4. Kapitel

Feya hätte nie gedacht, das ein Bett so gemütlich sein kann und lümmelte den ganzen Vormittag des nächsten Tages in jenem herum. Manchmal döste sie, dann „testete“ sie die Federung oder grub sich tief in das Kissen. Doch gegen Mittag lag sie einfach mit hinter dem Kopf verschränkten Armen da und dachte über den gestrigen Tag nach. Wenn sie auf ihrem Strohsack aufgewacht wäre, hätte sie dies alles wahrscheinlich für einen witzigen Traum gehalten, aber hier fand sie es gar nicht mehr lustig.
Es war kurz nach Mittag, als sie erschrocken auffuhr, denn es klopfte. Langsam ging sie zur Tür und fragte mit verstellter Stimme, „Wer ist da?“
Nach einem kurzen Schweigen flüsterte Maruks Stimme misstrauisch zurück, „Feya, bist du das?“ Sie kicherte leise und erwiderte, während sie den Schlüssel herumdrehte, „Nein, hier ist Nyris!“, dann riss sie die Tür mit einem Ruck auf und brach in schallendes Gelächter aus. Maruk stand gebeugt vor der Türe, als habe er durch Schlüsselloch gelinst und hatte einen so verwirrten Gesichtsausdruck, dass sie einfach nur lachen konnte.

Maruks Miene hingegen verfinsterte sich schlagartig, er drängte sie ins Zimmer, schloss eilig die Türe und drehte den Schlüssel herum. Feya holte keuchend vor lachen Luft und versuchte sich zu beruhigen. Die Tränen standen ihr in den Augen. Der Priester lehnte sich mit dem Rücken an die Tür, schloss die Augen und stieß einen langen Seufzer aus. Er war verschwitzt und sein Atem rasselte hörbar. Das Mädchen verstummte, fragend blickte sie ihn an, während er nun die Schultern vor Erschöpfung hängen ließ und den Kopf schüttelte. Sie trat auf ihn zu und er richtete sich abrupt auf.
„Feya, pack alles zusammen wir müssen hier weg! Wir sind hier nicht mehr sicher!“
Feya hob fragend die Augenbrauen, rührte sich aber nicht. Der Priester fuhr sich nervös durchs Haar und sprach fast schon entschuldigend weiter.
„Pass auf, ich habe mit jemanden gesprochen, aber er hat uns entweder verraten, oder ich bin beschattet worden. Die Wache ist hinter mir her, aber... „ er holte tief Luft „ ich konnte sie abhängen. Ich weiß nicht wann sie hierher finden, darum beeil dich!“
Er ging eilig zum Fenster und spähte durch die Vorhänge hinaus, doch Feya rührte sich immer noch nicht, Trotz und Wut kam in ihr hoch. Als Maruk sich umwandte und Feya noch immer an ihrem Platz stand und eine Miene zog, rang er mit den Händen.
„Was ist denn jetzt schon wieder? Warum packst du nicht deine Sachen zusammen?“
„Du erzählst mir genau was passiert ist, ich habe keine Lust, dass wenn ich schon gejagt werde nur die Hälfte zu verstehe!“ konterte sie.
„Feya, wie kann man nur so störrisch sein ..... ich erzähle es dir während du zusammenpackst, ja? Aber bitte... fang endlich an!“

Feya seufzte kurz auf und öffnete ihren Rucksack, währenddessen begann Maruk in kurzen Sätzen zu erzählen.
„Also gut, ich wollte dich aus der Stadt bringen und ein wenig Gras über die Sache wachsen lassen. Dein Steckbrief erstreckt sich nur über die Stadt, keiner vermutet das du sie verlassen würdest.“ Er beobachtete sie und spähte zwischendurch immer mal wieder zwischen dem Vorhang auf den Platz vor dem Gasthaus. „ Ich traf mich mit einem Freund, der mir noch einen Gefallen schuldete, aber ich glaube er hat mich verraten. Nach dem Gespräch bin ich zum Markt, um für uns einzukaufen. Als ich fast alles erledigt hatte, bemerkte ich ein paar Wachen. Sie unterhielten sich mit einem Passanten der dann auf mich deutete. Ich verstehe selbst nicht warum sie mich suchen. Ich ging zügig von den Wachen fort, aber sie folgten mir, den Rest kannst du dir denken...!“
Feya nickte nur kurz über ihren Rucksack gebeugt, verschnürte ihn und hob den Kopf.
„Und was hast du nun für einen Plan?“
Er zuckte mit den Schultern und versuchte zu lächeln, „Na ja, ich ...ähm... bring dich in ein anderes Versteck, dort ziehen wir uns um und Nachts verlassen wir die Stadt durch die Kanäle!“
„Durch die Kanäle?“, Sie richtete sich nun gänzlich auf und funkelte ihn an „Haben dich die Zwillinge total verlassen? Wir können nicht...“ Maruk schnitt ihren Satz mit einer Handbewegung ab, zog die Vorhänge hastig zu und sprang zur Tür.
„Sie sind auf dem Platz und nähern sich zielstrebig dem Gasthaus!“
„Wer?“
„Die Wachen, und diesmal sind es mehr als zwei!“

Er schloss leise die Tür auf und öffnete sie vorsichtig. Dann spähte er auf den Flur, winkte sie zu sich und legte einen Finger auf seine Lippen. Leise und eindringlich redete er auf sie ein.
„“Der Wirt ist ein guter Freund...“
„So gut wie der letzte?“ fragte sie gereizt.
„... er wird die Wachen eine Weile aufhalten. Wir verlassen das Haus durch das Fenster am anderen Ende des Flurs. An der Hauswand steht ein Baum, auf den springen wir und benutzen die Leiter die am Stamm lehnt um auf den Boden zu gelangen. Dann verstecken wir uns! Du gehst zuerst, ich decke dir den Rücken!“ Mit diesen Worten deutete er auf ihren Rucksack und dann auf das Fenster am Ende des Ganges. Wütend schnappte sich Feya ihren Rucksack und hastete zum Fenster, es ließ sich leicht öffnen. Maruk blieb in der Mitte des Ganges und beobachtete die Treppe am anderen Ende.
Feya spähte zum Baum, ein dicker knorriger Ast verlief ca. 60 Fingerbreit vor dem Fenster, keine schwierige Distanz. Entschlossen warf sie ihren Rucksack in den Hof und schätzte die Entfernung zum Boden. Das Mädchen lächelte grimmig, setzte sich auf den Fensterrahmen, drehte den Rücken zum Baum und ließ sich am Rahmen herunter gleiten. Ihre Füße baumelten noch knapp anderthalb Schritt über den Boden, aber diese Entfernung war für das Mädchen nicht der Rede wert. Gekonnt stieß sie sich an der Wand ab, ließ im günstigsten Moment den Rahmen los und landete mit einer Rolle im Hof.

Nachdem sie sich aufgerichtet hatte, nahm sie ihren Rucksack und blickte sich im Hof um. Viele Möglichkeiten sich zu verstecken gab es nicht, das Einzige was ihr annehmbar schien war das leicht geöffnete Tor der Scheune gegenüber. Schnell sah sie noch mal zum Fenster auf, in dem sich der Schatten von Maruk abzeichnete und hastete dann zum Scheunentor. Sie öffnete es gerade so weit, dass sie hindurchpasste und schlüpfte in die Sicherheit der Dunkelheit.
Angespannt lauschte sie, sie hörte laut gebrüllte Befehle und das protestierende Geschrei des Wirtes. Vorsichtig lugte sie durch den Spalt der Tür. Maruk war schon auf dem Baum und schickte sich an die Leiter nach unten zu benutzen. Feya hörte wie jemand eine Tür aufriss und brüllte: „Hier sind sie nicht ... durchsucht alle Zimmer!“
Der Priester war inzwischen am Boden angelangt und schaute sich um. Feya zischte ihm ein leises „Hier!“ zu und drückte sich wieder in die Dunkelheit. Kurz darauf erschien Maruk in der Tür und schloss sie leise hinter sich.
„So, und nun?“ fragte sie gereizt.
Doch er antwortete nicht, sondern murmelte nur etwas vor sich hin. Feya setzte an Maruk etwas lauter zu fragen, als plötzlich eine kleine Flamme erschien, die auf Maruks Hand tanzte.
„Psst“, er hatte die Hand auf ihren Mund gelegt, „Folge mir, es gibt hier einen geheimen Gang! Gut dass du gleich hier rein gegangen bist, das erspart uns viel Zeit. Normalerweise benutzen Schmuggler den Gang, wir müssen also vorsichtig sein.“
Er deutete auf einen großen Haufen Heuballen.

„Ich leuchte dir und du suchst die Falltür. Sie muss irgendwo unter diesem Stapel sein.“
Feya runzelte beim Anblick des Stapel nur noch die Stirn, trat aber dann doch zu den Heuballen. Nach einigem Hin- und Herschieben entdeckte sie die Falltüre. Quietschend öffnete sie sich, als Feya an dem schweren Eisenring zog. Maruk leuchtete nach unten, eine Steintreppe führte in die Tiefe.
„Du zuerst!“
Feya wollte protestieren, aber die gebrüllte Befehle und Schritte im Gleichtakt näherten sich schon dem Hof. Kurzentschlossen eilte sie die Stufen hinab.
Maruk schob hastig zwei Heuballen zur Falltür, stieg dann die ersten Stufen hinab und riss sich zwei Stoffstreifen aus dem Gewand. Dann legte er die Fetzen auf den Boden an die Falltür, das noch je ein Zipfel in den Schacht hineinfiel. Nun zog er die Heuballen auf je einen Fetzen und klappte die Falltüre zu. Vorsichtig zog er an den Zipfel und langsam schoben sich dir Heuballen über die Falltür. Erleichtert ausatmend folgte er dann Feya die Stufen hinunter.
 



 
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