36-Stunden-Übung

Blue Sky

Mitglied
In einem kleinen Waldstück in der Holsteinischen-Schweiz liegend, ließ ich meine Blicke in die Baumkronen schweifen. Ich hatte mit einigen Kameraden einen Ausbildungsauftrag. Zusammen mit zwei weiteren Marschgruppen aus dem Hörsaal haben wir in der Dunkelheit ein Biwak aufgeschlagen. Holger und ich hatten unsere Dackelgarage "zur Übung" aufgebaut. Aber da hineinlegen? Zu zweit? »Auf geht‘s«, meinte er »Wenn schon draußen, dann richtig.« Er hatte recht, die Schlafsäcke waren bestens für eine Übernachtung unter freiem Himmel geeignet. Gelegentlich übernachtete ich in einer Kasernenstube nur in dem Inlett. Ich bezog den Bock nicht extra mit Bettzeug. Es ging schneller, war bequemer und wärmer.
Im Schlafsack eingemummelt und mit meiner trockenen Wechselunterwäsche am Leib war es das erste Angenehme an diesem Tag. Ausgerechnet wir mussten den entgegengesetzten Weg des sonst üblichen nehmen und damit gleich zu Anfang durch einen kleinen Fluss waten. Alles war nass, bis unter die Achseln. In diesem Spätherbst und wegen des Zeitplans gab es keine Chance, die Klamotten zu trocknen. Nicht nur meine Eis-Füße brauchten eine Weile, bis sie wieder angenehm warm waren. Trotz allem sollte es wenigstens eine kleine Mütze Schlaf sein, denn jederzeit konnte uns ein Alarm oder ein weiterer Einsatzbefehl aufscheuchen. Holgi hatte sich unweit von mir an einer dicken Eiche niedergelassen. Meine Kapuze vom Schlafsack hatte ich fast komplett zugezogen, nur Augen und die Nasenspitze schauten heraus. Spärliche, leicht schaukelnde Blätter an den Bäumen glänzten schillernd, wenn sie vom Mondlicht zwischen den schnell ziehenden Wolken beleuchtet wurden. Es herrschte Totenstille. Ich lauschte nach Geräuschen, von denen ich dachte, dass sie nachts im Wald zu hören sein müssten. Da war nichts. Nicht mal das Rauschen des Straßenverkehrs aus der Ferne war zu vernehmen. Nur ein gelegentliches Aufschnarchen eines Kameraden brach vereinzelt die Ruhe. Meine Augenlider wurden schwer und die Kälte an den Beinen und am Hintern trat immer weiter in den Hintergrund. Mit dem letzten Blinzeln und fast im Einschlafen bemerkte ich einen großen Schatten durch die Baumkrone. Dazu vernahm ich ein Wispern, wie ein kurzer Windhauch durch trockenes Laub. War da eine Nachtstreife, oder hatte sich eine gegnerische Gruppe angeschlichen? Ja, genau, durch die Baumwipfel! Bin ich mallig? Bestimmt nur eine Eule. Solls ja geben im Wald ...
Wieder beruhigt, fielen meine Augenlider dann ins Schloss. Jetzt raschelte etwas deutlicher durch die Blätter. Doch eine Eule oder eine Fledermaus? Feixte sich da jemand eins ins Fäustchen? Knackend brach ein Zweig kurz hinter dem Stamm des Baumes, an dem ich lag. Die Augen weit aufgerissen, starrte ich durch die Äste in den dunkelgrau verhangenen Wolkenhimmel und versuchte, was zu erkennen. Hellwach lauschte ich in die Dunkelheit, bemüht, so lautlos und wenig wie möglich zu atmen. Das Blut rauschte in meinen Ohren und überlagerte zusammen mit jedem schneller werdenden Pulsschlag leise Geräusche. Dann zwei dumpfe schwere Schläge in den weichen Waldboden begleitet von einem Seufzen. War da ein Reh, schlimmer gar ein Bär? Mir lief es eiskalt über den Rücken. Dabei redete ich mir ein, um Holger besorgt zu sein. Ich drehte mich langsam, schaute zu ihm hinüber. Zu meinen Ohrgeräuschen knisterte die Regenhülle vom Schlafsack. Holgi bewegte sich nicht. Er schien fest zu schlafen, es war kein Laut von ihm zu vernehmen. Was war da nur? Zwei Schritte im raschelnden Laub ließen mich überlegen, eine Alarmmeldung abzusetzen. Ohne aber genau zu wissen, weswegen, verwarf ich diesen Gedanken gleich wieder. Da ..., eindeutig ein kurzes helles Kichern. Vorsichtig und langsam fuhr ich mit den Armen in die Ärmel vom Schlafsack und tastete zittrig nach dem Gewehr. Wäre doch bloß nicht nur Manövermunition im Magazin. Ein warmer Windhauch strich über meine Nase, während ich ein Kratzen an der Baumrinde wahrnahm. Langsam drehte ich mich weiter in die Richtung, in der mein Kamerad lag um zu versuchen, ihn auf die eigenartigen Geräusche aufmerksam zu machen. Den Spannhebel vom G3 vorgeklappt, könnte ich es fertig laden. Ließ jedoch gleich wieder davon ab. Platzpatronen! Warum ...? Ein Warnschuss oder Tiere verjagen, müsste aber funktionieren. In meinem Kopf schwirrten die Gedanken durcheinander und so rutschte ich tiefer in den Sack hinein. Dann sah ich sie und zuckte zusammen: Zwei nackte Füße. Direkt neben mir im Laub. Es waren mit Sicherheit nur Sekunden, obwohl es sich wie eine Ewigkeit anfühlte, in der ich nachdachte: aufrichten? Die Knarre in Anschlag bringen? Etwas lastete aber auf meiner Schulter. Der Druck wurde immer stärker. Ich versuchte, dagegenzustemmen. Mund und Nase wurden zugehalten. Ich lag fixiert am Boden und das Atmen fiel mir schwer. Schreien war unmöglich. Mit ganzer Kraft stemmte ich gegen das Gewicht, doch es hielt mich wie in Beton gegossen. Nur der Kopf ließ sich leicht bewegen. Wie durch sich spreizende Finger bekam ich wieder Luft. Ohne Gegenwehr versuchte ich, die Lage zu begreifen. Meine Augen fuhren aufgeregt herum und blieben an zwei bloßen Knien auf mir hängen. Die Wolken gaben das Licht des Mondes frei und ich erkannte das bezaubernde Gesicht eines - Mädchens - einer Frau - eine ...? Dunkle Schatten lagen auf ihrem Antlitz. Im Zwielicht schauten sternengleich funkelnde Augen direkt in meine. Ihre Wangen schienen schmutzig. Eine getarnte Kameradin aus der Aggressor-Einheit? Sie verzog ihre vollen Lippen zu einem verschmitzten Lächeln. Heller werdendes Mondlicht zeigte sie deutlicher. In unserer Inspektion gab es keine, und ich konnte mich nicht entsinnen, dass derzeit im gegnerischen Zug Frauen waren. Und wenn, wieso ist sie hier jetzt nackt? Eine wilde, zerzauste Mähne bedeckte ihre Blöße bis herunter zwischen ihre Schenkel. Ein Blick genügte, um mich in ihren Bann zu ziehen. »Psss..., keine Angst«. Mit zwei Fingern drückte sie auf meine Lippen. Mit einem Zwinkern und Kopfnicken signalisierte ich ihr, dass ich mich ruhig verhalten würde, was mir ein zauberhaftes Lächeln einbrachte. Immer wieder sah sie sich um, dann flüsterte sie. »Ist dir auch so kalt?« Erneutes Nicken meinerseits, während ihre Hand in meine Kapuze fuhr und über die Wange strich. »Wer bist du?«, fragte ich mit gedämpfter Stimme.
»Mein Name ist Runa«, hauchte sie leise, und ich fühlte ihre Hand mit einer überwältigenden Wärme streicheln. »Was …?«, da legte sie mir gleich wieder einen Finger auf den Mund. Das Gewehr rutschte beiseite. Sie beugte sich tiefer. Nach Rosmarin und Minze duftendes Haar kitzelte im Gesicht. Mein Atem beschleunigte sich aufs Neue. Sie begann lächelnd, den Reißverschluss von außen aufzuziehen. Mir war alles andere als kalt und nicht nur wegen des vorangegangenen Versuches, mich zur Wehr zu setzen. Allein ihr Blick und die Berührung ihrer Hände versprach sinnliche Zärtlichkeit. In mir brannte das unbändige Verlangen, sie in die Arme zu schließen. Synchron liefen der Innenreißverschluss und der äußere nach unten. Ihre warmen Hände schoben mein Unterhemd herauf und verwöhnten meinen Körper. Ihre Beine streiften meine. Unsere Lippen fanden sich. Verloren an sie, wollte ich immer mehr davon. Sie rekelte sich auf mir und rutschte eng neben mich. Gemeinsam schlossen wir erst die Außenhülle, dann schob sie den Verschluss der Inneren, so hoch wie möglich. Gluthitze baute sich in mir auf. Heiß, wie Lavaströme fühlte ich ihre Hände, ihre Schenkel und ihre Lippen auf mir. Wie von allein verschmolzen unsere Körper und erreichten den ersten Gipfel der Lust. Die Hitze stieg weiter und weiter zu einer gigantischen Erregung. Wie konnte sie ...? Sie wird doch nicht ...? Oh Teufel, wow wow wow! .... Unglaublich. Ich war nicht mehr in diesem Waldstück, sondern schwebte mit ihr immer höher und weiter hinaus.
Bis mir jemand mit flacher Hand ein paar Mal auf den Kopf klapste und ich Holgers Stimme vernahm: »Hey! Hör auf damit!« Ich wand mich verlegen von ihm ab und spürte Runa zusammenzucken. Sie stoppte abrupt ihr hinreißendes Spiel. »Komm schon, los los, wir müssen in die nächste Stellung!«, rief mein Kamerad weiter und ich hörte knirschende Stiefel im Waldboden. Unser derzeitiger Gruppenführer tapste heran. »Himmel, lass es nur Klamotten sein, was da in deinem Schlafsack ist!«, heischte er mir im Vorbeigehen zu. Im selben Moment landete meine Zeltbahn auf mir, gefolgt von Holgi‘s Worten: »Hoch jetzt, pack zusammen!«.
Anschließend war es wieder still. Ich streichelte meiner traumhaften Besucherin über die Schulter, worauf sie grinsend hervorschaute. »Ist die Luft rein?«
»Ja«, antwortete ich und sah mich um dabei. Nach ein paar schnellen Küssen, die sie frech schmatzend auf mir verteilte, wand sie sich aus dem Schlafsack heraus. Der Schwung ihrer Hüfte, die feucht glänzende Haut um ihren Po und ein verführerischer Luftkuss weckte den unbändigen Wunsch, ihr zu folgen. Ihre Hand strich an der Rinde der Buche herunter. Dann war sie wieder verschwunden.
Wind kam plötzlich auf, frischte mit kräftigen Böen über mich hinweg. Schwarze Wolken türmten sich auf, in der Ferne grollte es. Kalte Tropfen eines Regenschauers klatschten mir ins Gesicht und brachten mich damit von einer Sekunde auf die andere in die unangenehme Wirklichkeit.
Holgi kam aus einem Gebüsch hervor. »Na, bist du fertig?«
»Ja, äh nei...« Ungewissheit nagte an mir. Ich musste ihn fragen, ob er das Mädel auch gesehen hat.
»Du säufst zu viel!«, entgegnete er nur und trieb mich weiter zur Eile an.
Leider sah ich Runa nicht mehr wieder, nahm mir aber vor, die Suche niemals aufzugeben.
 



 
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