten, die unter den Bewohnern die Runde machten. Salvatore da Dilugo, der reiche Guthofbesitzer war ganz plötzlich verstorben. Wie schade für ihn, dachte Desdemona. Er war einer der Ersten, die ihre Kunst in Anspruch nahmen. Da Dilugo war schon lange auf der Suche nach einer Frau, konnte aber die Passende nicht finden. Desdemona hatte ihn vorausgesagt, das er noch vor dem nächsten Vollmond eine Gemahlin finden würde. Und sie sollte recht behalten. Vor einer Woche ehelichte der reiche Guthofbesitzer aus einem der Nachbardörfer. Eine schöne, junge Witwe. Ihr erster Mann, ein wohlhabender Kaufmann hatte vor wenigen Monaten das Zeitliche gesegnet. Bedauerlich, für Salvatore das sein Glück nur so kurz anhielt.

Ein weiteres Gesprächsthema war die alte Magda. Sie war beim Wäsche waschen am Fluss auf einem Stein ausgerutscht und hatte sich das Bein gebrochen. Na hoffendlich hatte ihr wenigstens die Salbe gegen ihr Rückenleiden geholfen, die ich ihr vorgestern verkauft habe, dachte Desdemona bei sich.

Das Hauptgesprächsthema war jedoch die neue Hafenstadt, die einige Tagesreisen mit dem Schiff entfernt auf einer weit abgelegen Insel gegründet wurde. Desdemona wurde hellhörig. Eine Hafenstadt bedeutete Schiffe und wo Schiffe waren, da gab es auch Seeleute. Genau das richtige Klientel für sie. Sie brauchte nur ein Schiff das sie dorthin bringen würde. Zum Glück lagen einige im Hafen. Sicherlich würde sie eines davon bereiterklären sie für eine angemessene Bezahlung mitzunehmen.Tatsächlich fand die Contessa einen Capitän, der bereit sie zu der Insel zu bringen.Diese Unternehmung verschlang jedoch den Hauptteil ihrer noch verbliebenden Gelder.

Die Überfahrt war nicht gerade erfreulich. Kaum hatte das Schiff Segel gesetzt und das offene Meer erreicht, zog ein heftiger Sturm auf, der tagelang wütete. Erst am letzten Tag ihrer Reise legte sich das Unwetter wieder und sie fuhren bei strahlenden Sonnenschein in den Hafen ein. Das Schiff und seine Besatzung waren jedoch durch den Sturm stark gebeutelt worden und sahen entsprechend mitgenommen aus. Sie bezahlte den Capitän aus, der sehr erleichtert schien sie endlich loszuwerden. Für Desdemona einwenig unverständlich. Immerhin hatte sie ihm kurz vor der Abreise die Karten gelegt und vorausgesagt das er bald ein reicher Mann sein würde. Die Zahlung die er von ihr erhalten hatte waren ein guter Grundstock dafür. Zu dumm, das der Größtteil nun für die Reparaturen am Schiff draufging. Doch das war nicht ihr Problem. Gutgelaunt verließ sie das Schiff.
 



 
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