45. Über die Brücke

Amadis

Mitglied
Der Wagen rumpelte über die an dieser Stelle reichlich ausgefahrene Straße in Richtung des großen Stroms. Marc saß auf dem Kutschbock neben Werla und musste sich ein ums andere Mal festhalten, wenn ihr Fahrzeug über eine besonders schlechte Stelle der Straße fuhr.
Werla fluchte und auch aus dem Inneren des Wagens hörte Marc immer wieder das Schimpfen der Insassen. Rocarla streckte ihren Kopf heraus und schaute Werla wütend an.
„Kannst du nicht aufpassen und wenigstens den größten Löchern ausweichen?“
Werla brummte böse.
„Wenn du es besser kannst, darfst du mich gern ablösen!“ Er schnaubte. „Diese sogenannte Straße besteht nur aus Löchern.“
Jor'ass war vor einiger Zeit voraus geritten, um den weiteren Weg zu erkunden. Marc sah ihn schon von weitem winken, als er zurückkehrte. Werla stoppte den Wagen und sah seinem Freund erwartungsvoll entgegen.
„Sundasch!“, rief er nach hinten. „Ich glaube, du solltest heraus kommen.“
Er zog die Feststellbremse an und sprang vom Kutschbock. Marc, der ganz froh über die kleine Pause war, tat es ihm gleich und reckte seine schmerzenden Glieder. Sundasch und die beiden anderen kletterten ebenfalls aus dem Wagen.
Jor'ass galoppierte heran und brachte das Pferd nahe des Wagens zum Stehen. Er sprang aus dem Sattel. Sein Atem ging heftig.
„Ich war kurz vor der Brücke. Die Garde kontrolliert alle, die die Brücke überqueren wollen.“
Rocarla fluchte völlig undamenhaft. Werla schaute Sundasch an.
„Was meinst du, Zauberer? Haben wir eine andere Möglichkeit, den Grold zu überqueren?“
Der Alte dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf.
„Hier in der Nähe nicht.“ Er kratzte sich am Kopf. „Ich glaube, etwas weiter flussabwärts gibt es eine Fähre, aber mit dem Wagen … nein, das geht sicher nicht. Wir müssen über die Brücke!“
Jor'ass lachte sarkastisch.
„Und wie stellst du dir das vor?“ Er stemmte die Arme in die Seite und blickte verzweifelt zum stahlblauen Himmeln hinauf. „Wenn wir Pech haben, kommen die Kerle aus Skarding und erinnern sich an den durchschlagenden Erfolg, den wir dort mit unserer Darbietung hatten.“ Ein erneutes sarkastisches Lachen folgte seinen Worten.
Sundasch nickte.
„Ich verstehe und teile deine Bedenken, Jor'ass, aber wir haben keine Wahl. Wir müssen es darauf ankommen lassen.“ Er lachte leise. „Allerdings sind die Chancen nicht so schlecht, wie du denkst. Wir haben jetzt den Vorteil, dass wir von der Anwesenheit der Gardisten wissen.“ Er strich über seinen Bart. „Ich habe so meine Möglichkeiten, wenn du verstehst, was ich meine.“ Er schmunzelte.
„Na, dann hoffe ich, dass deine Möglichkeiten ausreichend sind, Zauberer“, brummte Werla und schwang sich wieder auf den Kutschbock. „Sonst dürfte unsere Reise eine unerwartete Wendung nehmen.“
Sundasch wandte sich an Marc.
„Ich würde vorschlagen, du reist ab jetzt hinten im Wagen. Ich werde mich auf den Kutschbock setzen, damit ich eingreifen kann, sollte es kritisch werden.“
Marc nickte und kletterte zusammen mit Rocarla und Arkosch in den Wagen, während Werla dem Zauberer half, zu ihm auf den Kutschbock zu steigen.
An der Brücke hatte sich eine Schlange von Wagen, Reitern und Fußgängern gebildet, die ungeduldig warteten, die Brücke überqueren zu können. Vor dem Wagen der Schauspieler befand sich ein Bauer oder Händler, der auf seinem Wagen Ware transportierte und der sich lautstark über die „Wegelagerei“ der Garde beklagte. Allgemein herrschte eine gereizte Stimmung unter den Wartenden, die nur langsam von den Gardisten abgefertigt wurden.
Marc schätzte, dass es fast eine halbe Stunde dauerte, bis er zum ersten Mal das Holz der großen Brücke unter den Rädern knirschen hörte, und eine weitere halbe Stunde, bis sie den Gardeposten, der in der Mitte der Brücke errichtet worden war, erreichten. Der junge Franzose schaute durch eine kleine Öffnung an der Seite des Wagens hinaus und konnte erkennen, dass die Soldaten offenbar eine Art Schlagbaum errichtet hatten. Auf seiner Seite erkannte Marc ein halbes Dutzend in eine archaisch wirkende Ledermontur gekleidete Männer, die mit Schwertern und langen Spießen bewaffnet waren. Einige Male bewegte sich ein wichtigtuerischer Zivilist durch seinen Sichtbereich, der hier ganz offensichtlich das Sagen hatte – oder das zumindest dachte. Als der Wagen den Schlagbaum erreichte, konnte Marc sehen, dass der Zivilist flankiert von zwei Gardisten neben den Kutschbock trat.
„Wer seid ihr und woher kommt ihr?“, erkundigte er sich barsch.
Jor'ass, der von seinem Pferd abgestiegen war, baute sich vor ihm auf. Er überragte den eher schmächtigen Mann beinahe um Haupteslänge.
„Wir sind Schauspieler und waren zuletzt in Fertstin, wo wir das Volk mit unseren Darbietungen erfreut haben.“
„Wo, bei den Feuerdämonen, liegt Fertstin?“
„An der östlichen Handelsstraße auf halbem Weg zwischen Skarding und Groldfall.“
Der Mann zuckte die Schultern.
„Nie gehört“, brummte er. „Und wohin wollt ihr?“
„Nach Mor'Klatt und dann noch weiter am Grold entlang Richtung Süden. Wo immer man unsere Darbietungen sehen möchte.“
Der Mann verzog geringschätzig das Gesicht.
„Na, damit wird es wohl nicht weit her sein.“
Plötzlich erklang eine andere Stimme, dunkel, befehlsgewohnt.
„Kenne ich euch nicht, Bursche?“
Ein kräftiger Mann in der Ledermontur der Garde, die von einem roten Band geziert war, das bei den anderen Gardisten fehlte und den Mann wohl als eine Art Offizier auswies, erschien in Marcs Blickfeld. Er sah Jor'ass und die beiden Männer auf dem Kutschbock misstrauisch an. Marc fuhr der Schreck in die Glieder, und er schaute zu Rocarla hinüber, die blass geworden war.
„Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal gesehen haben, Hauptmann, es sei denn, Ihr habt eine unserer Vorstellungen besucht.“ Sundaschs Stimme klang bestimmt und Marc konnte die fast hypnotische Wirkung der Worte spüren, obwohl er nicht derjenige war, den der Zauberer ansprach. „Wir sind nur einfache Schauspieler. Ihr solltet uns passieren lassen.“
Der Zivilist wandte sich an den Offizier.
„Sie sind nur einfache Schauspieler. Wir sollten sie passieren lassen.“
Der Offizier hatte ganz offensichtlich einen stärkeren Willen, als der Zivilist, denn er zögerte, schien zu überlegen. Dann aber winkte er seinen Männern, den Schlagbaum zu heben.
Jor'ass stieg auf sein Pferd und der Wagen rollte knirschend an.
„Das sind nicht die Droiden, die ihr sucht“, murmelte Marc und musste unwillkürlich grinsen.
„Was meinst du?“, erkundigte sich Arkosch, der neben Marc saß und die Szene gebannt verfolgt hatte.
„Nicht wichtig, es hat mich nur an etwas erinnert.“
Der Wagen rumpelte weiter über die riesige Brücke und erreichte unbehelligt das gegenüberliegende Ufer des Stroms. Jetzt konnte Marc durch sein Guckloch einen Blick auf die hölzerne Konstruktion erfassen. Der junge Franzose war Ingenieur und konnte die Leistung ermessen, die der Bau dieser Brücke mit den hier verfügbaren Materialien und technischen Möglichkeiten darstellte. Er nickte anerkennend.
„Das ist eine beeindruckende Brücke.“
Arkosch nickte.
„Ja, ich habe sie auch erst ein einziges Mal gesehen. Damals war ich noch klein.“
„Als ob du jetzt groß wärst“, flachste Rocarla woraufhin ihr Arkosch die Zunge heraus streckte..
Marc kletterte nach vorn und steckte den Kopf aus dem Wagen heraus.
„Das war eine ziemlich coole Nummer, Sundasch“, meinte er grinsend. „Man könnte fast meinen, du wärst ein Jedi-Meister.“
Der Zauberer schaute ihn fragend an.
„Was ist ein Jedi-Meister?“
„Eine Art Zauberer in einem Film, der bei uns sehr bekannt ist.“
„Film? Du sprichst wieder in Rätseln, mein Junge.“
„Na ja, ein Film ist ...“ Er überlegte. „Ach vergiss es, das kann ich nicht so einfach erklären.“ Er lachte. „Auf jeden Fall war es ziemlich beeindruckend, wie du diese Gardisten beeinflusst hast.“
„Der Zivilist war kein Problem“, meinte der Zauberer. „Das war nur ein aufgeblasener Wicht. Bei dem Gardehauptmann war es schon etwas schwieriger. Vor allem, weil er uns wirklich gekannt hat. Ich kann mich an ihn erinnern. Er war in Skarding.“
Werla nickte.
„Ich dachte auch, dass ich ihn schon einmal gesehen hatte.“ Er stöhnte. „Das war verdammt knapp.“
„Ich bin froh, dass ich nicht mehr von meiner Zauberkraft einsetzten musste. Wir sollten möglichst wenig auffallen.“
„Werden sie nicht misstrauisch werden, wenn sie überlegen, warum sie uns so plötzlich passieren ließen?“, erkundigte sich Marc.
Der Zauberer schüttelte den Kopf.
„Nein, sie werden sich nur ganz verschwommen überhaupt an uns erinnern oder gar nicht. Spätestens morgen haben sie den Vorfall komplett vergessen.“
„Wie weit ist es noch bis zu unserem Ziel?“, wechselte Marc das Thema.
Sundasch schaute zur Sonne.
„Wir werden noch vor Sonnenuntergang dort sein. Ich werde gleich mit meinem Freund Farnon Kontakt aufnehmen. Wir werden wohl nicht nach Mor'Klatt hinein, sondern direkt zu Farnons Haus an der südlichen Handelsstraße fahren. Das Haus liegt etwas außerhalb der Stadt und wir können auf dieser Straße bleiben. Dann kommen wir direkt dort hin.“
 

flammarion

Foren-Redakteur
klasse,

der hinweis auf die jedi-ritter!
gemecker: im 4. absatz sogenannte Straße - so genannte.
. . . brachte das Pferd nahe des Wagens - nahe dem Wagen.
. . . froh, dass ich nicht mehr Zauberkraft einsetzten - einsetzen.
lg
 
Ich mag wie Du mit der Sprache spielst und hin und wieder Dinge einwirfst, die in unserer Welt bekannt sind, aber in Trimandar nicht :D

Alles trifft sich bei Farnon, da sollte es für Gorman und Martis schwer werden Hand an auch nur einen der Vier zu legen. Mal schaun :)
 



 
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